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S MCllIS TOl^llf.
mmHÜNGl DES VEREINS FÜR ME DER AACHENER VORZEIT
IM AUFTRAG DES VEREINS HERAUSGEGEBEN
HEINRICH SCHNOCK.
ACHTER JAHRGANG.
AACHEN.
Kommissions-Vbklag der ('kembb'schen Buchhandlung (C. Cazin).
189.1.
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INHÄLT.
8«ite
1. Baugeschichte des Hauses Friesheim. Von J. Bachkremer. . . . 1
2. Kleinere Mittheilungen:
1. Die Servielsburg als Eorrektionshatie. Von M. Schollen . . . 16
2. Die Neubedachong des Marschierthores. Von H. Schnock. . . 16
3. Reinard von Schönan, der erste Herr von Schönforst. Von H. J. Gross 17
4. Der Reliqnienbehälter des hl. Anastasios im Aachener Dom. Von
B. M. Lersch 76
5. Abbrach der Hftuser des Josephinischen Instituts und des Waisenhauses
in der Pontstrasse. Von J. Buchkremer 91
6. Kleinere Mittheilungen:
1. Freilegung des Chores der Nikolauskirche in Aachen. Von
J. Buchkremer 92
2. Spottgedicht auf die Franzosen aus dem Jahre 1793. Von C. Wacker 94
7. Die Familie von Friesheim in Aachen im 17. und 18. Jahrhundert. Von
Franz Oppenhoff 97
8. Der ehemalige malerische und plastische Wandschmuck im karolingischen
Theüe des Aachener Münsters. Von C. Rhoen 113
9. Bericht über das Vereinsjahr 1894^95 124
10. Mitgliederrerzcicliniss 126
•JH^t=5'
Anm Äm@&im@ ¥@f;iili
Jikhrtich 8 Niiramcrii Koinmissifms-Vei'Iaf; .
II 1 Bngcu Rny.ll .Olilav. ''*''
( 'reuicr'sc'Uen ßuclihniKlluiig
Trcis (ip^ .luhrsaiiss ,(, c„,„
4 Uark. in Aachen.
Mittheilungen des Vereins für Kunde der Aachener Vorzeit,
Im Auftrage ien Vereins berausgegebeD tou H. Sohnook.
Nr. 1. Achter Jahrgang. 1895.
Inhalt: J. Bnclikremer, BauKesohicht« des Hanscs Friesheim. ~ K. Wacker, Ein merk-
würdiger Fnnd. — Kleinere Mitllieilunfien: 1. Die Serriclsbiirg als Korruktiimsliaus.
2. Die Neabedachaii^ des Marschiert liorc».
Baugeschichte des Hauses Friesheim
(seit 1717 Armenhaus). — Aachen, Bergdrisch Xr. 2.
Von .1. Bochkremer.
H<enii drei Blatt Alibildaugen.
Im ,Tuni de-i vorigen Jahres hat Aachen wiedenim ein selir merk-
würdiges altes Bauwerk verleren. In Folge von Strassenerweitening an
der Stelle, wo sich Bergdrisch und Seilgraben vereinigen und zur Zeit
nur die geringe Strassenbreite von 4—5 Meter bestand, musste das Haus ■
Bergdiisch Nr. 2, das sogen. Friesheimsche Haus mit seiner nächsten
Umgehung abgetragen werden, üie neue Strassenflucht, deren Lage zu
den alten Gebäulichkeiten au» der punktirten Linie im Grundrisse Fig. 2
auf Blatt 1 zu erselien ist, liegt an der engsten Stelle 13 Meter weiter
zurück als die frühere Flucht und schnitt dadurch fast zwei Drittel von der
alten Baumasse weg, sodass eine sonst vielleicht ■ mögliche theihveise
Erhaltung des interessanten Hauses und eine Wiedevanfrichtung der alten
Fassade, der neuen Strassenflucht entsprechend, ganz ausgeschlossen war.
Alle, die sich für Aachens Vergangenheit interessiren, werden den Ver-
lust dieses Denkmals tief beklagt haben, ganz besonders aber diejenigen,
die dieses Haua genauer gekannt und ausser der Strassenansicht auch die
malerische Hofanlage und das Innere mit eignen Augen gesehen haben.
Es ist aber dafür Sorge getragen worden, dass durch zeichnerische
und photographische Aufnahmen das Bild des Friesheimscben Hauses unter
uns fortleben wird. In Folge eines Beschlusses des städtischen Ausschusses
9 —
zur Erhaltung der liistorischen Bauwerke hat das hiesige Stadtbauanit
die Grundrisse des Hauses aufgenommen und von der Strassenansicht eine
Photographie anfertigen lassen'. Ausserdem hat der Verfasser vorliegender
Arbeit die Hofansicht und einige Einzelheiten des Innern aufgezeichnet.
In Folgendem ist eine Beschreibung des Friesheimschen Hauses und
der mit ihm von 1717 an zusammenhängenden Bauten gegeben, die durch
drei Tafeln erläutert wird. —
Im Laufe der Zeiten hat das Haus mannigfache Umänderungen erfahren
und neue Anbauten erhalten; seine Baugeschichte wird im 18. Jahrhundert
noch dadurch besonders reichhaltig, dass das städtische Armenhaus hierhin
verlegt wurde. Dadurch mussten nämlich mehrere nach dem Seilgraben
zu liegende Bauten, die für das Armenhaus gebaut worden waren, mit dem
Hause Friesheim verbunden werden.
Bevor wir mit der Beschreibung beginnen, mögen einige kurze Mit-
theilungen über die Familie von Friesheim (auch Freisheim), soweit solche für
die Baugeschichte dieses Hauses von Werth sein können, hier Platz finden.
Die Familie von Friesheim ^ kam um die Wende des 16. Jahrhunderts
nach Aachen. Sie führte im Herzschilde ihres Wappens einen Adler; das
Wappen selbst ist quadrirt und zeigt im 1. und 4. Felde einen Baum, im
2. und 3. Felde eine Lilie. — 1683 wird der letzte von Friesheim geboren ^ —
Die Tradition hat das Haus Bergdrisch Nr. 2 stets das Friesheimsche
genannt; es geht aber auch aus dem Umstände, dass auf dem Kamine der
Haupthalle dieses Hauses sich unter anderem das oben angegebene Wappen
der Familie von Friesheim fand, unzweifelhaft hervor, dass genanntes
Haus dieser Familie gehörte. Wenn es aber richtig ist, dass die Friesheim
erst um die Wende des 16. Jahrhunderts nach Aachen gekommen sind, so
haben sie das ursprüngliche Haus nicht selbst gebaut, da dasselbe in seinen
ältesten Theilen aus dem frühesten Anfange des 16. Jahrhunderts stammt.
Erste Bauperiode. Anfang des 16. Jahrhunderts.
Wir gehen nun zu der eigentlichen Beschreibung und Baugeschichte
über. Zunächst sei der noch in Aller Erinnerung stehenden schönen Fassade
gedacht*. Es war dieses so ziemlich die letzte bedeutendere Fassade, die
uns eine Vorstellung von der heimischen Bauweise des 15. und 16. Jahr-
hunderts geben konnte. Mannigfachen Unbilden hat sie lange Zeit getrotzt
und sich in ziemlich ursprünglicher Form und in noch verhältnissmässig
^) Diese Originalaufnahmen und eine Phothograpbie befinden sich im hiesigen
stÄdtischen Archiv. Ausserdem werden in dem Suermondtmuseum 4 Phothographien und
einzelne Reste des Hauptgesimses der Fassade sowie Theile der Kamine aufbewahrt.
*) Macco, Beiträge zur Genealogie rheinischer Adels- und Patrizierfamilien Bd. II,
Aachen 1887, S. 35.
^) Eine der nächsten Nummern dieses Jahrgangs wird eingehendere Mittheilungen
ilber die Familie von Friesheim und ihre Beziehungen zu Aachen bringen. (Anmerkung
der Redaktion.)
*) Auf der Lichtdrucktafel Blatt Nr. 2 ist dieselbe dargesteUt, wie sie vor dem
Abbruche noch bestand. Die Detailzeichnung eines Theiles der Vorderfassade ist auf
Blatt Nr. 1 der Abbildungen unter Fig. 3 mitgetheilt.
— 3 —
gutem Zustande bis in unsere Tage hinübergerettet. — Sie war durchweg
aus wohlbearbeiteten grossen Blausteinquadern aufgebaut, und wirkte
dadurch trotz der einfachen Architekturformen sehr monumental.
Die Fassade bildete im Gnmdrisse keine geradlinige Flucht, sondern
bestand aus zwei Theilen, die dem Strassenlaufe folgend einen stumpfen
Winkel unter sich bildeten. Der linke Theil hatte eine Länge von 11,5 Meter,
der rechte eine solche von 10.8 Meter. Das Haus besass ausser dem Erd-
geschosse und Dachboden nur noch ein Obergeschoss und war grössten-
theils nicht unterkellert. Daher hatte die Fassade, die mit einem horizontalen
Hauptgesimse abscliloss und nach der Strasse zu keine Giebel zeigte,
nur die geringe Höhe von durchschnittlich 8,5 Meter.
Sie erhielt ihre Haupttheilung durch die beiden Fensterreihen des
Erdgeschosses und des obern Stockwerkes. Im Erdgeschosse hatte nur
der linke Fassadentheil Fensteröfinungen, während der rechte in früherer
Zeit nur das bis zum Abbruche vermauerte Thor enthielt, im obern Geschosse
hatten dagegen beide Fassadentheile Fenster. Diese waren, je nach der
Grösse der dahinter liegenden Zimmer bald zu zweien, bald zu dreien
gruppenweise zusammengefasst. Die Fenster des obern Stockwerkes waren
oben und unten durch zwei kleine gothische Gesimse, bestehend aus ein-
facher Schräge mit Hohlkehle^ begrenzt, von denen das obere als Bekrönung
und das untere als Fensterbank diente. Diese Gesimse setzten sich über
die ganze Länge der Fassade fort. Bei den Fenstern des Erdgeschosses
fehlte indessen das Fenstersockelbankgesimse ganz; statt dessen war dicht
über der Strassenhöhe ein kleiner Sockel angeordnet, der mit einfacher
Schräge abschloss und dem Gefälle der Strasse entsprechend bei dem
rechten Fassadentheil um 60 Centimeter tiefer stand als bei dem linken Theile.
Was die Ausbildung der Fensteröffnungen selbst anbelangt, so bildete
jedes Fenster ein stehendes Rechteck, das durch ein miteingemauertes
Steinkreuz in vier unter sich fast gleiche Theile zejfiel. Die Gewände
(die die Fenster seitlich begrenzenden Steine) sowie der Mittelpfosten
zeigten über den horizontalen Kreuzbalken als Profilirung nur eine kleine
Abschrägung; an dem untern Theile der Fenster zeigten sie dagegen
einen kleinen viereckigen Falz, worin sich die hölzernen Fensterläden legten,
wenn diese geschlossen wurden. Auffallend ist hierbei, dass eben nur die
untern Fenstertheile einer jeden Fenstergruppe solche Läden erhielten;
eine Anordnung, die sich übrigens bei allen Fenstern dieser Art zeigte
Die hölzernen Fensterläden des Friesheimschen Hauses hatten zierlich
ornamentirten Eisenbeschlag, bestehend aus zwei sich verästelnden Stäben,
^) Diese Anordnung findet man bei allen alten Aachener Häusern, und zwar an den
Fenstern aller Stockwerke. Bei vielen Fenstern wurden im 18. Jahrhundert die Stein'
kreuze herausgenommen, um dadurch grössere Fenster zu (erhalten. Bei diesen wird man
noch jetzt durch den oben erwähnton Falz, der sich nur in dem untern Theil der (Tcwände
zeigt, an das Vorhandcnseiu der ursprünglichen Kreuzforra und an jene oben erwähnte
Eigeuthümlichkeit erinnert. Worin diese ihre Begründung findet, ist schwer zu sagen, es
ist aber nicht unwahrscheinlich, dass die Schwierigkeit, die Fensterläden der oberen Fenster
bequem erreichbar zu machen, zumal diese meistens nicht geöffnet werden konnten,
allmählich es überall dahin brachte, dass nur die unteren Fenster solche Läden erhielten.
— 4 —
die an ihren Ausläufen Lilien zeigten. Einer dieser Fensterläden war
noch mit seinem ursprünglichen Beschlag erhalten.
Den Hauptschmuck der ganzen Ansicht bildete das schöne Haupt-
gesimse. Die noch erhaltenen Theile desselben bildeten einen spätgothischeu
auf Consolen ruhenden Bogenfries, der als Maasswerk mit stark ausgezogenen
Nasen ausgebildet und ziemlich plastisch profilirt war.
Die Anwendung und Ausbildung der Consolen lässt bereits den Ein-
fluss der Renaissance erkennen und darauf schliessen, dass die Fassade
gleich nach 1500 errichtet wurde. Der oberste Abschluss des Haupt-
gesimses bestand zur Zeit nicht mehr, sondern war durch einige Schichten
Ziegelsteinmauerwerk ersetzt worden. Wir haben uns denselben als ein-
fache Gesimsleiste zu denken, aus Schräge und Hohlkehle bestehend, worauf
dann unmittelbar das steile Dach ansetzte. Der linke Theil der Fassade
zeigte 16 von den oben beschriebenen Maasswerkbögen im Hauptgesimse.
Das ganze Gesimse des rechten Theiles dagegen, die Consolen mit ein-
begriffen, bestand zur Zeit nicht mehr; es war nach dem Aachener Brande
durch einfaches Ziegelmauerwerk ersetzt worden.
Einen weiteren Schmuck erhielt die Fassade noch durch die schmiede-
eisernen Anker, von denen in beiden Geschossen zusammen 20 Stück an-
gebracht waren. Dieselben waren aus Rundeisen hergestellt; ihre Form sowie
die der eben erwähnten Fensterlädenbeschläge ist aus der Darstellung eines
Theiles der Fassade auf Blatt 1 der Abbildungen unter Fig. 3 zu ersehen.
Diese Zeichnung zeigt auch die Form des Hauptgesimses, diejenige der
Fenster und die Behandlung der Mauerflächen über diesen in Form von
sogen, scheitrechten Bögen, die zur Entlastung der das Fenster ab-
schliessenden Gesimsquader angeordnet waren ^
Bis zum Jahre 1859 waren an den Fenstern, die der grossen Halle 0
(siehe Grundriss Fig. 1) des Erdgeschosses entsprachen, sechs kleine reich
und sehr kunstvoll geschmiedete Korbgitter angebracht, die etwa 40 Centi-
meter vorstanden, aber nicht wie gewöhnlich die ganze Höhe des Fensters
einnahmen, sondern nur 80 Centimeter hoch und nach oben hin offen waren '^.
Wie bereits oben erwähnt, befand sich in dem rechten Theile der
Fassade, an der im Ginindrisse Fig. 1 zwischen 3 und 4 bezeichneten
Stelle, ursprünglich das Eingangsthor ^ Dasselbe war 2,7 Meter breit und
*) An jedem grösseren Steine bemerkte man in der Mitte ein rundes Loch, das
nach früherer Bauweise zum Aufziehen der Steine gedient hat Im Kittelalter wurden
die schweren Hausteine mit Hülfe eiserner Zangen aufgezogen. Zu dem Zwecke musste
jeder Stein 2 Löcher erhalten, worin die Eisenspitzen eingreifen konnten. Diese Löcher
brachte man nun nicht in den unsichtbaren vermauerten Seitenflächen, sondern in der
bearbeiteten Vorderseite und Rückseite dos Steines an, damit der Stein, noch in der Zange
hängend, leicht versetzt werden konnte. Daher zeigen die meisten alten Bauten in der
Mitte der Quader durch Putz verstrichene Löcher.
*) 1859 wurden diese Korbgitter auf Wunsch des Bewohners, dem allerhand Belästigung
daraus entstand, entfernt und wahrscheinlich in das Grashaus gebracht. Ueber den
Verbleib derselben ist nichts Weiteros bekannt geworden.
') Bei der nun folgenden Beschreibung des Grundrisses sei auf die Grundriss-
zeiehnungen auf Blatt 1 der Abbildungen hingewiesen. Fig. 1 enthält nur den Grund-
— 5 —
sclllo^5S in Form eines Halbkreises ab. In späterer Zeit ist dasselbe ver-
mauert worden, und war daher nur dem Aufmerksamen noch sichtbar. Bei
dieser Vermauerung sind nämlich auch die dasselbe einfassenden Gewände-
steine sogar im Bogen entfernt worden; wahrscheinlich weil diese Gewände
sehr plastisch pofilirt waren und dadurch bei der Vermauerung eine glatte
Fläche sonst nicht hätte erzielt werden können. Dieses Portal haben wir
uns in der formalen Ausbildung ähnlich demjenigen an dem etwas jüngeren
Gebäude der Polizeidirektion in der Pontstrasse zu denken.
Dieses ursprüngliche Thor führte in die Vorhalle A, der sich rechts
ein kleiner Eaum B anschloss, der einzige des ganzen Hauses, der unter-
kellert war. Aus dieser Vorhalle gelangte man nach Durchschreitung eines
zweiten Thores (in der Mauer 7 — 8), das dem Hauptthore an Ausdehnung
und Form entsprach und noch bis zum Abbruche des Hauses in der ursprüng-
lichen Weise erhalten war, in den Hofraum. Gleich links in der Mauer
8 — 9 befand sich die malerische Eingangsthür zum Innern des Hauses
selbst. Die Mauern der Hoffassaden waren in der ersten Bauperiode wie
die der Strassenfassade aus glatt bearbeiteten grossen Blausteinen her-
gestellt. Die Profiliruug des eben erwähnten Hofthores und eines dicht
daneben liegenden kleinen Fensters bestand aus einer kleinen Hohlkehle.
Reicher war die zum Wohnhause führende Eingangsthür ausgebildet. Diese
hatte ebenso wie das zuletzt erwähnte Fenster neben dem Hofthor keinen
horizontalen Sturz, sondern einen oberen Abschluss in Form eines flachen
Korbbogens. Das Gewändeprofil bestand hier aus zwei Hohlkehlen, die
durch eine grade Fläche von einander getrennt waren. Diese Thür hatte
ein Oberlicht in Form zweier kleiner Fenster, die denen der Strassenfassade
entsprachen und eine einfache schmiedeeiserne Vergitterung zeigten. An
dem Stürzquader dieser Fenster war ein kleiner 50 Centimeter vorstehender
schmiedeeiserner Anker angebracht, der wahrscheinlich zum Anhängen
einer Laterne diente. Die ganze Gruppirung der Hot'anlage, die in den
Theilen des Erdgeschosses noch bis zum Abbruche ganz der ursprüng-
lichen Anlage entsprach, wirkte ausserordentlich malerisch. In dem Licht-
druckbilde auf Blatt H der Abbildungen ist die eben beschriebene alte Hof-
anlage noch zu erkennen '.
Trat man durch die zuletzt erwähnte Thür in das Innere ein, so
gelangte man in die grosse Halle (- (siehe den Gi'undriss Fig. 1), die den
Hauptwohnranm ursprünglich bildet-e. Die Wand 8 — 18 wurde später
eingebaut. Diese Halle hatte in ihrer ehemaligen Grösse die Ausdehnung,
die im Grundriss durch die Zahlen 3 — 9—10 — 2 begrenzt wird und war
10,6 Meter lang und 0,2 Meter breit. In der Mitte der der Thür gegenüber-
liegenden Längswand (2 — 10) befand sich ein grosser Kamin. (Schon aus
der Lage dieses Kamines geiit hervor, dass die Wand 8 — 13 später ein-
gebaut sein muss.) Zwei auf einfachen Oonsolen ruhende schwere Unter-
riss des eigentlichen Kriesbeimselicn Hauses, während Fig. 2 auch die Umgebung des
Hauses zeigt. Durch verschiedene Behandlung der Mauern sind die einzelnen Bauperiodeu
kenntlich gemacht.
*) Diese Hofansicht ist von dem Punkte Z (siehe Grundriss Fig. 2 Blatt 1) aufgenommen.
— 6 —
zugbalken trugen die kleinen Balken der Decke. In der Nähe der Fenster-
wand lag in dieser Halle ein grosser Brunnen.
Das Erdgeschoss der ersten Anlage hatte ausser diesem Hauptraum
noch einen weiteren D, der 7 Meter lang und 5,2 Meter breit war, und
von einem dritten Räume E aus zugänglich war. In dem letzten Räume
wird wahrscheinlich auch früher schon die zur Zeit nicht mehr erhaltene
alte Treppe gelegen haben.
Wir hätten damit die alte ursprüngliche Grundrissanlage, die durch die
Zahlen 1 — 12 umgrenzt wird, besprochen. Dass im Vergleich zu den noch
sonst vorhandenen Wänden, die hierbei berücksichtigten als die ursprüng-
lichen bezeichnet werden müssen, beweist sich durch die Materialien,
woraus die einzelnen Mauern hergestellt waren, und aus dem Verband der
verschiedenen Mauern miteinander. Die alten Mauern waren in Bruchstein
aufgeführt, während die der spätem Bauten verschiedenartiges Ziegelstein-
material zeigten. Nun ist aber grade die Wand 8 — 9 und 9—10 aus Bruch-
steinen errichtet, während die an dieser Stelle zur Zeit des Abbruches
vorhandenen andern Mauern aus Ziegelsteinen und ohne Verband an die
alten Wände angesetzt waren. Es kann somit der ursprüngliche Grund-
riss nur so gewesen sein, wie er oben besprochen wurdet
Die Eintheilung des oberen Geschosses der ersten Anlage wird der-
jenigen des unteren entsprochen haben; es kamen hier aber noch die beiden
Zimmer über A und B hinzu. Diese waren von der über C gelegenen
Halle durch einen ausgekragten und in Holzfachwerk gebildeten Gang F
zugänglich gemacht, der die ganze Wandlänge von 6—8 einnahm und bei
8 mit der oberen Halle in Verbindung stand. Dieser 1,30 Meter weite
ausgekragte Gang ruhte auf drei schweren Balken, die frei, ohne Consol-
unterstützung auskragten. (Die ursprüngliche Ausbildung war niclit mehr
erhalten.) Diese Balken gingen bis zur Strassenfassade durch und waren
hier mit den entsprechenden Zierankern verbunden.
Die im Vorhergehenden beschriebene iVrm und Ausdehnung des
Hauses ist diejenige der ersten Anlage. Die Strassenfassade, sowie die des
Hofes geben uns den einzigen Anhalt für die Bestimmung der Entstehungs-
zeit. Zieht man hierbei die formale Gestaltung des Hauptgesimses mit
seinen bereits in Renaissanceformen gebildeten Consolen, sowie die Behand-
lung der Hofthüre, die Anwendung der scheitrechten Bögen über den
Fenstern und die Form der Anker in Betracht, so müssen wir die erste
Bauzeit in den Anfang des 16. Jahrhunderts verlegen.
Zweite Bauperiode.
Im Anfange des 17. Jahrhunderts wurde das Haus Friesheim im
Innern, dem Geschmacke der Zeit entsprechend in einfachen Renaissance-
fonnen, neu eingerichtet. In den Räumen C und D des Erdgeschosses
sowie in dem über D gelegenen Räume des oberen Geschosses befanden
•) In dem vom Stadtbauamte gezeichneten Grundrisse ist irrthüralicb nur der Bau-
theil 1--2--3— 4— 5— 7 -8—13-12 als alter Bau angegeben, indem die Mauer 8—13 als
urspningliche angesehen wurde.
— 7 —
sich noch bis in unsere Tage drei ziemlich reich ausgebildete Kamine,
die nicht aus der ersten Bauanlage stammten. Diese Kamine zeigten die
Formen der entwickelten Renaissance und sind nach diesen zu urtheilen
in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts ausgeführt worden. Es ist
nicht unwahrscheinlich, dass die Hei*stellung dieser Kamine und die gleich-
zeitige Neueinrichtung des Hauses überhaupt mit der Erwerbung des
Hauses durch die Familie von Friesheim zusammenfallt, oder vielleicht
bei Gelegenheit der Vermählung des Freiherrn Gottfried von Friesheim
mit Katharina Amya, die 1G29 stattfand, erfolgte, zumal da der Kamin in
der Haupthalle C das Wappen der Familie von Friesheim zeigt.
Der Kamin in der Halle (\ der grösste von allen ^, hatte als seitliche
Begrenzung der Feuerstelle zwei nackte Figuren, eine männliche und eine
weibliche, die je einen Wappenschild trugen. Wappenbilder waren hierauf
ausser der Quadrirung nicht zu erkennen. Diese beiden Figuren trugen
weit ausladende Steinconsolen, Avorauf der eigentliche, aus Ziegelstein auf-
gemauerte Rauchfang ruhte. Dieser wurde an seinem unteren Rande durch
ein Gesimse aus Haustein eingefasst, das aus einem schmalen Architrav,
einem breiten Friese und einer weit ausladenden Gesimsleiste bestand.
Dieser Fries enthielt in der Mitte eine zierliche Kartusche, in der Form
des Schrifttäfelchens oben auf Blatt 1 der Abbildungen. Es befand sich
darauffolgende Inschrift:
Psalm 102.
Darum!) o Herr hoere meyn Gebet und
Laes mein Schreyen zu Dir komen. ^
Verbirg Dein Angesicht nicht fun
Mir. Wen ich Dich anrufe so
erhoere mir baldt.
Seitlich von dieser Schrifttafel waren auf diesem Friese zwei Wappen
angebracht. Links befand sich das Wappen der Familie vim Friesheim.
Die Form des vSchildes war eine einfache Kartusche; sie ist auf Blatt 3
neben dem Spruchbande angegeben. Das rechts von der Schrifttafel
angebrachte Wappen zeigte einen Balken, über demselben zwei und unter
demselben ein Hermelinschwänzchen. Dieses Wappen ist bis jetzt noch
nicht entziffert worden: wenn die oben ausgesprochene Vermuthung zutrifft,
würde es das Wappen der Familie Amya sein.
Dieser Hauptkamin wirkte durch seine schönen Verhältnisse, durch
das mächtige Rauchfanggesinise, worauf grosse Gegenstände zur Dekoration
aufgestellt werden konnten luul besonders dadurch, dass die beiden Unter-
zugbalken der Decke sich symmetrisch zu dem Kamine anordneten, überaus
günstig und harmonisch mit dem Räume zusammen.
Der zw^eite Kamin befand sich in dem Räume D des Erdgeschosses.
Dieser zeigte an den beiden Seiten zwei Karyatiden, deren Gesammtform
aus zwei übereinander stehenden Tonsolen bestand, von denen die obere
0 Vergleiche hierzu die Abbildimg auf Blatt 3, welche dio Gesammtform dieses
Kamines und die Details der beiden später besprochenen enthält.
— 8 —
den Kopf eines Kriegers trug und au dereu vordereu Seite i>ic!i eiu Akauthus-
blatt befand; die untere Console war durch Fruchtgehänge geschmückt.
Diese beiden Karyatideu schlössen durch jonische Kapitelle nach oben
hin ab, worauf ohne Consolen der senkrecht ansteigende Rauchfang ansetzte.
Eine flache Eisenschiene, die sich in entsprechende Vertiefungen dieser
beiden Kapitelle legte, diente als Auflager für den aus Ziegelsteinen auf-
gemauerten Rauchfang. Das Gesimse an dem unteren Rande desselben
bestand bei diesem Kamine aus Holz, das sich um den steinernen Kern
herumlegte.
Sehr interessant hinsichtlich der formalen Ausbildung war der dritte
Kamin im Obergeschoss, in dem über D gelegenen Räume. Die Seiten-
stücke desselben zeigten hier zwei liegende schön modellirte Löweu^ die
in den ausgestreckten Vordertatzen einen in Kar tuschenformen ausgebildeten
Wappenschild hielten. Der untere Theil der Seitentheile wurde durch
jonische Säulchen gebildet, die auf kleinen quadratischen mit Rosetten ver-
zierten Postamenten standen. Auch bei diesem Kamine war das Rauchfang-
gesimse bloss in Holz, ähnlich dem des zuletzt beschriebenen Kamines, aus-
gebildet. Die über dem Gesimse verbleibende geputzte Fläche des Rauch-
fanges enthielt einen viereckigen profilirten Rahmen, der wahrscheinlich
für ein Bild bestimmt war.
Dritte Bauperiode.
Der grosse Aachener Stadtbrand vom Jahre 1656 hat auch das Fries-
heimsche H^us zu einem grossen Theile zerstört. Von der Strassenfassade
musste die oberste Gesimsleiste, sowie das ganze Hauptgesimse des rechten
Theiles derselben in Folge des Brandschadens abgetragen werden. Diese
Stücke wurden nicht mehr durch entsprechende neue ersetzt; es wurde
vielmehr bei der Wiederherstellung des Hauses die fehlende Höhe durch
Backsteinmauerwerk wieder ausgeglichen. Die oberen Theile der Mauern
8 — 9 und 9 — 11 sind bei diesem Brande eingestürzt; der ausgekragte
Gang des Obergeschosses bei F mit seiner hölzernen Fachwand wurde
ebenfalls vernichtet. Aber auch das Innere und besonders die Kamine
hatten grossen Schaden genommen.
Der sofort in Angriff genommene Umbau beschränkte sich aber nicht
auf die Wiederherstellung des Hauses in seinem früheren Umfange, sondern
wurde auch zu einem Erweiterungsbau. Alle diese Arbeiten sind mit fast
übertriebener Eile bewerkstelligt worden; bereits im folgenden Jahre waren
dieselben erledigt.
Der Grundriss wurde nunmehr vergrössert (siehe Blatt 1 Fig. 1) und
erhielt statt der alten Grenze 9—10 — 11 nun noch die Erweiterung G,
die durch die Zahlen 9—14 — 15 — 11 begrenzt wird. Im Uebrigen blieb
wahrscheinlich die Anlage der Zimmer genau dieselbe; auch wurde der
alte ausgekragte Gang mit seiner Fachwand, wenn auch in sehr einfacher,
fast roher Weise, wieder neu aufgerichtet. Dieser Gang wurde nach dem
Hofe zu als offene Laube ausgebildet und nicht durch Fenster geschlossen.
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l>ie Gosanimtöffnung dieser Halle wurde von aussen durch zierliclio« Holz-
werk eingerahmt: unten durch eine Brüstungsleiste, oben durch ein regel-
rechtes Gesimse mit Architrav und Fries. Zwei Gruppen von je drei
gedrehten Säulchen mit einfachem geschnitzten Kapitell theilten diese ganze
Oeffnung in drei gleiche fast quadratische Theile. In späterer Zeit hat
man diese Säulchen mit Brettern vernagelt und die dazwischen verbleibenden
Oeffnungen durch Glasfenster geschlossen. Erst bei dem Abbruche dieses
Theiles kam die oben beschriebene Anordnung der offenen Laube wieder
zum Vorschein.
Das sichtbare Fachwerk dieses ausgekragten Ganges war gut gezimmert,
aber ganz ohne Kunstformen aus unbearbeiteten Holzstämmen hergestellt.
Die Ausmauerung der einzelnen Gefache bestand aus unverputztem Ziegel-
mauerwerk, dessen Steine durch kreuzweises Gegeneinanderstellen einfache
geometrische Muster bildeten.
Bei diesem Umbau im Jahre 1657 erhielt das ganze Haus auch den
noch zur Zeit erhaltenen Dachstuhl. Da ein einheitliches Dach über dem
alten Hause und dem neuen Querbau G zu hoch geworden wäre, so erhielt
der neue Theil zwei kleine Dächer, die iu das grosse Dach des Hauses
einschnitten. Es wurde daher die neue Fassade 14 — 15 durch zwei Giebel
bekrönt, die jenen beiden kleinen Dächern entsprachen. Die damals getroffene
Anordnung ist aus dem Lichtdruckbilde auf Blatt 3 der Abbildungen zu
ersehen. Die neuen Mauern 9 — 14 und 14 — 15 etc., sowie die Ergänzung
der alten beim Brand schadhaft gewH)rdenen Mauern fand in gutem Ziegel-
steinmauerwerk statt. Die Eingangsthür zu der Haupthalle, die mit ihren
beiden Oberlichtfenstern erhalten war, erhielt einen neuen korbbogenförmigen
Entlastungsbogen und eine neue Holzthtire, die, in Rahmen und Füllung
kleine Quadrate bildend, sich sehr gut ausnahm und noch bis zum Abbruche
erhalten war. Die Fenster der neuen Hoffassaden wurden denen der
Strassenansicht ähnlich ausgebildet, als Kreuzfenster, jedoch war, dem
Geschmacke der Zeit entsprechend, der horizontale Kreuzbalken etwas
höher gelegt, so dass der untere Fenstertheil erheblich grösser wurde als
der obere.
Die überstehenden Dächer der beiden eben erwähnten Giebel erhielten
an der vorderen Giebelkante jene für diese Zeit in Aachen charakteristische
Ausbildung in Form von zierlichen Freibindern, die auf den äussersten
Sparren aufgenagelt wurden. Die reich geschnitzten Schrägbalken dieser
Freibinder waren etwa zwei Meter unter der Spitze durch je einen horizon-
talen Balken verbunden. Die Kanten dieser Hölzer waren nach einem
rythmisch wiederkehrenden Muster ausgeschnitten, die verbleibende Fläche
war vertieft und durch zahnschnittähnliche Verzierungen belebt. Auf den
beiden horizontalen Querbalken stand, entsprecliend auf beiden vertheilt^,
Anno — 1 05 7.
') In der stuf dem stiidtischeu Archiv befindlichea Aufnahme vum Stadibauamte
stellt 1637; der Irrthum wurde durch Vergleich mit dem nach dem Abbruche wieder auf-
gefundeneu Original berichtigt.
— 10 —
An ihrem untern Ende ruhten diese Freibinder auf reich ausgeschnittenen
Holzconsolen, wie wir solche noch oft in Aachen sehen können ^
Bei dem grossen Brande hatte natürlich auch das Innere des Hauses
sehr stark gelitten, und musste daher wieder neu ausgebaut werden. Die
Kamine und auch die Mauern worin sich dieselben befanden, müssen nicht
mehr standfest gewesen sein; denn bei dieser Instandsetzung wurden an
allen Kaminen seitlich von den Steinkonsolen Verstärkungen vorgemauert.
Diese sind im Grundrisse Fig. 1 auf Blatt 1 zu erkennen. Sie verdeckten
zum Theile die Ornamente und Figuren der seitlichen Theile, sodass der
gesammte Aufbau der Kamine in der Wirkung dadurch sehr beeinträchtigt
wurde. In diesen Mauervorlagen brachte man bei den beiden Kaminen im
Räume D und darüber an jeder Seite des Kamines je zwei kleine, dicht
übereinanderliegende, tiefe Wandschränkchen an, von denen das unterste
etwas über Tischhöhe begann. Während die eben erwähnten Mauer-
verstärkungen aus Ziegelstein bestanden, waren diese Schranknischen in
denselben durch Blausteinquader eingefasst. Durch zierliche Holzthürchen
waren diese Schränkchen abgeschlossen. ^
Die Decken in den einzelnen Zimmern wurden durch schwere schräg
abgefaste Unterzugbalken, die auf einfachen Consolen ruhten, getragen.
Auch bei den verbleibenden Theilen der Decke blieben die Balken in ihrer
ganzen Stärke sichtbar, indem der Verputz um dieselben herumgeführt
wurde. An den Enden wurden sie durcli den entsprechend aufgetragenen
Putz halbkreisförmig mit einander verbunden. Diese malerische und sehr
wirkungsvolle Anordnung ist auf dem einen Lichtdruckbilde auf Blatt 3
zu erkennen.
' Bei diesem neuen Ausbaue des Hauses wurden wahrscheinlich auch
die vorher bei Beschreibung der Strassenfassade erwähnten schmiede-
eisernen Korbgitter an den Fenstern der grossen Halle ausgeführt. — So
blieb das Haus Friesheim bis zum Beginne des folgenden Jahrhunderts,
Avo es von den von Friesheim, die in Aachen um diese Zeit ausstarben,
verkauft wurde.
') Es wäre sehr zu wünschen, dass für die Erhaltiinf? der noch bestehenden Giebel-
vcrzierungen dieser Art allseitig gesorgt werde. Die hübschen stets wechselnden Ver-
zierungen an diesen vStellen bieten viele schönen Motive. Wie bei dem oben beschriebeneu
Beispiele, so ist fast immer auf dem horizontalen Querbalken dicht unter der Spitze die
Jahreszahl der Ausführung angebracht. Ein weiteres für Aachen kennzeichnendes Motiv
bei dieser Anordnung besteht darin, dass die meisten (Hebel dieser Art als oberste Bekrönung
eine kleine runde Stange zeigen, die aus den verzierten Hölzern herauswächst und mit einer
kleinen Kugel abschliesst; dicht unter dieser Kugel sind zwei kreuzweise zu einander
stehende doppelköpHge Adler angeordnet. Diese Adler, aus zwei gleichen Hälften bestehend,
sind aus diinnem flachen MetaUblech ausgeschnitten und sitzen wie die Blätter einer
gothischen Kreuzblume an der eben erwähnten Stange. Die weitaus meisten Bekrönungen
dieser Art sind verschwunden, auch da, wo der Giebel selbst noch erhalten ist. Zu sehen
ist die originelle und schöne Anordnung noch an zwei Stellen: 1. an dem Hause Markt und
Ecke Klost^rgasse, und 2. Romaneygasse 5 (Htthnermarktj.
— u —
Die Einriclitung des Friesheinisclien Hauses und seiner
Umgebun^^ als Armenhaus.
Im Jahre 1716 oder 1717 wurde das Friesheimsche Haus von der
Armenverwaltung der Stadt Aachen aus den Erträgen einer für die Grün-
dung eines Waisenhauses veranstalteten Lotterie angekauft. Es geht dieses
aus der am 30. März 1718 gethätigten Dotationsurkunde hervor ^
Für das hierselbst am Bergdrisch zu errichtende Armenhaus wurden
um das Friesheimsche Haus herum umfangreiche Neubauten gemacht,
ausserdem erfuhr aber auch das Haus selbst im Innern einige Umänderungen.
Aus dem auf Blatt 1 Fig. 2 mitgetheilten Grundrisse ist diese Bau-
thätigkeit zu ersehen und in der angegebenen Weise durch verschiedene
Schraffirung der einzelnen Mauern kenntlich gemacht. Es handelt sich
zunächst um die Neubauten H, I, K und L. Der Bautheil H erstreckte
sich bis an die Giebelmauer 5 — 0 des alten Friesheimschen Hauses heran,
und war von dem Bautheile I in dem Erdgeschosse durch eine Einfahrt,
die den Haupteingang zum Armenhaus bildete, getrennt. Der Bautheil I
enthielt die Kirche; das östliche Ende des 150 qm grossen Kirchen-
raumes enthielt den quadratischen Chor und rechts und links von dem-
selben kleine Sakristeiräume, von denen der eine direkt von der Strasse
aus zugänglich war.
Der Eingang zur Kirche fand nur von der Anstalt selbst aus statt
und zwar vom Hofe aus, an der damals noch nicht bebauten Längswand
bei R und S.
Der ebenfalls um diese Zeit neuerbaute Theil K war zur Aufnahme
der armen Mädchen, derjenige bei L für die Knaben bestimmt. Bei Q
befand sich der ziemlich ausgedehnte (5 tuten des Armenhauses.
Was die Umänderungen an dem früheren Friesheimschen Hause
selbst betrifft, so wurde zunächst der alte Eingang in der Mauer 3—4
in der oben beschriebenen Weise vermauert. Die neuen Zugänge zu der
Anstalt befanden sich bei M und N. Ausserdem wurden die Wände 8 — 13,
16 — 17, 10 — 17, 18—19 und 20 — 21 neu eingebaut, und damit eine Ver-
bindung des alten Hauses mit dem neuen Bautheile K hergestellt.
So blieb der bauliche Bestand bis zum Jahre 1771. Als 1768 in
Folge eines Testamentes vom 23. März der verstorbenen Anna Herwartz-
in dieses Waisenhaus auch Hausarme aufgenommen werden sollten, waren
die bestehenden Räumlichkeiten nicht mehr gross genug. Es wurde eine
Erweiterung durch den Neubau eines Querhauses 0 pr(>jektirt und nach
vielen Vorschlägen in der auf Grundriss Fig. 2 bei 0 angegebenen Weise
ausgeführt. Mit dieser Erweiterung wurde der damalige Stadtarchitekt
und Sekretär Jakob ('ouven beauftragt. Couven arbeitete im Ganzen vier
') Vgl. Salm, Histor. Darstenuiij; des Armciiwesens der Stadt Aachen, 1870, S. 55 und
die Chronik des Aachener Notars Johann Adam Weinandts : Zeitschrift des Aachener (loschichts-
vereius XVI, S. 164; hiernach wurde das Haus für ,,3000 spcc. Pattacons" anj^ekanft.
*) Salm a. a. 0. S. 58 und 139.
— 12 —
verscliietUjiio rrojektc aiiji. Aus den dazu gemachten noch erhaltenen
Zeichnungen lässt sich auch der bauliche Zustand der übrigen zum Armen-
haus gehörigen Gebäude, wie sie seit 1717 entstanden, genau ersehen.
Die ersten Projekte Couvens waren bedeutend umfangreicher, als die
späteren. Anfangs sollte der ältere Bau L ganz fallen und der Neubau
die ganze Länge von R bis L einnehmen und auch noch in der Richtung
nach T bis zur Grenze seine Fortsetzung finden. Der schliesslich nach
1771 zur Ausführung kommende und 1774 fertige Bau umfasste den durch
0 bezeichneten Theil. Derselbe enthielt bei R den grossen Speisesaal, der
direkt mit der daneben liegenden Kirche durch eine grosse Oeffnung in
Verbindung stand.
In Folge des stetigen Anwachsens der aufzunehmenden Zöglinge und
durch die Verbindung des Waisen-Kinderhauses in der Wirichs-
bongardstrasse mit dem in Rede stehenden Armenhause am Bergdrisch
wurden nach 1807 von Neuem Erweiterungen und Umbauten nöthig. Diese
erstreckten sich auf die Bautheile H, I und K.
Die alte Kirche war zu klein geworden und wurde daher in fast
doppelter Ausdehnung neu errichtet. Der Neubau nahm fast dieselbe Stelle
wie die alte Kirche ein, und war begrenzt durch die Buchstaben U, V,
W, X. Er erhielt eine halbkreisförmige Apsis (N) als Chor.
Der Bautheil K wurde in der im Grundriss angegebenen Weise ver-
grössert und dadurch mit L verbunden.
Der Bautheil Hi wurde theilweise niedergelegt und nun hierhin der
Haupteingang mit den Zimmern des Pförtners verlegt. Es war dieses das
Thor, das noch zur Zeit bestand und den Zugang zu dem alten Fries-
h^imschen Hause vermittelte.
Die Zahl der Pflegebefohlenen vermehrte sich aber so sehr, dass in
den vierziger Jahren an eine Verlegung des Armenhauses behufs mög-
lichster Vergrösserung gedacht werden musste. 1844 kaufte daher die
Armenverwajtung das alte Emundtsehe Haus in der Pontstrassc oberhalb
des Josephinischen Instituts, und richtete dieses als Waisenhaus ein^
Das alte Waisenhaus am Bergdrisch mit seiner Umgebung wurde
nun zu Schulzwecken für die Schulen der Pfarre St. Nikolaus umgebaut.
Das alte eigentliche Friesheimsche Haus- und der 1774 gebaute Theil O
wurden als Lehrervvohnung eingerichtet, während die übrigen Bauten,
speziell auch die Kirche, durch Einbauen entsprechender Zwischenwände
zu Schulräumen umgebaut wurden.
Der alte Kirchenraum wurde bei diesem Umbau zweigeschossig, durch
Einlage einer neuen Zwischendecke. Das neue Obergeschoss wurde durch
') Im Monat August und September des vergangenen Jahres ist auch dieses inter-
essante Haus gleichzeitig mit den anderen Häusern des Josephinischen Instituts, die nach
der Strasse zu lagen, abgerissen worden.
^) Der Kaum (' (2 -H— 8 13) blieb noch bis IS*)!) als ArmenkUche bestehen. Hier
konnten die Armen gegen Karti'n Suppe erhalten, die ihnen durch ein in der Wand 3 8
angebrachtes Fensterchen gereicht wurde. Mit dem Kamin in diesem Räume war bis zu
diesei Zeit ein grosser Kessel fest vermauert.
— 13 —
eine Wendeltreppe, die man in die runde Chornische X verlebte, zn<ränff-
lich gemacht. Die Anlage der früheren Kirche mit dieser runden Chor-
apsis war noch bis zum Abbniche deutlich zu erkennen *.
Heute ist der ganze Baukoraplex bereits dem Boden gleichgemacht.
Wenn auch die zuletzt besprochenen Neubauten um das alte Friesheimsche
Haus herum keinen kunstgeschichtlichen Werth besassen, indem dieselben
in einfachster Weise in Ziegelsteinmauerwerk nur als Nutzbauten herge-
richtet waren, so gilt dies doch nicht von dem Friesheimsclien Hause selbst.
Dieses alte Patrizierhaus bot noch in unsern Tagen, trotz seiner vielfachen
Verstünmielung durch unschöne Einbauten und trotz des eiufiirmigen
Anstriches der Hoffassaden einen höchst malerischen und anheimelnden
Gesammteindruck.
War es schon die stattliche noch ziemlich gut erhaltene Strassen-
fassade, die auch die Aufmerksamkeit des Laien noch auf sich zog. so
steigerte sich die Freude und Ueberraschung des Beschauers, wenn er den
malerischen Hof und das Innere des Hauses betrat. Hier boten sich ihm
eine Menge schöner Eindrücke. Wer unseren Beschreibungen gefolgt ist,
wird sich danach schon selbst ausgemalt haben, wie schön in früheren
Zeiten dieses Haus gewesen ist, wer aber an Ort und Stelle das Haus
gesehen hat und genauer zu sehen vermochte, wer die allenthalben ange-
brachten modernen Zuthaten sich hinwegdachte und die allgemeine weisse
Tünche der inneren Fassaden sich in Gedanken mit den lebhaften Farben
der Materialien, des weisslichen Blausteins, der dunkelrothen Ziegelsteine
und der saftig braunen Holztöne zu vertauschen verstand, dem entstand
auch bei dem jetzigen Zustande des Hauses noch ein sehr malerisches
stinmiungsvolles Bild, das wohl geeignet war, eine Vorstellung von der
Bauweise längst vergangener Zeiten zu geben.
Die auf dem Lichtdrnckbilde Blatt 3 mitgetheilte Hofansicht entspricht
genau dem letzten Zustande. Dasselbe gilt von der darüber angebrachten
Zimmeransicht, worin die grosse Halle C zur Darstellung gekommen ist.
Und nicht zum wenigsten waren es eben diese Innenräume, die auch zuletzt
noch einen sehr einladenden malerischen Eindruck machten. Die plastischen
freilich stark verbauten Kamine mit ihren weit vorstehenden und zur Auf-
stellung der verschiedensten Gegenständen einladenden Gesimsen, dann
die durch die schweren Unterzugbalken getragenen Decken, deren sichtbar
gelassene Balken einen lebhaften Wechsel zwischen Licht und Schatten
hervorriefen, und schliesslich die malerischen Kreuzfenster mit ihren kleinen
viereckigen grünlichen Scheiben, die ein stimmungsvolles Licht durch den
ganzen Raum verbreiteten, — alles dies wirkte trotz der Einfachheit des
Einzelnen zu einem sehr harmonischen Gesammtbilde zusammen, das wir
in unsern modernen Wohnräumen bei allem Formenluxus so oft vermissen.
Zum Schlüsse möchten wir noch einen Wunsch aussprechen. Mögen
Alle für die Erhaltung der alten Baudenkmale mit ganzen Kräften zur
^) Beim Abbruche dieser Bauten fanden sich in dem runden Treppenhause (dem
früheren Chor) noch Reste von Malerei.
— 14 —
rechten Zeit eintreten. Auch die einfachsten, scheinbar werthlosen Werke
müssen wir beachten. Nichts ist so verderblich, als die oft in solchen
Fällen vertretene Ansicht, dass nur Werke von entschieden künstlerischem
Werthe der Erhaltung und Beachtung würdig seien. Grade aus der Summe
vieler, scheinbar nutzloser und einfacher Einzelgegenstände kann sich ein
Gesanuntbild erzeugen, dessen Werth von Niemanden mehr bestritten
werden wird.
Wo aber die P^rhaltung selbst unthunlich oder unmöglich ist, da muss
zeitig dafür gesorgt werden, dass durch eine eingehende alles umfassende
Beschreibung und bildliche Darstellung wenigstens das Bild des betreffenden
Denkmals der Nachwelt erhalten bleibe.
Ein merkwürdiger Fund.
(Briefe Davouts an Napoleon I.)
Von K. Wacker.
Ein seltsamer Zufall hat in Aachen zur Entdeckung von Schriften
geführt, deren Inhalt für die Geschichte des Kriegsjahres 1813 nicht ohne
Bedeutung ist. Herr Gewerbeschul-Direktor Spennrath hatte seit Jahren
eine fast unbeachtet gelassene, in Berlin i. J. 1802 erschienene Duodez-
Ausgabe der „Jungfrau von Orleans" in seiner Bibliothek. Wann und
wo er dieselbe gekauft hat, weiss er nicht mehr anzugeben; soviel jedoch
kann er feststellen, dass er sie erworben hat seit seiner i. J. 1875 erfolgten
Niederlassung in Aachen. Das Büchlein war in Halbfranz gebunden und
hatte ziemlich starke, aus Pappe gearbeitete Einbanddeckel. Als es eines
Tages, auf der Fensterbank liegend, vom Regen durchnässt und darauf
wieder getrocknet wurde, brach das der innern Seite einer Einbanddecke
aufgeklebte weisse Papier auf und aus dem Riss traten eng. beschriebene
Papierstücke zum Vorschein. Als man nun auch die andere noch nicht
aufgerissene Einbanddecke aufbrach, fand man hier gleiche Schriftstücke:
im ganzen waren es fünf Briefe, drei fast ganz chiffrierte, zwei in gewöhn-
licher Cursivschrift. — Ihrem Inhalte nach enthalten die gefundenen Blätter
einen Bericht Davouts, des Herzogs von Auerstaedt, Fürsten von Eckmülil,
an Napoleon I. aus Hamburg vom 4. Dezember 1813, als Beilagen dazu
die Duplikate zweier älterer Berichte vom 16. und 19. November 1813
und eines undatierten Briefes, sowie die Abschrift eines Schreibens des
französischen Gesandten in Copenhagen, des Barons d'Alquier, an Davout
vom 30. November 1813.
Der Marschall Davout wurde nach Ablauf des zehnwöcheutlichen
Waffenstillstandes im August 1813 von seinem kaiserlichen Herrn beauf-
tragt, die von der grossen Napoleonischen Armee gegen Berlin zu unter-
nehmenden kriegerischen Operationen von Norden her auf das kräftigste
zu unterstützen. Er brach am 17. August von Hamburg auf und rückte
ins Mecklenburgische vor, wo ihm eine feindliche Heeresabteilung unter
Wallmoden- Gimborn gegenüberstand. Zu grösseren Unternehmungen kam
— 15 —
es auf diesem Teile des Kriegsschauplatzes nicht. Oudinot unterlag bei
Grossbeeren (22. August) seinen Gegnern und Davout begann am 2. Sep-
tember den Rückzug auf die Stecknitz, wo er unthätig verharrte, bis ihn nach
Zertrümmerung des französischen Hauptheeres bei Leipzig am 9. November
ein Befehl seines kaiserlichen Herrn erreiclite, — es war der erste seit
dem 18. August — demgemäss er sich auf Holland zurückziehen oder,
wenn dies nicht mehr ausführbar sei, auf Hamburg zu manövrieren sollte.
Ersteres schien ihm unmöglich. So rückte er denn unter Räumung der
an der Stecknitz eingenommenen Stellung auf Hamburg los, wo er am
3. Dezember nach fast viennonatlicher Abwesenheit wieder anlangte.
Tags darauf berichtete er seinem Kaiser in einem längeren Schreiben
über die jüngsten kriegerischen Ereignisse. Drei ältere Berichte, von denen
zwei ausdrücklich als „Duplicata^ bezeichnet sind, fügte er bei und unter-
zeichnete eigenhändig mit „Prince d'Eckmuhl'*. Diese Schriftstücke erhielten
mit der Kopie eines Alquierschen Briefes ein klug erdachtes Versteck im
Einband eines Buches. Dem Geschick der meisten früheren Brijofe Davouts
sollten auch sie nicht entgehen — sie gelangten nicht ans Ziel. Achtzig Jahre
in ihrem Versteck verborgen sind sie in Aachen wieder ans Licht gezogen.
Der Inhalt der Briefe hat natürlich mit der Geschichte Aachens nichts
zu thuen. Sie enthalten in ihren nicht chiffrierten Teilen N?ichrichten über
Ereignisse auf dem nördlichen Kriegsschauplatze und die Operationen in
und um Hamburg. Hieraus lässt sich der Inhalt der chiflFrierten Teile
ungefähr vermuten. Ich habe die verschiedensten Wejge eingeschlagen,
um zur EntziflFerung der Briefe zu gelangen — leider vergeblich. Das
erste Heft des laufenden Jahrgangs der historischen Zeitschrift der Görres-
Gesellschaft enthält einen aus meiner Feder stammenden Aufsatz über den
Fund mit einem Abdruck der entdeckten Briefe und mit näherem Bericht
über die von mir zum Zwecke der Entzifferung geth(inen Schritte.
Das Schicksal des Überbringers sich auszumalon mag der Phantasie
eines jeden überlassen sein. Ist Davouts Vertrauensmann erkannt, ver-
haftet, durch die Feinde oder durch ein Unglück pms Leben gekommen?
Ist er vor oder nach der Besetzung Aachens durch die Verbündeten dort
angelangt? Hat er in letzterem Falle daran verzweifelt, durch die Kriegs-
linie der Alliierten hindurchkommen zu können? Hat sich seine Reise in
jenen kriegerischen Zeiten so sehr verzögert, dass er in Aachen von den
Niederlagen Napoleons im Februar und März 1814 oder gar von seiner
Absetzung hörte? War der Überbringer so wenig neugierig, dass er die
Briefe nicht lesen wollte, als er den Entschluss gefasst hatte, seinen Weg
nicht weiter zu verfolgen? Wusste er vielleicht selbst nicht, was das
Buch enthielt? Letztere Annahmen sind nur wenig wahrscheinlich, und
wenn es mir gestattet ist, eine Vermutimg auszusprechen, so ist es die
dass der Überbringer in Aachen seinen Tod gefunden und das Geheimnis
in sein Grab mitgenommen hat.
Herr Direktor Spennrath hat die Briefe samt dem Buche, in dem
sie so lange geborgen waren, dem Aachener Stadtarchiv geschenkt.
— 16 —
Kleinere Mittheilungen.
Die Servielsburg als Korrektionshaus.
Die Servielsburg, von der Nopp (Aaeher Chronick, Ausg. von 1643, S. 75) berichtet,
(iass der Rath sie „jetzo zu Behafif deren, so mit der abschewlichen Kranckheit der Pesti-
lentz behaiftet, auff gegenwärtige Form gebawet" \ wurde im Anfange des 18. Jahrhunderts
als Korrektions haus zur Vollziehung solcher Disciplinarstrafen verwendet, welche gegen
die im Armenhaus untergebrachten Personen verhängt wurden, die den Anordnungen des
Raths nicht nachlebten. Dieses besagt eine Verordnung vom 24. April 1719, welche in den
Beamten-Protokollen mitgetheilt wird und also lautet: „Dan sollen die armen, so eines
ehrbaren raths Verordnungen zu geborgen unwillig, auf die also genante Seruilsburg auss
ihrer im arraenhauß genießender gelt allmoß in Waßer und brod zur correction gebracht
und alMa aufbehalten werden."
Aftchen. Schollen.
Die Neubedachnng des Marschierthores.
Die vor wenigen Jahren seitens der Vorstände der beiden hierorts bestehenden
Geschichtsvereiuc an die Stadtverwaltung gerichtete Bitte um Wiederherstellung der
beiden mittelalterlichen Thorburgen Marschierthor und Pontthor in ihren ursprünglichen
Zustand ist bezüglich der Aussen-Restauration des Marschierthores bereits erfüllt worden.
Nachdem schon früher die gewaltigen Umfassungsmauern neu ausgefugt worden waren,
hat man im vorigen Jahre die Neubedachung des Thores in Angriff genommen und nach
den Plänen des Stadtbauamtes stilgerecht ausgeführt. Der aus massiven Etchenstämmen
gezimmerte Dachstuhl, welcher den grossen Stadtbrand vom Jahre 1656 überdauert hatte,
bedurfte nur einer verhältnissmässig geringen Reparatur; dagegen war die Bedachung
selbst im Laufe der Zeit äusserst defekt geworden und zudem ihres ornamentalen Schmuckes
gänzlich verlustig gegangen. Der zierliche Dachreiter und die Fensterlueken, welche uns
auf alten Stadtansichten noch erhalten sind, waren völlig verschwunden. Glücklicherweise
war in dem Dachstuhl der sechsseitige Ansatz des ehemaligen Thürrachens noch vor-
handen und damit die primitive Wiederherstellung wesentlich erleichtert. Ferner fanden
sich auf der Seite des Dachstuhls, welche der Stadt zugekehrt ist, noch Spuren einer ehe-
dem dort angebrachten Hebevorrichtung, die ebenfalls rekonstruirt worden ist und leicht
praktischen Zwecken dienstbar gemacht werden kann. Und so ist es uns heut^ wieder
vergönnt, das Marschierthor wenigstens seinem Hauptbestandtheile nach in jener ursprüng-
lichen imponirenden Gestalt zu schauen, welche ihm das ausgehende vierzehnte Jahrhundert
gegeben und welche sich unversehrt erhalten hatte bis zu den Tagen des grossen Stadt-
brandes um die Mitte des 17. Jahrhunderts. Möchte nun auch ])ald dor andere Zeuge der
grossen Vergangenheit unserer Vaterstadt, das Pontthor, an die Reihe kommen und in
seiner ursprünglichen Gestalt und Schönheit vor unsern Augen erstehen.
Aachen. Schnöd'.
>) Uober die Verweiiduug dfi* Servielsburj^ als Spital vgl. Qu ix, Histor.-topogr. BesclireiUun^
d. St. Aachen S. 71 ; H aagi' n , Geschieht«* Achon« J, S. 271, Anm. und Zeitschrift des Aachener Qcschichts-
vereins I, S. 50.
Verlag der Cremer'schen Bnchhandlung (C. Cazin) in Aachen.
Leben und Werke des Aachener (Jescliiclitssetireibei^ (liristian (}ui.\.
Von Dr. C. WACKEK.
74 S. gr. 8^. Preis Jl 1.20.
l>ltr< K VON iIcUMANN IVAAl/.KIC JN .A A« UKN.
1 ii^m^U^UB ¥@f^i3
Jährlich 8 Nummeni Kommissions -Verlag
& I Bogen Royal Oktav. ^"
Cremer'schcnBnchlinndhinK
Preis des "JahrgauKS „_ ,„,,,
4 Mark. in Aachen.
Mittheilungen des Vereins für Kunde der Aachener Vorzeit.
Im Auftrage des Vereins heransgegebea von H. Sohnoek.
Nr. 2/4. Achter Jahrgang. 1895.
'. J. OrosB, Reinard von Schünau, der erste Herr v
Keinard von Schönau, der erste Herr von Schönforst.
Von H. J. Gros«.
Der Mann, dessen Lebensbild auf den folgenden Blättern gczeiclinet
werden soll, ist eine der interessantesten Erscheinungen des 14. .Jahr-
hunderts im Gebiete der Maas und des Niederrheins.
Adel der Geburt vereinigt sich bei ihm mit wissenschaftlicher Bildung,
ritterliche Tapferkeit mit kaufmännischer Gewandtheit, staatsmäniiische
Klugheit mit beispiellosem Glücke.
Scharfen Blickes die günstige Gelegenheit erspähend, kräftigen Griffes
sie fassend, bringt Keinard sich vorwärts. Wenn er als Jüngling nicht genug
besass um ein Pferd halten zu können, so verfügt er als Mann über reichen
Besitz und vermag hohe Würden, ja selbst die Königskrone dem zu ver-
schaffen, der die Leitung der Geschäfte in seine geschickten Hände legt.
Nachdem Keinard Jahrzehnte lang eine grosse Rolle in der Welt
gespielt, auf geistliche und weltliche Fürsten mächtigen Eiufluss ausgeübt,
sich unter die Grossen des Reiches aufgeschwungen, ein ungeheueres Ver-
mögen gesammelt und zu alledem reiches FamilienglUck genossen hat: da
wendet das launische Glück auch ihm, dem verhätschelten Schosskinde,
den Röcken. Was die Welt ihm geboten an Ehre und Macht zerrinnt
seiner flüchtigen Natur nach in Reinards Händen; ^binc apicem rapax
Fortuna cum Stridore acuto Sustulit." Aber die Religion reicht dem ge-
stürzten Günstlinge so vieler Fürsten die rettende Rechte; der Glaube des
Christen, vielleicht eine Zeit lang begraben unter dem AVuste zeitlicher
Sorgen und Erfolge, ersteht in voller Stärke und wahrt Reinard vor Ver-
zweiflung. Der weltmüde Greis flieht nach Rhodus um dort seine letzten
Lebenstage dem höchsten Herrn zu weihen und „faire p^nitencc de ses
pfichez", wie Hemricourt sehr schön sagt.
— 18 —
So ist Reinard von Schönau eine Persönlichkeit gewesen, welche die
Aufmerksamkeit der Zeitgenossen in hohem Masse erregte; davon legt
Hemricourts „Miroir des nobles de Hasbaye" ^ sprechendes Zeugniss ab.
Lange war Reinard vergessen, die Neuzeit hat sich wieder mit ihm
beschäftigt. Damberger erwähnt ihn, vermuthet aber in ihm einen gewöhn-
lichen Wechsler ^ Dr. Hansen machte unter Hinweisung auf Lacomblet
und andere Schriftsteller auf Reinard aufmerksam ^ Franquinet brachte
in seinem Schriftchen „Les Schoonvorst** *, dessen grösster Theil Reinard
gewidmet ist, sehr wichtige Urkunden über ihn. Aber dieser Schriftsteller
und ebenso der neueste Biograph Reinards, Baron J. de Chestret de Haneflfe^,
haben sich meines Erachtens zu sehr von Hemricourts leichtgläubiger Er-
zählung beeinflussen lassen und darum den Charakter Reinards in zu
ungünstiges Licht gestellt. Das ist der Hauptgrund, der mich bestimmte,
der Persönlichkeit dieses Mannes, den ich sonst in der Geschichte Schönaus
nur nebenher berührt haben würde, eine besondere Abhandlung zu widmen.
Ich glaubte meinem quasi Landsmanne wenigstens den Versuch einer Ehren-
rettung schuldig zu sein.
Die Schrift des Herrn de Chestret, welche reiches Material enthält,
sowie den Reinard betreffenden Bogen aus dem Werke des Herrn Chevalier
de Borman „Les echövins de la sou veraine justice de Liöge** verdanke ich
der freundlichen Vermittelung des Herrn Baron L6on de Pitteurs, Mitglied
des belgischen Senats.
Herr Stadtarchivar Dr. Hansen hat durch gütige Mittheilungen und
Zusendungen aus dem Kölner Stadtarchive vorliegende Arbeit wesentlich
unterstützt, Herr Geheimer Archivrath Dr. Harless die bezüglichen Urkunden
und Litteralien des Düsseldorfer Staatsarchivs freundlichst zur Benutzung
bereit gestellt.
Diesen Herren sowie allen, welche mir irgendwie behülflich gewesen
sind, spreche ich hiermit herzlichsten Dank aus.
Andere Werke, welche ich benutzt habe, ergeben sich aus dem Texte.
L Reinards Abstammung und Jugend.
Reinard führt seinen Familiennamen von dem bei Richterich in der
Nähe Aachens gelegenen uralten herrschaftlichen Sitze Schönau. Die Burg
war, wie in der Geschichte derselben gezeigt werden soll, der Sal- oder
Herrenhof des praedium Richterich, eines AUodialbesitzes der Aachener
Pfalzgrafen. Während das praedium seinen allodialen Charakter mit dem
Aussterben des pfalzgräflichen Geschlechtes bereits im Jahre 1140 verlor
und nach mannigfachen Schicksalen schliesslich zur jülichschen Unter-
*) Ich benutzte vor Jahren ein altes Exemplar der Aachener Stadtbibliothek; Ort
und Jahr des Dioickes habe ich leider nicht yermerkt.
*) Synchronist. Gesch. XIV, S. 840.
') Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins VI, S. 96, Anm. 2.
*) Rurcmunde, J. J. Komen. 1874.
*) Rcuard de Schönau, sire de Schooiivorst, Hruxelk's, F. Hnycz. 1802.
— 19 —
herrschaft Heiden wurde \ behauptete der Herrenhof seine Selbständigkeit
mit einer Zähigkeit, die einer wichtigem Sache würdig gewesen wäre.
Haus Schönau gab einer Familie den Namen, welche nach Hemricourt
aus der Hazedalschen Linie der Limburger stammte und deren Ahnherr
Heyneman d'Aix (um 1240) gewesen sein soll. Ob dem so ist und nament-
lich ob dieser Heyneman dem Geschlechte jeuer d'Aix (Aquenses) angehört
hat, welche im 12. und 13. Jahrliundert eine grosse Rolle als kaiserliche
Beamte auch in Aachen gespielt haben 2, wage ich nicht zu entscheiden.
Bis zur Aufhellung der durchaus unklaren ältesten Geschichte der
Schönauer muss man sich mit dem begnügen, was heute als geschichtlich
feststehend angenommen wird. Danach hatte der genannte Heyneman*
mit seiner Frau, der Dame von Bretonbour-Warfus6e, drei Söhne: Heinrich,
Easo I. und Arnold. Von Raso I. stammen Raso IL, Gerard, Johann und
Adelheid. Der Erstgenannte war Herr zu Schönau und Uelpich; seine
Frau, welche Hemricourt als eine Schwester Gerards du Jardin bezeichnet,
stammte aus dem Geschlechte der Bongart, welche den Sparren im Wappen
führen*. Der Ehe entsprossen sechs Söhne und zwei Töchter: Johann,
später Herr von Uelpich, Amelius Mascereil, in der Folge Abt von St. Trond
*) Vgl. Zeitscbrift des Aachener Geschichtsvereins V, S. 112.
*) Loersch, Achener Rechts-Denkmälcr S. 273 f.
') Hemricourt gibt demselben bereits den Zunamen „Schönforsf*. Das ist unrichtig.
Heyneman kann sich gar nicht Schön for st sondern nur SchOnau genannt haben, denn
erstere Herrschaft ist, wie wir sehen werden, erst unter unserm Reinard entstanden.
Wahrscheinlich hat Hemricourt diesen Titel, den Reinard nach 1348 gewöhnlich führte,
irrthilmlich schon auf dessen Urgrossvater über tragen.
*) Diese Ansicht, welche schon v. Oidtman (Zeitschrift des Aachener Geschichts-
vereins VIII, S. 210, Anm. 1) ausgesprochen hat, wird bewiesen durch die Thatsache, dass
Reinard in seinem ersten Siegel (siehe die Wappentafel bei de Chestret) als Nebenabzeichen
den Bongartschen Sparren ftlhrt. Dieses Siegel ist sehr bedeutsam. Dasselbe ist halbirt
und zeigt rechts zwei übereinanderstchcnde, mit dem Kinn sich berührende bärtige Masken,
deren obere ein Stirnband mit herabhängenden Enden trägt. Darunter steht in besonderem
kleinen Schilde der Sparren der Bongart. Links stehen die Hazedalschen neun Kugeln,
von denen aber wegen der Halbirung nur fünf (2, 2, 1) sichtbar sind. Dieses Wappen
erklärt den sonderbaren Beinamen, den Reinard nach seinem Vater und Grossvater getragen
hat. Derselbe kommt in zwei Urkunden, von Weihnachten 1343 und vom 13. März 1344
(de Chestret S. 16), sowie in einer unten anzuführenden Stelle einer alten Chronik vor.
Man nannte Rcinard und seine Vorfahren nach jenem auffälligen Abzeichen „Mashereit,
Maskeret** — den Maskirtcn. Reinard liess Zeichen wie Namen später fallen, während
die Herren von Winandsrade, welche von Arnold von Bretonbour, dem dritten Sohne
Hejnemans abstammen, den Spitznamen noch bis ins 16. Jahrhundert hinein beibehielten.
(Vgl. Heusch, Nomina Canonicorum Reg. Eccl. Beatae Mariae Virginis Aquisgranensis
S. 12, Sp. 2; Annalen für die Geschichte des Niederrheins Heft 57, S. 252.) Reinard
siegelte mit dem beschriebenen Wappen noch 1349. (Urk. im Kölner Stadtarchive Nr. 1946.)
Später nahm er andere Abzeichen an. Als Herr von Schönforst führte er bald die neun
Kugeln (3, 8, 2, 1, so in der Wappentafel bei de Chestret), bald den einfachen Reichs-
adler (Kölner Stadtarchiv); als Herr von Falkcnburg den Reichsadler mit aufgelegten
Kugeln (de Chestret), häufiger jedoch einen von zwei Blumen begleiteten Hehn, mit
Blume oder Pfauenfederbusch als Helmzierde (Kölner Stadtarchiv). Hier findet sich auch
das letztere Abzeichen ohne Blumen als Siegel Reinards II, der sich 1374 dominus in
Schoenenvorst nennt, weil damals noch Reinard I. der rechtliche Herr dieser Herrschaft
^
— 20 —
(1330—1350), Gerard, Jan Ha^re, Raso Mascharel III., Herr vou Schünan,
Reinard ^ Die Töchter lassen wir hier bei Seite.
Der Menge der Kinder entsprach nicht der Besitz, den Raso Mascharel II.
sein eigen nannte. Schönau und üelpich waren, wie eine Ucrsfelderin des
17. Jahrhunderts in ähnlicher Lage sich kräftig ausdrückte, ein zu kleines
Brotschrank für eine so zahlreidie Familie. Ein Glück für die Nach-
kommen Rasos, dass der zweite Sohn, Amelius, sich dem geistlichen Stande
widmete und Abt des bedeutenden Klosters St. Trond in Brabant wurde.
Dieser, den Hemricourt als einen der tüchtigsten, angesehensten und einfluss-
reichsten Geistlichen seiner Zeit l)ezeichnet% nahm sich der Erziehung
seiner Brüder an. Zwei derselben folgten ihm in der Berufswahl: Gerard
wurde Kanonikus an St. Lambert und an St. PauH in Lüttich sowie am
Liebfrauenstifte zu Aachen^. In letzterer Kirche bekleidete er auch die
Würde des Sängers, als welcher er 1338 '• vorkommt. Er machte Stiftungen
zur Erhöhung kirchlicher Feierlichkeiten'^ und starb am 2. Juni^ Jan
Hage erhielt ebenfalls ein Kanonikat am Aachener Münster; er starb im
August und vermachte dem Kapitel 20 Mark**.
Da nun der älteste Sohn Johann vom Vater Uelpich, der fünfte,
Raso Mascharel III., Schönau erbte, so waren alle versorgt ausser unserm
Reinard: aber was blieb ihm? Nicht viel oder gar nichts. Er hatte nach
Hemricourt nicht so viel von seinen Eltern geerbt, dass er ein Pferd hätte
halten können^, aber grade er wurde „der vom Glück am meisten be-
günstigte Cavalier, der in hundert Jahren zwischen Maas und Rhein gelebt
hat" ^^ Die Erziehung, welche der spätere Abt von St. Trond seinem
jüngsten Bruder angedeihen liess, hat den Grund zu diesem Glücke gelegt;
sie entwickelte die reichen körperlichen und geistigen Anlagen des Jüng-
lings und befähigte denselben zu einer so vielseitigen Wirksamkeit, wie
man sie nicht oft findet.
n. Reinard und die Abteien von St. Servatius und St, Trond.
Abt Amelius hatte nicht blos für die Ausbildung sondern auch für
den Unterhalt seines mittellosen Bruders gesorgt. Er verschaffte ihm nämlich
ein Kanonikat an der Stiftskirche von St. Servatius in Mast rieht, wozu
*) Vgl. die Abstammungstafel bei de Chc.strct S. 8 und 9.
') nly pl^ wailbans clers, qui il son temps portaist co rönne et de plus haultre
honeur et de meilheur 6stat selont sa puissancc".
3) Franquinet S. 3.
*) Ob er auch jener Gerardus de Scbouauwe, dccanus ccclosio s. Scrvatii Trajectensis
ist, den Johann XXII am 24. Jan. 1329 auf drei .Tabre von oineni Tbeil dor Rosidenz-
pflicbt bezüglich aller Bcnefizien entband y V^l. Zeitschrift des Aachener (Jeschichts-
vereins XIV, S. 222.
8) Quix, Schönau S. U.
*) „Eal. Jan. ... ex parte dni. Gerardi cantoris de Srlioiiiuwen VIII nir. IVstum
triplex,** üngedrucktes Necrologium.
^) Das.
«) Das.
•) „ilh n^aroit nul patrimoine de peirc vt de meine, dont üb ]»ou\vi>t on chcval nourir.**
*^) „ly miez fortuneis chevalier, quy puis 100 ans fuist entro Mouze et le Kbins."
— 21 —
ja nach der I'iisitte jener Zeit eine höhere Weilie niclit gefordert wurde.
Wahrscheinlicli ist die Verleihung der Pfründe während der Studienjahre
Reinards erfolgt, wo noch Hoffnung vorhanden war, dass er sich nach
dem Beispiele seiner drei altern Brüder dein Kirchendienste widmen werde.
Als canonicus praebendatus, wie er sicli in einer Urkunde nennt, lebte
Reiuard sparsam, denn er war imstande, dem von Schulden gedrückten
Kapitel am 27. Juli 1338 die Summe von 32 Pfund turnoser Groschen vor-
zuschiessen, wofür ihm eine Kente von jährlich 4 Pfund zugesichert wurde,
die nach einem spätem Abkonnnen mit 80 kleinen Goldgulden sollte abgelöst
werden können. Der Schuldtitel des Kapitels zeigt uns ßeinard als einen
sehr vorsichtigen Geldmann; er Hess sich nämlich zur Sicherung seiner ßente
nicht blos die Güter der Kirche verschreiben sondern übernahm auch die Rent-
meisterstelle, damit er der Zahlung desto gewisser sei. Als solcher erhob
er die Einkünfte des Stiftes und quittirte über dieselben ^
Wie lange Reinard das Kanonikat an St. Servatius behalten hat,
lässt sich nicht genau bestimmen. Wahrscheinlich hat er dasselbe nieder-
gelegt als er die Ritterwürde empfing und damit endgültig in den welt-
lichen Stand zurücktrat. Die Verzichtleistung geschah zu gunsten seines
Verwandten Johann von Schönau, der sich 1354 auch im Besitze der Kurie
Reinards in Mastricht befindet^. Auf ihn übertrug Reinard am 15. Oktober
1360 ebenfalls die Rente von 4 Pfund Turnosen, welche das Kapitel nun-
mehr an Johann bis zu dessen Tode zahlen solltet Reinard bediente sich
dieses Johann häufiger in (icschäften und schenkte ihm grosses Vertrauen.
Das ergibt sich aus Folgendem. Nach dem Tode Reinards strengte sein
Sohn Konrad eine Khige gegen das Kapitel von St. Servatius an und zwar
auf Herausgabe einer Kiste voll Geld und Kleinodien von hohem Werthe,
welche sein seliger Vater den Schatzmeistern des Stiftes zur Aufbewahrung
übergeben liabe*. Die Untersuchung ergab, dass allerdings ein solcher
Schrein durch den verstorbenen Johann dem Schatze anvertraut, aber auf
dessen Befehl auch wieder herausgegeben worden sei\
Noch einmal trat Reinard im Jahre 1361 mit dem St. Servatiusstifte
in Verbindung, als er nämlich den Herzog von Brabant als CoUator der
Propstei bewog, diese reich dotirte Stelle seinem zweiten Sohne Johann,
dem spätem Burggrafen von Jlontjoie, zu übertragend
Was St. Trond betrifft, so leistete Reinard dieser Stadt, in welcher
sein Bruder Amelius als Abt die halbe Herrschaft besass, einen wesent-
lichen Dienst. Nach der Schlacht bei Tourinne, in welcher Bischof
Engelbert von Lüttich mit Hülfe des Herzogs von Brabant den Lüttichern
eine entscheidende Niederlage beigebracht hatte, ritt Reinard stracks vom
Kauipfplatze weg nach St. Trond und meldete, dass der Herzog aus altem
M Franqiiinct, aimexc I, 8. 63 f.
-) de ehest rot S. 7.
*) Franquinet, annexe IV, S. 70 f.
*) Waren das etwa die Schätze, welche* Keiuard mit nach Khodus genommen hatV
^) de (?h»^strot S. 7, Anm. 1.
«) Das. S. 4»i.
— 22 —
Grolle die Stadt zerstören wolle. Die gewarnten Bürger ergriffen geeignete
Massregeln um den Herrn zu versöhnen: sie erkannten den Herzog als
Obervogt an und nalimen ihn in die Stadt auf^
Später waren die Beziehungen Reinards zur Abtei recht unerfreulich.
Abt Amelius hatte ihm Besitzungen des Klosters, welche zu Helchteren
in der Campine lagen auf Zeit übertragen: wahrscheinlich — da der Sühne-
vertrag von einer Entschädigung für gemachte Auslagen redet — wegen
empfangener Darlehen. Reinard hätte zwar lieber die Besitzung gegen
einen jährlichen Zins auf Lebenszeit genommen, darauf Hessen sich aber
die Mitglieder der Abtei nicht ein. Man mochte wohl bittere Erfahrungen
mit solchen Gütern gemacht haben. Und weil er selbst nach dem Tode
seines Bruders die Herausgabe verweigerte, betrachtete ihn die Kloster-
gemeinde als unrechtmässigen Besitzer. Am 28. Dezember 1354 kam es
dann zu einem Vergleiche, wonach Reinard zur Schadloshaltung noch vier
Jahre im Besitze bleiben und dann das Gut gegen 1000 Florentiner Gulden
abtreten sollte. Mittlerweile machte jedoch Walram von Born seine Ansprüche
auf die Herrschaft Falkenburg, welche Reinard erworben hatte, mit Waffen-
gewalt geltend. Die Gefahr lag nahe, dass derselbe sich auch an Helchteren
vergreifen würde. Darum gab Reinard die Besitzung schon 1356 zurück
und erhielt ausser der bedungenen Summe einen Ersatz von 120 Gulden
für jedes der noch übrigen Vertragsjahre ^
Der Chronist von St. Trond klagt bitter über erlittenes Unrecht.
Da uns nichts über die Gründe der Verpfändung von Helchteren oder über
die Abmachungen zwischen Amelius und Reinard bekannt ist, so lässt sich
nicht beurtheilen, ob wirklich ein solches vorlag. Es wäre aber jedenfalls
edler gewesen, wenn Reinard schon mit Rücksicht auf den Abt Amelius,
seinen Bruder und Wohlthäter, nicht so streng auf seinem Schein bestanden
hätte.
III. Reinard als Kriegsmann.
Der Kanonikus von St. Servatius kam als Verwandter der Bongart
in Gunst und Vertrauen bei Wilhelm V., Markgrafen von Jülich. Mit
diesem Fürsten zog er auch ins Feld, als es galt dessen Schwager Eduard
von England gegen Frankreich zu unterstützen. Reinard nahm Theil an
der Belagerung von Cambrai (September 1339) sowie an der von Tournai
(Juli — September 1340). Hier leistete er ein Reiterstückchen, welches
Froissart der Nachwelt überliefert hat.
Einige Herren aus dem Jülichschen und Geldrischen beriethen sich,
wie sie mit den Franzosen etwas Scharmützeln und eine Schlappe der
Hennegauer auswetzen könnten. In der Nacht brachen sie mit ihren
Leuten auf und zogen bei Tagesanbruch, etwa 300 an der Zahl, über die
Brücke von Tressin. Während der Herr (Ludwig) von Randerath und
Arnold, sein Sohn^ mit ihren Reisigen vorrückten, blieb Reinard nebst
») de Chrestet S. 21.
«) Das. S. 36 f.
^) Vgl. Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins l, S. 199 f. Annalen, Heft 55,
8. 146, 176.
— 23 —
den übrigen an der Brücke zurück, um jenen den Rücken und den Rück-
zug zu decken. Randerath stürmte in daß französiclie Lager, hieb Seile
und Pfiihle entzwei, warf Zelte und Pavillone nieder und richtete eine
grosse Zerstörung an. Die Herren Karl von Montmorency * und von St. Sauf-
lieu, welche grade die Wache hatten, hörten den Lärm und eilten herbei,
worauf sich Randerath langsam zurückzog. Aber die stolzen Franzosen
wollten den Schimpf nicht ungerächt lassen; sie stürmten nach und riefen:
„Ha, ihr Herren, so werdet ihr hier nicht wegkommen!" Als sie jedoch
an der Brücke den Haufen sahen, der zu ihrem Empfange bereit war,
stutzten sie; der bedächtige Herr von St. Sauf-lieu wendete sein Banner
und kehrte ins Lager zurück. Montmorency jedoch ritt vorwärts. Da
ersah Reinard die Gelegenheit, er sprengte unter die Franzosen, drängte
sich an die Seite ihres Anführers, ergriff mit der linken Hand dessen Ross
am Zügel, spornte den eigenen Streithengst und riss so den Herrn aus
den Reihen der Franzosen heraus. Mochte der Mann auch noch so kräftig
drauf loshauen, Reinards Rüstung war gut und hielt die Hiebe aus. Er
brachte Montmorency ins deutsche Lager, wo er wegen dieser That gar
sehr gefeiert wurde. Natürlich mussten die Gefangenen, deren ausser dem
Anführer wohl noch achtzig waren, ein hohes Lösegeld zahlen*.
Reinard war aber auch ein kundiger Krieger, wie hätte ihn sonst
Bischof Adolf von Lüttich zu seinem Marschall ernannt? Und als solcher
unterschreibt der Schönauer, noch bevor er die Ritterwürde erlangt hatte,
zwei Urkunden vom 13. März und 24. September 1344 ^. Auch dem Nachfolger
Adolfs, Bischof Engelbert, leistete Reinard als Marschall gute Dienste gegen
die Lütticher. Es handelte sich damals um die Grafschaft Looz, welche
zum Fürstenthum Lüttich gehörte aber von Dietrich von Heinsberg — aus
Jülicher Blut — in Besitz genommen war. Die Bürgerschaft wollte die-
selbe zurück haben, die Bischöfe Adolf und Engelbert, beide Verwandte
des Heinsbergers, wünschten sie diesem zu belassen. Darum empörte sich
die Stadt gegen den Bischof, und es kam zu erbitterten Kämpfen. Vor
der Schlacht bei Wothem (Vottem) am 19. Juli* 1346 wurde Reinard zum
Ritter geschlagen und warf zugleich sein Banner auf, d. h. er zog gleich
mit einer eigenen Schaar in den Kämpft Der Erfolg entschied gegen
den Bischof; er wurde geschlagen und viele seiner Reisigen, Herren wie
Knechte flohen selbst bis nach Aachen*'. Ln folgenden Jahre gelang es
ihm besser. In der Schlacht bei Tourinne am 21. Juli 1347, in der
Reinard ebenfalls mitfocht, erlitten die Lütticher eine so fürchterliche
Niederlage, dass ihrer 10,000 das Schlachtfeld bedeckten. Wir dürfen
unserm Reinard wohl einen entscheidenden Antheil am Siege zuschreiben.
^) Der spätere MarschaU von Frankreich. Yg\. Feller, Dictionnaire HistoriqueIV,S.619.
») de ehest ret S. 13.
3) Das. S. 16.
*) So de Chestret 8. 19. Andere setzen den Tag auf den 10. oder 20. Juli an.
Vgl. Villenfagne, Rccherches sur Thistoire .... de Li^ge I, S. 175, und Anm. a.
*) Dazu gehörten wenigstens 10 Ritter mit je zwei Knappen. Vgl. Zeitschrift des
Aachener Geschichtsvereins IX, S. 63, Anm.
'') Lau reut, Stadtrechnungen S. 181, Z. 35 ff.
— 24 —
Herr de Chestret^ theilt nämlich folgende Stelle aus einer alten Chronik
mit. „Im Jahre 1347 ist nach dem Berichte des Herrn von Havelanges
Herr Keinard von Dickenberg (!) genannt der Massureit^, welcher damals
Feldmarschall des Bischofs Engelbert von Lüttich war und den Kriegsruf
der Lütticher erfahren hatte, in deren Lager eingedrungen und hat das-
selbe angezündet/ Hieraus erklärt sich auch die grosse Anzahl der
Gebliebenen. Die geschlagenen Lütticher hatten keine Zuflucht mehr,
wohin sie sich hätten zurückziehen können. Das schreckliche Ereigniss
hatte übrigens dank der Mässigung des Bischofs dauernden Frieden zwischen
ihm und der Stadt zur Folge*.
Auch in kleinern kriegerischen Unternehmungen zeigte Reinard seine
Tapferkeit. So schreibt man ihm einen Antheil an der Eroberung und
Zerstörung des Eaubnestes Gripekoven zu, welche 1354 durch den Land-
friedensbund erfolgte. Die Lage dieser Burg ist aus der Chronik von
Erkelenz nachgewiesen. Letztere Stadt hatte grossen Schaden von der
Gripekovener Raubritterbande erlitten, darum wurden ihr die Steine des
zerstörten Schlosses geschenkt, um damit den Thurm des inneren Stadt-
thores aufzubauen*.
Im Jahre 1362 finden wir Reinard mit dem Herzoge von Jülich vor
Merode. Dieses Schloss gehörte damals zwei Brüdern, von denen der
jüngere, Konrad, den älteren, Richard, zu verdrängen suchte. Der Herzog
kam seinem Vasallen zu Hülfe, eroberte die Burg und verkaufte Konrads
Hälfte an der Herrschaft dem Richard für 6000 Goldschilde ^
Weit bedeutender und interessanter als diese kleinen Kriegszüge ist
die Theilnahme Reinards an den Unternehmungen des Herzogs Wenzel von
Brabant gegen Löwen. Hier eröffnen sich allgemeinere Gesichtspunkte,
welche zugleich die Stellung des Schönauers zu den sozial-politischen
Bestrebungen des 14. Jahrhunderts beleuchten. Zwar hat ein gewisses
VorurtheiP gegen den Geldmann Reinard dazu geführt, dass man auch
hier ihm Habsucht als Beweggrund seiner Handlungen unterschoben hat^;
mit welchem Rechte, mag der Leser selbst beurtheilen.
*) S. 21, Anm. 2.
*) Vgl. oben S. 19, Anm. 4.
8) Vgl. Villenfagne, a. a. 0. S. 176.
*) Laurent, Stadtrechnungen S. 49. Annalen, Heft 45, S. 179, Anm. 2.
*) Richardson, Gesch. der Merode I, S. 27.
^ Woher dieses Vorurtheil kommt, soll unten gezeigt werden.
^ „Renaud, toujours avide de pßcher en eau trouble encourageait secrftte-
ment les mönees (de Pierre Cottrel) . . . II est ä supposer que Renaud, qui n'avait
pas r^ussi jusqne lä k tirer un pro fit mat^^riel de cett« r^volntion communale, a en
encore la main dans les agissements de Cottrel ..." So schreibt Franquinet (S. 17), von
dem de Chestret (S. 30, Anm. 5) allerdings sagt „que ia Chronologie et les faits en
g6n6ral ont 6t6 asscz maltrait^s par Phistorien des Schoonvorst**. Aber de Chestret spricht
ebenfalls von Reinards „conseils probablement intöress^s** (S. 44) und lässt ihn sich
mit dem Herzog und Coutereel in den Raub theilen, der den Patriziern abgenommen
wurde. Er macht sich die Worte eines andern Schriftstellers zu eigen: „Rien ne peut
justifier Wenceslas et Schoonvorst si, selon toutes les vraiscmblances, ils se fircnt
paycr par Coutereel Icur connivence" (S. 45); also „probablement", „selon toutes les vraisem-
'lances", — aber Gewissheit hat man nicht!
— 25 —
Das 14. Jahrhundert war bekanntlich eine Zeit der heftigsten sozialen
Wirren. In den gewerbreichen Städten, wo Kunst, Handwerk, Handel
gleichmässig blühten, erhoben sich die Zünfte, der dritte Stand, gegen die
patrizischen Geschlechter, weil sie mit diesen nicht blos die Pflichten und
Lasten des Gemeinwesens tragen, sondern auch die Eechte an der Kegierung
und Verwaltung der Gemeinde theilen wollten. Die Landesherren haben
wohl diesen Kämpfen mit gemischten Gefühlen zugeschaut: wenn es ihnen
einerseits angenehm sein mochte, dass die Macht der stolzen Geschlechter
geschwächt wurde, so duiften sie doch anderseits nicht zugeben, dass die
Gemeine allzuviel Gewalt gewann.
Zur Zeit, wo Reinard grossen, ja tiberwiegenden Einfluss im ßathe
des Herzogs von Brabant hatte, kamen auch in der Stadt Löwen solche
Unruhen vor. In diesen Kämpfen zwischen den Löwener Geschlechtern '
und der Gemeine oder den Zünften hatte sich Peter Coutereel ^, der Mayer
oder oberste Beamte des Herzogs, auf die Seite der letzteren gestellt. Weil
nun Reinard ebenfalls die Gemeine begünstigte, spricht man von einem
geheimen Einverständnisse zwischen ihm und dem Mayer. Es ist aber
doch wohl selbstverständlich, dass Coutereel zum Nutzen seines Herrn zu
handeln meinte; warum soll er denn nicht im geheimen Einverständnisse
mit dem Herzoge selbst seine Massregeln getroffen haben? Hierfür spricht
auch das Verhalten Wenzels. Dass er nicht offen auf die Seite der Ge-
meine treten durfte, wenn er nicht den Adel des Landes gegen sich haben
wollte, ist ja klar; zu einem solchen Wagniss ist aber Wenzel nie mächtig
genug gewesen.
Eine Meinungsverschiedenheit zwischen den Schöffen und dem Mayer
über dessen Amtsbefugnisse führte dahin, dass jene diesen für unfähig
erklärten, sein Amt zu verwalten; m. a. W.: die Schöffen setzten ihren
Mayer ab. Coutereel begab sich sofort nach Tervueren, um Wenzel dieses
Verfahren zu klagen, „welches trotz den Privilegien Löwens der herzog-
lichen Würde zuwider zu sein scheinen konnte", sagt de Chestret^. So
gewunden hat sich Reinard nicht ausgedrückt. Er war allein mit dem
Herzoge, als Coutereel seine Beschwerde vorbrachte. Empört über die
Anmassung der Geschlechter rief er aus: „Herr Herzog, Ihr werdet nie
Herr in Löwen sein, wenn Ihr nicht ein Mittel findet das Volk zu erhöhen
und diese hochmüthigen Patrizier zu beugen." So musste auch Wenzel
denken, de Chestret sagt selbst '*, dass die unabhängige Handlungsweise
der lignages dem Landesherrn unerträglich schien. Jetzt nun hatten die
Patrizier sich sogar herausgenommen, den obersten fürstlichen Beamten in
ihrer Stadt abzusetzen. Wenn ihre Privilegien wirklich so weit gingen,
dann hatte ja Reinard den Nagel auf den Kopf getroffen, als er erklärte,
die fürstliche Gewalt in Löwen sei bioser Schein, wenn die Macht der
') Familles patricicnnes oa lignages nennt sie de Chestret.
*) Die Coutereel gehörten zu den Löwener Schölfenfamilicn. Vgl. Annalcn, Heft 55,
S. 80.
«) de Chestret S. 44.
♦) Das.
— 26 —
Geschleclitcr nicht beschnitten würde. Wäre Wenzel anderer Meinnnö:
f^ewesen, so hätte er seinen Rath in Gegenwart Coutereels zurechtweisen
müssen. Aber „er antwortete nicht, sondern sprach von andern Dingen".
Nun ging Coutereel, „durch die Worte, die er gehört^, ermuthigt und der
Straflosigkeit sicher", nach Löwen zurück, bemächtigte sich an der Spitze
der Zünfte des Rathhauses, setzte viele Patrizier gefangen und änderte
die Verfassung dahin, dass die obrigkeitliche Gewalt in der Stadt zwischen
den Geschlechtem und den Zünften getheilt wurde.
Reinard soll Wenzel den Rath gegeben haben, durch die Finger zu
sehen, wenn man ihm, dem Herzoge, den Löwenantheil an der den ge-
fangenen Patriziern abgepressten Lösungssumme lasse. Das sei geschehen,
Reinard und Coutereel hätten dann den Rest getheilt. Freilich ein schmutziges
Verfahren. Doch vergessen wir nicht: es liegt keiu Beweis vor, man
schildert das so „selon toutes les vraisemblances". Auch wird nicht an-
gegeben, wie viel Reinard erhalten habe. Ist sein „profit mat^riel" dies-
mal nicht grösser gewesen als nachher, dann ist die Sache kaum der Rede
werth.
Die Dinge gingen in Löwen bald über die Grenze hinaus, in der
Wenzel sie gehalten wünschte. Die Zünfte missbrauchten ihren Sieg; sie
wollten die meisten Patrizier nicht einmal mehr in die Stadt aufnehmen.
Da schritt der Herzog ein. Er belagerte die Stadt, welche jedoch keinen
Widerstand entgegensetzte. Im herzoglichen Heerbanne befand sich auch
Reinard; er unterzeichnete mit Herzog Wilhelm von Jülich, Robert von
Namür, Graf Johann von Salm, mit Arnold von Rümmen und andern Räthen
von Brabant den Friedensvertrag vom 19. Oktober 1861, der, wohlgemerkt,
an den durch die Revolution zu gunsten der Gemeine getroifenen neuen
städtischen Einrichtungen nichts änderte. Der Herzog war demnach mit
\ der Schwächung der patrizischen Gewalt einverstanden. Nicht so natür-
lich die Geschlechter: sie wollten sich nicht fügen. Andrerseits strebten
die Zünfte nach Erringung noch grösserer Macht und nach gänzlicher Ver-
drängung der lignages. Coutereel vertrieb denn auch die Patrizier zum
zweiten Mal. Herzog Wenzel liess die Herren zappeln; erst als sie ihre
Bereitwilligkeit erklärten, sich dem Oktobervertrage von 1361 zu unter-
werfen, zog er trotz den Vorstellungen Reinards abermals vor die
Stadt, die sich wiederum nicht vertheidigte. Man versprach, jene Satzungen
allerseits getreu zu beobachten, gab die Geiseln heraus und zahlte an
Wenzel 28000, an den Herzog von Jülich 3000, an den Herrn von Berge op
Zoom 1000 und an Reinard — nach Franquinet 600, nach de Chestret
gar nur 300 moutons d'or*. Da der Schönauer sich zweimal zum Kriege
gegen Löwen hat rüsten müssen, da er jedenfalls dem Mayer für die
Bewegung Vorschüsse geleistet hat, so wird er mit dieser und der oben
erwähnten Entschädigung eben auf seine Kosten gekommen sein. Wo
bleibt denn da der „profit materiel", nach dem Franquinet ihn jagen, wo
») Öo de Chestret S. 45. Man könnte treffender sagen : ermuthigt durch das wohl
verstandene Schweigen des Herzogs.
^) So genannt nach dem aufgeprägten Agnus Dei.
— 27 —
sind die „conseils probablement int^ress^s", die de Cliestret ihn geben lässt?
Was den Nutzen angeht, da sind der Herzog und die anderen Herren, ja
selbst Coutereel weit besser gefahren, als Reinard ^ Der Mayer hatte
nämlich schon 1362 „zur Belohnung für seine Dienste*' vom Herzoge die
Herrschaft Asten erhalten ^, nach der zweiten Belagerung verliess er Löwen
und zog sich auf seine Besitzung zurück. Man wittert allerdings auch
hinter dieser Handlung Wenzels wiederum Reinard, obschon der Verlauf der
Dinge klar zeigt, dass Coutereel nur im Interesse des Herzogs gearbeitet
hat, eine Belohnung demnach von dem freien unbeeinflussten Entschlüsse
seines Landesherrn wohl erwarten durfte.
Ueber die Politik Reinards in der Löwener Angelegenheit darf ich
mir kein Urtheil erlauben, weil dazu eine genaue Kenntniss der damaligen
brabantischen und Löwener Verfassungsverhältnisse gehört. Aber ich
nehme den Schönauer in Schutz gegen den Vorwurf gewissenloser Hab-
sucht, die wegen einer elenden Summe Geldes Revolution und Krieg über
Stadt und Land bringt. Will man jedoch Reinard einen Beweggrund zu
seinem Verhalten in diesem Handel unterschieben, warum fasst man die
Sache nicht höher? Warum bleibt man beim niedrigsten Motive stehen?
Könnte nicht etwa Reinard ^sage et subtil" wie er nach Hemricourt war,
weiter gesehen haben als der Herzog und seine Räthe, könnte er nicht
erkannt haben, dass die einmal begonnene gewaltige Bewegung des dritten
Standes nicht mehr aufzuhalten und dass es besser sei, dieselbe radikal
durchzuführen ^ statt durch halbe Massregeln die Gesellschaft auf unbe-
rechenbare Zeit hinaus in Gährung zu erhalten? Eine solche Auffassung
würde wenigstens dem „g6nie diplomatique de cet homme extraordinaire** ^
besser entsprechen als jene, die überall nur Habsucht sieht. Wenn wir
jedoch auch nicht so weit gehen, so sollte doch das anerkannt werden:
Reinard hat bei der Löwener Frage im Interesse seines Fürsten, wie er
es verstand und auffasste, nicht aber zum Nutzen des eigenen Geldbeutels
gehandelt!
In den Streit der beiden Brüder Reinald III. und Eduard um das
Herzogthum Geldern war Reinard zwar auch verwickelt, aber ob er thätigen
Antheil am Kriege genommen habe, lässt sich aus dem vorliegenden Material
nicht ersehen. Seine sonstige Thätigkeit in diesem Lande wird unten im
Abschnitt V berührt werden.
Auf dem Schlachtfelde war Reinards Stern aufgegangen, auf dem
Schlachtfelde sollte er untergehen. Nicht als wenn der Schönauer auf der
Wahlstatt gefallen wäre: er verlor — was dem hochgestiegenen Manne härter
war — Ehre und Ansehen. Das geschah in der berühmten Schlacht bei
*) Eine hand:^chriftliche Aachener Chronik im B«'.Hitze dfH Herrn Dr. Adara Bock
erzählt nach Haraeus, die Löwener hätten ihrem Oubemator Keinard von Schönfornt we^eu
seiner trcaen Mühewaltung beim FriedcnaschlnsHe 3000 (ioldHtücke verehrt. Den
Haraeus Anuales dacum . . . Brabuntiae galten für die be»te Oedchichte Brabants. Vgl.
Feller, Dictionnaire III, S. 408.
*) de Chestret 8. 46, Anm. 1.
') Daher denn auch sein Widerstand gegen den zweiten Löweuer Zug den Herzogs.
*) de Chcötret S. 42.
— 28 —
Baesweiler am 22. Ausfust 1371. Herzog Wenzel von Brabant war als
Reichsvikar seines Bruders Karl IV. und als Haupt des Ijandfriedensbundes
verpflichtet, für die Sicherheit der Strassen und der auf ihnen Fahrenden
zu sorgen. Nun hatten einige Raubritter im Jülichschen brabantische
Kaufleute geschätzt; Herzog Wilhelm aber weigerte sich, die Schuldigen
zu bestrafen und Schadenersatz zu leisten. Da keinerlei Anmahnung
fruchtete, grilY Wenzel gemäss den Satzungen des Landfriedens zum Schwerte.
Wilhelm verbündete sich dagegen mit dem Herzoge Eduard von Geldern
und deui Grafen von Berg. Die brabantische Armee zog von Mastricht
über Falkenburg uud Herzogenrath ins Jülicherland; zwei bedeutende
HeiTcn aus der nähern Umgebung Aachens kommandirten in ihren Reihen.
Reinard befehligte die 48.^, Johann von Gronsfeld die 52. Rotte-; der
erstere führte Brabanter, der andere Limburger. Bei Baesweiler trafen
sich die Gegner. Da die Versuche einer friedli^'hen Tjiisung fehlschlugen,
hielt der Herzog von Brabant Kriegsrath, was zu thuen sei. Einige riethen,
man möge die französischen Hülfstruppen abwarten, welche unter Jakob
von Bourbt)n heranrückten. Da soll Reinard ausgerufen haben, der Herzog
würde sich mit Schmach bedecken, wenn er zögere; seine Macht sei stark
genug zum Angriff"; die Ehre gebiete, den Kampf zu beginnen. Die Jlehr-
heit stimmte zu und die Schlacht wurde auf den folgenden Morgen fest-
gesetzt. Auch den Truppen waren diese Worte Reinards aus dem Herzen
gesprochen. Als die Brabanter früh morgens iliren Herzog sahen, welcher
der h. Messe beiwohnen wollte, riefen sie ihm zu: .,IIerr, da sind die Feinde,
den Helm auf im Namen (?ottes und des h. Georg!"* Anfauirs war das Glück
dem Herzog Wenzel günstig, die Jülicher wichen, Eduard von Geldern fiel
und selbst Wilhelm soll sich einen Augenblick in der (Jewalt s(»iner Gegner
befunden haben. Dann erfolgte der Gegenstoss und die Brabanter erlitten
eine furchtbare Niederlage. Der Adel Brabants und Limburgs fiel entweder
oder wurde mit seinem Herzoge gefangen; auch Reinards ältester Sohn
verlor «lie Freiheit. Nur wenitre retteten sich durch die Flucht, unter
diesen Reinard selbst: er entkam nach Mastricht. Hier harrte seiner ein
böser Empfang. Die Mitflüchtigen werden nicht ermangelt haben, die
ganze Verantwortung für des Herzogs und des Landes Unglück auf seinen
unglücklichen Rath zu wälzen. Die blinde Volkswuth, immer froh, wenn
sie einen Sündenbock findet, an dem sie sich auslassen kann, wendete sich
gegen Reinard; man that ihm in Mastricht ^groete smaet, confusie ende
schade'' an. Dass die Misshandlung keine ueringfüirige war, geht ans
dem Umstände hervor, dass sich hieiaus eine Fehde zwi.srhen den Söhnen
und Verwandten Reinards einer- und der Stadi Mastricht andrerseits ent-
spann, welclie erst im Jahre 1405 gesühnt wurdet
Auch seiner Fürsten Gunst verlor Reinard durch den Unglückstag
von Baesweiler. Zwar that er was in seinen Kräften stand, um den Herzog
Wenzel der harten (Tcfiingenschaft auf dem Schlosse Nideggeu zu ent-
») de (Uicstret S. oS.
^) Ernst, Tli.stoive du Liinbour«; V, S. i:rj.
^) Frau quin et, anncxe XVHl, S. 04.
— 29 —
ledigen. Er übernahm mit Joliann von Saffenber»i: eine vSendun«^ des Kaisers
an die Städte Lütticli, Huy, Tongern, üinant und St. Trond, um deren
Hülfe in Anspruch zu nelimen K Die konnte jedoch der Hartnäckigkeit
Wilhehns gegenüber nicht viel nutzen: es bedurfte des schärfsten Ein-
greifens des Kaisers, der die Reichsacht gegen Wilhelm aussprach, weil
er den Reichsvikar gefangen halte, um dem Herzoge im Juni 1372 die
Freiheit zu verschaifen -.
Wir finden Reinard noch auf dem Brabanter Ständetage von 1372
und in einer Urkunde für Löwen von 1373^, jedoch nur mehr unter den
Vasallen.
Seine glänzende einflussreiche Stellung war dahin, seine Rolle unter
den Grossen dieser Erde ausgespielt!
IV. Reinard der Geldmann. Seine Besitzungen.
Mit Recht darf der Leser fragen: Wie kam dieser Mann aus dem
niedern Adel, der jüngste Sohn eines kleinen Grundbesitzers zu den Mitteln,
um eine solche Stellung einzunehmen, eine solche Rolle durchzuführen?
Hat er Einfluss und Macht bloss geistigen Eigenschaften zu verdanken:
seiner Bildung, seiner ritterlichen Tapferkeit und kriegerischen Tüchtigkeit?
Gewiss hat dieses und noch anderes Gute an ihm mitgeholfen, aber die
eigentliche Grundlage seiner Erfolge war doch das Geld und sein grosser
Besitz. Und wie er dazu gekommen, soll dieser Abschnitt zeigen.
Hier müssen wir auf den englisch-französischen Krieg zurückgreifen.
Nach der Aufhebung der Belagerung von Tournai im September 1340
schlössen die kriegführenden Mächte Waffenstillstand. Der Markgraf von
Jülich schickte den Herrn Gerard im Bart und unsern Reinard nach Eng-
land, um die versprochenen Kriegsgelder zu erheben. Aber der königliche
Schatz war leer und die Gesandten kehrten mit der Vertröstung auf bessere
Zeit nach Hause zurück. Als die gestellte Frist abgelaufen war, ging
Reinard allein nach London. König Eduard hatte auch jetzt kein Geld
aber einen grossen Vorrath an Wolle, denn vom Parlamente war ihm die
halbe Wollschur für die Kriegskosten zur Verfügung gestellt worden*.
Reinard nahm mit der Waare vorlieb ; er Hess sich vom Könige einen
Geleitsschein ausstellen, der freie Ausfuhr gewährte und brachte seine
Ladung nach Brügge. Weil während des Krieges eine Einfuhr dieses
Artikels in Flandern nicht hatte stattfinden können, gab es bei dem dort
blühenden Tuchmachergcwcrbe grosse Nachfrage nach dem nöthigen Roh-
stofte, und die Brügger Kaufherren mussten schon hohe Preise bewilligen.
So gewann Reinard ein Drittel mehr, als der Markgraf von Eduard zu
^) de Chestrot S. 59.
*) Die Aussöhnung zwischen dem Kaiser und Ilorzo^ Wilhelm erfolgte auf dem
Reichstage zu Aachen. Vgl. ileyer, Aach. Gesch. S. 342.
^) de Cheatret S. 59. Die Erbitterun jr der Herzogin Johanna gegen Reinard ging
anch auf dessen Kinder über. Vgl. Frau (xu inet, annexe XV und XVI.
*) Weiss, Weltgeschichte VI, S. 400.
— 30 —
fordern hatte, und das betrug 6000 Königstlialer ^ Doch selbst mit diesem
grossen Gewinne soll ßeinard noch nicht zufrieden gewesen sein. Er ging —
so sagt man — zum Markgrafen, erzählte wie es ihm in London ergangen
und fügte bei, die Brügger hätten ihm bedeutend weniger für die eng-
lischen Wollen geboten, als König Eduard dieselben geschätzt habe. Er
müsse es nun dem Markgrafen überlassen, ob er zu dem niedrigem An-
gebote losschlagen wolle. Wilhelm, des Geldes höchst bedürftig, willigte
wohl oder übel ein. Eeinard kelirte nach Brügge zurück, erhob die letzten
Katen für die verkaufte Wolle und gewann auf diese Weise noch einmal
2000 Königsthaler *. So erzählen Franquinet^ und de Chestret* getreu
nach Hemricourt. Ich hebe nachdrücklich hervor, dass das Vorurtheil
über Reinards Habsucht, dass uns schon aufgestossen ist, auf dieser Er-
zählung beruht.
Woher hat nun Hemricourt all diese Einzelheiten? Vom Knappen
des Herrn Gerard im Barte!
Bei aller Achtung vor dem alten Memoirenschreiber kommt mir der
letzte Theil seiner Erzählung doch arg unglaublich vor, und ich wundere
mich, wie man die Räubergeschichte so unbesehen hat nachschreiben können.
Da wird einem Manne, den die trefflichsten Eigenschaften zieren, eine
ganz gemeine Gaunerei vorgeworfen: er soll aus unersättlicher Habgier
einen Fürsten betrügen, der sein Gönner ist, der ihn mit seinem unbe-
schränkten Vertrauen beehrt, und diese abscheuliche Handlung soll er
begehen in einem Zeitpunkte, wo sein Herr sich selbst in Noth und Geld-
klemme befindet. Ein solches Verfahren setzt doch einen ganz verkommenen
Charakter voraus. Wo hat sich denn Reinard als einen solchen gezeigt?
Man weise nicht hin auf seine Geschäftsgewandtheit. Gewiss, Reinard
war sage et subtil, klug und scharfsinnig: aber das ist doch weit entfernt
von Betrug und Gaunerei. Diese hässlichen Dinge laufen rasch zu Ende,
— Reinard hat sich während seines ganzen Lebens des Vertrauens seiner
Fürsten wie seiner Standesgenossen auch in den wichtigsten Angelegen-
heiten zu erfreuen gehabt.
Sodann: welche Beweise bringt Hemricourt für diese schwere Be-
schuldigung vor? Er hat allerdings einen Zeugen, aber auch nur einen,
der zudem durchaus nicht einwandfrei ist. Hemricourt beruft sich auf
den Knappen Gerards im Barte. Gerard war aber nicht mehr dabei, als
Reinard den Wollhandel machte. Fehlte der Herr, so war wohl auch der
Knappe nicht anwesend. Abgesehen davon, dass wir gar nichts von diesem
Knappen wissen und keinerlei Beweis für seine Glaubwürdigkeit haben,
macht schon der Umstand sein Zeugniss verdächtig, dass er nicht als
*) de Chestret berechnet den Thaler auf H^j Franken (S. 14, Anm. 1) und den
damaligen Geldwerth auf das Siebenfache des jetzigen (S. 15, Anm. 2). Danach sind 6000
royaux = 69 000 bzw. 487 200 Reichsmark.
') Der ganze Gewinn aus diesem einen Geschäfte hätte also 649 600 Mark nach
dem heutigen Geldwerthe betragen.
») S. 5.
*) S. 14 f.
— 31 —
Augenzeuge berichten kann. Woher hatte er denn Kenntuiss von den
Schlichen Reinards? Soll der ^kluge und geriebene** Schönauer seine
Gaunereien einem fremden Knappen anvertraut haben? Beschleicht uns
nicht das Gefühl, als handle es sich um ein Geschwätz aus der Bedienten-
stube, wie es von Leuten geführt wird, die sich gerne den Anschein geben,
als wüssten sie mehr denn andere Menschen, weil sie in der Umgebung
grosser Herren sind? Vielleicht steckt auch nichts anderes hinter dem
ganzen Gerede als der Neid der Klatschbasen des 14. Jahrhunderts gegen
den Emporkömmling, der so rasch zu Geld und Macht gelangte. Was ist
gewöhnlicher, als dass die Welt bei schnell erlangtem Reichthum an unred-
liche Mittel denkt?
Und endlich: das Benehmen Reinards gegen den Markgrafen, wie
Hemricourt es darstellt, ist eine Gaunerei. Und die sollte sich dieser
Fürst so ruhig haben gefallen lassen? Er hätte sich von einem Vertrauten
um eine grosse Summe beschwindeln lassen, während er selbst sich in
Verlegenheit befand? Das sieht den Herren von Jülich nicht ähnlich. —
Aber der Markgraf hat von dem Betrüge nichts gewusst! Nun, was der
Knappe des Herrn Gerard wusste, das war diesem Herrn doch auch niclit
verborgen, das musste auch zur Kenntniss anderer Höflinge des Markgrafen
kommen. Und die hätten eine solche Spitzbüberei des Emporkömmlings
ihrem Herrn verschwiegen? Dann wären sie keine treuen Diener und erst
recht keine — Höflinge gewesen. Jedenfalls musste dieses schmutzige
Verfahren früher oder später an den Tag kommen, und dann wäre es
sicher um Reinards Stellung am Jülicher Hofe geschehen gewesen. Wir
werden aber sehen, dass der Schönauer noch lange Zeit der Vertraute
dieses Fürstenhauses geblieben ist und dass er mit den Mitgliedern des-
selben Geldgeschäfte gemacht hat, gegen welche der Wollhandel ganz
unbedeutend erscheint. Aus diesen Gründen verwerfe ich die Erzählung
jenes Knappen und behaupte, dass Reinard seinen ersten grossen Erfolg
im Geldwesen, die Grundlage seines spätem kolossalen Reichthums, auf
ehrliche Weise und im Einverständnisse mit seinem Herrn errungen hat.
Und um keinen Einwand gegen diese Auffassung unberücksichtigt zu
lassen, sei noch erwähnt, dass Herr de Chestret (S. 61 f.) eine Bestimmung
des Reinardschen Testamentes, wonach dem Herzoge von Jülich bei der
Einlösung Montjoies 10000 Goldschilde nachgelassen werden sollten, als
eine Wiedererstattung für die beim Wollhandel abgeschwindelte Summe
auffassen zu können glaubt. Warum nicht lieber als Restitution für Ueber-
vortheilungen bei den späteren viel grossartigeren Käufen und Verkäufen ?
Denn was den Wollhandel angeht, so würde auch der strengste Moralist
einen Betrug, der zum Schadenersatz verpflichtet, nur dann feststellen
können, wenn Reinard dem Markgrafen einen Theil von dessen Kriegs-
entschädigung vorenthalten hätte. Für diese Annahme ist aber kein Grund
vorhanden als das unglaubhafte Gerede des Knappen. Hat dagegen Reinard
dem Jülicher die zwischen diesem und Eduard von England verabredete
Summe voll ausbezahlt, dann hatte der Markgraf weiter nichts zu fordern.
Was über diese Summe hinaus erzielt wurde, war rechtmässiges Eigen-
— 32 —
thum Reinards, weil er es durch kluge Benutzung der Umstände, durch
eigene Arbeit und Bemühung erworben hatte. Die 6000 Thaler also, welche
er an der Wolle verdiente, kann niemand dem Schönauer streitig machen.
Wie ist es aber mit den andern 2000 Thalern, die Hemricourt als den
eigentlichen Betrugsgegenstand anzusehen scheint? In dieser Summe mögen
manche Posten enthalten sein, welche Eeinard ebenfalls rechtmässig zu-
kamen. Zunächst die ersparten Zölle: die hatte er durch den königlichen
Geleitsschein, der übrigens schwerlich umsonst ausgestellt worden ist, ehr-
lich erworben. Dann sämmtliche Unkosten, besonders auch die Ausrüstung
Reinards zum Kriege, die gewiss viel Geld gekostet hat. Und wenn noch
etwas übrig war, so hindert nichts anzunehmen, dass der Markgraf seinen
Dank für die glückliche Abwickelung des wichtigen Geldgeschäfts auch
in klingender Münze abgestattet hat.
Bei der Testamentsklausel braucht also durchaus nicht an eine Resti-
tution aus dem Wollhandel gedacht zu werden. Aber wie soll man sie
denn erklären? Reinard hat sich in seinem ganzen Leben als einen treuen
und anhänglichen Diener seiner Fürsten erwiesen. Als er aus dem Lehens-
verhältnisse zum Herzoge von Jülich ausgeschieden war und nur noch in
engern Beziehungen zu Brabant stand, hat er allerdings sogar die Waffen
gegen das Haus getragen, welches sein Glück begründet und ihm Gelegenheit
gegeben hatte, sich aus der Dunkelheit herauszuarbeiten. Das war jedoch
seinerseits nicht freie Wahl, sondern Erfüllung der Vasallenpflicht gegen
Wenzel. Als er aber in Rhodus, frei von allen irdischen Verpflichtungen,
sein Ende herannahen fühlte, da hat er sich dankbar jener Familie erinnert,
und das Zeichen seiner Dankbarkeit war die erwähnte Bestimmung im
Testament. Eine Restitution kann um so weniger hierin gefunden werden,
als diese bei vorhandenen Mitteln — und die waren vorhanden — gleich
geleistet werden muss, während Reinard als genauer Kenner der jtilich-
schen Finanzen recht wohl wusste, dass noch viele Jahre verlaufen könnten,
ehe Montjoie eingelöst würde. Thatsächlich quittirte erst die Wittwe
Johanns 11. von Schönforst im Jahre 1439 über die Pfandgelder ^
Indessen, das ist eine Erklärung, die ich nur als Gegensatz zu der
Meinung des Herrn de Chestret von der „Restitution" aufstelle. Es soll
damit nur gesagt sein, dass der Erlass jener grossen Summe in einem
Sinne gedeutet werden kann, der für Reinard durchaus unverfänglich ist.
Wahrscheinlich liegt die Sache aber ganz anders. Fahne, auf den sich
Herr de Chestret beruft, schreibt allerdings in der Geschichte der Köl-
nischen, Jülichschen und Bergischen Geschlechter II, 133: „1393 bezeugt
Statz von Bongart, dass gemäss dem Testamente des Herrn von Schönforst
dem Herzog von Jülich, wenn er das Land Montjoie einlöse, 10000 Schilde
erlassen seien.** Man sieht, das Testament lag nicht vor, sonst hätte
es eines Zeugnisses des Herrn von Bongart gar nicht bedurft; Herr Statz
hat demnach nach seiner Erinnerung ausgesagt. Nun kommt hier alles
auf den Ausdruck „erlassen** an. Hat das wirklich so nude et crude im
Testamente gestanden? Es liegen 17 Jahre zwischen der Zeit, wo der
') Annalen, Heft 6, S. 17.
— 33 —
letzte Wille Reinards in Deutschland eintraf und dem Jahre, wo Statz
von Bongart sein Zeugniss ablegte. Ob ihm da der Wortlaut noch klar
und deutlich gegenwärtig war? Strange sagt in den Beiträgen zur Ge-
schichte der adeligen Geschlechter (VI, 63), man müsse bei der Benutzung
alter Zeugenverhöre sehr vorsichtig sein, da sie wenig hisirorischen Werth
hätten und in der Regel ein grobes Lügengewebe seien. Es liegt mir
fenie, Herrn Statz der bewussten Unwahrheit zu zeihen, aber ein Irrthum
könnt« ihm bei der Länge der Zeit doch untergelaufen sein, er könnte
einen unrichtigen Ausdruck gebraucht haben. Im Testamente Reinards
wird wohl von jener Summe in Verbindung mit der Einlösung Montjoies
durch den Herzog von Jülich Rede gewesen sein, aber in einem ganz
andern Zusammenhange und Sinne, als der Wortlaut des Regests bei Fahne
nahelegt. Wie nämlich aus der gleich folgenden Darstellung des Falken-
burg-Montjoier Geschäftes erhellt, schuldete der Herzog von Jülich dem
Schönauer zwei grössere Summen, eine von 46000, die andere von 10000
Schilden. Für erstere bekam Reinard Montjoie, für die zweite Korneli-
münster in Pfandschaft. Beide Geschäfte werden 1361 in Einer Urkunde
besprochen und es ist leicht möglich, dass sich Reinard bei der Abwickelung
seiner Geschäfte, bevor er nach Rhodus ging, über l>eide Summen einen
Gesammtschuldschein hat ausstellen lassen. Dann hiesse die Test-jiments-
bestimmung anders nichts als: Wenn der Herzog Montjoie einlöst, dann
sind die 10000 Schilde für Kornelimünster in Abzug zu bringen.
Endlich mag hier noch ein Punkt hervorgehoben werden, der ent-
schieden für Reinards Ehrlichkeit spricht. Als derselbe im Jahre 1369,
wo er selbst noch mitten im Geschäftsleben stand, seinen beiden ältesten
Söhnen einen Theil seiner Besitzungen abtrat, legte er ihnen ausdrü(jklich
die Verpflichtung auf, auch wenn sie Lust dazu verspürten, dennoch keine
„vuere** und keine „commanschaft van der vuere" zu halten, (das hcisst
wohl; weder selbst ein Handelsgeschäft zu betreiben noch sich an einem
solchen zu betheiligen,) damit niemand durch sie betrogen werde.
Man sollte doch meinen, ein Mann, der selbst durch unredliche Mittel ein
grosses Vermögen erworben hätte, würde seinen Söhnen auch selbst die
Möglichkeit eines Betruges nicht so gründlich abgeschnitten haben.
Einen Theil des nach unserer Auffassung rechtmässig erworbenen
Geldes legte Reinard in Grundbesitz an. Er hätte ja auch in der Schlacht
bei Wothem * nicht als Bannerherr auftreten können, wenn ihm keine
Vasallen gefolgt wären und dazu gehörten ausgedehnte Ländereien. Einige
dieser Besitzungen lernen wir aus einer Urkunde vom 12. Juli 1347 kennen,
in der sich Reinard gegen eine Summe von 10000 kleinen Florenzer Gold-
gulden* als Vasall des Erzbischofs von Köln, Walrani aus dem Hause
Jülich, erklärt und seinerseits der Kölner Kirche folgende Allode überträgt,
die er als Lehen wieder zurückerhielt: Die Herrlichkeiten von Berge ^ und
0 Vgl. oben S. 23.
*) Etwa 96000 Reichsmark.
•) Laurenzberg bei Jülich. Vgl. Höhl bäum, MittheUungeu aus dem Kölner Stadt-
archiy XIV, S. 43, 44, 45.
— 34 —
Mertzene ^ zwei Höfe, den einen in Berg, den andern in Merz, die Mühle
in Berg sowie einen Antheil an der Herrschaft Lanciaire ^. Ausser Reinard
unterzeichneten die Urkunde sein Bruder Raso Mascherei und sein Ver-
wandter Johann von Schönau, Herr von Fays^, beide Ritter.
Ganz andere Früchte brachte dem klugen und scharfsinnigen Manne
die Summe, welche er zu Geldgeschäften verwendete. Bei der unglaublich
raschen Vermehrung des Goldes in den Händen Reinards dürfen wir nicht
vergessen, wie rar damals das Geld und wie hoch die Zinsen waren ^.
Zunächst verpflichtete sich Reinard den Bischof Adolf von Lüttich.
In einer Urkunde von 1346 quittirt der Schönauer über alle Forderungen,
welche er an Adolf zu stellen gehabt, mit Ausnahme einer Summe von
1600 Königsthaler ^'^ und der Ansprüche, welche ihm auf die beweglichen
Güter des damals bereits verstorbenen Bischofs zustanden".
Nach dem Tode Adolfs (1344) spielte Reinard den Unterhändler um
das Bisthum Lüttich für den Neffen des Verstorbenen, Engelbert von der
Mark. Bei diesem Handel kamen für Reinard nicht blos finanzielle, sondern
auch verwandtschaftliche Rücksichten in's Spiel. Bischof Adolf hatte näm-
lich die Heirath zwischen seiner Nichte Catharina von Wildenberg, Wittwe
des Herrn Otto von Born, und Reinard vermittelt. Catharina war die
Base des Bischofs Engelbert^, somit Reinard dessen Vetter durch Schwäger-
schaft. Aus dieser Ehe leitet sich auch wohl die Schwägerschaft Reinards
mit dem Hause Jülich her. Nachdem Engelbert das Bisthum Lüttich
erlangt hatte, trug er nicht blos Sorge, dass dem Vetter die Schulden
des Oheims Adolf bezahlt wurden, er ernannte ihn auch zu seinem Mar-
schall, wie es bereits der Vorgänger gethan® und verschaffte ihm die
Stelle eines Lütticher Schöffen, einen damals sehr gesuchten Posten. Reinard
hat denselben allerdings nicht lange bekleidet; er trat ihn noch im selben
Jahre (1345) an den Ritter Arnold von Charneux ab^.
*) Niedermerz. Vgl. Zeitschrift des Aacliener Geschieh ts -Vereins XIV, S. 284.
*) Langweiler. Noch heute heisst dieser Ort im Volksmimde Lankler. (Die Urkunde
bei Lacomblet, Urkundenbuch III, Nr. 443, S. 358.)
*) Vielleicht ist dieser Johann der Vater der unehelichen Maria, Frau des Erkin
Ingbrant von Montjoie, für welche Rcinard am 30. April 1870 sorgte, indem er ihr den
Pachthof Opdenberg bei Montjoie und den Steinthurm am Roerthore der Stadt überwies
anter der Bedingung, dass sie den Thurm bewohne, sorgfältig instandhaltc, das mit
demselben verbundene Wachtrecht ausübe und die Liegenschaften als Afterleheu von
Montjoie betrachte, (de Chestret S. 57.)
*) Der Codex Moeno - Francof . von Böhmer enthält auf S. 553 Urkunden, aus
denen hervorgeht, dass der Frankfurter Rath 1338 Zinsen bis zur Hohe von SS'/a— 43^8
Prozent festsetzte. (Mittheilung des Herrn Archivar Dr. Han^^en.) Dass 10 Prozent der
gewöhnliche Zinsfuss war, erhellt aus manchen in dieser Abhandlung vorkommenden That-
sachen. Da begreift sich leicht der Widerspruch der Kirche gegen das Erheben solcher
Zinsen.
*) Etwa 18560 Mark, die nach dem heutigen Geldwerthe 129920 Mark ausmachen.
*) de Chestret S. 18, Anm.
') Siehe die Stammtafel bei de Chestret S. 17.
8) Vgl. oben S. 23.
•) de Borman S. 194 f. Vgl. für Arnold von Charneux Annalen Heft 55,
8. 78, 98, 112.
— 35 —
Schwer verschuldet war dem Schönauer Walram von Jülich, Erss-
bischof von Köln. Am 30. März 1345 schwor Reinard als Amtmann zu
Bonn und Brühl mit seinen Kollegen im Erzstifte dem Domkapitel Gehorsam
für den Fall, dass der Erzbischof sein Versprechen bezüglich des Zolles
zu Rheinberg und der Einkünfte zu Köln, welche dem Kapitel verpfändet
waren, nicht haltet AVie ist nun Reinard an diese Amtmannschaften
gekommen? Offenbar zur Sicherung eines grossen Guthabens. Nun hören
wir, dass Johann, König von Böhmen und Graf von Luxemburg, am
15. Juni 1346 dem Erzbischof AValram die Zusicherung gibt, er werde
dem Gläubiger desselben, Reinard von Schöuau, folgende Summen aus-
zahlen, wenn Wali*am dem Sohne des Königs, dem spätem Kaiser Karl IV.,
seine Stimme bei der deutschen Königswahl gebe: zunächst 60000 Riolen
in drei gleichen Raten, sodann 4000 Riolen für die Räthe des Erzbischofs,
endlich 4500 Goldschilde wegen des Markgrafen von Jülich. Für die
letzte Rate stellte Johann Burg, Stadt und Land Durbey (Durbuy) in
Luxemburg mit sämmtlichem Zubehör zur Sicherheit. Ferner bekannte
der König, dass er ausserdem noch dem Reinard und dessen Erben 11000
Goldgulden schulde, die er am nächsten (Jhristtage zahlen werde. Die
Verschreibung über diese Summen sollte dem Schönauer übergeben werden,
sobald derselbe dem Propste von Soest, dem Kölner Kanonikus Wilhelm von
der Schieiden und dem Herrn Johann von Reifersclieid eine Bescheinigung
Walrams vorlege, dass er Karl zum römischen Könige gewählt habe oder
wählen wolle. Der Stimraenkauf wird mit dem Hinweise begründet, dass
den Kurfürsten durch die Walil grosse Kosten erwüchsen, besonders dein
Kölner, der den Gewählten auch noch krönen müsse*.
Was Johann von Böhmen hier an Reinard versclireibt, macht nach
unserm Gelde 940800 Mark und nach dem heutigen Geldwertho (1585 600
Mark aus.
Ehe der König seinen Verpflichtnngen nachkommen konnte, veHor er
sein Leben in der Schlacht von Crecy am 26. August 1346, und Keinard
blieb im Besitze der Pfandschaften Durbuy und Laroche im Lnxenibnrgischen.
Letztere Grafschaft nahm Balduin von Luxemburg, Erzbischof von Trier,
an sich; dagegen bekannte sich Karl IV. selbst als Schuldner Ueinards
für 10000 Königsthaler und gab ihm ausser Durbuy noch das Schhms
Reuland sowie die Vogteien vcm Stablo und Malmc(ly als Unterpfand.
Schliesslich löste der Erzbischof auch diese Pfandstücke ein, weil hIc Erb-
gut seiner Familie waren ^
Wir kommen nun an dasjenige Geschäft Reinards, in welchem er sich
als Geldmann ebenso kühn und klu^»* zeigt, wie bei Tournai als Soldat.
Es handelt sich um die Erwerbung der Herrschaften Falkenbnrg nnd Montjoie.
1352 starb Johann, der letzte Herr dieser Besitzungen. Er hinter-
liess keine Kinder aber viele Schulden. Sein Eigenthum zu Montjoie und
*> Lacomblet III, 8. 383, ürk. 422.
*) Lacomblet III, S. 344. Urk. 4:»2.
*) de Chidtret S. 23. Vgl. Dominif^UH, BalJewin von LUtzelburg S. 490.
— 36 —
Bütgenbach, zu Euskirchen und Rüdeslieim ^ war an verschiedene Gläubiger
verpfändet. Fünf Schwestern Johanns waren erbberechtigt: Philippa,
Beatrix, welche mit Dieterich von Brederode verheirathet war, Margaretha
die Wittwe Hartrads von Schöneck, Maria Äbtissin von Maubeuge und
eine unbenannte, welche als Kanonissin zu Reichenstein bei Montjoie lebte.
Philippa setzte sich sofort nach dem Tode ihres Bruders in den Besitz
beider Herrschaften ^ und heirathete noch in demselben Jahre Heinrich
von Flandern, Herrn von Ninove. Diese Verbindung schaffte ihr jedoch
nicht das nöthige Geld um die Gläubiger zu befriedigen und die verpfändeten
Güter an sich zu bringen. Die Eheleute wendeten sich an Reinard, der
ihnen zwar 15000 alte Goldschilde vorstreckte, dafür aber auch 6000
Schilde, d. h. 40®/o an Zinsen und Kosten berechnetet Mit diesen Kosten
war die Schuld auf 21000 Goldschilde, d. h. auf etwa 188000 Mark oder
nach dem heutigen Geldwerthe auf 1 321 600 Mark angelaufen. Natürlich musste
für die grosse Summe eine entsprechende Sicherheit geboten werden. Am
4. Februar 1353 ertheilten denn auch Heinrich und Philippa dem Reinard
Vollmacht, in ihrem Namen Bütgenbach, St. Vith und Euskirchen in Besitz
zu nehmen, Amtmänner ein- und abzusetzen, die Schlösser bestens zu verwahren,
die Einkünfte zu verwalten und mit ihren Schwestern, der Äbtissin von
Maubeuge, der Frau von Brederode, der Frau von Schöneck und der Frau
(Kanonissin) von Reichenstein ein Abkommen zu treffen *. Diese Verhand-
lungen hatten insofern Erfolg, als die Wittwe von Schöneck ihr Drittel an der
Erbschaft in Falkenburg, Montjoie, Bütgenbach, St. Vith und Euskirchen
für 11000 alte Goldschilde verkaufte^. Die Zahlung wurde in der Art
festgesetzt, dass man der Schöneck 3000 Schilde baar auszahlte, 6000 auf
die Herrschaft Euskirchen anwies und für den Rest der 2000 eine jähr-
liche Rente von 200 Goldschilden aus den Einkünften von St. Vith und
Bütgenbach ihr gutschrieb^. Montjoie Hess Reinard demnach nicht belast.en.
Die Gewähr, welche durch den Akt vom 4. Februar 1353 gegeben
worden war, muss dem vorsichtigen Schönauer wohl nicht ausreichend
erschienen sein. Am 14. April desselben Jahres liess er sich nämlich durch
Heinrich als „Mombar*' (mamburnus) von Falkenburg, Euskirchen, St. Vith
und Heerlen einsetzen und zwar auf so lange, bis die ganze Schuld bezahlt
') bei Easkirchen.
^) Die Belehnung datirt vom 24. Aug. 1852. de Chestret 8. 28, Anm. 1.
") Das riecht aUerdings nach greulichem Wucher. Um aber gerecht zu urtheilen,
vergesse man nicht, wie hoch damals die Zinsen waren (vgl. oben S. 34, Anm. 4), wie
gewagt in diesem Falle das Qescbäft war und wie kostspielig in folge der Verhandlungen
mit den vielen Gläubigem und Erbberechtigten.
*) Lacomblet III, S. 419, Anm.
') Lacomblet III, Nr. 519, S. 423 und Anm. Aus dem Drittel schliessen Franquinet
(S. 11) und de Chestret (S. 28), dass nicht mehr alle Schwestern Johanus am Erbe berechtigt,
gewesen seien. VieUeicht hat die Frau von Schöneck für die Äbtissin und die damals
wohl schon geisteskranke Kanonissin mit abgeschlossen. Letztere, die Franquinet irrthilmlich
nach Köln versetzt, geberderte sich als Herrin von Falkenburg und liess sich dort nieder.
Man Hess sie bis zu ihrem Tode (1359) ruhig auf der Burg wohnen. Franquinet S. 12;
de Chestret S. 31.
•) Franquinet S. 11.
— 37 —
sein würdet Dadurch kam der Herr von Ninove in eine so abhängige
Stellung zu Reinard, dass er ohne dessen Zustimmung keine rechtskräftige
Handlung bezüglich dieser Besitzungen vollziehen konnte. Er musste sogar
seinen Beitritt zum Landfriedensbunde für die genannten Gebiete durch
Reinard bestätigen lassen*. Das war ein Zustand, den Heinrich auf die
Dauer nicht ertragen konnte. Das einfachste und radikalste Mittel, dem-
selben ein Ende zu machen, lag im Verkaufe der Herrschaften, die den
Eheleuten von Ninove so viele Sorgen verursachten, an den geldmächtigen
Gläubiger. Der Handel ist bald abgeschlossen worden. Am 11. März 1354
erklärt Johann III. Herzog von Brabant: „dat here Reijnard, here van
Monjouwe van Valkenburch ende van Scoinvoirst onse lieve man van ons
ontfaen heeft te leeue ... die bourch te Monyouwe ende al dat dair toe
behoirende es, die bourch te Butghenbach . . . den hof tot Rttdesheim . . .
dat huys te Berghe . . . den hof tot Busslaer^ ... die stat tot Zittert . . .
den toi tot Heistert ende tot Gülpen dat wilnere was ende biet dat gheleyde*
van Gressenich, den hof tot Esde^ . . . dat vierdeel van Heerle* mitten
gerichten ende mitten vieftenne mannen'', die heiecht* van Mechlen bi
Gulpen ende den toi van Lynne ^, van welken . . . golden, die rurende syn
van onsen hertochrike van Limborg her Reinart onse man worden is ..."
Ausser diesen Limburger Lehen empfing Reinard zugleich noch ein
brabantisches: „Item heeft die vurschreven her Reynart . . . van ons ont-
faen te leene vyftich pont goits gelts ane den toi tot Trichte^^ ende van
desen vyftich ponden es her Reynard . . . oec onse man worden, die rureüde
sin van onsen hertochrike van Brabant. Dairom ontbeden wy . . . allen den
ghenen, die Jioire leeue wirt (sie) van den heirschapen van Monyouwe ende
van Valkenbourch haudende syn, dat sy die leene wirt van heren Reynard
ontfangen ^K^
Da Falkenburg ein Reichslehen war, so erbat Reinard die Belehnung
mit demselben von Karl IV.; sie wurde ihm am 4. April 1354 von Toul
aus zn theil*^
Am 20. April (des neysten sundagis na paischen) desselben Jahres
erklärt Heinrich von Flandern, er habe mit der Frau von Schöneck einen
*) Lacomblet III, S. 423, Anm.
*) Meyer, Aach. Gesch. S. 326. Meyer übersetzt den Ausdruck mambur (er schreibt
mnmbur nach der Yolksaussprache momber) richtig mit Vormund; Heinrich war in bezng
auf diese Besitzungen entmündigt.
^) Vgl. Zeitschrift des Aachener Gcschichtsvereios II, S. 298.
*) Das Schutzrecht auf den Strassen, wofftr eine Abgabe entrichtet wurde.
*) Eysden.
^) Heerlen im Limbnrgischen.
^) Lehenlenten.
*) Fahne, (Gesch. der Köln. Geschlechter) und nach ihm de Chcstret übersetzen
,,Uälfte, moiti^^. Ich kann das Wort nicht finden, glaube aber, dass es ein Provinzialismus
für helheit = das (ianze ist.
*) Linnen auf dem rechten Maasufer oberhalb Ruremonde.
«<») Mastricht.
*') Staatsarchiv zu Düsseldorf A. I. 562.
") de Chestret S. 30 und Anm. 5.
— 38 —
Vertrag geschlossen über den dritten Theil, der ihr nacli ihrer Meinung
an der Erbschaft ihres Bruders Johann zustehe. Unterdessen habe er „die
bürgen heirheyde van Monyou, van Valkenburch, van Butgenbach, van sent
Vyt, van Euskirgen mit ihren z&belioerin" dem Herrn Keinard von Schön-
forst verkauft und setze darum denselben in alle Rechte ein, die er von
der Frau von Schöneck erworben, umsomehr weil dieser der Inhaber der
Verkaufsurknnde seitens der Frau von Schöneck sei und das Kaufgeld
theils bezahlt habe, theils noch bezahlen werde ^ An demselben Tage
bekundet Heinrich „dem edelen vursten unsem beirren heren Weutzelyn
dem herzogen van Lutzelenburch", dass er dem Herrn Keinard die Herr-
schaften von Montjoie und Falkenburg mit ihrem Zubehör sowie alles, was
er mit Frau Philippa „genomen", verkauft habe und bittet den Herzog,
Reinard mit „der burch, stat inde ampte van sent Vyt, die wir van uch
haldende waren", belehnen zu wollend
Aber die Rose, welche Reinard sich da gepflückt hatte, war nicht ohne
Dornen. Johann von Falkenburg, Herr von Born und Sittard, war im Besitz
dieser Stadt, und wahrscheinlich hat Reinard dieselbe nie thatsächlich besessen ^
Eines andern Theiles der Falkenburger Errungenschaft entäusserte der
Schönauer sich freiwillig: er vertauschte Euskirchen* und Rüdesheim,
welche Besitzungen ihm zu entlegen waren, an den Markgrafen von Jülich
gegen die Herrschaft Zetrud-Lumay oder Zittard, südlich von Tirleraont,
die dem Markgrafen aus dem Erbe seiner Mutter Elisabeth von Brabant
zugefallen war. Da aber Euskirchen grösseren Werth hatte als Zetrud,
so übernahm Wilhelm auch die Zahlung der 8000 Goldschilde, welche der
Frau von Schöneck im Vertrage von 1353 auf Euskirchen und St. Vith
angewiesen worden waren. In der Abmachung zwischen Wilhelm und
Reinard vom 12. März 1355 werden die Tauschgegenstände folgender-
massen beschrieben: Wilhelm erhält „die veste ind stat zu Eustkirch mit
der heerheid ind met den gerichtcn hoge ind neder, bennen ind buissen
Eustkirch gelegin, die zu Eustkirch gehorint, vort mit den mannen, borch-
mannen, dienstraannen, scheffenen, scheflfenstulen, mit den eigendom, mit
allen reuten id si corengelde, penniggelt*, hoenre, capune, curmeden, mulen,
erfgemal, benden, busche, velt, wasser, weide, vischereyen, opval, nederval,
mit allen notz ind urber, die zu Eustkirch gehorint, . . . mit der kirchengicht ^,
mit den clockenslage ind mit dem hove zu Rudesheim mit allen iren zubehorin".
») Staatsarchiv zu Düsseldorf A. I. 574. Lacomblet III, S. 423. Urk. 519 und
Anm. Es siegeln Heinrich in rothem Wachs: gekrönter Löwe mit Schrägbalken, Gerart
van Reysecken, Ritter: derselbe Löwe ohne Balken, Arnold von Marken, Ritter: doppelt-
geschwänzter Löwe, und Gerard Busch, Knappe: 3 Kugeln (2. 1.)
*) Staatsarchiv zu Düsseldorf A. I. 575. Siegel wie oben; Arnolds und Gerards
Siegel abgefallen.
«) de Chestret S. 31, Anm. 2.
*) Büsching, Erdbeschreibung VI. Theil S. 131, sagt: „37. Das Amt Euskirchen
oder Vemich hat 112G Morgen, gibt von jedem 26 Albus, überhaupt 366 Thaler 70 Albus,
wenn das Land 100000 Thaler erlegt".
^) Korn- und Goldrenten.
ö) Patronat.
— 89 ~
Reinard erhielt ^Zyttart in Brabanl prelegin mit alle syme ziibehorin,
mit der lieerlieid, mit den mannen, mit den scheifeuen, scheffenstulen,
mit dem gericlite, mit allen renten, mit penniggelde, mit corengelde,
mit einsen, mit hoenren, mit capunen, mit curmeden, mit mulen, mit erf-
gemale, mit pechten, mit buschen, mit velden, mit wasser, mit weiden,
mit benden, mit bruchgin \ mit vischereyen, mit opval, mit nederval, mit
allen notz ind urber, die zu Zyttart ind zu der heerheid van Zyttart
behorinde siin^". Zetrud war jedoch ein Lehen der Grafen von Namür
und noch im Jahre 1358 hatte Reinard die Belehnung mit dieser Herrschaft
nicht erlangt^.
Wir hörten bereits*, dass Walram, der Sohn Johanns von Born, seine
Ansprüche auf Falkenburg mit Waffengewalt geltend zu machen suchte.
Das mag Reinard wohl veranlasst haben, sich ganz aus dem verdriesslichen
Handel zu ziehen. In der letzten Hälfte des August 1356 verkaufte er
Falkenburg und Montjoie an den Markgrafen von Jülich. Vom 30. dieses
Monats datirt nämlich die Urkunde ^ worin Markgraf Wilhelm gelobt, er
wolle die Schlösser beider Herrschaften nicht in Besitz nehmen, bevor er
seinem Schwager^ Reinard von Schönau die Briefe überliefert, welche
Heinrich von Flandern von demselben in Händen habe, ihm die Belehnung
mit Zetrud verschafft und ihm alle Mundvorräthe an Wein, Korn und
allen andern Dingen, seine Kriegsgeräthe an Armbrüsten, Nothstellen ^,
Pfeilen sowie seinen Hausrath an Betten, Schlaflaken, überhaupt alles,
was Reinard auf die Burgen geschafft hatte, auf das Haus zu Caster,
in die Stadt Mastricht oder nach Aachen, wohin Reinard wolle, abge-
liefert habe. Damals war also der Verkauf abgeschlossen und Caster als
Pfandstück bereits abgetreten, jedoch verzögerte sich die Uebergabe der
Burgen noch, weil der vorsichtige Reinard vorher alle Schriftstücke in
Händen haben wollte, die ihn bezüglich jener Herrschaften belasteten. Auch
sollte durch die Zögerung ein Druck auf den Markgrafen ausgeübt werden,
damit er den Grafen von Namür bewege, Reinard endlich mit Zetrud zu
belehnen.
Eine Urkunde vom 25. Juni 1361 gibt weitere Aufschlüsse. Wilhelm,
dieses Namens der zweite Herzog von Jülich, erklärt darin, zur Zeit seines
Vaters habe Reinard den Ritter Heinrich von Barmen mit 6240 alten Gold-
schilden abgefunden, ihm selbst dann eine Schuld von 3760 Schilden
berechnet, so dass diese beiden Posten eine Summe von 10 000 Goldschilden
ausmachten ®. Ausserdem stehe demselben Reinard nach einer Verschreibung
vom Vater und Bruder des Herzogs noch eine Forderung von 46000
*) Brucheil.
*) Fr an q 11 inet, annexe II, 8. B5 ff.
») de Cbestret S. 33.
*) Siehe oben S. 22.
*) Lacomblet III, 8. 469, Nr. 5H1.
«) Vgl. oben S. 34.
^) Wnrfinaschinon. Verl. Rboen, Refestigun^sworke S. 132 f. lieber ihre AnfortigUDg
vgl. (He Amb'Utuntreii hn l.aurent, Sr:i*Urochnunu;en 8. 184 f.
*) 128 000 Mark nach dem iunern oder 89« 000 Mark nach dem jetzigen Goldwerthe.
— 40 —
Goldschilden zu ^ Die Höhe dieser Ziffer beweist, dass Herzog Wilhelm I.
von Reinard einen grössern Landbesitz erworben hat, und das kann nur
Falkenburg-Montjoie gewesen sein. Wir kennen demnach auch den Preis,
den Wilhelm für beide Herrschaften zahlte. Indessen hatte der Herzog die
Summe nicht ausgezahlt, sondern dafür dem Reinard Burg, Stadt und Land
von Caster * an der Erft als erbliches Eigenthum übergeben. Der Schönauer
habe jedoch, so fährt Willielm II. in seiner Urkunde fort, zu des Herzogs
gunsten auf die Erblichkeit verzichtet und ihm Caster wieder anheim-
gestellt. Darum verpfände er, Wilhelm IL, nunmehr an Reinard Burg,
Schloss und das ganze Land von Montjoie mit den dazu gehörenden Dörfern
und Kirchspielen, nämlich: den Berg genannt- Höve^, Mechernich, Merode^,
Kalterherberg, Mützenich, Lo verscheid ^, die beiden Menzerath, Imgenbroich,
Conzen, Fronrath, Lamberscheid ^, Puistenbach ', Sementrot®, Nieder- und
Oberrolsbroich ^, Kesternich und im Lande Ueberruhr: Wolfseifen, Kalten-
born, Wardenberg, Morsberg ^®, Hetzingen und die Eschauel".
Für die obenerwähnte Schuld von 10000 Goldgulden erhielt Reinard
als Unterpfand das Forstamt von Montjoie sowie die Dörfer und Gerichte
von Comelimünster: Roleflf, Freund, Ki'authausen, Dorpe^^, Busbach, Breide-
nich ^^, Haide ^^, Venwegen, Hahn, Friesenrath, Walheim, Pinsheim ^^ Net-
heim ^*^, Schleckheim, Ober- und Niederforstbach, Gressenich, Mausbach,
Krähwinkel, Eilendorf und die Haar*^
Endlich gewährleistete der Herzog dem Reinard und seinen Erben
sowie seinem Bruder Mascherei und ihrer Schwägerin, der Frau von Uelpich,
auf ihren Gütern im Kirchspiele Richterich das Recht mit ihren Laten zu
richten und zu dingen, so lange die Pfandschaft dauere. Nur das Blut-
gericht behielt der Herzog sich vor^®.
Mit der Rückzalilung jener Summen hatte es indessen eben so gute
Wege wie mit Erfüllung der andern Verpflichtungen, welche der Herzog
Reinard gegenüber eingegangen war. Der Schönauer bestand jedoch nicht
allzu hartnäckig auf den Bedingungen. Er trat wenigstens Falkenburg schon
bald ab. Am 25. März 1357 bekundet Herzog Wilhelm, dass sein Schwager
Reinard ihm dieses Schloss überliefert habe, und dass darum die wegen
Falkenburg und Montjoie eingegangenen Verpflichtungen nur noch auf Mont-
joie haften sollten ^^
Hemricourt erzählt den Hergang wie folgt. Reinard erwarb von
Heinrich von Flandern Falkenburg. Als er merkte, dass er die Herrschaft
») Mark 736 000 bzw. 4 233 600.
*) Caster zählte später 9 Gerichte (Zeitschrift des Aachener Geschieh tsvercins ni,
S. 305 und Anm.) und 60 Ortschaften (mündUche Mittheilung). Während die Burg seit
der Zerstörung durch die Hessen im Jahre 1642 elend in Trümmern liegt, hat das Städtchen
noch zwei Thore, einen Theil der Ringmauern, die Vogtei, Kellnerei (es war „die beste du
pais**, Annalen, Heft 28, S. 305) nebst einigen alten Häusern bewahrt.
^) Höven. *) Rütgen. '^) Lauscheid V 0) Lammersdorf. ^) Paustenbach. ^) Simmerath.
•) Rollcsbroich in der Pfarre Simmerath. *®) Morsbach. '*) Eschweide? oder Eschanel in
der Pfarre Schmidt? Vgl. über die Namen Annalen, Heft 6, S. 24. *«) Dorf. ") Breinich.
») Breinicher Haide. '^) Verschwunden. »«) Nöthcira, Nutten. ") Die Haarhöfe? »«) Lacom-
blet III, S. 521. Urk. 261. "») Das. S. 477. Urk. 570.
— 41 —
nicht werde halten können, vertauschte er dieselbe gegen Caster an den Her-
zog von Jülich. Um baares Geld erwarb er dann von letztenn Montjoie. Weil
nun diese Besitzung ganz von jülichschem Gebiete umgeben war und
Reinard fürchtete, der Herzog möchte es ihn dort entgelten lassen, wenn
es wegen Falkenburg Späne setze, bewog er denselben zu einem zweiten
Tausche und nahm für Montjoie die Herrschaft Sichern bei Diest*. Das
hört sich an, als wenn der Herzog eine Marionette in der Hand Reinards
gewesen wäre. Die obige, auf Lacomblets Urkunden gegründete Darstellung
zeigt deutlicli die Unrichtigkeit der Hemricourtschen Erzählung. Hier
lässt sich an einem schlagenden Beispiele nachweisen, dass man Hemricourt
doch nicht alles aufs Wort glauben darf.
Auffallen mag es aber doch, dass Reinard das fruchtbare Land Caster
gegen das rauhe Montjoie eingetauscht hat. Um den Beweggrund kennen
zu lernen, müssen wir einige Jahre zurückgreifen. In einer Urkunde vom
•6. Mai 1348 bezeichnet sich Reinard, der bis dahin stets den Titel von
Schönau führte, zum erstenmal als Herr von Schönforst, eine Benennung,
die er seitdem immer gebrauchte und die nach de Chestrets Bemerkung
erst mit ihm in den Urkunden auftritt. Reinard hat also ein Gebiet erworben,
dort eine Burg angelegt und derselben von ihrer Lage im Walde den
Namen Schönforst gegeben, damit zugleich anspielend auf den Stammsitz
seiner Familie Schönau. In der Urkunde, durch welche' Reinard II. am
Andreastage 1387 die Hälfte von Schönforst an den Erzbischof Friedrich
von Köln verpfändet, wird die Burg beschrieben als versehen mit „turnen,
graven, muiren, vurburgen ind vesteningen" ; der Erzbischof soll sie mit
Amtleuten, Thurmknechten, Pförtnern und Wächtern besetzen dürfen*. Es
war demnach ein stattlicher, fester Sitz. Von wem aber hat Reinard
jenen Bezirk erhalten? Jedenfalls von seinem Gönner Karl IV. Denn in
der angeführten Verpßlndung erklärt Reinard IL, Schönforst sei Reichs-
lehen, darum müsse er die Genehmigung des römischen Königs einholen.
Nun ist wohl klar, warum Reinard I. sich grade Montjoie und Corneli-
münster vom Herzoge von Jülich verpfänden Hess. Das waren ja die
Herrschaften, welche seiner neugegründeten Stammburg zunächst lagen
und in ihrem Zusammenhange ein schönes Gebiet bildeten. Ihr Werth
erhöhte sich bedeutend durch die mitverpfSndete Waldgrafschaft. Reinard
hat es genau so gemacht, wie später der Herr von Bongart, der sich im
Jahre 1361 das rings um seine Burg Heiden liegende ehedem pfalzgräf-
liche Allod Richterich von Herzog Wilhelm zur Sicherung seines Guthabens
anweisen liess. Nach einem andern Beweggrunde zu suchen ist demnach
überflüssig. Dass übrigens Reinard diesen Plan schon längere Zeit im
Sinne führte, scheint mir daraus hervorzugehen, dass er bei den oben
erwähnten Verhandlungen wegen der Falkenburger Güter jede Belastung
Montjoies vermied und die Verpflichtungen auf diejenigen Gebietstheile
ablud, welche er an den Herzog von Jülich verkaufte.
^) Uebcr Sichern werden wir ^l<»ich das Richtige bringen.
') Lehn- und Mannbuch des Erzstifts Köln I, Nr. 505. Staatsarchiv zu Düsseldorf.
— 42 —
Wie verhält es sich nun mit dem von Heniricourt erwähnten Besitze
in Sichern? Reinard hat diese Herrschaft nicht durch Tausch sondern
durcli Kauf erworben. Am 29. August 1358 überli essen ihm nämlich
Herzog Wilhelm II. und dessen ältester Sohn Gerard zwei Besitzungen,
welche wie Zetrud aus dem Nachlasse der Elisabeth von Brabant herkamen,
nämlich Sichem bei Diest und St. Agathenrode (Achtenrode, südlich von
Löwen) für 70 000 alte Goldschilde. Das machte 896 000 Mark aus, heute
wären es 6272000 Mark. Vorsichtig wie immer begnügte sich Reinard
nicht mit den Unterschriften Wilhelms und Gerards, auch des Herzogs
zweiter Sohn Wilhelm musste seine Zustimmung zum Verkaufe geben und
auf alle Anspräche verzichten (28. Aug. 1359)*. Reinard trat am 7. Mai
1371 Sichem an seinen ältesten Sohn Reinard II. ab*; St. Agathenrode kam
an den zweiten, Johann^.
Nach Hemricourt hätte Reinard noch grosse Kosten und viele
Mühen aufwenden müssen, um vom Herzog von Brabant die Belehnung
mit diesen grossen Herrschaften zu erlangen, weil Wenzel einen Herzog
von Jülich nicht mit einem Herrn von Schönforst als Lehnsmann
vertauschen wollte. Dynter* gibt einen realem Grund an: der Jülicher
wollte sich der Wiedervergeltung von Seiten des Brabanters wegen
der Beraubungen entziehen, denen des Letzteren Unterthanen im Lande
von Jülich ausgesetzt waren; da ist es begreiflich, dass Wenzel zögerte,
sich die bequemste Gelegenheit zur Ahndung der Unbilden entreissen zu
lassen. Wenn er trotzdem seine Einwilligung gab, so sehen wir hierin
den besten Beweis für den Einfluss und die Werthschätzung, deren sich
Reinard damals am Brabanter Hofe erfreute. Wir fügen gleich einen
zweiten bei. 1364 März 16. erklären Herzog Wenzel und seine Gemahlin
Johanna, sie hätten zwar die Rechte der Philippa von Falkenburg, des
Herrn von Brederode und der Äbtissin von Maubeuge auf die Herrschaft
Montjoie an sich gebracht, wollten aber doch den Reinard von Schönau,
der ihr Rath, Ritter und Mann sei, so lange in ruhigem Besitze belassen,
bis der Herzog von Jülich denselben bezahlt habe^.
Gelegentlich des Ankaufs von Sichem und St. Agathenrode Hess
sicli Reinard auch den Zoll zu Kaiserswerth bestätigen. Hiermit hatte es
folgende Bewandtniss. Gerard, der älteste Sohn Wilhelms von Jülich,
hatte Margarethe von Berg geheirathet und mit ihr 1346 die Grafschaft
Ravensberg und 1348 die Grafschaft Berg geerbt. Der dem Hause Jülich
gehörende ^ Rheinzoll zu Kaiserswerth wurde ihm jedoch streitig gemacht.
Durch gesciiickte Verhandlungen erreichte Reinard, dass der Graf zum
M de Chestret S. 41.
2) Das. S. 57.
8) Vgl. das. S. 61 und Anm. 2.
*) Ohroniquc des ducs de Brabant III, S. 59. Dyntcr (f 1448) war Sekretär bei
vier Herzogen von Burgund-Brabant (Feiler, Dlctionaire Historique II, 579), er ist also
gewiss ein bcmfener Zcnge und glaubwürdiger als Hemriconrt.
») Lac om biet III, S. 550. Urk. (552.
•) Zeitscbrift des Aachener Geschichtsverein XllI, S. 141, 148. Annalen, Heft 9, S. 85.
— 43 —
rascheren Besitze desselben gelangte. Dafür gaben ihm Gerard und Marga-
rethe einen Antheil am Zolle bis zum Ertiuge von 12000 alten Schilden (1358
Aug. 16.). Dieser Antheil ist unter dem Zolle von Kaiserswerth in der Ur-
kunde vom 29. August zu verstehen. Interessant sind die im Verleihungs-
briefe angeführten Zollsätze. Vom Fuder Wein, vom Centner Hafer, von der
Last Häringe, von drei Mühlsteinen und von drei Fass Stahl sollte Reinard
je zwei, von der Last gesalzener Fische je einen, vom Centner Hartkorn
je vier Turnoser Groschen erhalten, gleichviel ob die Schiffe zu Berg oder
zu Thal fuhren K Mit diesem Zolle stattete Reinard seine Tochter Adelheid
aus, als sie 1363 den Herrn Conrad zur Dyck heirathete^
Oben ^ haben wir bereits gehört, dass auch ein Antheil am Mastrichter
Zolle Reinard gehörte, ausserdem war er noch an zwei anderen betheiligt:
an dem zu Lobith zur Hälfte, an dem zu Nimwegen mit einem Ertrage
von 4 Groschen (gros)'*. Letztern vererbte er auf seinen ältesten Sohn;
der Zoll zu Lobith, wo Reinard den Städten Arnheim, Nimwegen. Ztitphen
und Roermond Zollfreiheit bewilligte, war wohl eine Entschädigung für
die dem Herzoge Eduard von Geldern geleisteten Vorschüsse. Als Johann
von Mors die Schuld des Herzogs mit 8405 Brügger Thaler zurückgezahlt
hatte, ging der Zoll auf ihn über^. (1363).
Reinards Gemahlin hatte aus ihrer ersten Ehe mit Otto von Born
einen gleichnamigen Sohn, der von seinem Vater die Herrschaft Elslo ererbt
hatte und mit Johanna von Breidenbend verheirathet war. Da die Ehe
kinderlos blieb, sicherte sich Reinard die Güter seines Stiefsohnes dadurch,
dass er für 3000 alte Goldschilde eine jährliche Rente von 300 Schilden
auf „burch, laut ind heerlichheid van Eilslo, van Bicht ^ ind van Catsop" ^
kaufte. Zu grösserer Sicherheit verschrieb Otto noch die „beede" und
„schetzinge" ® von Bocholt und Brogel, zwei Enklaven in der Grafschaft
Looz, welche vom Herzog von Jülich zu Lehen gingen. Auch versprachen
Otto und seine Frau, dass letztere, wenn ihr Mann vor ihr stürbe, sich
mit ihrer „liifzucht, medegave ind douarie" begnügen und dem Herrn von
Sqhönforst die Burg von Elslo tibergeben werde; die Güter, welche sie
selbst mit in die Ehe gebracht, sollten vom Versatz ausgesclilossen sein.
Den Brief unterschrieben als Zeugen Bischof Engelbert, der Herzog von
Jülich „want men dat vurburge van der burch mit den dorpe van Elslo
ind dat dorpe van Bijclit van uns zu leen haldende is" ^, Everard von der
*) Lacomblet III, S. 487. ürk. 582.
«) do Chestret S. 41.
») Siehe S. 37.
*) Hier steht ein Theil für das Ganze. So heisst es auch in einer Urkunde bei
Lacomblet III, Nr. 684, vom Jahre 1368, wo Herzog Wilhelm von Jülich nebst Frau,
Mutter und Schwester den Kaiserswerther Zoll an Pfalzgraf Ruprecht von Baiern ver-
pfändete, vom Antheile Reinards und Reiferscheids, dass „der van Ryfferscheit ind der van
Schoenvorst in yren vier groissen an dem vurgen. zolle Werde bliven sitzen".
*) de Chestret S. 43.
®) Grevenbicht.
') Weiler von Elslo.
•) do Chestret übersetzt ^les aides** (Verbrauchssteuern) und „tailles** (Grundsteueni).
•) Vgl. Zeitschrift des Aachener Geschichtsvercins XIII, S. 138.
— 44 —
Mark, Herr von Arenberg* und Neuenburg, Werner von Breidenbend und
Werner von Bruehhausen, Herr von Wickrath. 1361 K Im Oktober des-
selben Jahres gab dann Otto aus Wohlwollen gegen seine Stiefbrüder, „die
onse vrouwe ende müder nu ter tiet hebt van den* here van Scoenvorst
of nomoels van horae mach verengen", die Zusicherung, dass nach seinem
kinderlosen Absterben Burg, Land und Herrlichkeit von Elslo, Bicht und
Gatsop jenen erblich anerfallen und gehören solle. In diesem Akte wird
die Leibzucht und Nutzniessung (douarie) der Frau Johanna an Brogel
und Kessenich (zwischen Maaseyck und Boermond)* vorbehalten. Zeugen
sind der Bischof von Lüttich, der Herzog Eduard von Geldern und Zütphen,
der Herzog von Jülich ^. Die Herrschaft Elslo kam hernach an den dritten
Sohn Reinards, Conrad, der sich nach derselben nannte. Da Conrad in
seinem Heirathsver trage* mit Catharina von Argenteau vom 10. September
1372 nur von Schönforst genannt ist, so erhellt, dass er erst nach diesem
Akt« in den Besitz von Elslo kam. Das Testament seines Vaters bedachte
ihn noch mit den Dörfern Zetrud, Lümmen und Onderdenl)erg ^ In den
Registern des Lehenhofes von Brabant erscheint Reinard als Besitzer
folgender Lehen: des Hofes von Hartart (Hartert, Hartelstein, nördlich
von Mastricht bei Borg-Haren, später im Besitze Engelberts von Schöuforst),
mit Land, Benden, Büschen, mit der Fischerei und einer Insel in der
Maas, mit dem Zinse und dem Korngelde in der Umgegend; des Gutes
und der Herrlichkeit zu Heerlen mit Korngeld und Kapaunen „dat hi
vercreech jegen Herman van Vervych*'; endlich der Herrlichkeit Kessenich^.
Als Limburger Lehen Reinards verzeichnet de Chestref Burg und
Dorf Walravensberg an der lüde, heute Nothberg.
Nach einer gefalligen Mittheilung des Herrn Geheimen Archivraths
Dr. Harless in Düsseldorf hat sich „über Lehen, welche Reinard von
Schönau, Herr zu Schönforst, von dem Markgrafen bezw. Herzog von Jülich
empfangen, weder in den Urkunden und Litteralien, noch in den Lehens-
registem des Herzogthums Jülich etwas" ermitteln lassen. „Das älteste
Jülichsche Lehnscopiar ist nicht mehr vorhanden, doch hat sich ein alpha-
betischer Index (S. XVI.) der seitens der Landesherrn von 1288 erfolgten
Belehnungen erhalten, in dem sich bezüglich jenes Reinard nur folgendes
Regest findet: „Die Heid^ belangend hait Reynart von Schonauen . . .
bekentniss von sich gegeven, das er ontfangen have von dem marggreven
von Gulich einen . . . brief . . . das Goedert van der Heiden ritter bekent,
das er syn huys zur Heiden mit sym vorborg und mit den graven, so wie
sy beid gelegen syn bynnen irem cingell, mit alle den vestongen, die da
*) Franquinet, annexe V, S. 72 flP.
*) Vgl de Chestret S. 26, Anm. 3.
') Franquinet, annexe VI, S. 78 f.
*) Das. annexe VIII, S. 80 f. Vgl. unten XI: Conrad.
*) Franquinet, annexe IX, S. 82.
«) de Chestret, S. 51 und Anm. 1, S. 26.
') Das. 8. 26. In Zeitschrift des Aachener Oeschichtsvereins VI, S. 115 wird Nothberg
als JüHchcr Lehen aufgeführt.
®) Das Haus zur Heiden. Vgl. oben 8. 41.
— 45 —
synt oder gemacht werden, entfangen und offenhuys gemacht haflf des marg-
greven von Gulich . . . widder aller mallich on eynen bischofFen von
Collen. Datum des bekentniss 1352". Hat etwa Reinard auch dem Bongart
Geld geliehen und Heiden als Pfand erhalten?
Eine Verfügung Reinards zu gunsten seiner beiden ältesten Söhne
vom 2. August 1369, welche wir unten näher besprechen Verden, erwälint
noch folgende Besitzungen des Herrn von Schönforst: den Hof auf dem
Berlich zu Köln, den Hof zu Rehoven *, den Hof zu Richterich, den Hof
in der St. Jakobstrasse zu Aaclien, die Herrlichkeit von Marchienne-au-
Pont mit der Vogtei von Thuin, die herrschaftlichen Häuser in Brüssel,
St. Trond und Lüttich. üeber die Besitzung auf dem Berlich berichten
Zinsverzeichnisse der Johannitercommende zu St. Johann und St. Oordula*.
Reinard besass ein Haus in der genannten Strasse, welches auf St. Clara
zu gelegen war und früher dem Heinrich de varia penna (van der bonten
vederen) gehört hatte. Am 11. März 1361 kaufte bezw. nahm er in Erb-
pacht gegen einen jährlichen Zins von 6 Mark kölnisch eine den Johannitern
gehörende, an sein Eigenthum anstossende und dem „Freudenthal" gegenüber-
liegende Behausung (mansio)^ oflfenbar um seine ursprüngliche Wohnung zu
vergrössern. Der Erbzins sollte dazu dienen, den Mitgliedern des Convent<<
am Ostertage im Refektorium eine „pictantia", d. h. eine aussergewöhnliche
Erfrischung zu bereiten. Das Original des Kaufaktes lag im Schrein
Columba. Die Liegenschaft hiess noch im 17. Jahrhundert Schönforster
Hof, curia Schoneforst.
Reinards Aachener Besitzung, welche ebenso den Namen behalten
hatte, ist erst in neuester Zeit verschwunden. Sie lag an der Stelle, wo
jetzt die Paulusstrasse in die Jakobstrasse mündet und kam mit der Herr-
schaft Schönforst in den Besitz der Herzoge von Jülich. Die Herrlichkeit
Marchienne mit Thuin kam her von Heinrich VI., Graf von Salm in den
Ardennen, dem Schwiegervater von Reinards Tochter Philippine. Wahrschein-
lich war sie an Reinard verpfändet^.
Das Haus in Lüttich kaufte Reinard vom Nachfolger seines Brudei*s
in St. Trond, dem Abte Robert von Crenwick. Johann von Schönau liess
den Kaufakt am 20. August 1367 in die Realisationsbücher in Lüttich ein-
tragen*; auf ihn tibertrugen auch die Söhne Reinards ihre Antheile nach
dem Tode des Vaters. Heute befindet sich dasselbe im Besitze des Lütticher
Männer-Gesang- Vereins La Legia.
*) de Chcstret, (S. 55, Anm. 2) denkt an Reckhoven in der Orafschaft Looz, der
Hof lag aber in der Herrlichkeit Schönforst. Reinard II., sein Schwiegersohn Gerard von
Endelsdorf und seine Tochter Catharina verkauften denselben 1395 an den Abt von
Comelimünster, Pawijn Boyme von Merzenhausen, für 300 rhein. Gulden, wobei „wie
gewöhnlich*^ dem Pfluge sein Recht gewahrt wurde. Endelsdorf siegelt mit Horizontal-
balken, in der oberu Schildhälfte ein wachsender Löwe. Sonntag nach Lichtmesseu. (7. Febr.)
Staatsarchiv zu Düsseldorf. Orig.-Urk.: Comelimünster. Für Gerard vgl. Strange, Bei-
träge zur Genealogie ... I, S. 8, Anm. 1.
*) Staatsarchiv zu Düsseldorf, Faszikel 53, Nr. 60.
^ de Chestret S. 55 und Anm. 4.
*) Das. S. 51 und Anm. 2.
— 46 —
V. Reinard der Diplomat. Seine Beziehungen zu den Fürsten.
Seine Thätigkeit als Vermittler und in den Landfriedensbünden.
Wir haben uns im Vorhergehenden mehrfach gegen die durch Hemricourt
aufgebrachte, von Franquinet und de Chestret angenommene und weiter
ausgeführte Ansicht wenden müssen, als sei Reinard ein besonders hab-
süchtiger Mensch gewesen, der zur Befriedigung seines Eigennutzes selbst
die verwei'flichsten Mittel nicht gescheut habe. Wen die bisherigen Aus-
führungen noch nicht von der Falschheit dieser Auffassung überzeugten,
dem werden hoffentlicli die nunmclir zu erzählenden Thatsachen auch den
letzten Zweifel an Reinards Redlichkeit benehmen. In der That, wie
verkommen hätten jene Bischöfe, Kurfürsten und Landesherren bis zum
Kaiser hinauf sein müssen, um einen Wucherer und Gaunei- zu ihrem
Rath, Geschäftsträger, ja zu ihrem Vertrauten in schwierigen Familien-
angelegenheiten zu machen bezw. ihn selbst in ihre Familien aufzunehmen!
Doch lassen wir die Urkunden reden und den Leser urtheilcn.
Es ist schon erzählt worden, mit welchem Vertrauen Bischof Adolf von
Lüttich — und zwar gleich nach dem verrufenen Wollgeschäft — Reinard
beehrte, wie er ihn zu seinem Marschall machte und ihm gar die eigene
Nichte zur Frau gab. Gleichen Zutrauens erfreut« sich der Schönauer
bei Adolfs Neffen und Nachfolger, Engelbert von der Mark, der es haupt-
sächlich der Gewandtheit desselben zu verdanken hatte, dass er Bischof
von Lüttich wurde. Und Engelbert war ein tüchtiger Fürst, der Strenge
und Milde wohl zu vereinen wusste.
Dem Erzbischof von Köln, Walram, leistete Reinard grosse Vorschüsse
und treue Dienste. Wir hörten auch, dass Walram eine bedeutende Summe
aufwendete, um sich den Schönauer durch das Band der Vasallenschaft
enger zu verbinden. Das geschah 1347, nachdem Reinard im Jahre vorher
den grossen Handel mit König Johann von Böhmen abgeschlossen hatte,
wonach der Böhme des Erzbischofs Schulden an Reinard abtragen, Walram
dagegen dem Sohne Johanns, Karl IV., der sich wider Ludwig den Baier
als Gegenkönig aufwarf, seine Stimme bei der Wahl geben sollte. Es ist
wohl sicher, dass Walram das unwürdige aber nicht mehr ungewöhnliche ^
Geschäft nur mit Widerstreben, nur auf das Drängen des blinden Königs
und getrieben durch die eigene Geldnoth abgeschlossen hat. jedoch geholfen
hat es ihm nicht. Schon wenige Jahre nachher begab er sich, von Schulden
fast erdrückt, nach Paris um dort zu sterben. Vor seiner Abreise gab
er dem Herrn von Schönforst einen letzten Beweis seines Vertrauens: er
ernannte ihn zu seinem „gemeinen vickeris in werblichen sachcn**, d. h. zu
seinem Generalvikar oder Stellvertreter in der weltlichen Verwaltung des Erz-
stiftes, und als solcher stellt Reinard am 3. März 1349 eine Urkunde aus 2.
Walram starb zu Paris am 14. August desselben Jahres. Des Kaisers
Kanzler, Propst Nikolaus von Prag, machte sich Hoffnung auf die Nach-
*) Schon bei [der Wahl Friedrieh des Schönen war Aehnhches geschehen. Vgl.
Weiss, Weltgesch. VI, S. 365.
«) Lacomblet III, S. 381. Urk. 474.
— 47 —
folge. Vierzehn Tage nach dem Ableben Walrams traf er bereits eine
Verabredung mit Graf Gerard von Berg: wenn er Erzbischof werde, wollten
beide je zwei Herren ihres Rathes mit der Schlichtung aller Streitfragen
betrauen; könnten diese sich nicht einigen, so sollten sie den Herrn von
Schönforst zu einem „Obermeister" nehmen und sich nach dessen Ausspruch
richtend Die Stellung, welche Reinard hier zugedacht wurde, erforderte
gewiss einen nicht blos kundigen und klugen, sondern vor allen Dingen
ehrlichen und unparteiischen Mann: welch ehrenvolles Zeugniss für Reinard,
dass man grade ihn dazu ausersah. Nun könnte man etwa denken,
Nikolaus und Gerard hätten den Schönauer durch diese Auszeichnung ver-
anlassen wollen, seinen P^influss zu gunsten des Prager Propstes zu ver-
wenden. Dann haben sich aber beide Herren getäuscht. Reinard soll
zwar — nach Hemricourt — in dieser Angelegenheit gearbeitet haben, aber
nicht für Nikolaus sondern für Wilhelm von Gennep ^ den Propst zu Soest,
der ihn auch „reichlich belohnt*^ habe. Wenn wirklich Wilhelm den Herrn
von Schönforst zu seinem Geschäftsträger gemacht, ihm die entstandenen
Unkosten reichlich veigütet und vielleicht auch sonst noch seine Dankbar-
keit bezeugt hat: so musste auch die Erzdiözese Reinard dankbar sein
für seine Bemühungen, denn Wilhelm war wie Engelbert von Lüttich ein
vortrefflicher Bischof. Er liebte und bewahrte den Frieden, soweit das
in jenen aufgeregten Zeiten möglich war, befreite das Erzstift von seinen
Schulden und sorgte gewissenhaft auch für das geistige Wohl der ihm
anvertrauten Heerde. Wären etwa simonistische Umtriebe bei dieser Wahl
vorgekommen, so müsste man diese auf das schärfste veiiirtheilen ; sonst
aber lässt sich der Wunsch nicht unterdrücken, es möchten alle Bischofs-
wahlen jener Zeit so gut ausgefallen sein wie die beiden, bei denen Reinard
seine Hände im Spiele gehabt haben soll.
Betrachten wir Reinards Stellung zu den weltlichen Fürsten, zunächst
des Hauses Jülich, so haben wir zu dem bereits Gesagten nicht mehr
viele aber für das in ihn gesetzte Vertrauen dieser Herren bedeutsame
Thatsachen anzuführen.
1347 vermittelte Ritter Reinard von Schönau in Gemeinschaft mit
dem Markgrafen von Jülich einen Vergleich zwischen dem Erzbischof Walram
und dem Grafen Engelbert von der Mark; 1849 erfolgte ein zweiter
Spruch zwischen denselben Parteien ^
Böse Dinge waren um diese Zeit im Hause Jülich vor sich gegangen.
Die Söhne Wilhelms hatten sich gegen den Vater empört und ihn sogar
ins Geföngniss geworfen. Der Grund zum Frevel ist nicht aufgeklärt.
Damberger schreibt*: „Der kriegerische Sinn des Markgrafen hatte Schulden
M Lacomblct III, S. 389. Urk. 487.
*) 1349 gibt „Reinher v. Scboinhovon, Herr zu Scbonenforst", neben drei andern
Herren namens des Erzbischofs Wilhehn der Stadt Andernach gewisse Znsicherungen,
wogegen die Stadt den Erzbischof günstlich empfangen und ihm willig dienen sone.
Annalen . . . Heft 59, S. 79.
«) Laconiblet III, S. 361. Urk. 450.
*) Synchron. Gesch. XV, S. 92.
— 48 —
auf Schulden gehäuft und doch nichts ausgerichtet, worüber selbst die
Söhne erbosten und vielleicht noch wegen anderer Sachen. Sie thürmten
ihn sogar ein, doch wie scheint erst im Spätjahr 1349.** Da der Aachener
Rath unmittelbar vor der Krönung Karls IV., die am 25. Juli stattfand,
mehrfach Boten an den Markgrafen nach Düren und Vogelsang scliickte*
und Wilhelm selbst der Krönung beiwohnte^, so dürfte die Zeitangabe
stimmen. Die Aachener Stadtrechnung erwähnt das Ereigniss auch, gibt
aber weder Zeit noch Grund an. Es heisst nur, dem Grafen von Berg seien
100 Mark gegeben worden, als er zum erstenmal „post captivitatem" ^
seines Vaters nach Aachen kam. Bevor die Gewaltthat erfolgte, versuchten
die Freunde des Hauses, darunter auch Reinard, eine Vermittelung. Letzterer
verabredet am 1. Juli 1349 eine Zusammenkunft zur Sühnung des Mark-
gi'afen mit seinen Söhnen*; leider waren die Bemühungen ohne Erfolg.
Reinard blieb jedoch in seiner Verstrauensstellung.
Am 7. Februar 1357 erscheint er neben Godart von der Heiden als
Bürge des Herzogs für den Ehevertrag zwischen dessen Tochter Philippa
mit dem Herrn von Heinsberg^, und 1367 vermittelt er zwischen dem
Herzoge und dem Grafen von Wied wegen der Aussteuer der verstorbenen
Gemahlin des letzteren, einer Schwester Wilhelms II. Es handelte sich
um eine Geldrente von 1000 Schilden. Für den Betrag von 700 Schilden
Rente erhielt der Graf die Amtmannschaft von Sinzig und Breisig, für
die übrigen 300 das Haus Vernich^.
Nun zu Brabant. Als Herzog Johann III. 1355 starb, gingen die
beiden Herzogthümer Brabant und Limburg auf die Tochter Johanna über,
welche mit Wenzel von Luxemburg, dem Bruder Karls IV., vermählt war.
Reinard stand auch bei diesem Fürstenpaare in hohem Ansehen; die erste
Gunstbezeugung war die Bestätigung aller Privilegien und Briefe, die er
über Falkenburg und Montjoie von Johann III. und Heinrich von Flandern
in Besitz hatte. Dieselbe erfolgte unter Berufung auf die Fürbitte des
Kaisers selbst zum Danke für die Dienste, Liebe und Treue, welche Reiuard
dem herzoglichen Paare, dem Bruder Kaiser Karl und dem verstorbenen
Vater erwiesen habe, am 3. Mai 1356 ^ Reinard fand bald Gelegenheit,
seine Treue zu beweisen. Graf Ludwig von Flandern, der Gemahl einer
Schwester Johannas, machte namens seiner Frau Ansprüche auf die Stadt
Mecheln. Man war im Begriffe zu den Waffen zu greifen, da schlug
Reinard eine Konferenz von brabantischen und flämischen Bevollmächtigten
vor, welche die Angelegenheit auf friedlichem Wege schlichten sollten.
Die Fürsten gingen darauf ein. Die Kommissare Wenzels, <larunter auch
Reinard, schienen nicht abgeneigt, dem Verlangen Ludwigs zu entsprechen;
^) Laurent, Stadtrechnungen S. 204, Z. 5, 10, 13, 15, 37.
') Das. S. 208, Z. 11.
^) Heisst das nach der Gefangennahme oder nach der Gefangen schaff? Laurent
a. a 0. S. 208, Z. 12 «f.
*) Lacomblet HI, S. 885. ürk. 480.
*) Bas. S. 474. IJrk. 567.
«) Das.
0 Staatsarchiv zu Düsseldorf A. I. Nr. 605.
— 49 —
die Bürger von Brüssel jedoch widersetzten sich und warfen einige der
Herren ins Gelangniss. Daraulhin kam es zum Kampfe. Wenzel wurde
geschlagen und ganz Brabant unterwarf sich in kurzer Zeit dem Sieger ^
Eeinard gehörte zu den wenigen Lehenträgern, welche dem unterlegenen
Fürsten treu blieben und dem siegreichen Gegner absagten, de Chestret
meint, der Absagebrief Reinards sei mehr im Tone des Diplomaten als
des Soldaten gehalten, weil der Schreiber sich nicht für immer mit dem
hochmächtigen Grafen von Flandern habe überwerfen wollen. Man könnte
ebensogut sagen, das Schreiben sei freilich in einem anständigen, aber
einem hohen Herrn gegenüber auffallend knappen Tone gehalten. Der
Brief lautet: „An synen harde hooghen ende edelen, den greve van
Vlanderen. Heirre, ir wist wie dat ein orloghe is tuschen mine beere
van Lucemburch ende van Brabant, ende Uch, wellich mich mit herten
leyt is, ende ic mus blieven bij minen beere van Brabant vourscreven ind
dair mit will ich intghein uch verwaert zijn. Reynaert, here van Monoye,
van Valkenburch ende van Scoinvorst^."
Das ist die Form, in welcher man derartige Schreiben abzufassen
pflegte, wenn man sich nicht gradezu einer rohen Sprache befleissigen
wollte. Das Aachener Stadtarchiv bewahrt eine Menge Fehdebriefe aus
dem 14. Jahrhundert ^\ welche ganz ähnlich lauten, obwohl die Absender
derselben gewiss keine Diplomaten waren und wahrscheinlich auch nicht
auf dem Bildungsstandpunkte Reinards standen. Haben andere Brabanter
Edelleute bei dieser Gelegenheit sich dem Grafen gegenüber in roher Form^
ausgesprochen, so mag das eben* ihr Geschmack gewesen sein, man brauclit
aber deswegen in dem einfachen, sachgemässen Schreiben Reinards keine
selbstsüchtigen Hintergedanken zu suchen.
Sonst finden wir bei de Chestret noch einige Regesten, in denen
Reinard als Lehenmann oder Rath von Brabant erscheint. Am wichtigsten
ist die Urkunde vom 6. November 1362, in welcher er und andere Räthe
dafür gutstellen, dass Wenzel und Johanna deren Verzicht (auf weitere
ausserordentliche Beihülfe von seiten der Brabanter) genehmigen werden ''.
Wie in Lütt ich und Köln, in Jülich und Brabant, war Reinard in
Geldern ein angesehener Herr. Er blieb auch hier dem Fürsten treu, dem
er sich einmal angeschlossen hatte. Um Eduards willen widersagte er
dem Grafen von Kleve und gab demselben sein Lehen zurück, wofür Eduard
ihm allerdings Schadloshaltung versprach (1362, Juni 24.)*^.
Die Erwähnung Gelderns leitet über zur Schilderung der Stellung,
welche Reinard in den Verbänden zur Aufrechthaltung des Friedens und
der Sicherheit des Verkehrs einnahm. Wir finden hier neue starke Beweise
für das Vertrauen, welches der Herr von Schönforst überall genoss.
') Vgl. Ernst, histoire du Limbourg V, S. 97 ff.; de CheHtret S. 34 f.
*) de Chestret S. 35, Anm. 4.
^) Siehe Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins IX, S. 03 ff.
*) dans un mde langage, sagt de Chestret S. 35.
») Das. S. 40 f.
'^) Pranquinet, annexe Vil, S. 80.
— 50 —
Der Streit der Brüder Reinald und Eduard um den Besitz Gelderns
hatte dieses Land in grosse Unsicherlieit gestürzt. Darum schlössen Adel
und Städte von Geldern und Kleve am 25. Januar 1359 einen Landfriedens-
bund. Zum Obmanne wählten sie unsern Reinard und zollten durch diese
Wahl, wie de Chestret hervorhebt*, dem staatsmännischeu Geiste des
aussergewöhnlichen Manlies glänzende Anerkennung. Aber auch, möchte ich
hinzufügen, seiner Rechtlichkeit und Ehrenhaftigkeit.
Das Vorbild für diese Geldrisch-Klevische Vereinigung war der durch
Herzog Johann IIL von Brabant am 13. Mai 1351 mit dem Erzbischofe
von Köln sowie den Städten Aachen und Köln geschlossene Landfriedens-
bund, dem nachher der Markgraf von Jülich und andere Herren beitraten.
Vor zwölf Geschworenen des Bundes sollten alle Klagen wegen Strassen-
schändung oder Friedensbruch verhandelt werden; einer der brabantischen
Geschworenen war Reinard ^. Bei der Erneuerung des Bundes im Jahre
1364 gibt ihm Herzog Wenzel die erste Stelle unter seinen Amtsgenossen ^.
In dieser Eigenschaft wohnte Reinard der Ausschwörung der Urfehde
durch Goswin von Here bei, den der Bund 1364 gefangen und eine Zeit-
lang in Aachen festgehalten hatte; ob er sich an der Zerstörung der Burg
Vurendahl betheiligt hat, welche dem Raubritter Johann von Hoen gehörte,
lässt sich aus Meyers Erzählung nicht ersehen "*.
Dass man dem lierrn von Schönforst auch in dieser seiner Tliätig-
keit das ehrendste Vertrauen entgegenbrachte, beweist der Vorfall mit
Zülpich. Der Erzbischof von Köln hatte dem Herzoge von Jülich diese
Stadt um 5000 Mark verpfändet. Als die Pfandsumme ausgezahlt werden
sollte, verweigerte der Herzog die Annahme, weil er Zülpich gerne behalten
hätte. Es kam zu Reibereien, in folge derer der Landfriedensbund die
Sache in die Hand nahm. Am 26. Oktober 1366 übergaben die Geschworenen
die Stadt unserm Reinard mit der Weisung, dieselbe dem Erzbischof einzu-
räumen, wenn die Pftmdgelder bis zum nächsten Lichtmesstage erlegt
würden. Die Zahlung erfolgte denn auch am 2. Februar 1367 \
Auch bei geringern Anlässen sehen wir Reinard im Dienste des Bundes
thätig. Am 7. Okiober des letztgenannten Jahres entschuldigte sich die Stadt
Köln bei ihm, dass sie auf sein Schreiben noch nicht geantwortet, sie habe
ihre Geschworenen zum Landfrieden von allem in Kenntuiss gesetzt, die
ihm auf dem nächsten Bundestage „da sy by uch koment" genauen Bericht
erstatten würden ^ Es handelte sich um den Ritter Emund Birkelin, der
ohne Absage Kölns Feind geworden war. Die Stadt bat um Hülfe behn
Herzoge von Brabant und beim Landfriedensbunde, beschwerte sich beim
Aachener Rath, dass er den Birkelin unbehelligt habe ziehen lassen^.
') Franquinet S. 42.
*) Lacomblet III, S. 402. ürk. 49G.
») Ernst a. a. 0. V, S. 124.
*) Aach. Gesch. S. 334 £f.
*) Lacomblet III, S. 571, Anm. 2.
•) Hohl bäum, Mittbeilungrn u. s. w. I, S. 09.
^) Das.
— 51 —
ersuchte 1368, Februar 1., denselben Ratli, sich für die Freilassung der
von Emund gefangenen Kölner zu verwenden, gab unter dem 19. Juli
1368 und 16. Juli 1369 dem Birkelin Sicherheit^ und sühnte sich endlich
mit ihm am 24. Januar 1371 *.
Seinen Standesgenossen half Keinard ebenfalls gerne in ihren Zwistig-
keiten. So wählten 1367 Johann von Gronsfeld und Wilhelm von Goer
ihn zum Obmann bei ihrem Streite mit der Familie von Husen'.
Wir dürfen diesen Abschnitt nicht schliessen, ohne an Reinards Ver-
hältniss zum Reichsoberhaupte zu erinnern. Auch Karl IV. schenkte dem
Schönauer volles Zutrauen und verwendete ihn zu mancherlei Geschäften.
Persönlich mag sich Reinard dem Kaiser, zu dessen Königswahl er ja
entscheidend mitgewirkt hatte, bereits bei der ersten Krönung durch Erz-
bischof Walram in Bonn am 26. November 1346 vorgestellt haben, sicher
war er bei der zweiten Krönung, 25. Juli 1349, in Aachen anwesend.
Karl übertrug Reinard das Reichslehen in der Nähe Aachens und bot ihm
dadurch die Möglichkeit, sich eine eigene Herrschaft zu gründen, die freilich
nicht lange bestanden liat. Selbst der Umstand, dass der Herr von Schön-
forst dazu beitrug, den Plan des kaiserlichen Kanzlers in bezug auf Köln
zu durchkreuzen, hat des Kaisers Wohlwollen nicht geschwächt. In
geringem wie in sehr wichtigen Angelegenheiten wendet er sich an
Reinard. Während er ihm z. B. im Jahre 1354 die Untersuchung in
einem Prozesse überträgt, den Ritter Louis de Saive gegen die zwölf
Geschlechter von Lüttich führte*, ernennt er ihn am 22. September 1357
zu seinem Generalbevollmächtigten mit der Gewalt „alle Bündnisse, Ver-
brüderungen, Verbindungen, Versprechen, Eide, Verpflichtungen und Ver-
pfändungen*', welche Herzog Wenzel von Brabant mit dem Könige von
England eingehen werde, im Namen von Kaiser und Reich zu bestätigen
und zu beki äftigen *. In dieser Urkunde führt Reinard zum erstenmal
den Titel eines kaiserlichen Marschalls; „nostre am6 mareshal*' nennt ihn
Karl. Und 1359 ermächtigt Karl IV. den Erzbischof Wilhelm von Köln,
den Grafen Ludwig mit Flandern und den übrigen Reichslehen zu belehnen,
wenn er von dem edlen Reinard von Schönforst, dem Marschall des kaiser-
lichen Hofes, nähern Bescheid erhalten habe*^. Marschall, Gesandter,
Geschäftsträger des Kaisers — welche Stellung für einen Mann, der in
seiner Jugend nicht soviel hatte, um ein Pferd halten zu können!
Von einer ganz besondern Gunst des Kaisers Karl gegen Reinard
meldet dieser selbst in einer Urkunde vom Blasiustage ' 1359. Er erklärt,
der Kaiser habe ihm die Ermächtigung ertheilt, an einem beliebigen
^) Höhl bau ra, Mittbtulungoii n. s. w. I, S. 72.
«) Da?. S. 73.
8) de Chestret S. 52.
*) de Chestret S. 32.
») Das. S. 39 f.
•) Lacomblet III, S. 497. Urk. 572.
') Also vom 3. nicht 8. Fobrufir, wio Frnnqninet sagt, der S. 111 f. die Urkundt«
mittheilt.
— r>2 —
Punkte im Lande von Geldern einen neuen Zoll auf den Rhein zu legen;
er seinerseits wolle den Bürgern von Roerniond aus besonderer Freund-
schaft völlige Freiheit von allen Abgaben bei dieser neuen Zollstätte
bewilligen, gleichviel wo er dieselbe jetzt oder später anlegen werde.
Unmöglich ist die Sache nicht; aber Reinard würde schwerlich einen
Landesherrn am Rhein gefunden haben, der mit dieser Zollanlage zufrieden
und einverstanden gewesen wäre^ Er hat von der Erlaubniss auch nie
Gebrauch gemacht.
Dass der Kaiser noch 1371, nach der Schlacht von Baesweiler,
Reinards Dienste für die Befreiung Wenzels aus der Jülicher Gefangen-
schaft in Anspruch nahm, ist bereits oben S. 29 erzählt worden.
VL Reinard in seinem Verhältnisse zu den Städten
Aachen und Köln.
Eine Schilderung des öffentlichen Lebens Reinards muss auch sein
Verhältniss zu den Städten, den Mittelpunkten des Volkslebens, erwähnen,
die ja im Mittelalter neben den Fürsten die bedeutendste Stellung einnahmen,
in denen sich die grossen Gedanken, welche die Menschen jener Zeit
bewegten, am nachdrücklichsten geltend machten, deren Zustände der
sicherste Gradmesser für den Fortschritt oder Rückschritt der Kultur sind.
In den vorhergehenden Abschnitten hat sich mehrfach Gelegenheit geboten,
Reinards Beziehungen zu den braban tischen Städten darzulegen; besonders
lehrreich war seine Stellung zu den Kämpfen in Löwen und die Förderung,
welche er den Handelsstädten am Niederrhein durch die Bewilligung der
Zollfreiheit zu Theil werden Hess. Es erübrigt nur noch mitzutheilen,
was die Urkunden über seine Stellung zu den rheinischen Stüdten besonders
zu Aachen und Köln berichten.
In Aachen finden wir Reinard zuerst im Jahre 1338, als auch die
Kaiserin Margarethe, Kaiser Ludwigs Gemahlin, mit ihren beiden Söhnen
dort war. Den Schönauer hat wohl die Neugierde und der Wunsch, sich
die Festlichkeiten anzusehen, welche die Stadt der Kaiserin zu Ehren
veranstaltete, mit seinen Genossen nach Aachen getrieben; der Rath ehrte
den Nachbarn und canonicus praebendatus von St. Servatius durch einen
zweimaligen Ehrentrunk, den man ihm und seiner Gesellschaft das erste-
mal mit 4 Sextaren = 24 Flaschen, das anderemal mit 2 Sextaren über-
reichte*. Im Jahre 1344 verzeichnet die Rechnung wiederum einen zwei-
maligen Ehrentnmk von je 2 Sextaren für ihn^; das letztemal war er mit
seinem Bruder Mascherei zusammen. In beiden Jahren besuchte auch
der Herr Gerard im Barte (cum barba) die Stadt ^; es ist aber nicht zu
ersehen, ob seine Anwesenheit mit der Reinards, seines Genossen auf der
ersten Londoner Reise, zusammenfallt.
^) Ueber die Zölle, besonders auch zur Zeit Karls IV. vgl. Westdeutscho Zeit-
schrift XI, S. 109 ff.
*) Laurent, Stadtrechnungen S. 134, Z. 22 f.
») Das. S. 161, Z. 29; S. 162, Z. 13, 14.
*) S. 134, Z. 35; S. 162, Z. 18 f.
— 53 —
184(> niiiss sich Reinard läu*,^erc Zeit in Schünau oder in Aachen
selbst aufgebalten haben, denn die Rechnung fuhrt — und zwar ziemlich
kurz hintereinander — nicht weniger als neun Geschenke an Wein für
ihn auf*. Zwar schreibt der Rentmeister in dieser Rechnung immer nur
dnc). R. de Schoynawen — in den beiden früheren aus den Jahren 1338
und 1344, wo Reinard noch nicht Ritter war, heisst es gar nur R. de
Schoynawen — , dass aber unter diesem R. unser Reinard und nicht etwa
sein Bruder Raso zu verstehen ist, geht daraus hervor, dass letzterer
immer als Mascherei bezeichnet und besonders angeführt wird. Sehr
wichtig ist diese Rechnung für die Geschichte Reinards deswegen, weil
in derselben auch seine Frau angeführt ist. „Item*', Jieisst es „dno. R.
de Schoynawen. 4 (sextaria). Item cidem dno. R. 4. Item uxori sue 2*.**
Damit ist erwiesen, dass Reinard bereits 1346 verheirathet war. Offenbar
hängt der damalige Aufenthalt der Eheleute mit der zweiten Anwesenheit
der Kaiserin Margarethe und den politischen Wirren zusammen. Die
Kaiserin ist nicht um des Vergnügens willen nach Aachen gekonunen.
Von Lanzenstechen u. dergl., wie bei dem ersten Besuche der hohen Frau
im Jahre 1338 ist denn auch in der Rechnung von 1346 keine Rede, ja
nicht einmal von besondern Geschenken: man gab nur den herkömmlichen
Wein. Die Sorge um ihren Gemahl, über dessen Haupt sich damals schwere
Wolken zusammengezogen, hatte Margarethe nach Aachen geführt; sie
wollte die Stadt in der Treue gegen den Kaiser erhalten. Die Haltung
Aachens war ausschlaggebend, denn hier war die rechte Krönungsstätte:
wer am Grabe des grossen Karl die Knme empfangen, wer auf seinem
Throne gesessen hatte, war der rechtmässige König. Nun fallen grade
ins Jahr 1346 die Unterhandlungen Johanns von Böhmen zu gunsten seines
Sohnes Karl mit dem Erzbischofe von Köln, dem die Weihe des Königs
oblag; der Blinde hatte Walram entweder bereits für den neuen Thron-
bewerber gewonnen oder doch stark umgarnt: Grund genug für Ludwig,
alles aufzubieten, um sich wenigstens die Krönungsstadt zu sichern. Andrer-
seits war Reinard, dessen Vermögen ja auch zum Theile auf dem Spiele
stand, der Hauptagent Karls am Niederrhein, und wir sehen ihn damals in
Aachen, um die Kaiserin zu tiberwachen und ihr möglichst entgegenzuarbeiten.
Margarethe hat übrigens ihren Zweck erreicht, Aachen setzte sich in
Vertheidigungszustand und Karl hat auch nach seiner Wahl die Stadt nicht
angegriffen. Erst als Ludwig gestorben war, verstand sich der Rath zu
Unterhandlungen mit dem neuen Könige, welche hauptsächlich durch den
Markgi'afeu von Jülich geführt wurden^.
Auch in städtischen Angelegenheiten machte sich Reinard damals
nützlich. Die Stadt war in einen misslichen Handel verwickelt wegen
eines gewissen Golinus. Anscheinend war derselbe Mitglied einer Raub-
ritterbande (etwa der in der Rechnung erwähnten vom Valenpferde *), in
') Das. S. 193, Z. 17, 28, 29, 12, 18, 39; S. 194, Z. 16.
») Das. S. 193, Z. 29, 30.
^) Vgl. Laurent, Stadtrechnungen 8. 24 ff.
*) d. h. vom Hengste. Das. S. 178, Z. 33 f.
— 54 —
seinem Gewerbe von den Aachenern aufgegritfen und in der Stadt enthauptet
worden'. Das setzte dann Wirren mit den Genossen des Räubers ab,
deren Anführer Herr Schinman gewesen zu sein scheint, denn von diesem
ging das Gerücht, er stehe mit seinen Gesellen bei Freialdenhoven unter
den Waffen ^ Der Rath hegte Besorgniss wegen der Aachener Kaufleute,
die von Frankfurt kamen ^ und verhandelte in Bergheim, Sayn und Wester-
burg wegen des Geleites derselben ^. Ueberhaupt gab die Sache zu vielem
Schreiben, Hin- und Hersenden und Verhandeln Anlass. Auch an Reinard
schickte der Rath zweimal einen Boten nach Köln^; wahrscheinlich hat
man ihn ebenfalls um seine Vemiittelung angegangen. Die Kosten eines
zweimaligen Aufenthaltes Reinards zu Aachen in derselben Angelegenheit
bestritt der Rath mit 12 bezw. 9 Mark®. Da die Aachener Mark
damals etwa 5^2 Reichsmark galt^, betrug die Gesammtsunmie 115,50 Mark,
was heutzutage über 800 Mark ausmachen würde.
Die Rechnung von 1349 meldet, ein Herr Snft. ^ habe für Herrn
R. de Schoynforst 50 Mark erhoben^, gibt aber den Grund nicht an,
warum die Zahlung erfolgte. In demselben Jahre schickte der Rath einen
Boten an den Grafen von Berg und an Herrn R. de Schoinawen wegen
eines Herman von Lievendal, der Gerard von Weienberg und andere
Aachener Bürger gefangen hatte *^ Nachdem die Sühne mit Herman
gelungen war, machte dessen Oheim Schellart noch Anstände. Der edle
Ritter hatte einem Aachener Kaufmanne Mantelman Wolle geraubt. Darum
ritten drei Rathsherrn, Goswin von Pont, Conrad von Eichhorn und Alexander
nach Köln zum Grafen von Berg, und ein Diener des Herrn Reinard
gab ihnen das Geleite, wofür er 18 Schillinge** erhielt*^. Hiernach zu
urtheilen besass Reinard grössere Gewalt zur Sicherung der Heerstrassen,
als die Reichsstadt Aachen, welche damals auf der Höhe ihrer Macht stand.
Als ein andermal Heinrich Krügelchen nebst andern Aachenern in Limburg
gefangen lag, schickte der Rath ebenfalls an den Schönforster *^. Endlich
wendete sich die Stadt noch in diesem Jahre an Reinard wegen einer
Kölner Jahrrente, d. h. wohl eine solche, welche man Kölner Bürgern
schuldete. Die Sache muss wichtig und verwickelt gewesen sein, denn
nicht weniger als fünf Gesandtschaften gingen von Aachen nach Köln um
wegen dieser Rente zu verhandeln, und dreimal wanderten Boten an den
Herrn Renardum de Schoynvorst **. Gehen wir mit, um uns über die
Stellung Reinards zu dieser Stadt zu erkundigen.
Bereits 1346 bedient<i sich Köln der Vermittelung des Herrn voi>
Schönforst im Streite mit dem Grafen von Virnenburg und dessen Söhnen
wegen des Gutes Keldenich; der Vergleich erfolgte am 31. Oktober des
genannten Jahres *^
Seit 1347 stand Reinard mit Köln in einem sogenannten Bürgerschafts-
vertrage (concivilitas) *^, d. h. „er erhielt von der Stadt eine jährliche Rente,
M Das. S. 177, Z. 31 f. «) Das. S. 178, Z. 22 ff. ») Das. Z. 14 f. *) Das. Z. 20.
*) Das. S. 178, Z. 33; S. 179, Z. 5. •) Das. S. 178, Z. 36 f. 0 I>as- S. 2. «) Der Name
ist abgekürzt. ») Das. S. 199, Z. 30. »°) Das. S. 209, Z. 12. ") Die Mark hatte zwölf
Schillinge, '^j Das. 8. LMO, Z. 27, 29 ff. '») Das. S. 213, Z. 6. »<) Das. S. 214. ») Höhl-
^ *^um, Mittheilungcu VI, S. 58. »«} Das. VI, S. 64 ff; VII, S. 6 ff.
— ;),)
welche Bürj^crlelH), Bürccerrente, Rontlelien, Jahrrente, Leibrente * hiess,
wogegen er Bürger der Stadt mit folgenden Verpflichtungen wurde: 1. er
musste die Kölner Bürger, welche seine Besitzungen passii'ten, schützen
und 2. wenn die Stadt Köln angegriflen wurde, dorthin ziehen und entweder
allein oder mit seinen Leuten der Stadt helfen. Letztere Verpflichtung
regelte sich nach der Höhe der Rente. So musste ein Ritter, der 10 Mark
Jahrrente bezog allein, einer der 50 Mark erhielt, mit 5 Rittern und 10
Knappen, wer gar 100 Mark empfing, mit 10 Rittern und 15 Knappen der
Stadt zu Hülfe kommen. Reinard bezog, wie sich aus seinen Quittungen
ergibt, jährlich am 11. November 40 Mark, er wird demnach die Ver-
pflichtung gehabt haben, mit 4 Rittern und etwa 8 Knappen zu erscheinen.
Diese Verträge, welche seit etwa 1300 in Köln häufig werden, schloss
man nicht auf eine bestimmte Zeit. Jeder Theil, die Stadt wie der Ritter,
hatte ohne Zweifel Kündigungsrecht, wenn auch in den betreffenden Urkunden
nichts davon gesagt wird.*'
Ganz ungestört scheint das Bttrgerschaftsverhältniss auch bei Reinard
nicht geblieben zu sein. Am 20. Juli 1360 stellte er die Quittung über
die am 11. November 1359 verfallene Rente aus*. Dann muss wohl eine
Irrung zwischen ihm und der Stadt vorgekommen sein, denn die Urkunden
schweigen von ihm bis zum 26. September 1368, wo bekundet wird, dass
er seinen Bürgerschaftsvertrag erneuert habe^ Am 31. Juli 1369 vollzog
er dann eine Generalquittung über rückständige Jahrreuten im Betrage
von 400 Mark ^; man hat also nach Erneuenmg des Vertrages die Lehen von
1360 — 1369 nachträglich ausbezahlt und in der Generalquittung sind die
Gelder von 1368 und 1369 eingeschlossen.
Zweimal liess Reinard seine Rente durch Andere erheben: 1349 durch
Johann von Achen und Johann von Starkenburg •'^, 1354 durch den Aachener
Kanonikus Wilhelm de Aquis^ Am 21. September 1375 erhob Reinard
seine kölnische Jahrrente zum letztenmal.
•
VII. Reinard als Familienvater.
Nachdem wir die öfl'entliche Wirksamkeit des bedeutendsten Schönauers
an der Hand der Urkunden dargestellt haben, erübrigt noch ein Blick auf
sein Privatleben,. Hier hat Reinard allerdings der Verkommenheit seiner
Zeit, von der Damberger in wenigen Zeilen ein abschreckendes Bild ent-
wirft, wenig ehrenvollen Tribut gezollt. Jener Geschichtschreiber sagt:
•
') AUiJ diese Ausdrücke siud ua<'h Herrn Stadtarcbivar Dr. Hansen, dem ich diese
AufklüruDgen verdanke, gleichbedeutend.
") Höhl bäum, Mittheihingen VII, S. 28.
•'•) Das. S. 48.
*) Das. 8. 50.
*) Das. S. H8. Jo'iann von Sturkenbnrj? war im Jahre 1370 Geschworener der
Stadt Köln beim Landfriedensbunde an SteUe des Schöffen Gcrard von Benassys. Meyer,
Aach. Gesch. S. 340.
^) Höhlbuum a. a. 0. VII, 8. 14. Wilhelm kommt bei Heusch, nomina etc-
unter den Kanonikern de.-^ LieMrauenstlltcs nicht vor; vielleicht war er Kanonikus an
St. Adalbert.
— 56 —
„Den tiefsten Aerger erregte im Oliristentlium die schamlose Freschheit,
dass es gleichsam Gesetz der Mode für jede Dame wurde, wenigstens einen
erklärten Anbeter zu haben, während die Herren ganz imgescheut ihren
ehebrecherischen Liebschaften nachgingen ^,"' Ein solches Verhältniss braucht
man nun nicht grade bei Reinard anzunehmen; seine natürliche Tochter
Elisabeth, welche 1867 bereits verheirathet war, kann auch einer Verirrung
des Junggesellen ilir Dasein verdanken, aber dieser Flecken bleibt auf
Reinard haften. Elisabeth hatte einen Herrn von Mondersdorp zur Ehe.
Reinard sorgte für sie, indem er am 23. September 1367 durch Johann
von Schönau zu ihren gunsten eine Rente von 200 Goldthaler auf des
Herren von Rümmen Güter am Lehenhofe der Grafschaft Looz erheben
Hess ^
Reinard heirathete im Jahre 1344 oder 1345 Katharina von Wilden-
burg, eine Nichte des Bischofs Adolf und Base des Bischofs Engelbert von
Lüttich ^: sie verband den Schönauer nicht blos mit der edlen Familie von
der Mark sondern auch mit dem Hause Jülich, und hieraus erklärt sich
der Titel Schwager- Verschwägerter, den Herzog Wilhelm unserm Reinard
beilegt. Katharina war in erster Ehe dem Herrn Otto von Elslo angetraut
gewesen, dessen gleichnamigen Sohn wir bereits kennen lernten^. Sonst
sagen uns die Urkunden über sie nichts, als dass sie von der Stadt Löwen
eine jährliche Rente von 400 Goldschilden bezogen habe, am 25. April
1368 auf der Burg zu Montjoie gestorben und in der Abteikirche zu Burt-
scheid begraben worden sei^ Herr de Chestret erklärt die Thatsache,^
dass die Urkunden des Jahres 1368 fast ganz von Reinard schweigen, aus
der tiefen Trauer, in welche der Tod seiner Frau den Wittwer versenkt
habe. Nach allem, was sich schliessen lässt, muss man allerdings annehmen,
dass Katharina eine vortreifliche Frau war, auf welche die oben angefülirten
Worte Dambergers keine Anwendung finden, dass sie ihre Kinder gut erzog
und in der reich gesegneten Ehe ihren Mann recht glücklich gemacht hat.
Schon die oben erwähnten Verfügungen Ottos von Elslo zu gunsten
seiner Stiefbrüder beweisen, dass ein schönes Verhältniss im Hause Reinards
geherrscht haben muss. Das war aber zimi weitaus grössten Tlieile das
Verdienst der Mutter; der Vater war ja nach Ausweis der Urkunden die
meiste Zeit draussen: wie sich das übrigens bei einem so vielbeschäftigten
Manne auch von selbst versteht. Dass Reinards eigene Kinder ebenfalls
Liebe und Hochachtung gegen den Vater hegten, werden wir gleich sehen,
obwohl Hemricourt auch in dieser Beziehung allerlei zu erzählen weiss.
Ungefähr Vj^ Jahr nach dem Tode Katharinens, am 2. August 1369,
trat Reinard einen Theil seiner Besitzungen an seine beiden ältesten Söhne
ab. Die Urkunde^ zeigt uns Reinard als einen Mann, der inmitten der
») Synchron. Gesch. XV, 8. 53.
*) de Chestret S. 57.
^) Vgl. die Stammtafel bei de Chestret S. 17.
*) Vgl. oben S. 43.
») de Chestret S. 53, Anm. 1.
ö) Lacorablet 111, S. 592. Crk. 690.
— 57 —
weltlichen Geschäfte das Seelenlieil nicht aus den Augen verliert sowie
als umsichtigen Vater, der seinen Söhnen zwar Selbständigkeit, keineswegs
aber zügellose Freiheit gestattet.
Ritter Reinard (IE) und Johann, Propst zu Mastricht und Burggraf
zu Montjoie, erklären, dass ihr lieber Herr und Vater Reinard, Hen* zu
Schönforst, ihnen folgende Güter übergeben habe, die sie weder versetzen
noch verkaufen dürfen^: Reinard dem ältesten die Burg und Herrlichkeit
Schönforst mit den Dörfern Cornelimünster, Forst, Rötgen, Hitfeld. Eilen-
dorf, Linter, Hamm (Mederhem), Brand, Haar, Roleff, Freund, Krauthausen,
Breinig (Breidinch), Heiden, Venwegeu, Nöthen (Nutten), Ober- und Nieder-
forstbach, Schleckheim, Pinsheim und Slusen (Schiuser Mühle). Hiervon
behielt sich der Vater vor 15 Morgen Bend auf der Bever und das „Keris-
gut, dat hew darinzulegen", ausserdem 6 Mud Roggen jährlich von der
Mühle zu Burtscheid, welche er für sein und der Seinigen Seelenheil ver-
wenden wollte.
Johann erhält Burg, Stadt, Land und Herrlichkeit Montjoie mit den
Dörfern Mützenich, Lou verscheid, Gross- und Klein -Menzerath, Imgen-
broich, Luterbach, Fronrath, Meisenbroich, Rusenroth, Sementroth, Bicke-
rath, Kesternich und Hetzingen; ausserdem den Hof auf dem Berlich zu
Köln. Der Vater soll aus diesen Gütern die in der Vorburg zu Montjoie
neu erbaute Kapelle beliebig berenten.
Die Söhne erklären sich damit einverstanden, dass ihr Vater den
Hof zu Rehoven, den Hof zu Richterich und den Hof in der Jakobstrasse
zu Aachen 2 zur Ehre Gottes verwende. Die übertragenen Besitzungen
werden als Lehen bezeichnet, um deretwillen die Söhne des Vaters Mannen
sein und bleiben sollend
Ueber die Güter jenseits der Maas in Brabant, namentlich über Schloss
und Herrlichkeit Sichem, St. Agathenrode, Zetrüd, Marchienne-au-Pont
nebst der HeiTlichkeit Thuwyn, über die Höfe und Wohnungen zu Brüssel,
Lüttich und St. Trond kann der Vater nach Belieben verfügen. Noch
legte Reinard seinen Söhnen folgende Verpflichtungen auf: sie durften sich
über ihr Vermögen für niemand vergeiselen oder verbürgen, ohne des
Vaters Rath und Znstimunmg keine öffentliche oder geheime Ehe eingehen,
mit keinem Ritter, Geistlichen, Laien — gross oder klein — verkehren, auch
keinen Diener bei sich behalten, der dem Vater nicht gefällt, kein Würfel-
oder anderes Spiel treiben, bei dem sie mehr als 10 Gulden monatlich ver-
lieren könnten, wenn immer es sie gelüstet zu „vueren**, so dürfen sie
*) M. a. W.: Die Söhue erhielten nur ein beschränktes Nutzniessungsrecht, (las
Eigenthumsrecht verblieb dem Vater.
■^) Hier erbaute Rcinard eine Kapelle, welche 1370 eingeweiht wurde. Er dotirte
sie mit einer Rente von 44 Mud halb Roggen halb Hafer, welche er für 740 (lüldgulden
gekauft hatte. Qu ix, Karmelitcnkloster 8. 174. Urk. 43.
*) Dass Reinard der eigentliche Herr blieb, geht auch daraus hervor, dass er noch
1370 Lehen aus dem Ländchen (\)rnelimünster wie ans dem Gebiete von Montjoie verlieh,
de Ohestret S, 56, Anm.
— 58 —
weder „vuere** noch „cominaiiscliaf van der vnoro** * haUeii, Mainit niemand
durcli sie betrogen werde. Liegen sie irgendwo zu lange stille und glaubt
der Vater, dass das für sie nicht ehrenhaft oder nützlich sei, so müssen
sie auf sein Ersuchen sofort abreiten. Aus ihren Wäldern und Büschen
dürfen sie ohne des Vaters Bewilligung keine Eichen weggeben; besonders
soll Johann in den Montjoier Waldungen weder roden noch Kohlen brennen.
Der Vater dagegen daif nach Belieben Bau- und Brandholz schlagen und
holen lassen. Stirbt einer der Brüder kinderlos, so fallt sein Gut an den
Vater zurück.
Die Urkunde ist unterzeichnet von den „Verwandten und Freunden**
Rembod von Vlodorp, Dechant zu Aachen und den Rittern Ooedert zur
Heiden, Bernard zu Kinzweiler und Goedert von dem Bongart.
VIII. Reinards Ende.
Sonderbar: als wenn Reinard von Schönau, die merkwürdigste Er-
scheinung zwischen Maas und Rhein im ganzen 14. Jahrhundert, eine
sagenhafte Persönlichkeit wäre, verlassen uns vom 21. September 1375 ab
alle sicheren Nachrichten über ihn und wir sind wieder auf Hemricoui't
angewiesen, dem man doch nur soweit trauen darf, als die Urkunden seine
Erzählungen bestätigend Er berichtet Folgendes: Nach dem Tode seiner
ersten Frau wollte Reinard sein Glück nochmals in der Ehe versuchen
und wählte wiederum eine junge Wittwe Elisabeth von Hamal, zur Lebens-
gefährtin. — Elisabeth von Hanuil hatte schon zwei Männer gehabt:
Engelbert den Jungen, Sohn des Grafen Everard von der Mark aus zweiter
Ehe, dann Walter von Binckem. Ist dem so, dann war die Dame die
Schwägerin des Bischofs Adolf, die Tante des Bischofs Engelbert^: es ist dann
aber kaum zu begreifen, wie sie noch eine Junge" Wittwe sein konnte.
Hcmricourt erzählt weiter, die Kinder Reinards seien ob dieser Heirath
ausser sich gerathen, sie hätten ihren Vater verfolgt, für verrückt erklärt,
seine Besitzungen geplündert und an sich gerissen; die Feinde Reinards,
besonders der Herr von Brederode, hätten ihnen geholfen, sodass zuletzt
der arme Mann nicht mehr wusste, wohin sich wenden. Da habe er
denn alles, was er noch an Geld besessen, zusammengerafft und sei mit
zwei Dienern nach Rhodus geflohen, um dort „faire p^nitence de ses pechez**.
Dort sei er auch gestorben und höchst ehrenvoll begraben worden, während
die Junge Wittwe" ihr Leben als Keklnse in Köln zugebraclit habe.
Auch dieser Erzählung bringen wir Misstrau(Mi entgegen, habdn jedocli
die Genugthuung, dass diesmal selbst diejenigen beitreten, welche Hemricourt
sonst nur zu leicht glauben, Franquinet* und de ('hestret^ Letzterer
') Uierübcr habe icli keinen Aufschluss fiuden köiiueü. 8oU es Hamlel, Kaut'manu-
schaft, Aus- und Einfuhrgeschäft heissen?
-) Um jedoch II. nicht zu nahe zu treten, sei bemerkt, dass wir sein Werk nur
mehr veistümmelt vor uns haben. Vgl. Villen fagne, Uecherchos ... II, S. 452 ff.
^) Vgl. die ;>tammtafcl bei de Chestret S. 17.
*) S. 28.
-') .S. 60.
— 59 —
macht darauf aufmerksam, dass die Söhne Reinards dem Testamente ihres
verstorbenen Vaters in respektvollster Weise gehorchten, wofür Franquinct,
der die Erzählung Hemricourts mit den Urkunden nicht in Einklang bringen
kann, die Beweise liefert ^ Da sehen wir in der That, wie die Söhne
auf grund des väterlichen Testamentes Güter abgeben, welche sie bereits
in Besitz haben. Wenn sie den Vater wegen der zweiten Heirath für
verrückt erklärt und sogar thätlich angegriffen hätten, wie in aller Welt
würden sie den letzten Willen des Verrückten anerkannt und sich dadurch
aus ihrem Besitze haben treiben lassen? Und wenn sie sich mit seinen
Feinden verbündeten, wie kommt es, dass sie um des Vaters willen eine
erbitterte Fehde mit Mastricht aufrecht halten, die erst im Jahre 1405
gesühnt wird*? Es gibt demnach auch hier so viel Unwahrscheinliches,
dass man gezwungen ist, andere Gründe für die Auswanderung Reinards
zu suchen. Und der wahre Beweggrund, der Reinard zu seinem auffallenden
Entschlüsse brachte, ist das Unglück bei Baesweiler. Er hatte den vor-
schnellen Rath gegeben, sofort anzugreifen und denselben in einer Weise
begründet, die den tapferen und stolzen Herzog moralisch nöthigte, zuzu-
stimmend Mochte Reinard die Mehrheit des Kriegsraths, die Masse des
Heeres, vielleicht den Herzog selbst für sich haben: nachdem der Erfolg
gegen ihn entschieden hatte, musste er die ganze Verantwortung tragen.
Die Folge war der Verlust seiner angesehenen Stellung am Hofe wie unter
den Standesgenossen und die Erbitterung des Volkes, welche sich zu
Mastricht in massloser Weise Luft machte. Das war gewiss hinreichend
um einen bis dahin vom Glücke verhätschelten Mann zu dem Entschlüsse
zu bringen, dem ganzen irdischen Treiben zu entsagen. Es lag ja auch im
Charakter der Zeit, dass man am Abende eines sehr bewegten Lebens die
Stille des Klosters aufsuchte, um sich auf den Tod vorzubereiten. Dass
aber Reinard grade zu den Johannitern ging, mag darin seinen Grund
haben, weil er mit diesen schon von Köln her in Verbindung stand*. Zu
alle dem kommt dann noch das entscheidende Zeugniss des Sohnes und
der Enkel Reinards in der Urkunde von 1405, welche ausdrücklich erklären,
ihr Vater bezw. Gross vater sei „butenlendich" geworden wegen der „groete
smaet confusie ende schade*", die man ihm in Folge der Schlacht bei
Baesweiler zu Mastricht angethan habe. Wenn es immerhin noch vier
Jahre gedauert hat. ehe Reinard sich zurückzog, so ist das nicht befremdend.
Vielleicht hat er anfangs noch gehofft den Sturm zu beschwören und seinen
verlorenen Einfluss wieder zu erringen, vielleicht hat er wirklicli daran
gedacht in einer zweiten Ehe Trost und Ersatz für das entschwundene
Weltglück am häuslichen Herde zu suchen, vielleicht hat ihn die Sorge
für seine Kinder noch zurückgehalten: jedenfalls konnte ein Mann mit Reinards
ausgedehnten imd vielseitigen Geschäftsverbindungen einen solchen Ent-
schluss erst nach längerer Vorbereitung ausfüliren.
*) Franqninet, annexe IX, S. 82.
*) VgL das. annexe XVIII, S. 94.
*> ,r>iv Ehre srobietet ilen soforti^ren Anirriff*.
*} Vgl. oben ^5. 4j.
— 60 —
Von Hemriconrts Erzälihnjg bleibt meine^s P>achtens nur übrig", dass
Reinard nach Rliodus g^egangeu ist. Dort machte er sein Testament, Hess
es von anderen Ordensrittern bezeugen und besiegclen ^ und starb — hoffent-
lich eines seligen Todes — im Jahre 1376.
IX. Reinards Kindei.
De (liestret*^ zählt 8 Kinder Reinards aus seiner Ehe mit der Dame
von Wildenberg auf, vier Söhne und vier Töchter. Die Söhne hiessen:
Reinard IL, Johann, Conrad, Engelbert; die Töchter: Alide, Philippine,
welche bald Johanna, bald Adelheid genannt sein soll, Mechtilde — nicht
Maria — und Elisabeth. Dazu kommt dann noch die uneheliche Tochter
Elisabeth, welche bereits oben erwähnt worden ist.
a. Reinard II. war verheirathet mit Johanna, Tochter Ottos von Arkel
und der Isabella von Bar^. Er erscheint als Herr von Schönforst und
Sichern, der grossen Waldungen von Meerdael, südlich von Löwen, und
von Berquyt sowie der Herrschaft Archennes an der Dyle, welche in der
Theilung der Reinard'schen Besitzungen von St. Agathenrode abgetrennt
worden war^. Seine Töchter hiessen: Johanna und Catharina; Söhne hatte
■
er nicht.
Wie wir oben S. 28 hörten, war Reinard in der Schlacht von Baes-
weiler 1371 gefangen worden, doch hat seine Gefangenschaft nicht lange
gedauert. Schon im folgenden Jahre war er in einen Streit mit der Stadt
Köln verwickelt, der am 11. September beigelegt war. An diesem Tage
dankt der Rath „dem ältesten Sohne des Herrn Reinard von Schönforst",
weil er die gefangenen Kölner Bürger frei gelassen habe und schwört ihm
wegen des Vorgefallenen Urfehde, d. h. Verzicht auf alle Rachel
Ausser seinem Antheilc an den väterlichen Liegenschaften hatte
Reinard auch die Forderungen an Wenzel und Johanna von Brabant geerbt,
die sich auf 2311 halbe Vilvorder Goldstücke beliefen. Zur Deckung dieser
Schuld ernannten ihn die Fürsten am 7. Dezember 1376 zum Burggrafen
von Schloss, Stadt und Land Dalhem (Dolhain) und sicherten ihm die
Stelle bis zur Abzahlung jener Summe zu. Dagegen verpflichtete sich
Reinard, den Bezirk auf eigene Kosten zu wahren, zu verwalten und zu
vertheidigen, nur soviel Holz im Dalhemer Walde zu schlagen als zur
Instandhaltung der Schlossgebäude nöthig war und aus den Einkünften
jährlich am St. Andreastage 200 schwere Gulden an die herzogliche Kammer
zu zahlen. Am 20. Mai 1377 erhielt er sodann diese Burggrafschaft auf
Lebenszeit und quittirte dafür alle Ansprüche, die er vom Vater her an
>) de Chestret S. 61.
») S. 62 ff.
^) Franquinet S. 45.
*) de Chestret S. 62 und Anin. 5 und 7.
*) Höhlbaum, MitthcUungen I, S. 74. Dass er den Vollbesitz der Herrschaft
Schönforst angetreten, scheint Reinard dem Aachener Rathe durch besondern Boten
angezeigt zu haben; die Septemberrechnnng des Jahres 1376 verzeichnet ein Ehrengeschenk
von zwei Quart Wein an den „Schönforster Herold**. Laurent S. 261, Z. 22.
— 61 —
Johanna habe*. Reinard U. lieh aber auch selbst Geld an die Brabanter
Fürsten. In der Urkunde vom 15. Februar 1386, durch welche Johanna
verschiedene Gebiete an Karl den Kühnen von Burgund, den Gemahl ihrer
Nichte Margarethe, abtrat, heisst es nämlich, Dolhain sei dem Herrn von
Schönforst für 3000 moutons verpfändet^, und am 10. Mai 1382 erklärte
Eeinard, er habe an Wenzel und Johanna 2000 alte Goldschilde geliehen,
wofür ihm Burg und Land von Kerpen unter gewissen Bedingungen übergeben
worden sei^ Diese Schuld war im Jahre 1386 auf 6000 alte Schilde*
angewachsen, also hatten die Brabanter auf Kerpen neue Summen auf-
genommen.
Franquinet^ erzählt, Reinard IT. habe die Rente von vier alten
Groschen am Zolle von Nimwegen, welche ihm aus dem Nachlasse seines
Vaters ebenfalls zugefallen war, 1376 an Herman von Goch gegen eine
jährliche Rente von 25 Gulden abgegeben, jedoch im folgenden Jahre
andere Güter als Unterpfand gestellt, weil er auf den Zoll in folge eines
Vertrages seines Bruders Johann mit dem Herzoge von Geldern habe ver-
zichten müssen. Nach einem Regest in den Mittheilungen aus dem Kölner
StadtÄrchiv *^ erhob Reinard am 7. März 1384 ein Leib-Mannlehen an
diesem Zolle für den genannten Herman. — Hier möge erwähnt werden,
dass Reinard IL, nicht sein Vater, wie Graf v. Mirbach meint, im Jahre
1379 den Hof Boslar an Arnold von Randerath verpfändetet
In der Fehde zwischen Erzbischof Friedrich ITI. von Köln und (4raf
Engelbert von der Mark im Jahre 1384 hatte Reinard auf Seite des
Letztern gestanden, wobei das (Tcbiet von Schönforst und Montjoie arg
mitgenommen worden war^ Nach dem Friedensschlüsse stellten Friedrich
und Engelbert am 29. Oktober ihm eine Frist von einem Monat, iimer-
halb der er sich erklären sollte, ob er der Sühne beitrete oder nicht*.
Reinard war bereit, aber er konnte einen seinen Helfer, Gerard von Blanken-
heim, nicht zum Beitritte bewegen. Dieser gab die Gefangenen, die er
gemacht hatte, nicht frei und deswegen verfiel Reinard dem Erzbischof
in eine Busse von 4500 Gulden. Für diese Summe verpfändete er dem-
selben am Andreastage 1387 die Hälfte seines Schlosses Schönforst, ver-
sprach Oflfen Haltung der Burgen Montjoie und Kerpen und erklärte auch
das Schloss Wachtendonk nicht eher an den Jungherrn, dessen Oheim und
Vormund Reinard war, übergeben zu wollen, bis dem Erzbischofe wegen
aller Verschreibungen Genüge geleistet sei, die letzterer darüber in Händen
habe. Von dieser Sühne mit Friedrich sollte ausgeschlossen sein „der van
Gronsfeld ind syne partye, mit der ich (Reinard) in veden sitze"; warum.
') Ernst, histoire du Limbourg V, S. 119, Anm. 2.
•) Das. S. 154, Anm. 1.
3) Das. S. 119, Anm. 1.
*) Das. S. 154, Aura. 1.
^) S. 32.
«) Vn, S. 35.
') Zeitschrift des Aachener Oeschichtsvoreins II, S. 298.
') Meyer, Aach. Gesch. S. 353.
*) Lohn- und Mani.buch dos Erzstifta Köln I, Nr. 304. Staiitsaicbiv zu Düsseldorf.
— 62 —
werden wir noch hören K In einer andern Urkunde von demselben Tage
wird Näheres darüber festgestellt, wie es mit Schönfort gehalten werden
solle. Ausser den bereits oben S. 41 mitgetheilten Bestinimungen, dass
die Burg mit „turnen, graven, miüren, vurburgen, ind vesteningen" tiber-
geben werden und der Erzbischof dieselbe mit Amtleuten, Thurmknechten,
Wächtern, Pförtnern solle besetzen dürfen, wurde noch abgemacht: Reinard
müsse für den Unterhalt dieser erzbischöflichen Beamten und Reisigen
jährlich 100 Gulden aus den Einkünften von Schönforst anweisen; der
Erzbischof dürfe sich der Burg gegen jedermann, nur nicht gegen König
Wenzel und die Herzogin Johanna bedienen. Endlich wird gesagt, dass
Schönforst ein Reichslehen und einer Tochter Reinards als Mitgift gegeben
worden sei: „Vort, want dat vurschreven sloss Schone vorst rurende is zu
lehen van deme ryche ind ich Reynart . . dat selve sloss gegeven hain zu
hilige deme . . . Bernard van Fleckenstein mit Johannen mynre dochter . . so
hain ich ind . . . myn eidom . . . myme heren van Colne geloift . . . dat
wir binnen jaire ind dage na datum dis briefs . . . werven solen an unsme
gnedigen heren dem romschen kunyng, dat he synen willen ind consens
zu der versetzinge ind pantschaft der . . halfscheit des slosses geve ind
due . . / Es siegelten mit Reinard dessen Eidam, sodann Heinrich von
Hüchelhoven, Schultheiss zu Eschweiler; Heinrich von Dadenberg; Statz
von dem Bungard^
Wir hörten oben, dass Reinard sich auch verpflichtet habe, Burg
Wachtendonk nicht eher an seinen damals noch minderjährigen Neffen
abgeben zu wollen, bis des Erzbischofs Forderungen befriedigt seien.
1391 (ohne Tag und Monat) quittirte Friedrich III. dem Reinard von
Schönforst und Sichem über eine Summe von 2400 Gulden, welche Arnold
von Wachtendonk für die Oeffnung dieses Schlosses erhalten solle und
die an den 4500 Gulden, welche Reinard schuldete, abgezogen wurden ^
Ob Friedrich den Rest jemals erhalten hat? Wenige Jahre nachher verlor
Reinard seine Stammburg für immer, doch erst am 31. Januar 1404 erklärte
der Erzbischof, sein Rath Reinard von Schönforst und Sichem habe die
Amtmannschaft von Zülpich und zu der Hart, die derselbe eine Zeit
lang besessen, wieder an ihm abgetreten, wogegen er, der Erzbischof, auf alle
Ansprüche an Reinard verzichte, dessen Lehenspflichten jedoch vorbehalten \
und an demselben Tage verzichtete Reinard seinerseits auf alle Forderungen,
welche er, auch wegen der verpfändeten Hälfte von Schönforst, noch an
Friedrich habe ^ Damit waren alle Schulden auf beiden Seiten getilgt.
Wenige Jahre nachher hat Reinard wieder etwas zu fordern, nämlich eine
jährliche Rente von 100 Gulden, die ihm auf den Zoll zu Bonn angewiesen
war und die der Erzbischof 1408 mit 500 rheinischen Gulden ablöste.
Jedoch machte Reinard einen Vorbehalt zu gunsten des Herrn Heinrich
') Das. Nr. 504, Lacomblet III, S. 780. Urk. 885.
*) Das. Nr. 505, Lacomblet III, S. 780, Anm. 2.
») Das. Nr. 502.
*) Das. Nr. 790.
6) Das. Nr. 791.
— C3 —
von Diulenbcrtr wejren de^ Hauses und Gutes zu Mfinddiausen ,as \'u»e
dat verschreven is* K Nach einer Anmerkung bei Lacorablet ITT, S. 262,
war Munchhaasen dem Reinard 1404 auf Lebenszeit übertragen wonlen;
wahrscheinlich ist das Gut von ihm an die Dadenberger gekommen.
Obschon Gerard von Blankenheim durch seine Weigerung, die kölnischen
Gefangenen loszugehen, Beinard in grosse Verlegenheit gebracht und selbst
zur Verpfändung seiner Burg Schönforst genöthigt hatte, scheint das gute
Verhältniss zwischen beiden dadurch nicht gestört worden zu sein. Als
sich nämlich der Landfriedensbund 1385 aufmachte, um das Raubnest
Reiferscheid bei Schieiden zu belagern, wo sich ^alle die boisewichter die
vurziits oper stroisen plogen zu schedigeu" ^ versammelt hatten, schloss
sich Reinai*d zwar dem Bunde an und versprach, gegen das Schloss und
dessen Vertheidiger zu fechten, nahm jedoch seinen Oheim Gmf Arnold
und den Heim Gerard von Blankenheim aus^ Im Lager vor Reiferscheid
erschien Reinard wie die anderen grossen Herren mit seinen „pufferen***.
Franquinet^ erzählt sogar, man habe ihn zum Befehlshaber über das
Belagerungskorps gewählt; aber diese Angabe wird wohl ebenso irrig sein
wie die anderen, die Einschliessung habe nur einige Tage gedauert und
man habe die Burg mit stürmender Hand genommen. Die Verbündeten
lagen vielmehr vom 11. August bis zum 11. Oktober vor Reiferscheid, an
welch' letzterm Tage die Uebergabe der Burg durch Vertrag erfolgte ^ Im
Sühnebriefe unterzeichnet Reinard allerdings gleich hinter dem Herzoge
von Jülich'; er hat also immerhin eine angesehene Stellung im Bunde
eingenommen.
Als Reinard sich mit dem Erzbischofe Friedrich verständigte, schloss
er ausdrücklich den Heinrich von Gronsfeld und dessen Partei aus der Sühne
aus. Die Fehde zwischen Schönforst und Gronsfeld war duir.h ein nichts-
würdiges Verbrechen hervorgerufen worden, an dem Reinard leider hervor-
ragenden • Antlieil genommen hatte: durch die Ermordung des wackeren
Johann von Gronsfeld, Heinrichs Bruder. Franquinet hat einen Brief
Conrads von Elslo, des dritten Sohnes Reinards I, veröffentlicht ^ worin
derselbe den Verlauf der Blutthat in lebendiger Weise schildert, ohne
jedoch über die Beweggründe zu derselben Aufscliluss zu geben. In dieser
Beziehung sind wir demnach auf Vermuthungcn angewiesen. Ich möchte
jedoch hierin lieber Franquinet beistimmen, der den Mord auf pei^önliche
Reibei*eien zurückführt, als dem Chronisten Froissart, welcher den Herzog
') Das. Nr. 901.
') Lauront, Stadt rccbimngon S. 57.
••) Mt'yer, Aach. Gesch. S. 854.
*•) Laurent. S. 290, Z. 12. Die Stadt schenkte denselben 2 Gulden. Die „puffere
van Schoinvorst, van Wacht endunk und van der Dick" erhielten im Januar 1392 ein
Geschenk von 6^4 Mark, die Schönfor.ster Pfeifer 1394 um dieselbe Zeit 5^/4 Mark. (Das.
S. 377, Z. 13; S. 394, Z. 20).
») S. 33.
•) Laurent, Stadtrechnungen S. 62, 66.
^ Hiihlbaum, Mittheilungen VIT, S. 41.
«) Annexe XTTI, S. 86.
— 64 —
von Geldern der Urheberschaft bezichtigt ^ Auf persönliche Zwistigkeiten
deutet auch Conrad selbst hin, wenn er seinen Bruder ßeinard den Herrn
von Gronsfeld zu einer Zusammenkunft in Aachen einladen lässt, um dem-
selben beweisen zu können, dass er weder mit Rath noch mit That zu
der Feindschaft zwischen Johann Wilde und den Kindern des Füchschens ^
einer- und Gronsfeld andrerseits beigetragen habe. Von Misshelligkeiten
zwischen ßeinard und Johann ist sonst nichts bekannt; wohl aber wissen
wir, dass Statz von Bongart jahrelang in bitterer Feindscliaft mit dem
Gronsfelder lebte. Johann beklagte sich, dass Statz ihn während seiner
Kriegsgefangenschaft in folge der Schlacht bei Baesweiler auf das schmäh-
lichste verleumdet habe und forderte seinen Gegner zum Zweikampf auf
Leben und Tod. Dieser Statz ist wohl der Anstifter des Greuels gewesen,
wie ihn auch Conrad der Ausführung des Mordes bezichtigt; Reinard hat
jedoch seinem Freunde Statz die Gelegenheit geboten und das Opfer in
die Falle gelockt. Man höre Conrad.
Statz von Bongart und der Herr von Schönforst verhandelten eines
Tages wegen der Gronsfelder Angelegenheit. In Folge davon ersuchten
sie (/onrad^ er möge den Herrn von Gronsfeld nach Aachen einladen, da
wolle Reinard seine völlige Unschuld ihm gegenüber darthun. Gronsfeld
erschien. Statz von Bongart, Slabbart von Kinzweiler, Conrad selbst und
Johann von Heimbach trugen ihm die Gründe für Reinards Schuldlosigkeit
vor und verhandelten mit ihm über eine Zusammenkunft mit Reinard in
einem Hause, welches letzterem zugehörte und von Johann von Necken
(Ecken) bewohnt wurde. Gronsfeld war einverstanden. Dann begab sich
der Herr von Schönforst in die Behausung des Herrn Arnold von Riismoelen,
wo Conrad und Slabbart wohnten, weckte beide und ersuchte sie, den Grons-
felder zu ihm in das genannte Haus zu führen. Jene suchten Johann in
seiner Wohnung^ auf, wo auch er im Schlummer lag, und geleiteten ihn
zu Reinard. Beide Herren grüssten sich höflich unter Abnehmen der
Kopfbedeckung, wobei Gronsfeld noch scherzend spracli: „Gott helf, Herr
V(m Schönforst, es ist mir lieb, dass Ihr eben so grau werdet, wie ich bin*'.
Damit gingen sie Arm in Arm in ein Nebenzimmer und bespraclien die
Sache wegen der Kinder des Füchscliens und Gerken Falkners. Unter-
dessen erschien Statz von Bongart und nach ihm Engelbert von Schönforst,
der jüngste Bruder Reinards, mit zwei Knechten. Statz trat in das
Zimmer Reinards, der ihn mit den Worten empfing: „Warum kommt ihr
jetzt?** Statz entschuldigte sich: „Ich meinte, Ihr hättet uns gerufen." In
demselben Augenblicke drang auch Engelbert ein. Er hal)e lange genug
gewartet, rief er und zog das Schwert. Nun merkte Conrad die Falle,
in welche er unvorsichtigerweise den Gronsfelder geführt hatte. Er unter-
0 Vgl. Franquinet S. 33; S. 34, Anm. 1; S. 35.
*) Franquinet schreibt im Texte zwar Vaesken, in der Urkunde jedoch Vueskeu.
^) Vgl. unten bei: Conrad.
*) 1385, wo er fast jeden Monat in Aachen war, wohnte Johann einmal „in heren
Johans huis" (Laurent S. 303, Z. 8), dann auch in „Luibsheren" oder „Luibshuis" (das.
S. 830, Z. 2, S. 333, Z. 25). Letzterer Name wird wohl „heren Lupenhuis vur den sal"
(das. S. 383, Z. 23) bedeuten.
— 65 —
lief den Degen Engelberts, umschlang den Bruder und schrie ihn an:
^Mörder, was willst Du thun?** Dem Bruder Reinard rief er zu: ^Schön-
forst, Du böser Verräther, wirst Du dulden, dass dieser Mann hier ermordet
werde, den ich auf dein Wort hergebracht habe?" Aber Statz von Bongart
griff den Herrn von Gronsfeld und that ihm den Tod an. Der Lärm rief
noch andere herbei. Goedert von Schönau zftckte sein Messer und schrie
Conrad zu: ^Ergib dich, oder ich steche dir den Hals ab**, und Arnold,
der Rentmeister von Schönforst, rief: „Herr von Elslo, Ihr könnt nicht
hinaus.** Gerard von der Dick, der Neflfe der Schönforster, Goedert von
Bongart und sein gleichnamiger Sohn traten in die Kammer, sahen den
Ermordeten imd gingen hinweg. Der Mord erfolgte am 25. August 1386.
Conrad betheuerte seine Unschuld mit einem Eide und schwor, dass
er sich an keiner Fehde betheiligen werde, welche aus dem Morde ent-
stehen könne.
Obwohl nach dem Berichte Conrads, der — wie Franquinet hervor-
hebt — nur neun Tage nach der Blutthat, also noch unter dem ersten
frischen Eindrucke derselben geschrieben wurde, Statz von Bongart als
der eigentliche Mörder anzusehen ist, so scheint doch in der öffentlichen
Meinung Reinard als der Hauptschuldige gegolten zu haben, sei es nun,
weil es sich damals wirklich zunächst um seine Zwistigkeiten mit Grons-
feld gehandelt hatte, oder weil er in der spätem Fehde als Hauptmann
seiner Partei aufgetreten ist. Aus dem Eingange des vorliegenden Berichtes
geht unzweifelhaft hervor, dass Reinard dieses Spiel mit Statz abgekartet
hat. Die Zeitgenossen betrachteten, wie gesagt, den Schönforster als
Hauptübelthäter. Die Herzogin Johanna gab ihrer Entrüstung über die
Ermordung ihres treuen Dieners u. a. auch dadurch Ausdruck, dass sie
am 6. Juli 1387 der Stadt Mastricht, welche schon längere Zeit wegen
der daselbst Reinard I. wiederfahrenen Unbilden mit dem Hause Schönforst
in Fehde lag, die Zusicherung gab, sie werde sich in dieser Sache von
ihren Bürgern zu Mastricht nicht trennen, auch weder Genugthuung noch
Sühne von den Schönforstern annehmen, bis die Stadt sich mit denselben
verglichen habe^ Selbst diejenigen, welche den Herzog von Geldern als
Anstifter des Mordes ausgeben, bezeichnen Reinard als das von ihm ge-
wählte Werkzeug *, und die handschriftliche, im Besitze des Herrn Dr. Adam
Bock befindliche Aachener Chronik sagt gradezu: „Zum Jahre 1386 be-
richtet das Manuskript, dass der Herp von Schönforst im campus Marianus ^
zu Aachen den Herrn von Gronsfeld umgebracht habe.**
Die Voraussicht Conrads, dass dem Morde eine Fehde folgen werde,
ist in Erfüllung gegangen. Drei Jahre lang tobte ein erbitterter Kampf
zwischen den beiden Parteien, an dem „fast alle Herren der Umgegend
und viele Bewohner der Städte Mastricht und Aachen theilnahmen". Reinard
verbrannte „die Dörfer Oupey, welches den Gronsfeld gehörte, Walhorn
*) Franquinet, annexe XIV, S. 90.
•) Vgl. Ernst a. a. 0. V, S. 158 f., Anm. 1.
*) Nach der bei Qu ix, Karmcliterkloster S. 86, abgedruckton kleinen Chronik lag
das Mordhaus „uf dem kloster'* d. h. dem Klosterplatz.
— 66 —
und andere liniburgische Ortschaften" ^; seinen eigenen Besitzungen wird
es nicht besser ergangen sein. Endlich gelang es dem Erzbischof Friedrich
von Köln dem unseligen Treiben ein Ende zu machen. Er verurtheilte
1389 die Theilnehmer an dem Morde zur Stiftung von zwei Sühnealtären;
Reinard und Statz errichteten einen in der Kapelle des Schönforster Hofes
in Aachen^ Goedert von Bongart den anderen in der Kapelle zu Bocholz bei
Simpelveld. Aber damit war die Blutschuld nicht gesühnt; seit dem Jahre
1386 ist das Glück von Reinard gewichen: bald erstand dem ermordeten
Gronsfeld ein scharfer Rächer in der Person des Herzogs von Jülich.
1387 begannen die Verhandlungen zwischen Johanna von Brabant
und dem Herzoge Karl dem Kühnen von Burgund, welche dahin führten,
dass zunächst und zwar 1396 das Herzogthum Limburg mit seinen An-
hängseln an Karl abgetreten wurde *^. Dazu gehörten auch die Burgen
und Herrschaften von Dolhain und Kerpen, deren Pfandherr und Burggraf
Reinard II. war. Höhlbaum ^ gibt den Inhalt einer Urkunde, wonach
Reinard unter dem 22. Juli 1389 den Ritter Gerard von Widdenau auf
ein Jahr zum Amtmann von Kerpen bestellte mit der Weisung, die Burg
gegebenenfalls an Carsilius von Palant, den Schwager von Reinards Bruder
Engelbert zu übergeben.
Im Jahre 1392 finden wir Reinard als Helfer der Stadt Köln, welche
wieder einmal im Streite mit ihrem Erzbischofe lag. Durch Urkunde vom
23. Juli öffnete er der Stadt alle seine Schlösser, auch Kerpen, gegen
Jedermann, den Herzog von Burgund, die Herzogin von Biubant und den
Herzog von Jülich ausgenommen, dafür zahlte ihm die Stadt eine Summe
von 2000 Gulden, worüber Reinard am 7. August quittirte*. Die oben
erwähnte handschriftliche Aachener Chronik erzählt, die Herren von Schön-
forst (Schoenvorstiani dynastae) hätten mit Hülfe des Herrn von Heinsberg
und des Kölner Rathes die benachbarten Gegenden wie Räuber (latro-
cinantium more) misshandelt.
Am 19. Februar 1394 trat Reinard in ein Schutz- und Trutzbündniss
mit dem Herzoge von Geldern. Wilhelm versprach, Reinard nebst seinen
Besitzungen und Leuten zu beschützen und zu vertheidigen, öffnete ihm
die festen Plätze in Geldern, Jülich und Zütphen, Reinard dagegen gelobte
dem Herzoge und dessen Leuten Unterstützung und Hülfe in jeder Ange-
legenheit und Offenhaltung seiner Burgen Schönforst, Montjoie und Kerpen
— so lange er letzteres in Besitz habe — gegen jeden, den Herzog von
Burgund und die Herzogin von Brabant ausgenommen ^. Es fällt auf, dass
in dieser Urkunde ebensowenig wie in der von 1392 Rede von König
Wenzel ist, den doch die Versclireibung von 1387 noch erwähnt; man
scheint am Rheine wenig Rücksicht melir auf diese Majestät genommen
zu haben. Schönforst war doch Reichslehen! Unklar ist auch Reinards
') Franqninet S. 38; 39, Anin. 1.
*) Ernst a. a. 0. V, S. 170.
») Mittheilungen . . . VII, S. 57.
*) Das. S. 74, 84.
'') Franquiuet S. 40.
— 67 —
Stellung zu Montjoie. Franquinct denkt an eine Verpfändung; ich möchte
eher glauben, dass der Schönforster als Vormund des Sohnes und Sach-
walter der Wittwe seines damals bereits verstorbenen Bruders Johann die
Verwahrung und Verwaltung dieser Herrschaft gehabt und bis zu seinem
Lebensende behalten habe. (Vgl. de Chestret S. 63, Anm. 6.)
Die enge Verbindung mit dem Hause Jülich hinderte nicht, dass
Reinard noch in demselben Jahre* mit einem Mitgliede dieser Familie,
Reinard von Jülich, dem Bruder des Grafen von Geldern, in heftige Fehde
gerieth. Weil der Jtilicher nebst dem Grafen von Sayn Helfer des Johann
von Reiferscheid war, mit dem der Zwist begonnen hatte, glaubt Franquinet
die Ursache des Streites in der Belagerung Reiferscheids vom Jahre 1385
suchen zu dürfen. Das wäre immerhin möglich, denn mit 1393 waren die
acht Jahre abgelaufen, binnen welchen der Reiferscheider Ruhe zu halten
versprochen hatte. Dann ist jedoch der Racheversuch arg missglückt.
Der Schönforster, unterstützt durch den Herrn von Heinsberg und die
Stadt Köln, behielt den Sieg, verwüstete das Jülicher Land und nahm
selbst seine beiden Hauptgegner, den von Reiferscheid und Reinard von
Jülich gefangen. Er erpresste ein grosses Lösegeld, welches der Herzog
für seinen Verwandten erlegte. Da der Schönforster um eben diese Zeit die
Herrschaften Tielt und Tielt-St. Martin ankaufte -, so liegt die Vermuthung
nahe, dass der Kaufpreis aus diesen Lösegeldern bezahlt worden ist.
Aber Reinard hat sich seines Erfolges nicht lange erfreut. Die
Stunde der Vergeltung für die Gronsfelder Blutschuld und manch andere
Gewaltthat war da. Die mehrfach erwähnte Aachener Chronik erzählt
nach Pontanus: „Reinard von Schönforst, Herr in Montjoie, der mehr als
einmal feindselig ins Jülichsche eingefallen war, hatte Reinald, den Bruder
des Herzogs, sowie den Herrn von Reiferscheid gefangen und ein sehr
grosses (ingens) Lösegeld von ihnen erpresst. Darum (unde) belagerte
Herzog Wilhelm das Schloss Schönforst . . ." Bütkens meint, der Streit
zwisclien dem Herzoge und Reinard schreibe sich noch von dem Verkaufe
der Herrschaften Falkenburg und Montjoie durch Reinard I. her. Das ist
unwahrscheinlich. Der Grund hätte doch auch schon 1394 bestanden, wo
Reinard und Wilhelm Waffenbrüderschaft eingingen. Auch hätte in diesem
Falle der Herzog nach der vollständigen Niederlage Reinards den Schön-
forstem sicherlich Montjoie abgenommen und sich nicht mit Schönforst
begnügt. Montjoie ist aber erst 1439 durch Jülich regelrecht eingelöst
worden.
Der Verlauf des Kampfes war für Reinard höchst traurig. Der
Herzog, unterstützt durch die Herren von Kuilenburg, von Abcoude, von
Vianen, von Asperen und besonders durch die Stadt Aachen^ mit ihren
') Meyer, Aach. Gesch. S. 358, setzt die Fehde mit Berufung auf die Kölner
Chronik in das Jahr 1392. Vgl. jedoch S. 66.
*) Franquinet S. 41.
*) Reinards Vcrhältniss zu Aachen ist nicht ganz klar. Er soll Vogt gewesen
sein. Die Stadtrechnungen erwähnen ihn häufig; 1385 ist er fast jeden Monat in der Stadt
gewesen nnd zwar mit dem Gronsfelder. 1387 im Mai schickt ihm der Rath einen Boten
nach Luxemburg und Sichem (Laur, 8. 342, Z. 20) und schenkt ihm — wie schon 1383,
— 68 —
vorzüglichen Belaperungsniaschinen zog vor Schönforst und schloss die
Burg ein. Zwar versuchte Reinard durch die Verwüstung Jülichschen
Gebietes den Herzog von der Belagerung abzuziehen, zwar wehrten sich
die Belagerten verzweifelt und .schlugen den Ansturm der Feinde mehr
als einmal ab: als der Hauptthurm ^ unter den Geschossen zusammenbrach,
musste die Besatzung nach einer Belagerung von sieben Wochen Schön-
forst übergeben, 21. September 1396. Der Herzog fand dort nach dem
Zeugnisse eines gleichzeitigen limburgischen Schriftstellers, auf den sich
die mehrerwähnte Aachener Chronik beruft, grosse Mengen von Wein,
Getreide und anderen Vorräthen; er stellte das Schloss her und behielt
dasselbe.
Von da ab bildete Schönforst unter dem Titel „Vogtei** einen Theil
des Jülicher Gebiets. Büsching beschreibt es folgendermassen : „Die Vogtei
Schönforst, in welcher das landesfürstliche Schloss desselben Namens ist,
hat 1160 Morgen, gibt von jedem 26 Albus, also von allen 221 Thaler
15 Albus, wenn das Land 100000 Thaler aufbringt** ».
Reinard verlor aber nicht bloss seine Stammburg, auch Schloss
Wilhelmstein mit der Amtmannschaft, das er bis dahin als Pfandstück
inne gehabt, wurde ihm abgenommen. Der Herzog zog von Schönforst
dorthin und vertrieb die Mannen Reinards nach Htägiger Belagerung.
Wilhelmstein war viel bedeutender als Schönforst. Nach Büsching hatte
dieses Amt „5941 Morgen, gibt von jedem 30 Albus, überhaupt 2227 Thaler
70 Albus, wenn das Land 100000 Thaler erlegt**».
Endlich büsste Reinard bei dieser Gelegenheit die Aachener Vogtei
ein, welche ihm ebenso wie Wilhehnstein von Jülich in Pfandschaft ge-
geben war.
Welch starkes Selbstbewusstsein, welch verwegene Kampfeslust beseelte
doch damals den deutschen Adel, als dessen Typus der blinde König
Johann bei Crecy erscheint! Jener Herzog von Geldern fürchtete sich
nicht, selbst dem Könige von Frankreich den Fehdehandschuh hinzuweifen
und liess sich nur dadurch von der Aufnahme des ungleichen Kampfes abhalten,
dass sein Vater ihm mit dem Ausschlüsse von der Erbfolge in Jülich
drohte*, und ein kleiner Dynast wie der Schönforster nahm es mit dem
Herrn von zwei mächtigen Herzogthümern auf! Welch gebietende Stellung
würde das Reich eingenommen haben, wenn die Kaiser diese übersprudelnde
Kraft nach aussen hätten verwenden können, wenn die Sonderbestrebungen
das. S. 272, Z. 4 ~ ein Ohm Meth (das. S. 345, Z. 26). Ebenso 1890 (S. 372, Z. 18) und
1392 (S. 381, Z. 7). 1386 und 1394 ist er Mann der Stadt, wofür er jährlich 100
Gulden erhielt (das. S. 354, Z. 14; S. 399, Z. 32). 1391 kürzte man seinetwegen fast
9 Mark an den städtischen Accisen (das. S. 371, Z. 22).
*) Der letzte Rest des gewaltigen Donjons ist heuer — nach 500 Jahren — •
zusammengestürzt.
») Erdbeschreibnng VI. Theil, S. 130.
') Das. S. 32. Zum Vergleiche geben wir auch die Ziffern für Montjoie. Dieses
Amt hatte 7500 Morgen und gab in dem angeführten Land^chat« von jedem Morgen 27 Vj
Albus, überhaupt 2587 Thaler 40 Albus.
*) Ernst a. a. 0. V, S. 163.
— 69 —
der Fürsten und Herrn nicht damals schon des Kaisers Krone, Scepter
und Schwert zu einem Puttenspiele herabgewürdigt hätten, wie die Kunst
einer spätem Zeit in unbewusstem Spott durch die Stuckverzierungen des
Frankfurter Römers zum Ausdruck gebracht hat!
Schwer empfand der Schönforster den harten Schlag, welchen der
Hei-zog von Jülich ihm versetzt hatte. Er griff zu verzweifelten Mitteln
um sich zu rächen und die Niederlage wettzumachen. Bei der Spannung,
welche zwischen Brabant und Geldern bestand, wird es ihm keine grosse
Mühe gekostet haben, die Herzogin Johanna zum Kriege gegen Wilhelm
zu reizen, aber um ihr Bundesgenossen zu werben, soll er sich nicht
gescheut haben, selbst seine Ritterwürde bioszustellen. Er ging wie Meyer *
nach Fisen erzählt, in die Stadt Lüttich, liess sich dort in die Fleischerzunft
aufnehmen und verkaufte seine Waare auf offenem Markte. Dadurch gewann
er die Zuneigung der Zünfte und bewog sie, sich dem Zuge der Brabanter
gegen Geldern anzuschliessen. In diesem Kriege verwüsteten letztere
unter Anführung des Grafen von St. Paul, bei dem Reinard sich als Unter-
befehlshaber befunden haben soll, Linnich und Aldenhoven. Nach der
handschriftlichen Aachener Chronik wäre St. Paul selbst vor Jülich gezogen,
hätte viele flüchtigen Einwohner der Stadt gefangen und als Brandschatzung
3000 Gulden erhoben. Auch Aachen wurde in Mitleidenschaft gezogen.
Weil die Stadt den Brabantem keine Lebensmittel verkaufen wollte, wozu
sie nach einem Vertrage von 1 360 verpflichtet war *, liess St. Paul mehrere
Dörfer im Reich „bis an den Salvatorberg** in Brand stecken'. Vielleicht
hat Reinard durch diese Brandstiftung den Aachenern die Quittung für
die Beihülfe zui- Eroberung von Schönforst und Wilhelmstein ausgestellt.
Nutzen hat dem Schönforster auch dieser Feldzug nicht gebracht, viel-
mehr neuen Schaden. Ausser Schönforst, dass ihm bereits genommen
war, hatte er von seinem Vater noch die schöne Herrschaft Sichern geerbt,
nach der er sich ebenfalls nannte; nun ging auch diese verloren. Aus
dem Umstände, dass er sich einmal in einer Urkunde vom 3. April 1378
als Herr von Schönforst und Schöneck bezeichnet*, schliesst de Chestret^,
Reinard habe Sichem für einige Zeit gegen Schöneck abgegeben. Jetzt
aber versetzten ihn die grossen Unkosten der Umtriebe gegen den Herzog
von Geldern in die Nothwendigkeit, Sichem gegen eine Rente von 1800
Gulden an den Herrn von Diest zu verkaufen oder doch zu verptänden.
Die Herzogin Johanna genehmigte die Uebertragung noch in demselben
») Aach. Gesch. S. 358.
■) Herzog Wilhelm erkannte später diese Verpflichtung selbst an. Vgl. Nopplus,
Chronick III, Nr. XVII, S. 274.
') Die Kölner Chronik fügt bei, er habe anch „die wyu** verheeren lassen, ein Aus-
druck, den Meyer (Aach. Gesch. S. 359) mit „Weingewächs" wiedergibt Ich halte „die
wyn** für das Dorf Weiden, welches im Volksmuude „Wije, eu der Wije" heisst, bemerke
jedoch, das die handschriftliche Chronik daraus einen Aachener Wald Vinna macht. Der
Aachener Wald dehnte sich allerdings noch im 14. Jahrhundert bis in die Gegend von
Haaren ans. Vgl. Laurent, Stadtrechnnngen S. 137, Z. 16.
*) Franquinet, annexe X, S. 83.
») S. 62.
— 70 —
Jahre 1398. Auch dieses Geschäft gab wieder Anlass zu neuen Ver-
wickelungen, die ebenfalls zu einer Fehde geführt hätten, wenn der Aus-
bruch nicht durch Freunde Reinards verhindert worden wäre. Nach
Franquinet ^, der sich auf Bütkens beruft, ist der Verkauf von Sichern erst
1413 rechtskräftig geworden. Unsere oftbenutzte Chronik erzählt den
Handel nach Haraeus^ wie folgt. „Zu derselben Zeit (1399) brach ein
Sturm im Lande Overmaas zwischen Heinrich (Thomas) von Diest und
Reinard von Schönforst und Sichern aus. Reinard war Befehlshaber der
Burg von Löwen und drängte den Heinrich, der ihm viel Geld schuldig
war, aber nicht zahlte, zur Stellung von Bürgen. Es ärgerte den Diester,
dass Reinard ihn wie einen böswilligen Schuldner behandelte. Man griff
beiderseits zu den Waffen, aber der Herzog von Geldern (! ?), der Graf
von Blankenheim und der Abt von Prüm ^ schrieben an die Löwener, deren
Mitbürger Heinrich war und die deswegen denselben leicht zur Erfüllung
seiner Schuldigkeit anhalten konnten. Durch deren Vermittelung kam es
zum Waffenstillstände und die Sache wurde bald freundschaftlich erledigt".
Zu air diesem Missgeschick gesellte sich für Reinard noch grosses
Unglück in der Familie. 1403 wurde sein Bruder Conrad zu Löwen
meuchlings ermordert, in demselben Jahre gerieth sein Schwager Johann
von Arkel in Streit mit Albert von Baiern, Graf von Holland. Zwar
gelang es Reinard durch den Sohn des Grafen, der zum Bischof von
Lüttich erwählt war, einen Frieden zustande zu bringen; aber schon im
folgenden Jahre brach der Krieg wieder aus und endete diesmal mit der
vollständigen Niederlage des Arkel. Johann verlor seine Besitzungen und
selbst seine Freiheit; zehn Jahre lang schmachtete er in der Gefangenschaft*.
Dr. Baersch scjireibt in den „Nachrichten über die Abteien Malmedy
und Stablo**^ vom Abte Walram von Schieiden: „Die Regierung dieses
Abtes war sehr unruhig. Er gerieth in Fehde mit dem kriegerischen
Reinard IL von Schönforst, Herrn von Montjoie. Die Einwohner von
Stablo fielen 1409 in das Gebiet von Montjoie ein, plünderten und brand-
schatzten darin; da eilten die Einwohner von Contzen den von Montjoie
zu Hülfe, schlugen die von Stablo und tödteten den grössten Theil der-
selben. Zum Andenken an die Gefallenen wurde eine Kapelle neben der
Kirche zu Contzen erbaut. Die Gefangenen musste der Abt mit der damals
sehr bedeutenden Summe von 12000 (!) rheinischen Gulden einlösen und
deshalb mehrere Klostergüter verpfönden.*'
Tu den Urkunden jener Zeit bezeichnet sich stets Johann (TL) als
Burggraf von Montjoie. Wenn also hier kein Irrthum im Namen vorliegt,
so muss man annehmen, dass Reinard nach dem Tode seines Bruders
Johann (L), d. h. nach dem Jahre 1381, als Chef des Hauses Schönforst
') Franquinet S. 44.
*) Aimales ducum Brabantiae . . 1623. Haraeus war Kanonikus in Löwen und
starb 1632. Y^]. Fe 11 er, Dictionnaire Historiquc III, S. 407.
^) Walrara von Schieiden. Wir finden ihn gleich in Fehde mit Reinard.
*) Franquinet S. 45.
^) Annalen, Heft 8, S. 53.
— 71 —
auch in Montjoie gewisse Rechte ausgeübt hat und nach aussen als Herr
daselbst aufgetreten ist.
ßeinard 11. beschloss im Jahre 1419 ein Leben, welches dem seines
Vaters an ruheloser Thätigkeit nicht nachsteht. Aber diese Thätigkeit
sammelte und erbaute nicht, sie zerstreute und zerstörte. Die Schönauer
waren glänzende Meteore, die einen aussergewöhnlichen Anlauf nehmen,
einen Augenblick Staunen oder gar Furcht erregen, dann aber bald zer-
platzen. Ein ungleich ruhigeres Leben war Reinards Bruder
b. Johann (L) beschieden. Als kaum elfjähriger Knabe erhielt er auf
Vermittelung seines Vaters vom Herzog Wenzel die reiche Propstei von
St. Servatius zu Mastricht (1361)^ und behielt dieselbe bis zum Jahre
1370*. Da Johann 1369 die Burggrafschaft Montjoie antrat und sein
Bruder Engelbert nach ihm als Propst von St. Servatius erscheint, so ist
anzunehmen, dass er auf Wunsch Reinards I. oder bei der Verheirathung
mit Margarethe Schelfert von Merode-Hemmersbach ^ auf jene Pfründe zu
gunsten Engelberts verzichtet hat. Auch das Eanonikat an St. Lambert
in Lüttich, welches Johann innehatte, befindet sich später im Besitze
Engelberts*. Gott sei Dank, dass die Zeit dieser Pröpste und Kanoniker
vorüber ist! Wahrscheinlich noch bei Lebzeiten des Vaters empfing Johann
die Herrschaft St. Agathenrode, wodurch ihm der Verzicht auf die Propstei
noch leichter gemacht wurde ^; ausserdem besass er die Herrschaften
Clabbeke, Neerpoorten, Ottenburg und den Zoll zu Wavre^ Johann starb
bereits 1381, also im Alter von etwa 31 Jahren. Er hinterliess zwei
Kinder: Katharina, welche in erster Ehe den Grafen Wilhelm von Sayn
(1392) und 1432 den Grafen von Linange und Dachsburg heirathete. Sie
starb ohne Erben und ihre Mitgift St. Agathenrode kam an ihren Vetter
Conrad IL von Elslo^ Johanns Sohn, Johann IL von Schönforst, Herr
von Montjoie, wurde durch Heirath mit Johanna von Rochefort Besitzer
von Walhain und Flamengerie, kaufte Cranendonk, Diepenbeck, Eindhoven
und gründete in der Nähe der letztgenannten Besitzung das Kloster
Haegen. Er starb kinderlos am 1. Februar 1433. Johann IL wird hier
noch erwähnt, weil er den langandauernden Streit des Hauses Schönforst
mit der Stadt Mastricht 1405 beilegte und 1411 das Ländchen Corneli-
münster gegen die 10000 Goldschilde, für die es verpfändet war, an den
Herzog Reinald von Geldern und Jülich zurückgab ^ Seine Frau, welche
bis 1444 lebte, empfing am 13. Mai 1439 von Gerard, Herzog zu Jülich
^) Franquinct S. 23. Johann wäre demnach um 1350 geboren.
«) de Chcstret S. 63.
*) 1376 war Johann mit Frau und Töchtern gelegentlich der Krönnng Wenzels in
Aachen; 1385 traf die Frau von Montjoie am Fronleichnamstage mit ihren Schwägern
Heinard, Engelbert und Conrad, sowie mit den Frauen der beiden erstgenannten in der
Stadt zusammen. Laurent S. 243, Z. 23; 8. 255, Z. 23; S. 298, Z. 21, 32, 34; S. 299, Z. 7, 8.
♦) de Chestrct S. 63, 64.
») Vgl. oben S. 42.
«) Franquinet S. 46, de Chestret S. 63.
') Franquinet S. 47.
«) Das. S. 47 ff.
— 72 —
und Berg, die Pfandsumme für Montjoie und trat die Herrschaft an
diesen ab^
c. Conrad nannte sich nach der Herrschaft seines Stiefbruders Otto,
die ihm zugefallen war, Herr von Elslo. Sein Heirathsvertrag mit Katharina
von Argenteau datirt vom 10. September 1372. Katharina war die Tochter
Johanns von Argenteau und der Katharina von Gronsfeld, diese hinwiederum
eine Tochter Heinrichs und eine Nichte Johanns von Gronsfeld. Die Frau
Conrads war demnach die Enkelin des Heinrich und die Grossnichte
Johanns. Conrad trat also durch diese Heirath mit beiden in Affinität; daraus
erklärt sich, warum man ihn wählte, um Johann nach Aachen und in das
Haus Reinards zu locken, und warum Conrad sowohl den Erschlagenen wie
Heinrich in dem Briefe an letzteren seinen „lieben Schwager* nennte
Es ergibt sich ferner, dass um jene Zeit jeder durch Schwägerschaft
Verwandte, ganz abgesehen vom Grade der Affinität, einfach „Schwager"
genannt wurde.
Weil der Vater der Braut verstorben und die Mutter in zweiter
Ehe mit Dietrich von Welkenhusen lebte, wurde der Vertrag für Katharina
von den Grosseltern Heinrich von Gronsfeld und Mechtild von der Heiden,
von der Mutter und dem Stiefvater, von dem Grossoheim Johann von
Gronsfeld und Frambach von Broich unterzeich uet. Katharina erhielt als
Mitgift den Pfandhof zu Tengys, der jährlich 63 Mtid Spelz aufbrachte,
und 50 Mtid Spelz aus den Renten und Einkünften, welche ihrem Vater
in Harve^ und Umgegend zugestanden hatten. Diese 50 Mtid gab die
Mutter, weil sie sich das Haus auf Walhorn ftir ihre Lebenszeit vor-
behielt; erst nach ihrem Tode sollte dasselbe an Conrad und seine Frau
kommen *.
üeber andere Besitzungen Conrads haben wir S. 44, über seinen
Streit mit dem Kapitel zu St. Servatius wegen der Schätze Reinards I.
S. 21, über seine Verwickelung in die Ermordung des Gronsfelders S. 64 f.
berichtete Conrad selbst starb ebenfalls eines gewaltsamen Todes. Er
gerieth in Zwist mit zwei Löwener Patrizierfamilien, den Eveloge und
Witteman. Drei Herren von Eveloge und zwei Herren von Witteman
schlichen sich in der Nacht des 7. März 1403 in das Zimmer, welches
Conrad im Hause des Schöffen und Rathsherrn Johann von HüflSe bewohnte
und ermordeten ihn in seinem Bette. Einer der Mörder, Heinrich von
Eveloge wurde in Löwen auf dem Markte hingerichtet, die anderen ent-
kamen. Reinhard und Johann, die Brüder, sowie Heinrich von Viel-Salm, der
Schwager Conrads, sammelten Reisige, um die Stadt Löwen wegen des
Mordes zu befehden, es gelang aber dem Gesandten der Stadt und der
Herzogin Johanna, sie zu besänftigend
') Frauquinet und Annalen, Heft 6, S. 17.
*) Franqninet, anuexe XIU, S. 86 ff.
*) So steht in der Urkunde; im Texte hat Franquinet „WaUiom''.
*) Franquinet, annexe VIII, S. 80.
') Die Aachener Stadtrechnongen erwähnen Conrad häufig; 1394 im Mai empfängt
sein Knecht 9 schwere Gulden für das Pferd eiuos Gefangenen. Laurent S. 396, Z. 34.
«) Franquinet 8. 52 ff.
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I'n^is lies .rahr^iinn^
4 Mark.
wmiaBions -Verlag
der
T'üclien Buclihandlim)}
lt. e«iii
in AocbeD.
MittheiluDgen des Vereins für Kunde der Aachener Vorzeit.
Im Auftrngc lU-s Vereins lierausgegeben von E. Schnock.
Np. 5/6.
Achter Jahrgang.
1895.
Inlinlt: H. -T. Ctiis», Keiniird vün Si;hünan, der rrste Herr von Si-hOufurst. (Schlaas.) —
B. M. Lersch. Der Ruliqaiun- Behälter des hl. Anastusiiis im Aachener Dom. — J. Uuch-
kreiner, Abbnicli der Häuser des Jusephinischcn Inatitnia und des Waisenhauses in der
Pontstra^e. — Kleinere Mittbeilungen : Freilcgung des Chores der Nikolaiiskircbe su
Aachen. — Spottgedicht auf die Franzosen aus dem Jahre 179ä.
Reinard von Schönau, der erste Herr von Schönforst.
Von H. J, (iroas. (Schhiss.)
tl. Engelbert von Schönforst legte 1376 seine Wüiile als Propst von
St. Servatiiis nieder. Als Herr von Hartelstein und Arken heiriitliete er
1381 Agnes von Palivnt, Scliwester des Carueüs, Herrn zn Rreidenbend.
Wegen einer Scliiild von 5000 (iolddcnaren imisste er 1385 einigen Löwener
Bürgern erklären, dass alle seine Güter deren Eigenthum und er selbst
nur ihr gemietlieter Diener znr treuen Verwaltung derselben sei'! Den
Hof Batenberg, der zu Hartelstein* gehörte, löste Engelberts Schwester,
EHsalieth von Wedergraet, mit 900 Gulden von ihrem Ncftcn Reinard von
Berg, wieder ein^; die Herrschaft Arken, welche ein brabantisches Lehen
war, entzog tlie Herzogin Johanna dem Engelbert wegen Felonie und gab
sie dem Wilhelm von Sayn, den Gemahl seiner Nichte Katllarina^ Engelbert
starb kinderlos.
e, Alide von Schonforst heirathete im September 1363 zn Aachen
Onrad von der Dyck, Nach dessen Tod ging sie eine zweite Ehe mit
Arnold von Waclitendonk ein*.
') Frtinqninet, anncxe Xll, H. 06.
•) Vgl. (iWii 8. 41.
■) Fraoquinet. anncxe XV, S. 91.
*) Das. snnesc XVI, 3. 92.
') dft Chestrol S. 84. Sic bcjiog 1.^73 c
ne Jabrreute von 200 H.irk: von
Stadt Linz; die Uvutv rllhrte von ihrer Muhm.,
vüu Wiulerbur^' her. Auualen
Heft 59, S. 231.
— 74 —
f. Philippine von Schönforst, Gemahlin Heinrichs VII. Graf von Viel-
Salm (1365) starb 1399.
g. Mechtilde von Schönforst vermählte sich vor 1373 mit Peter von
Dollendorf, Herrn von Cronenburg in der Eifel und Neuerburg. Sie starb
um 1389.
h. Elisabeth von Schönforst lebte um 1376 in erster Ehe mit Otto
von Trazegnies, Herrn von Wedergraet oder Contrecoeur, nach 1387 in
zweiter Ehe mit Johann von Diest. Sie starb nach 1393.
Der Eeliquien-Behälter des hl. Anastasius im Aachener Dom.
Von B. M. Lersch.
(Mit einer Tafol.)
Ehe das Heilige Land unter die Botmässigkeit der Sarazenen kam,
wurde es von den Persern zu wiederholten Malen verwüstet. Im Juli des
Jahres 614 zündeten sie die Grabeskirche des Herrn, die Konstautinisclie
Basilika an, raubten unzählige heilige Gefässe und schleppten auch das
heilige Kreuz mit sich, nachdem sie alle sonstigen christlichen Denkmale
zerstört hatten. Die Zahl der Kleriker, Mönche und Nonnen, welche von
ihnen damals getödtet wurden, ist fast unglaublich. Von den ermordeten
14 Tausend Anachoreten sind noch viele Hundert Schädel im Wüstenkloster
Mar Saba aufgeschichtet, unter ihnen drei, denen vorzugsweise Verehrung
gezollt wird. Auch die Heiligen-Kammer unseres Aachener Domes bewahrt
in einem Schnmckgefösse den Schädel eines berühmten Martyi-ers, der auf
Befehl desselben Tyrannen den Tod erlitt, wie jene. Es ist dies das Haupt
des hl. Anastasius.
üeber das Leben dieses Heiligen haben wir zuverlässige Nachrichten ^
Als Sohn eines persischen Magiers Namens Hau wurde Anastasius, damals
noch Magundat genannt, in den Künsten der Magie unterrichtet. Noch
im Jahre 617 diente er mit seinem Bruder Sain als höherer Offizier beim
persischen Heere und am Hofe Choroes kam ihm die Kunde von der Er-
oberung Jerusalems und der Entführung des hl. Kreuzes. Dadurch auf
das Christentum aufmerksam gemacht, trat er aus dem Heere aus und
ging nach Hierapolis, wo er zu einem persischen christlichen Silberschnnede
in die Lehre kam und die ersten Keime der christlichen Lehre in sich
aufnahm. Besonders waren es die Gemälde, welche Märtyrer vorstellten,
die sein Geraüth anregten. Entschlossen, Christ zu werden, ging er dann
*) Am ausführlichsten und mit vielen gelehrten Bemerkungen versehen ist das Lehen
des hl. Anastasius beschrieben in den Acta Sanctorum Bollaudi edit. Carnandet, Brux.,
vol. ni, 1863, 35—54, wobei die Verfasser Gladbacher und Trierer Manuskripte der akon
Akten benutzten. Jüngst erschien: Herrn. Uscner, Acta martyris Anastasii Persae, graece
primum edidit, 1894, Bonnae, F. Cohen, als Programm, nach zwei jetzt in Berlin befind-
lichen Manuskiipteu, hinsichtlich der Wundergeschichten etwas vollständiger als die Ueber-
setzungen bei Bollandus, nicht ohne einen hämischen Seitenhieb gegen die Dunkelmänner
der Jetztzeit.
— 75 —
nach Jerusalem; hier führte ihn sein neuer christlicher Meister, ein Münz-
präger, zu einem Geistlichen der Anastasis-Kirche, Elias genannt, welcher
ihn aber zur fernem Unterweisung an Modestus verwies. Modestus ver-
trat damals Patriarchenstelle. Von diesem getauft, kam er im Jahre 620
zum Kloster des Abtes Justinus oder Anastasius, in der Nähe Jerusalems,
wo er 7 Jahre dem Gebete und der klösterlichen Arbeit oblag. In der
Ueberfülle seiner Frömmigkeit entschloss er sich, als Glaubensbote und
Eiferer gegen das Treiben der Magier unter die Heiden zu gehen, in der
sichern Aussicht, die sehnlichst gewünschte Martyrerkrone zu erreichen;
aber auf der Reise wurde er von den Persern ergriffen und blieb dann
längere Zeit gefangen. Er musste jetzt, an einen andern Gefangenen mit
einer Kette zusammengeschmiedet, Steine brechen und tragen. Am Feste
der Kreuzerhöhung, dem 14. September, wurde ihm die Begünstigung, eine
christliche Kirche besuchen zu dürfen. Chosroe hätte viel darum gegeben,
dass Anastasius dem Christentume abtrünnig geworden und schrieb in
dieser Angelegenheit wiederholt an den Präfekten, liess dem Heiligen Geld
und Ehrenstellen versprechen, wenn er wieder die Landesreligion annehmen
wolle. Als dies nichts half, sandte er einen eigenen Richter, um ihm das
Todesurtheil zu spiechen. Anastasius wurde dann mit 70 andern Christen
erdrosselt. Nach dem griechischen Menologium beim 15. Januar wurde dem
Heiligen vor der Enthauptung ein Strick um den Hals gelegt und dieser
zugezogen bis zur Erstickung. Das abgeschlagene Haupt wurde an Chosroö
geschickt ^
Anastasius wurde am 22. Januar 628 enthauptete
Zwei der Mordscene Entronnene brachten die Kunde seines Todes
nach Jerusalem. In ganz Palästina erregte diese Nachricht Trauer und
Entsetzen, da er ungemein beliebt war. Hatten die Christen ihn schon auf
der Reise zahlreich begleitet, und als er noch im Kerker gehalten wurde,
seine Ketten geküsst und einen Wachsabdruck davon angefertigt, um ihn als
Andenken an den Bekenner aufzubewahren, so musste sein Tod die Ver-
ehrung, die sie für ihn hegten, noch steigern und den Wunsch erwecken,
die Ueberbleibsel des Heiligen zu besitzen. Besonders strebten auch seine
Klosterbrüder, wovon zwei ihm nach Persien nachgefolgt waren, nach
diesen für sie so theueren Reliquien. Das Mönchskleid, welches der Heilige
so schätzte, dass er davon sagte: „Dies Kleid ist mein Ruhm**, mochte
leicht zu erlangen sein; ein Mönch brachte es nach Cäsarea. Den Körper
*) Es scheint in damaligen Zeiten bei den Persern gebräuchlich gewesen zu sein,
den Kopf eines vornehmen Getodteten dem Könige als Trophäe zuzusenden; z. B. lesen
wir, dass Chosroe der Jüngere sich (Iber die Ankunft des Kopfes des Zadespra freute
(Evagr. VI, 20), gleichwie ein anderes Mal die vom Perserkönige Eingekerkerten, die sich
empört hatten, den Kopf des Merusa nach Konstantinopel schickten (Holland. 23. Jan.
p. 508). Wahrscheinlich wurde in derartigen Fällen der Kopf mit Salz conservirt. (Vergl.
Coustantini Or. c. 24.)
^) An diesem Monatstage wird sowohl von den lateinischen als den griechischen
Menologien sein Andenken gefeiert (Paghi). Hermannus contractus setzt mit Unrecht den
Tod des Heiligen, den er Persa nobilis nennt, auf 613, Ado Vienn. auf 604, Marian.
Scotus auf 617, Sigebert auf 620.
— 76 —
aber wollten die Kerkerwärter nicht folgen lassen, obwohl der Kerker-
meister, selbst Christ, keine Schwierigkeit machte. Aber die Söline eines
am Orte ansässigen Christen, die dem Heiligen schon in der Gefangen-
schaft Dienste geleistet, erkauften den Leichnam mit schwerem Gelde, um
ihn in ein benachbartes Kloster zu bringen, von wo er dann später (man
weiss nicht wann) nach Konstantinopel, hernach aufGeheiss des Heraklius
aber nach Rom gebracht wurde. Da nur Anastasius von jenen Siebenzig
enthauptet worden, war es leicht, seinen Leichnam zu erkennen. Hatte
man schon in der Gefangenschaft Anastasius mit zwei andern Gefangenen
durch ein angehängtes Täfelchen kenntlich gemacht, so versäumte auch
sein letzter Richter es nicht, auf den Kopf, den er Chosroe zusandte, ein
Siegel zu setzen.
Als wenige Wochen nachher Chosroe ermordet wurde, suchte sein
Nachfolger mit Heraklius Frieden zu schliessen. Der schon gegen Pfingsten
desselben Jahres abgeschlossene Frieden, wobei das von den Persern sorg-
faltig aufbewahrte Kreuz Christi zurückgegeben wurde, bot wohl die
Gelegenheit, sich auch das Haupt des vor wenigen Monaten getödteten
Märtyrers zu erbittend Ehe am 14. September das Kreuz im Triumph-
zuge zurückgeführt wurde, mag jenes schon in den Händen der Christen
gewesen sein. Dass diese den Kopf eines Heiligen verehrungsvoll auf-
bewahrten, sehen wir aus dem Berichte des Evagrius, in dem er das Aus-
sehen des Kopfes des hl. Simon Stylites beschreibt. Fehlen uns freilich
genaue Nachrichten über die Uebergabe des Kopfes, so verknüpft doch
ein Name, der auf dem Reliquien-Behälter steht, worin das Haupt ruht,
jene Uebergabe mit dem Friedensschlüsse, wie wir später sehen werden.
Diejenigen, welche die Reliquien des Heiligen zurückführten, scheinen damit
lange von Ort zu Ort gezogen zu sein; überall verehrte man diese ehr-
würdigen Ueberbleibsel, besonders aber zollten die Einwohner von Cäsarea
dem Märtyrer, der bei ihnen bleiben sollte, grosse Verehrung und zogen ihm
prozessionsweise entgegen unter dem Klange der angeschlagenen Hölzer
(sacra ligna percutientes), die damals, wie jetzt noch im Oriente, die Stelle
unserer Glocken vertraten ^ Sie erbauten dafür ein Oratorium in Mitte der
Stadt, wo sie auch das Bild des Heiligen hinbrachten. Der Ort, wo diese
Kapelle stand, aber auch der Bau selbst, hiess Vierthor (Tetrapylon),
sodass die Annahme nahe liegt, der Platz habe seinen Namen vom Gebäude
*) Vielleicht kam bei dieser Golegcnheit aucb die im Schatze zu St. Denis aufbewahrte
Sassaniden-Schüssel Chosroea I. (531 — 570) in den Besitz von Heraklius, von da später
nach Rom und dann in Karls Hände.
■) In Mingrelien, Georgien, sowie im ganzen Oriente bedient man sich noch des
Tones des heiligen Brettes an Stelle der Glocken. Ora beschreibt es als ein dünnes Brett,
etwa eine Hand breit, fünf Hand lang. Selbst wo es Glocken gibt, schlägt man vor dem
Läuten mit dem Brette an und soll das Anschlagen des Holzes an das Kreuzesholz
erinnern (Reise n. Pers. 1780). Die Griechen in der Türkei benutzen ein etwa vier
Finger breites, zwei Finger dickes, etliche Schuh langes hölzernes zierlich gehauenes
Instrument, das einen nicht unangenehmen Ton beim Anschlagen gibt, statt der Glocken.
(Haug, Alterth. d. Christ. 209.) In armen Gegenden Russlands schlägt man noch mit
hölzernen Hämmern auf ein hangendes Brett, um die Leute zur Kirche zu rufen.
— 77 —
erhalten ^ Damals war hier neben dem Bilde auch der Kopf des Heiligen
ausgestellt -.
Wie lange diese Reliquien in Cäsarea blieben, wissen wir nicht genau;
wahrscheinlich nur einige Jahre. Vermuthlich hat das siegreiche Vordringen
der Sarazenen im Jahre 686 die nächste Veranlassung gegeben, die Kirchen-
schätze vor der Wuth der Araber zu sichern. Ein Theil der geschlagenen
Eöraer nahm ja eben über Cäsarea ihren Rückzug; gewiss schloss sich
ihnen eine grosse Zahl Christen aus den preisgegebenen Orten an. Mög-
lich, dass sie die meisten Kirchenschätze nach Konstantinopel flüchteten.
Denselben Weg dürften die Ueberbleibsel unseres Heiligen genommen haben.
Von der Aufbewahrung dieser Reliquien in Konstantinopel finden sich
einige Nachrichten in den Exuviae sacrae Coristant. II, Gen. 1878, p. 226:
In ecclesia s. Lucae servatur truncus s. Anastasii, nam Caput furto ab-
latum est; ferner p. 262: post 6. annum Heraclius cum victor Constan-
tinopolin rediens detulit secum corpus Anastasii Perse (!) . . . sub Henrico
Dandalo duce delatum est Venetiis . . . Auch p. 261 wird erwähnt, dass
nach der Einnahme Konstantinopels durch die Venetianer der Körper nach
Venedig gebracht worden sei.
Die bald darauf entbrannten religiösen Streitigkeiten in der Haupt-
stadt des oströmischeu Reiches über die Natur des Gottmenschen werden
den Anlass gegeben haben, jene nach Italien zu flüchten. Man weiss näm-
lich, dass griechische, von den Schismatikern aus dem Oriente vertriebene
Mönche, kurz nach dem Einfalle der Araber in eben demjenigen Kloster
eine neue Heiraath gründeten, wo nachweislich im Jahre 713 sich der Kopf
des Heiligen und sein Bihl befanden^, und dessen Marienkirche wohl von
jeuer Zeit an den hl. Anastasius als Nebenpatron hatte, in der spätem
Basilika des hl. Anastasius ad aquas Salvias, einer Annexkirche von
St. Paul*. Es dürfte diese Uebertragung der Ueberlieferung entsprechend
') „Constructo venerabili Tetrapylo, uoinine sancti raartyris et jain perfecto, cum
translatio fieret reliqiiiarum'* n.igt die Leejondo.
"*) ^Serraoues, quos locuta ent adveröus caput siium; . . . adfert imaginem et ad caput
ejus ooHocat."
") „L'oa (cclfbia .sanctat; Dei j^enitricis Mariae, ubi sancti Anastasii reliquiae cum
imagine ejus asservabatur, dens uuus scti. Anastasii . . . xVbbas scti. martyris caput et
imaginem super alt^iro protVrt.'* L(»tztores goscliah bei einem Exoreismus. Das römische
Martyrologium (22. Januar) sagt: „Romae ad Aquas Salvias . . . ejus caput liomam delatum
est." Dasselbe bei Heda. Baronius bemerkt zum 22. Januar: „S. Anastasii Persae . . .
Metaphrastes ejus ac sociorum acta descripsit; habet ea Lipoma t. V et 8ur. t. I. Habe-
mus in nostra bibliotheca ejusdem res gestas a (Iregorio quodam clerico e Oraecis Latiuc
redditiis . . . Habetur illic insupc^r elegaus historia de arreptia jjuella virtute martyris
liberata Komae in ecclesia s. Mariae ad Aquas Salvias; eo nomine olim ea ecclesia dice-
batur, quac postea ab illata illuc sanctornm piguora Viucentii et Anastasii illorum
nomine dicta est.**
*) ^Tunc tomporis plurimi tum ex Oriente tum ex Africa Monachi a Monothelitis
vexatione in urbem conii'nigraverunt sibique assignatam a poutitice occupabant ecclesiam.
Ab eo tempore :i nioiiacbis (iraccis incoli coepit basilica scti. Anastasii ad Aquas Salvias,
quem locum (he^^'orius Magnus basilicae sancti PauH attribuerat.** Mabillon, Ann. I.
Nach einem Hrieir ili s hl. ilernard (Litt. 11, 7) war zu Rom seit alter Zeit eine Kirche,
deren Patron der hl. Anastasius war.
— 78 —
noch zu Lebzeiten von Heraklius (t 641) geschehen sein^ Nach Pancirol
wurde nämlich auf Befehl des Kaisers der Rumpf und das Haupt zu
diesem Kloster gebracht. Zur Zeit des Konzils von Nicäa (787) waren
Kopf und Bild noch in der Kirche ad aquas Salvias. Dies lesen wir in
den Akten jenes Konzils. Als dort nämlich die Verehrung der Heiligen-
bilder zur Sprache kam und zur Bestätigung derselben der Legat des
Papstes Hadrian einen Theil der Wundergeschichten, wie er noch wörtlich
in der alten Lebensbeschreibung unseres Heiligen steht, vorlas, geschah
auch Erwähnung des Ortes, wo jene aufbewahrt wurden. Die grosse Ver-
ehrung, worin der Heilige stand, erklärt es, dass nach und nach mehrere
Anastasius-Kirchen in Rom entstanden. In Ravenna war ehemals auch
eine Kirche des hl. Anastasius. (Ughelli Ital. sacra II, 354, 859.)
Eine griechische Lebensbeschreibung machte den Glaubenszeugen
im Oriente bekannt und berühmt; vielleicht gab es davon lateinische Ueber-
setzungen, ehe Beda eine solche für den Occident besorgte. Häufig mögen
Reliquien des Heiligen begehrt und gegeben worden sein. Ein Herzog von
Sachsen erhielt vom Papste Sergius Reliquien der Aebte Anastasius und
Innocenz. (Mabill. III, 873.) Bereits im Anfange des 9. Jahrhunderts finden
wir unter andern auch Reliquien des hl. Anastasius als zu Aachen vor-
handen in der Angilbert'schen Urkunde kurz erwähnt; vermuthlich war
dies schon das erwähnte Haupt.
Die Uebertragung des Kopfes des Heiligen von Rom nach Aachen
dürfte unter Karl dem Grossen geschehen sein. Dieser als unermüdlicher
Sammler der Reliciuien der Heiligen^ bekannte fromme Kaiser hatte zur
Erlangung dieses Kopfes im Jahre 801 die beste Gelegenheit. Wie ich
nämlich fand, besteht eine Legende oder vielmehr ein Schriftstück, wonach
Papst Leo und Karl (eben Diejenigen, welche der Tradition nach eine
Anastasius-Kirche erbaut haben sollen) in der Belagerung von Ansidonia,
einem Hafenorte im Toskanischen. Hülfe durch die Fürbitte des Heiligen
erfuhren. Nachdem sie das Haupt des Heiligen hatten herbeiholen lassen,
soll ein Erdbeben gekommen sein, welches die Mauern der Stadt nieder-
warf und die Belagerten in ihre Hände gab. Sei es mit diesem wunder-
baren p]rdbeben, wie es wolle, Thatsache ist, dass die genommene Stadt
Eigentum des Klosters wurde, welches der Hüter dieser Reliquien war^.
*) Marianus Scotus, der aber auch den Tod des Heiligen 11 Jahre zu früh an-
gibt, setzt die Uobertraguiig schon auf 626, dem 15. Jahre des Kaisers Heraklius. In
einer Chronik (Sigeberts?) wird die Uebertragunc: der Gebeine des Heiligen schon aufs
Jahr 620 gesetzt: „S. Anastasii martyris ossa miraculis praefulgcntia Roraam delata sedera
ad aquas Salvias tenueruut," Chronologisch genauer mag die weitere Bemerkung des
Chronisten sein: „638 Johannes pontifex . . . reliquias sanctoriim martyrum Anastasii,
Venantii et Mauri, ne a barbaris incumbentibus dissiparentur, e Dalmatia llomam traduxit,
atque ad fontem Lateranensem aede condita collocavit."
2) Weil dios in Deutschland wenig bekannt ist, erinnere ich hier in einer kleinen
Abschweifung von unserm Gegenstande an den von Karl dem Orosscn dem Kloster von
Argenteuil geschenkten „Heiligen Rock" (la sainto Tunique nach Guerin), den er durch
die Kaiserin Irene erhalten hatte. (Mislin, Heil. Orte II, 286.)
^) „Ad illud tempus quo res Italiae Carolus Augustus ordinabat, Cointius rofert
victoriam, quam Leo et Carolus ad Ansidoniam urbem Tusciae de suis hostibus insigni
— 79 —
Diese Legende war ehemals in der Abtei der hh. Vincentius und
Anastasius ad aquas Salvias (jetzt alle Tre Fontane) auch bildlich dar-
gestellt. Die betreffenden jetzt verschwundenen Gemälde, welche wohl dem
IL, wenn nicht einem frühern Jahrhunderte angehörten, waren im Portikus
der Kirche; wir haben davon Zeichnungen aus dem Jahre 1630, welche
Seroux d'Agincourt in seine Sammlung von Denkmälern (Malerei, Taf. 97
u. 98) aufgenommen hat. Die im Gewölbe des Hauptthors befindlichen
Bilder* in Halbkreisforra werden uns durch den obigen Bericht über die
Belagerung Ansidonias verständlich. Auf einem dieser Bilder sieht man
ein bemanntes Schifft und viele Zelte bei der belagerten Stadt. Karl mit
Krone und Sonnenschirm sitzt zur Rechten des Papstes, zu welchem, unter
Vortragung des Kreuzes, der Klerus hinkommt. Der Heilige steht bei
einem Schlafenden, dem ein Engel zuflüstert, man möge das Haupt des
hl. Anastasius von Rom kommen lassen. Der hier dem Kaiser eingegebene
Rath wird an der andern Seite vom Engel dem Papste im Schlafe vor-
gehalten. Die zugesetzten Worte sind in dieser Hinsicht deutlich genug;
sie lauten : Karolus imperator. Exercitus eins. Ansidonia. Populus Romanus.
Leo Pr (Pater?) IIL (R())mam cu(m) sur(re)xeris mitte. Porta. Roma ad aquam
Salviam. Das zweite Rundgemälde zeigt eine Anzahl burgähnlicher benannter
Gebäude (Umgebungen oder Besitztümer des Klosters? von Karl dem
Kloster geschenkte Güter?); in der obern Abtheilung, worunter noch: rol
imperator zu erkennen ist, die Figur Karls, vor ihm ein Engel mit dem
auf einem Tuche ruhenden Kopfe des Heiligen; in der mittlem Abtheilung
ausser Thorbogen, die den theils eingestürzten Ort vorstellen, und den
Papst, der den Kopf des Heiligen trägt (es ist der Einzug der Sieger in
die von der Landseite und von der See aus angegriffene Stadt); an der
andern Seite ist die Uebergabe eines Diploms durch den Papst dargestellt.
Die Unterschriften unter den Zeichnungen sind: Karolus imperator. acclia
(ccclesia) s. Anaiistasii. abas. monachi conversi (d. i. Mönche). In der
mittlem Abtheihing rechts ist die Uebergabe der Insel Giglio (Gilgo) und
in der untern Abtheilung links die von Argentario und Orbello angedeutet,
alle durch Wellenlinien als an der See gelegene Orte bezeichnet und jeden-
falls vorher dem nahen Ansidonia gehörend. Die andern in der untern
Abtheilung rechts gezeichneten Orte heissen: Altricoste, Asianus (Asciano
miraculo reportanmt, et ex conim patet diplomate nee non ex alio quod in ejusdem postca
conünnationem Alexander Papa IV emiisit, quod utramquo recitat Ughellus in Ostion-
siiini episcopornni catalogo in epist. XI. Leo III et CaroluH Imp. in suo Diplomate sie
loquuntur: Dominus nostcr .1. Chr. per angelum suum in visione nobis videri fccit, ut caput
praedicti martyris [Anastasii sc.] ad ejus pngnam, quam nos ad pracfatam civitatem
[Ansidoniam] habebamus, cum Dei laudibus advcniret; nostris vero inimicis dicebat, ut
vincebamus. et nos ita talia fecimus; et nunc auxiliante Deo et isto praefato martyrc,
advcniente ejus capite [quod ex Monasterio propc Ilomam ad Aquas Salvias sito delatum
est] terrae motus vonit super nostris inimicis et tcrror apprebendit eos et parietes irru-
emnt; inimici vero uostri in nostris manibns devencrunt" etc. Aus Pagbi Crltica in
Aunales Baronii a. 801.
') Sie sind iii »l r beiüigenden L i cb td ruck taf el reproducirt.
*) Ansitlonia liegt au einem kleinen Meerbusen mit drei Inseln.
— 80 —
südöstlich von Siena), Aquila (nordöstlich von Rom?), Acapite, Serpena,
Monsacutus (Montalto?).
Von den andern Darstellungen, welche die Martern des hl. Vincentius
und des hl. Anastasius vor Augen führen, ohne dass sich bei jeder fest-
stellen Hesse, auf welchen von Beiden sich das Bild beziehe, übergehen
wir zwei, auf unsern Heiligen wohl mit Unrecht bezogen, da sie nicht
der Legende entsprechen K Zutreffender könnte ein drittes Bild erscheinen,
wo von zwei Jünglingen ein Heiligen-Leib, dessen Seele in Kindesgestalt
ein Engel aufwärts hebt, zu einem kapellenartigen, scheinbar sechseckigen
Gebäude gebracht wird, dessen Dach einige Aehnlichkeit mit der Kuppel
des Behälters zeigt, worin zu Aachen das Haupt des Heiligen liegt. Ein
anderes Gemälde'^ stellt Leo mit einigen Kardinälen dar, daneben Karl
mit den traditionellen edlen Gesichtszügen des Kaisers.
Das bedeutsamste Bild für uns ist aber die Uebergabe des Hauptes
des Heiligen durch den Abt und die Brüder des Klosters, mit den nicht
zu verkennenden traurigen Gesichtszügen als Verlierende kenntlich, an die
auf einem mit Kriegern besetzten Schiffe Befindlichen, von denen einer
die Hände zum Annehmen ausstreckt. Das Haupt wird ohne Behälter auf
einem Tuche ruhend getragen. Natürlich hatte es einen solchen, aber es
lag dem Maler nahe, diesen der Deutlichkeit wegen fortzulassen.
Damals besass dasselbe Kloster noch den Leib des Heiligen. Er soll
erst gegen 841, nachdem er 200 Jahre dort geruht, zur Salvatorskirche
ad scalas sanctas gekommen sein. Durfte der Papst den Brüdern zumuthen,
dass sie den Kopf, dessen Wunderkraft eben erprobt worden, dem Kaiser
für seinen neuen Dom schenkten?
Ohne Zweifel hat Karl dem Kloster dafür bedeutende Gegengeschenke
gemacht. Er hielt zu Aachen eine eigene Versammlung ab, bei welchei'
er dem Kloster des hl. Paulus vor dem Ostiensischen Thore Kinns, dessen
Bau und Ausstattung auf der Tagesordnung stand, und speziell der Kirche
S. Vincenzo ed Anastasio bedeutende Besitzungen in den toskanischen
Mareyinen anwies. (Annal. S. Amandi IL Pertz, Monum. I, 14; Reumont,
Gesch. der Stadt Rom II, 267.) Nachweislich war Ansidonia ein Bcsitz-
thum des Klosters, worüber Paghi weitere Auskunft gibt: „Alexander IV
(1254 — 1261) in suis ad abbatem fratresque monasterii S. Anastasii literis
confirmat ecclesiae eorum civitatem Ansidoniae cum omnibus ecclesiis et
pertinentiis suis, olim ab infidelibus et iniquis honünibus possessis, sed
praeterea a memorato (7arolo Imperatorc una cum pracfato Leone Praede-
cessore nostri meritis et auxiliis B. Anastasii martyris eiusdemque capitis
ostensione devictam et destructam, propter quam victoriam ecclesiae supra-
dicti martyris praefatas possessiones donavit.*'
Im Jahre 1138 gründete lunocenz an der Kirche S. Anastasii ad
*) Auf einem derselben ist die Ertränkunjy eines Heilij^on dargestellt, was wohl auf
einem Missverständiiiss der Akten beruht, in welchen von Erwürj^unpj Kede ist; doch
erinnert der am Fasse hangende Stein an die mehrstündige Marter, welche Anastasius
erlitt, als man ihn an der Hand aufhing und den Fuss mit einem schweren Stein beschwerte.
*) Auf unserer Tafel links reproducirt.
— 81 —
aquas Salvias ein Kloster, dotirte es reichlich und setzte dahin einen
Pisaner als Vorstand einiger von Claravallis erhaltenen Mönche. Die grösste
unter den drei Kirchen, die heute noch im Hofe der Abtei delle Tre
Fontane stehen, ist die Kirche S. Vincenzo ed Anastasio, sie ist von
Honorius I. im Stile einer Pfeiler-Basilika erbaut worden.
Die Anwesenlieit des Schädels des hl. Anastasius in Aachen in der
zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts ist konstatirt. Man weiss nämlich,
dass Heinrich IV. von da denselben im Jahre 1072 zur Harzburg ent-
führte. Bei der Zerstörung, welche diese Feste im nächsten Jahre erlitt,
wurde er aber vom Abte eines benachbarten Klosters gerettet und ver-
muthlich alsbald wieder dem rechtmässigen Eigentümer zurückgegeben.
Im Jahre 1192 war er wenigstens wieder in Aachen, wie nachgewiesen
werden kann. Jetzt bezeichnet ihn eine beiliegende mittelalterliche Inschrift
als Haupt des hl. Anastasius.
Nach einer von Prof. Schaaffhausen im Jahre 1874 angestellten
Untersuchung hat der Schädel folgende Verhältnisse. Länge 187, Breite
141 Millimeter; Breitenindex also 70,5. Entfernung .der Stimhöcker 65.
Stirnbreite am Ende des Wangenbeinfortsatzes 105, am tiefsten Ausschnitte
der linea temporalis gemessen 98 (95?). Stirnbein lang 121, Scheitelbein 119,
Hinterhauptschuppe mit dem Zwickelbein 72. Scheitelhöckerbreite 115. Den
kommunizirenden Stirnhöhlen entspricht eine gleichlaufende Erhebung der
Augenbrauenbogen, die aber nur massig entwickelt sind. Die Knochen der
Schädeldecke sind massig dick. Alle Nähte sind offen, innen geschlossen.
Die Nähte haben eine mittlere Länge der Zacken. Hinterhauptschuppe ein
wenig abgesetzt. Die linea nuchae bildet eine Querleiste. „Der Schädel
hat eine besonders schöne Stirnbildung und alle seine Merkmale deuten
auf einen intelligenten Menschen kaukasischer Rasse ^*'
Es ist kaum zu bezweifeln, dass wir noch das wahre Haupt des
persischen Märtyrers besitzen. Der dunkle, rauhe, filzartige Stoff, womit
der Kopf umhüllt ist, scheint in der Form mit der Kutte, die wir auf
dem Bilde sehen, übereinzustimmen. Der hl. Maxinlus erwähnt die dunkel-
farbigen Kleider (atras et subfuscas vestes) der damaligen Mönche. Auf-
fallend könnte der beiliegende 44 Centimeter breite üeberrest von feinstem
Byssusgewebe sein, welcher mit Goldstreifen und verschiedenen Farben
gemustert ist. Die Kostbarkeit des Stoffes lässt vermuthen, dass ein reicher
Orientale damit das verehrte Haupt umgab, gleichwie der Senator Astyrius
den Leib eines andern Martyi'ers in ein magnificum et sumptuosum linteum
hüllte. (Euseb. VII, 14.) An den Goldfäden nehme man keinen Anstoss.
Ovid und Claudian sprechen schon von eingewebten Goldfäden. Vgl. auch
Kreutzer: Paulus des Silentiariers Beschreibung der Hagia Sophia, 1874,
65. Uebrigens ist schon in den Akten bemerkt, dass man den Leib, ehe
') Wenn im Kloster ad aquas Salvias angeblich das Haupt des hl. Anastasius noch
vorhanden sein soll, worüber ich trotz mehrfacher Bemühungen keine Auskunft erhalten
konnte, so wird diese Nachricht sich nur auf den hier fehlenden untern Theil des Schädels
beziehen. Da es aber mehrere HeilijL^e dieses Namens gibt, kann die Nachricht auch auf
einer falschen Deutung des in Kum vorhandenen ^Köpfchens" beruhen.
er im Kloster des hl, SergiHs beigesetzt wurde, mit kostbarer Leinwand
umhüllte.
Schon bei der Uebertragung der Reliquien des hl. Anastasius nach
Jerasalem war ein Bild desselben vorhanden, das bei der Ueberbringung der
Reliquien aus Persien nach Cäsarea und bei der Heilung einer Dämonisclien in
Askalon erwähnt wird. (Usener, üSb 1, p. 27b 16.) Sehr früh ist ein solches
ins Kloster ad aquas Salvias zu Rom gekommen. Auf dem zweiten Nicae-
nischen Konzil (787) gegen die Ikonoklasten wird dieses mit dem Schädel
des Heiligen zur damaligen Zeit dort aufbewahrte wunderthätige, bei
Exorcismen zu Hülfe genommene Bild als Beweis für die Rechtmässigkeit
und den Nutzen der Bilderverehrung erwähnt. Es gibt wohl 4 verschiedene
kleine Kupferstiche, welche das Haupt des Märtyrers darstellen, deren
Vorbild das römische Gemälde sein
dürfte. Kin solches mir vorliegendes
Blatt mit dem Namen des Würzburger
Stechers Joh. Salver (1695—1724)
trägt die Unterschrift: Vera cffigics
S. Anastasii Mart. Ord. Carmclitarum,
cujus aspectu fugari dacminies nior-
bosque curari Acta 2.'' Ooncilii Nicaeni
testantur. Die liier erwähnten Kar-
meliter sind nicht die einzigen, die
den hl. Anastasius als ihrem Orden
angeliörig ansehen. Der Kopf ist licht-
umstrahlt, was daran erinnert, dass
nach der Lebensbeschreibung die
Kerkergenüssen deu Heiligen von
einem immensen Lichte umSosscn
sahen. Die am Kopfe gezeichnete
Wunde, wovon in den Akten sich
keine Andeutung findet, ist wohl als
irrtümüclie Auflassung des Siegels
zn nehmen, welches dem Kopfe, ehe man ihn an Chnsroe sandte, aufge-
drückt wurde.
Dies Martyrerhaupt liegt wenigstens seit Jahrhunderten, wahrscheinlich,
so lange es in Aachen ist, in einem silbernen, vergoldeten kunstreichen
Behälter, dessen ganze Hohe (ohne die untergesetzten Füsschen) 27,2 Centi-
meter beträgt, und welcher sich in einen mit Holz innen ausgekleideten
kubischen Untersatz und eine von vierzehn nicdern Säulchen getragene
Kuppel eintheilt. Der untere Theil ist jedoch nicht ganz so breit (20 Centi-
meter), als er hoch ist (21,2), was weniger in der verschiedenen Breite der
Bandverzierungen, als in der Ungleichheit der Seiten (15,1 : 16,8) der ein-
gefügten Innern Wandplatten liegt. Der grösstc Raum dieser vier Recht-
ecke wird auf drei Seiten von leicht zu öffnenden Doppelthüren und einer
breiten verzierten Einfassung derselben eingenommen. Jede fast 8 Centi-
meter breite Duppcltliüre trägt auf jedem ihrer Flügel zuerst zwei erhabene
— 83 —
Kreuze in der Form ih^s Andreaskreuzes (auf drei Tliüren also zwölf Kreuze),
dann noch ein grosses in Doppellinieu eingegrabenes Kreuz von merk-
würdiger Kolben-FoiTO seiner vier Aeste (sechs solche Kreuze auf den drei
Thüren). Eine Seite des Kubus hat statt der Thüre einen auf fast halb-
kreisförmiger Unterlage erkerartig vorspringenden Anbau (Breite 10 Cen-
timeter, Radius 5Va Centimeter, Höhe 18 Centimeter), der einem Kapellchen
ähnlich ist. Der Untertheil, dessen Boden etwas höher liegt, als der des
Kubus, ist seitlich vorzugsweise durch drei nebeneinander stehende Bogen
hergestellt. Die zwischen den Bogen liegenden jetzt spitzbogig aus-
geschnittenen Fensterchen sollen der Tradition nach ursprünglich nicht
vorhanden gewesen sein, sondern die Stelle von Silberplättchen, die mit
einem Patriarchalkreuz verziert waren, einnehmen. Dem etwa 10,5 Centi-
meter hohen Unterbau des KapellcJiens ist eine in sechs Felder abgetheilte
Halbkuppel aufgesetzt. Auf dem Kubus ruht ein etwa 13,5 Centimeter
breiter, 15 Centimeter etwa hoher Rundbau, getragen von vierzehn Rund-
bogen. Die Decke dieses Rundbaus sowie der Halbkuppel und die Um-
randung der Thüren sind mit schwarz eingelegten Arabesken in Niello
verziert.
Auf jeder der vier Seiten der Kuppel steht eine Inschrift in griechischen
Kapital -Buchstilben. Drei dieser Inschriften sind Stellen aus den
Psalmen 86 und 131, während die vierte die Herstellung und Widmung des
Kunstwerkes betritft. Diese heisst in Uebersetzung: „Herr hilf Deinem
Diener Eustathius, Prokonsul, Patrizier und Statthalter (Strategen, Ober-
befehlshaber) von Antiochien und Likaidus.** Lassen wir die Frage un-
erörtert, wo dieser Ort Likaidos (Lykandus?) lag. Vielleicht ist gar Likai
dou (le), d. i. Lyke, Deine Dienerin, gemeint; nach anderer Meinung ist
Lykaidos der Name des Künstlers. Wer ist aber Eustathius P Archivar
Käntzeler (1853) erkannte darin Jenen wieder, den Heraklius an den
Gesandten von Persien schickte, um den Frieden zu schliessen. Im kaiser-
lichen Schreiben, das uns aufbewahrt ist, heisst dieser Eustathius der hoch-
ansehnliche Tabularius; man hat dies mit Finanzminister oder Finanzrath
übersetzt; vielleicht wäre Hof-Archivar richtiger. Es könnte aber derselbe
sein, den Theophanes ad a. 620 einen Neapolitaner nennt, wobei Neapolis
in Palästina (Sichern) gemeint ist, und in dessen Haus zu Tiberias der
König einen Juden taufte. Möglichenfalls ist einer dieser beiden, wenn
sie verschiedene Personen waren, Prokonsul und Statthalter gewesen und
hat das Geld zu diesem Reliquiarium gegeben. In jedem Fall müsste dies
dann vor dem Jahre 635 geschehen sein, ehe die griechische Statthalter-
schaft mit dem Anfange der muhammedanischen Herrschaft erlosch. Ist es
derjenige Eustathius, der den Frieden vermittelte, so liegt es nahe zu glauben,
dass dieser aucli den Kopf des Heiligen aus Persien zurückerhielt und für
denselben diesen kleinen Kunstschrein herstellen liess. Wann und wo soll
es nachher einen Prokonsul von Antiochien gegeben haben, dem man die
Verfertigung dieses Reliquiars verdanken könnte? Sollte es im spätem
Mittelalter nacli Aachen gekommen sein, würden wir (larüber wohl eine
Nachricht haben. Diese fehlt aber gänzlich.
— 84 —
Es bleibt daher wahrscheinlich, dass der Schrein kurz nach dem Tode
des Heiligen im Oriente entstand, etwa unter den Händen eines in Kon-
stantinopel oder in Persien gebildeten Künstlers. Wie verträgt sich aber,
wirft man uns ein, mit dieser frühen Entstehungszeit die Art der Ver-
zierung mit Arabesken? Die Form der fast in gothischer Weise spitz
gewölbten Thüren? Die ganze Bauart des Gefässes?
Die Entstehungszeit der Arabesken liegt viel weiter zurück, als die
Zeit ihres Aufkommens im Occidente. Man sehe nur die Verzierungen des
Schwertes, welches Karl der Grosse aus dem Oriente erhielt. Die an
unserm Reliquiar vorkommende eingegrabene und dann mit anderm Stoff
eingelegte Linienverzierung ist ihrer Form nach selbst antik zu nennen;
eine ihr sehr ähnliche findet sich bereits an einem Kapital des Theseus-
tempels. (Lübke, Kunstgesch. 1873, S. 91.)
In Ritters Erdkunde (Thl. XI, 447) wird eine oktogonale uralte christ-
liche Kapelle aus der Ruinenstadt Ani im Euphratsystem beschrieben, mit
reich dekorirtem Aeussern, deren Fenster unter den Chornischen von tief
eingegrabenen gewundenen und verzweigten Verzierungen umgeben sind.
Daran stösst eine andere Kapelle, deren Wände das schönste Skulptur-
werk in Arabesken zeigen, darin das lateinische Kreuz häufig als Ornament
vorkonunt; das Dach wird von Rundbogen getragen. Hamilton meint, in
diesen Ruinen von Ani sei sehr wahrscheinlich der Ursprung des reichen
sarazenischen und gothischen Stiles am vollständigsten zu studiren, in all
seinen Theilen, in Bogen, Kapitalen, Ornamenten aller Art von der ein-
fachsten bis zur mannigfaltigsten Zusammensetzung.
Die Kunst, Ornamente in Metall einzulegen, scheint der byzantinischen
Technik keineswegs fremd gewesen zu sein.
Gab es denn auch Spitzbogen in jener Zeit? Ja, auch der Spitzbogen
findet sich, wenn auch nicht systematisch angewendet, im Oriente viel
früher als im Abendlande. Das Thor von Masada, wovon Sepp eine Ab-
bildung gibt (Jerus. I, 827), liefert den Beweis, dass bereits vor unserer
Zeitrechnung in Palästina der Spitzbogen einheimisch war. Sepp fand ihn
auch an den Herodesgi-äbern und am Thore von Samos und Thorikos.
Uebrigens handelt es sich hier nicht um einen eigentlichen Spitzbogen,
sondern nur um eine spitzbogenartig auslaufende Thürform, die zudem der
Kuppel entsprechend geformt ist, ohne architektonische Grundlage.
Die vielen Kreuze, welche unser Kunstwerk bedecken, werden für die
Zeit passend erscheinen, in welcher Heraklius das Kreuz als Siegeszeichen
auf die Münzen setzen liess. Die Form derselben kommt, abgesehen von
der Breite, mit der Gestalt jenes Kreuzes überein, welche auf einer
Münze der christlichen Kaiserzeit erscheint, deren eine Seite ein Christus-
haupt, die andere die Abbildung der Anastasis-Kapelle vorstellt, und
weicht nui' durch die knaufformigen Ansätze von der Form ab, wie ein
Ravennatisches Kapital sie zeigt. (Lübke 1. c. p. 240.) J
Die ganze Form des Kunstwerkes hat einen orientalischen Charakter.
Offenbar haben wir hier das Bild einer kleinen Kirche vor uns, sei
es als Nachbildung einer bestehenden Kirche oder einer nur in der Phantasie
,;
;,^
— 85 —
des Künstlers vorhandenen. Es gleicht einem Wohnhause aus Jerusalem
hinsichtlich der quadratischen Unterlage und in etwa auch der Kuppel-
decke, wie wir sie noch jetzt in einem Theile des hl. Landes finden. Aus
der Form des Wohnhauses, worin das Viereck den Wohnraum, die Kuppel
das Himmelsgewölbe bezeichnet, ging die Form der Kirche hervor. Die
kubusförmige Form, die ihr Vorbild im Oratorium des Salomonischen
Tempels hatte, war auch in den ersten Jahrhunderten, als das Christen-
tum in die Oeffentlichkeit trat, keine ungewöhnliche Bauweise fiir kleinere
kirchliche Gebäude oder den Haupttheil grösserer Prachtbauten. Die dem
hl. Anastasius zu Ehren zu Cäsarea erbaute Kapelle ist ja durch das
Wort Tetrapylon bezeichnet und war wohl ein nach vier Seiten durch
Thüren verschliessbarer Betplatz. Das Sanktuarium der schönen Kii'che
in Tyrus war viereckig (locus sanctuarii in speciem quadrati sublimibus
est u^dique circumseptus columnis), während die von Konstantin zu Anti-
ochien errichtete Patriarchalkirche ein sanctuarium forma solii octangularis
enthielt. (Euseb. de laud. Constant.) Das Oktogon ist eine Weiterbildung
der Quadratform. Wir finden es an San Vitale (526 begonnen, 547 geweiht)
zu Ravenna, dem Vorbilde unseres Aachener Doms, welchem wieder die
Rotunde zu Ottmarshausen im Elsass fast genau nachgebildet wurde. Die
Kirchen von Aachen und Ottmarshausen hatten eine viereckige Absis als
Chörchen; bei keiner war diese ganz quadratisch. Die zu Aachen war im
Längendurchmesser ausgedehnter, die von Ottmarshausen ist es mehr in
der Breite. Seroug's Tafel 25 zeigt, dass jene mit zwei seitlichen Hemi-
cyklen (als Sakristeien?) versehen war und an der hintern Wand einen
Durchlass hatte, also auch gewissermassen ein Tetrapylon war.
Das Anschreiben von passenden Inschriften auf christliche Kirchen
dürfte nichts Ungewöhnliches gewesen sein, sodass auch in dieser Hin-
sicht die Parallele bestehen bleiben kann. Eine Kirche in Etshmiadzin
im Euphratsystem von quadratischer Form mit Kuppelbau, ein ehrwürdiges
Denkmal des christlichen Altertums, trägt eine griechische Inschrift, welche
in einem Gebete mit Namensunterschrift besteht.
Es erübrigt uns, die drei noch nicht erwähnten Inschriften unseres
Reliquiars zu besprechen. Vielleicht geben sie eine Andeutung, welche
Kirche darin nachgebildet ist.
Nehmen wir an, der Haupteingang liege, wie bei der Basilika des
hl. Grabes und beim hl. Grabe selbst, an der Ostseite, die Absis an der
Westseite, so stehen auf der Südseite die Worte: „Preiswürdiges wird
von dir gesagt, Stadt unseres Gottes", auf der Nordseite aber: „Der Herr
hat Sion erwäh ^at es sich zur Wohnung erkoren". Diese beiden Stellen
deuten doch wohi hinlänglich an, dass wir hier eine Nachbildung einer
Kirche zu Jerusalem vor uns haben. Dass sie nicht blos von der allgemeinen
christlichen Kirche zu verstehen seien ^, dürfte die concrete Unterlage
') Wie in einer Stelle bei Euscbius (X, 4): „In qua tandcm civitateP num quid in
hac, quae nuper a Deo exstrueta et fabricata est, quae est ecclesia Dei vivcutis, columna
et firmamcntura veritatis? de qua sie ctiam aliud divinum oraculum annuntiat: Gloriosa
dicta sunt de te civitas Dei.**
— 86 —
eines kirchlichen Gebäudes beweisen, aber auch die Inschrift der dritten
Seite: „Stehe auf Herr zu Deiner Ruhe, Du und die Lade Deines Heilig-
tums". Dies deute ich auf die Auferstehungskirche.
Ist es wahrscheinlich, dass unser ßeliquiar der ursprüngliche Be-
hälter für den Kopf des hl. Anastasius war, und wissen wir, dass dieser
mit einem Kleriker der Anastasiskirche Umgang hatte, dass er von Modestus,
dem spätem Wiedererbauer dieser Kirche getauft wurde, und werden wir
finden, dass eine Aehnlichkeit zwischen der Anastasiskirche und der Form
unseres Reliquiars besteht, so kann diese Deutung des Wortes AvaaxrjS-r] ^
wohl nicht als zu kühn angesehen werden. Lag es nicht nahe, dass seine
frühern Freunde, wovon einer Bischof war, im Vereine mit dem reichen
Eustathius eine Nachbildung jener Kapelle zur Ruhestätte des Märtyrers
erwählten, die ein sinnreiches Bild seiner glorreichen Auferstehung sein
sollte? Wenigstens konnte von den Kirchen Jerusalems sich keine besser
dazu eignen, als Schmuckkästchen nachgeformt zu werden, als sie, welche
die Andacht der Gläubigen mit Schmuck überladen hatte % Nur diese
niedrige Kapelle, bei welcher die Thüren zugleich Fenster waren, kann
hier dargestellt sein. Auf keine andere passen die Worte des Psalmes:
„Stehe auf Herr zu Deiner Ruhe^ (womit gleichzeitig die Auferstehung
und die Grabesruhe angedeutet werden), „Du und die Lade Deines Heilig-
tumes** besser als auf sie.
Um diese Hypothese als sicher auszugeben, müsste man freilich die
Form der Anastasis-Kapelle nach ihrer Wiederherstellung besser kennen,
als dies der Fall ist. Wir kennen sie aber eher in ihrer ältesten klassischen
Form, wovon die neue Kirche wohl nicht wesentlich abwich. Von der
ältesten Gestalt der Grabkapelle aus den Tagen der hl. Helena haben
wir nämlich höchst wahrscheinlich eine Nachbildung in einem Elfenbein-
Relief, das aus dem Bamberger Domschatze stammt, von dem man mit
Sepp glauben möchte, es selbst oder sein Original sei auf Befehl der hl.
Helena gefertigt worden, obwohl der vollendete Kunststil eher dem Zeit-
alter Justinians entspricht. „Es spiegelt sich darin der Bau in seiner
Ursprünglichkeit. Die aedicula zeigt auffallend dieselbe Bogenform mit
zwischengestellten Doppelsäulen, wie die Hinunelfahrtskirche am Oelberge.
jenes Bauwerk der Helena. Zwölf Säulchen, je zwei sich fast berührend,
wovon nur die Hälfte sichtbar, tragen sechs Halbkreisbogen im aufsteigen-
den Tambour, wovon eines auf jeder Seite zum Fenster dient." Die um-
gebenden Personen, welche die der Auferstehungsscene sind, zeigen an,
dass hier die Auferstehungskapelle in ihrer klassischen Urform dargestellt
ist. Sie war jedenfalls niedrig; wenn wir annehmen, dass die Statue Lebens-
grösse hatte, dürfte sie etwa zwölf Fuss Höhe bei gleicher Breite gehabt
haben. Der Patriarch nennt die Grabkapelle xtjßov, einen Würfelbau ^
*) Das Wort 'AvdoTa kommt auch öfters bei den Erscheinungen des Heiligen in den
Akten vor.
*) Antonin, der vor ihrer Zerstörung im Jahre 570 dort war, sagt, das Kirchlcin sei
mit Süber bedeckt gewesen.
^) Die eigentümliche Art, wie hior die PtTson dos Auferstandenen dargestellt ist,
dürfte sehr beachtenswerth sein. Gleicht die Auferstehung nicht einer Himmelfahrt? „Der
— 87 —
Man braucht nur die Abbildung unseres Anastasius-Behälters damit
zu vergleichen, um die Vermuthung zu rechtfertigen, er solle auch eine,
wenngleich unvollkommene Nachbildung der Anastasis-Kapelle vorstellen.
Freilich ist es nicht mehr die unversehrte klassische Form, die mit Stand-
und Relief-Bildern der Kaiser versehene Schmuckkapelle, welche von den
Persern und Juden zerstört worden, sondern gewissermassen eine degene-
rirte, der damaligen Kunstrichtung entsprechende architektonische Bildung,
Das klassische Gebäude hat rektanguläre, nicht quadratische Seiten, in-
dem der unter die Thürschwelle fallende Fuss in den Boden versenkt
erscheint. Der. Rundbau ist noch etwas höher als der quadratische Unter-
bau im Gegensatze zur gedrückteren Form des vielfensterigen Neubaus.
Eine Absis fehlt dem konstantinischen Gebäude oder liegt verborgen. Aber
dennoch bleibt eine grosse Aehnlichkeit, die sich auch darin ausspricht,
dass ein Theil der Fensterchen offen, ein anderer Theil blind erscheint. Es
ist mir daher sehr wahrscheinlich, dass unser Reliquiar entweder eine
Künstler ringt mit dem Gedanken, die Auferstehung bildlich zu fassen, wofilr damals noch
kein bestimmter Typus bestand. Die Darstellung ist mithin auf den ersten Blick eine alt-
christliche, ja im Geiste der Antike entworfen . . . Der Menschensohn schreitet in jugend-
licher Gestalt, nicht kümmerlich wie in den Katakomben, mit wallendem Haar, übrigens
bartlos ... die Felshöhle hinan, wo die Rechte des Vaters hinter Wolken oder einem
Vorhänge . . . Ihn emporzieht, als g^lte es Uerständc und Auffahrt in einem Bilde zu
vereinen . . . Das Motiv mit der aus den Wolken dargestreckten Hand Gottes erhält sich
bis ins 12. Jahrhundert. Der Christuskopf ist noch nicht typisch ausgebildet und trägt
. . . wie auf Katakombenbildern die Rolle des neuen Bundes . . . Christus trägt allein
den Glorienreif . . . Dies erinnert zugleieh, dass 325 das Konzil von Nicäa die Gottheit
Christi gegen die Arianor feststellte und der Bau der Auferstehungskirche diente eben
zur Bekräftigung des unwiderruflichen Dogmas." Sepp. Diese Darstellungs weise wird noch
verständlicher, wenn man sie zugleich als Apotheose Konstantins auffasst. Der Kaiser
starb in der Pfingstzoit. Die sieben Wochen zwischen Ostern und Pfingsten fasste man, was
auch in diplomatischer Hinsicht bekannt ist, als Einen Festtag auf, an welchem gewisser-
massen die Auferstehung mit der Himmelfahrt zusammenfiel. „Haec consummata cele-
britate pentecostes, quae 7 continuas hebdomadas omnibus houoribus decorata ad extremum
unitatis numero consignata est, quo tempore . . . nostri Servatoris in coelos ascensum, et
sancti ad homines spiritus descensum accidisse. Huius in celebritatis extreme fere die
imperator ad Deum suum assumptus est*^ (Euseb. de vita Const. c. 64.) So lag es nahe,
des Kaisers Himmelfahrt mit der Auferstehung des Erlösers zu verbinden; als zum Himmel
fahrend zeigen den seligen Kaiser die nach seinem Tode geprägten Münzen „quadrigis
instar aurigae insedentem, demissa Uli coelitus manu dextra exceptum^. (Eus. ib.
c. 73.) Fehlt hier auch das Viergespann, so ist doch die rechte Hand, die ihn zum Himmel
aufnimmt, sehr charakteristisch. Der Baum mit pickenden Vögeln ist nach Sepp ein
Motiv der antiken Kunst, das hundertfältig au Sarkophagen wiederkehrt, um den Untergang
der Leiblichkeit und die Aufnahme in einen höhern Organismus zu bezeichnen. Es ist hier wohl
der dem Senfkörnlein entsprungene Baum, dessen Zweige zum Himmel reichen und in dessen
Schatten die Vögel wohnen. Mau malte Konstantin auch, wie er in der Bläue des Himmels
ruhte (cum coeli effigiem in tabella propriis coloribus expressissent, depingunt eum super
coelestes orbes in aethereo coetu requiescentem. Eus. de vita 69). Der Kaiser trägt das
Haar halblang, wie wir es auf den Münzen finden, was vorher weniger üblich war. Die
Gesichtszüge sind verjüngt; es hält nicht schwer, in ihnen das Abbild seines Neffen
Hannibalianus wiederzuerkennen, wie wir es auf Münzen finden. (Lee Roman. Imper.
Profiles, 1874.) Dieser ward im Jahre 335 König von Pontus, Cappadocien und Armenien,
fand aber 837 einen gewaltsamen frühen Tod. Mau pflegte, so scheiuts, den Kaiser in
— 88 —
nicht ganz getreue Abformung der konstantinischen Basilika ist (die
Künstler erlauben sich ja in solchen Fällen häufig Abweichungen vom
Originale), oder dass einst die Anastasis-Kapelle in dieser Form eine Zeit
lang bestand. Könnte es die Form sein, wie Modestus die Kapelle wieder
herstellte? Schon vor der Bekehrung des hl. Anastasius wurde Modestus
vom Pa^triarchen von Jerusalem, Johann dem Almosengeber (605 — 616),
an die heiligen Orte geschickt mit grossen Spenden von Geld und Frucht,
angeblich auch mit zahlreichen Arbeitern zur Wiederherstellung des Ver-
wüsteten, und schon nach der Gefangennehmung des Patriarchen, die gleich-
zeitig mit der Zerstörung der Grabeskirche war, begab sich Modestus,
damals Abt des Theodosiusklosters ostwärts von Bethlehem in Syrien und
Aegypten auf die Sammlung, um die verwüsteten Kirchen wieder auf-
bauen zu können. Wenn die Beschreibung eines Pilgers, der etwa 54 Jahre
später die hl. Orte besuchte, massgebend ist, nahm die Kapelle jetzt eine
andere Gestalt an. Der neue Patriarch baute in den Jahren 616 bis 626
GeseUschaft seiner Söhne abzubilden. {Is ter bcatus per trium liberorum successionem,
pro uno multiplex redditus est, ita ut in imaginibus et picturis apud omncs gentes, una
cum liberis suis cundem honorem adeptus sit. Eus. IV, 72.) Umgeben hier nicht die drei
Söhne trauernd das Grab, zwei in ihren Gesichtszügen den Schmerz verrathend, der dritte
das Antlitz verbergend? Der Engel am Grabe scheint Porträt von Konstantins II.
(ibid. Taf. 147 A.) Die Anführerin der Frauen hat, wie ich meine, durch die gebogene
Nase und die Haartracht einige Aehnlichkeit mit der Helena. Schon Sepp vermuthete,
dass hier das Porträt derselben gegeben sei. Dass das Gebäude selbst wohl zunächst
die Auferstehungskirche darsteUen soll, dürfte nicht zu bezweifeln scän ; aber die Zuthaten
erinnern an die Kirche, welche sich der Kaiser zu Konstantinopel zur (^rabcsstätte aus-
ersehen hatte, die den Aposteln gewidmete Kathedrale, was hier durch eine Statue des
Apostelfttrsten Petrus angedeutet ist. Zwölf Säulen sollten hier sein Grab umstehen (quare
cappas illic duodecim quasi sacras quasdam columnas ad Apostolici collegii honorem
memoriamque attoUens, medium inter ipsos condimentum suum locabat, quud utrinque
seni claudebant Apostel i. Eus. IV, CO). Aehnlich umstanden zwölf Säulen die runde Grab-
kapeUe in Jerusalem. Euseb. III, 37. Die dem Kubus aufgesetzte Kuppel erscheint darum
von zwölf Säulchen getragen, wovon sechs sichtbar sind; obwohl rund, nähert sie sich
dem Sechseck, obgleich mit der quadratischen Grundlage besser ein Achteck harmoniren
würde. Die Säulchen der Kuppel, wenn wirklich nur zwölf statt sechszehn, sind vieüeicht
nur die Wiederholung der untern zwölf Säulen. Die Medaillons der Kaiser passen zur
Buhestätte des kaiserlichen Erbauers. In griechischen und lateinischen Kalendern steht
das Fest Konstantins und der hl. Helena angemerkt meist unter dem Titel: Memoria
sanctomm gloriosorum a Deo coronatorum atque Apostolis aequalium Imperatorum Constantini
et Helenae; von Gott gekrönt werden sie genannt, wie überhaupt die Griechen ihre Kaiser
O-eooTiTCxoug nannten, ein Ausdruck, dessen Analogon in Karolingische Diplome übergegangen
ist; einem Apostel ähnlich hiess Konstantin in den Menäen der Griechen. Der Festtag
Konstantins wurde selbst im Occidente am 21. Mai begangen und wird es auch heute
noch an gewissen Orten von Russland, Böhmen, Flandern. Siehe AI. Aur. Pelliccia de
ehr. eccl. politia 1829.
Die Elfenbeintafel des Mnnchener Nationalmuseums ist nachgeahmt
in einer aus Bamberg stammenden, ums Jahr 1000 geschnittenen Tafel
des Museums zu Liverpool, abgebildet in Gesch. d. deutsch. Plast. 1885,
19, und von dieser stammt die Bamberger Tafel eines Missales, die in
Cahiers Melanges p. 4 und in Försters Denkmalen I, 1 zu S. 9 abgebildet
ist. Das Tempelchen stimmt mit dem Siegel der Kanoniker am hl. Grabe
vom Jahre 1125 überein, das hier photographisch reproducirt ist.
— So-
das Halbrund um die Anastasis durch griechische Architekten zur byzanti-
nischen Rotunde mit zweifachem Umgange. Wo früher die Säulen im
Halbkreise um die Anastasis-Kapelle standen, kamen jetzt Mauern. Eine
dreifache Mauer in Kreisform, welche weite Gänge umgab, umschloss jetzt
zur grössern Sicherheit gegen feindliche Einfälle den Ort der Auferstehung.
Die Mitte bildete ein rundes Kirchlein (rotunda ecclesia, quae et anastasis.
h. e. resurrectio vocitatur, quae in loco dominicae resurrectionis fabricata
est). Die an zwei Stellen durchbrochene dreifache Mauer und Kirche
hatte zweimal vier Durchgänge (gegen Nord- und Südost? quatuor ad
eurum, quatuor ad vulturnum). Die eigentliche Kapelle war so niedrig,
dass man mit der Hand an die Decke reichen konnte. Im Innern, wo nur
neun Mann Platz zum Stehen hatten, stand das in den Felsen ausgehauene
Grab mit dem Eingange von Osten. Es war etwa drei Palmen über den
Boden erhaben. Zwölf Säulen trugen den Bau (die Kuppel? rotunda ecclesia
a tribus aucta parietibus duodecim columnis sustentatur). Aussen war die
(innere?) Kirche bis zur Spitze mit Marmor bedeckt, auf der vergoldeten
Spitze aber stand ein grosses goldenes Kreuz. Rechts von der Kapelle
lag die viereckige Muttergotteskirche. (Adamanni de loc. sanct., Bedae Opp.)
Ein Elfenbein-Relief aus Mailand angeblich aus dem 8. Jahrhundert,
zeigt auch die Anastasis-Kapelle rund, mit einem schmälern Aufbau, der
noch an die klassische Form erinnert.
Später hat die Grabeskirche sehr verschiedene Gestaltungen ange-
nommen. Nach der Beschreibung des fränkischen Mönches Bernard, der
gegen das Jahr 870 Jerusalem besucht hat, umstanden das Grab neun Säulen,
deren Zwischenräume mit vorzüglichen Steinen ausgemauert waren. Von
diesen neun Säulen standen, so heisst es, vier vor dem Gral)e und umschlossen
mit ihnen den Grabesstein, was ich mir so vorstelle, dass eigentlich sieben
in der Aussenmauer war^n, wovon zwei durch eine Quermauer mit zwei
mittleren Säulen in Form einer Sehne verbunden waren; hinter dieser Mauer
lag dann das Grab, hinter diesem waren zwei der sieben Säulen an der Mauer.
(Tertia ecclesia ad occidentem, in cuius medio est sepulchrum Domini habens
9 columnas in circiiitu sui, inter quas consistunt parietes ex optimis lapi-
dibus, ex quibus 9 columnis 4 sunt ante fiiciem ipsius monumenti, quae
cum suis parietibus claudunt lapidem coram sepulchro positum, quem angelus
revolvit Bernardus ao. 870.) Vielleicht standen auch die vier Säulen nicht
alle vor dem Grabesstein, sondern herum, mit den Mauerfüllungen ein Vier-
eck bildend, sodass nur fünf Säuleu für die Aussenwand blieben.
Es wäre von grossem Interesse, die Formen der alten hl. Grabkirchen,
wie sie in verschiedenen Städten vom 5. — 9. Jahrhundert erbaut wurden,
zu vergleichen. Die angeblich dem 5. Jahrhundert angehörende Heilig-
grabkirche zu Bologna, eine weite ovale Rotunde, erinnert im Mittelschiffe
mit den über zwölf Säulen gespannten Bogen an die zwölf Säulen, welche
als Repräsentanten der Apostel um die Anastasis standen.
lu den Oktogonkirchen von Aachen und Ottmarshausen stellt wohl
die quadratische Absis die Auferstehungskapelle vor. Der obere der Auf-
erstehung Christi geweihte Altar des alten Domes zu Aachen (superius
— 90 —
altare in eadem capella) dürfte in der obern Abtheiliing der Absis gesümden
haben. Es ist auch merkwürdig, dass in der Zeichnung der Absis, die
man Ciampini verdankt, hinter dem Hauptaltare drei unter einem grossem
Bogen gestellte Bogen ersichtlich sind, sehr ähnlich denen auf dem Heilig-
grab-Siegel der Tempelherren. Dies Siegel soll das Bild der Auferstehungs-
kapelle im 12. Jahrhundert darstellen. Es erinnert noch immer an die
klassische Form; quadratische Unterlage, hohe Eingangsthüren, Absis mit
drei Fenstern, Kuppel mit sechs Fenstern, auf der Spitze das Kreuz.
Es wäre ein interessantes Thema für einen Architekten, die Grabes-
kirchen der früheren Jahrhunderte näher zu beschreiben.
Das hl. Grab zu Görlitz, in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts
erbaut, hat IOV2 Elle in der Länge, 6^/3 Ellen in der Breite und ebenviel
in der Höhe. In der Mitte des Daches erhebt sich eine 5 Ellen hohe
Kuppel, die auf sechs Säulen ruhet. Von aussen soll das Gebäude läng-
lich rund erscheinen, das Innere bildet aber ein in zwei Abtheilungen
durch eine Wand gesondertes Viereck. Einer dieser Theile ist das Vor-
gemach und wird durch zwei süd- und nordwärts angebrachte Fenster
erleuchtet, während der Eingang gegen Osten sieht. In der Trennungs-
wand ist links ein ^^/g Elle hohes Thürchen, das den Eingang zu der
zweiten Abtheiluug gestattet, die vP/« Elle lang und breit und 6V4 Elle
hocli ist. An diesem Eingange ist der Stein, welcher jenen Stein vorstellt,
auf dem der Engel sass, von dem uns auch die Beschreibungen der alten
Grabeskapelle berichten.
Im Vorstehenden ist die Form des Anastasius-Kasten mit der Gestalt
der ursprünglichen Grabeskirclie in nahe Vcri)indung gebracht worden.
Eine andere Ansicht geht dahin, dass derselbe ein Gefäss gewesen, worin
das heilige Brod aufbewahrt wurde, wie ein ähnlich gestaltetes in den
russischen Kirchen vorkomme. Wenn dies richtig ist, so bleibt doch nicht
ausgeschlossen, dass auch diese Gefässe ursprünglich Nachbildungen der
Grabeskirche gewesen. Schliesslich sei bemerkt, dass die oben erwähnten
griechischen Inschriften in Kessels (icschiclitliclien Mittlieihingen über die
Heiligthümer vollständig mitgetheilt sind.
Abbruch der Häuser des Josephinischen Instituts und des
Waisenhauses in der Pontstrasse.
Von Jos. Biichkremer.
Mit einer AbbililuiiR;.
Tn dem mittleren Theile der Pontsti-asse ist im Laufe des Jahres
1894 durch den Abbrncli der obei'halb der Kirche des Josephinischen
Instituts liegenden beiden Gebäude der Armenverwaltung ein altes aachener
Städtebild wesentlich geändert worden. Hier reihten sich noch eine grosse
Anzahl älterer Bauten dicht zusammen, sodass die Strasse, namentlich
auch durch die frei geschwu^igenon Fluclitlinien und durch die Verengung
derselben nach den beiden Enden zu ein zwar wenig modernes, aber
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fiir den Liebhaber und Kenner alter Städtebilder sehr anziehendes male-
risches Bild bot.
Von der Neupforte kommend, erblickte man, gleich nachdem man an
den weit in die Flucht vorspringenden Häusern des sogen. Beguinen-
winkels vorüber ist, jene platzartige Erweiterung der Pontstrasse.
Das Bild wird rechts begrenzt durch die malerischen Umrisse des aus
dem 17. Jahrhundert stammenden Hauses Nr. 74 mit seinem mächtigen
Consolhauptgesimse und der grossen Giebeldachlucke, während weiter
hinauf der Rest eines gothischen Fensters uns an die alte Kirche des
hl. Aegidius erinnert. Auf der andern linken Seite wird das Bild durch
die grossen einfachen Linien der Kirche des Josephinischen Instituts ein-
gerahmt und weiter hinauf erhoben sich hier früher die beiden Fassaden
der diesem Institut zugehörenden Häuser, wozu auch das alte Haus des
Bürgermeisters Emundts gehörte. Und auch das dann weiter hinauf
folgende Haus, das zur Zeit als Gesellenhaus eingerichtet ist, passt in
das alte Städtebild vorzüglich hinein. Denkt man sich in die Fenster
desselben wieder die alten Kreuze hineingestellt, und die sonstigen mo-
dernen Zuthaten hinweggenommen, so ist das alte Bild fertig, das würdig
in dem nach oben nun folgenden Hause, dem ehemaligen Lombard seinen
Schluss findet.
Wenngleich auch die beiden eben erwähnten Fassaden der Häuser des
Josephinischen Instituts für sich genommen, keinen hervorragenden Kunst-
werth beanspruchen konnten, so wirkten sie dennoch als Theile des eben
geschilderten Strassenbildes vorzüglich mit. Durch den nunmehr im
September des Jahres 1894 erfolgten Abbruch dieser Häuser ist dieses
schöne Bild verschwunden. Von den beiden in Rede stehenden Häusern
hatte namentlich das obere, das frühere Emundtssche Haus eine eigen-
artige Fassade.
Dieselbe hatte eine Breite von ca. 15 Meter, war dreigeschossig und
13 Meter hoch. Die Haupttheilung derselben bestand aus sechs Pfeilern,
die mit Ausnahme der beiden über dem Portal stehenden die ganze Höhe
der Fassade einnahmen. Der Sockel der ganzen Fassade und das Basis-
profil der Pfeiler derselben bestand aus Blaustein, während die Schäfte
der Pfeiler aus Ziegelsteinmauerwerk aufgerichtet waren. Die reichen
Kapitelle * zeigten eine Verbindung der jonischen und korinthischen Ordnung,
und waren merkwürdigerweise aus Eichenholz hergestellt. Ein einfaches
aus einem Architrav und grosser Holzleiste bestehendes Hauptgesims schloss
die Fassade nach oben hin ab. Das in guten architektonischen Verhält-
nissen ausgeführte Portal war ganz aus Haustein gebaut, und bestand aus
einer halbkreisförmig abschliessenden Oeffnung, die durch zwei Pilaster
eingerahmt wurde. Das das Portal abschliessende Hauptgosims war über
den Pilastern und dem verzierten Schlussstein verkröpft. — Die Fenster-
öffnungen waren durch unverzierte Gewändesteine eingefasst, die sich dicht
zwischen die grossen Pfeiler legten; während die Fenster des Erdgeschosses
*) Diese Kapitelle suwie die weiter unten erwähnten lleliefs werden im hiesigen
Museum aufbewahrt.
— 92 —
und des ersten Stockwerkes beträgliche Höhenverhältnisse zeigten, waren
diejenigen des 2. Stockwerkes fast quadratisch. — Einen eigenthünilichen
schönen Schmuck erhielt die Fassade noch durch neun Reliefs, die in
den aus Ziegelsteinen bestehenden Flächen über den Fenstern des Erd-
geschosses und des ersten Stockwerkes angebracht waren. Auch von
diesen Reliefs war eines aus Holz geschnitzt.
Diese Reliefs, deren Grundform viereckig war, enthielten in einer
eiförmigen Vertiefung die Darstellung römischer Kaiserporträts. Die aussen
verbleibenden Zwickel und die Umrahmung dieser Ellypse war durch kar-
tuschenartige Ornamente oder durch Akanthusblätter und Masken verziert.
Die Köpfe selbst waren alle neun verschieden, sehr decorativ auf-
gefasst und derb plastisch behandelt. Durch den mannigfaltigen Schmuck
dieser Figuren mit reich ornamentirten Helmen, mit einfachen Reifen-
kronen, oder mit dem lorbeerdurchflochtenen Haar wirkten dieselben trotz
der etwas schematischen Gesichtsformen sehr günstig auf den Beschauer ein.
Die ursprünglich durch den Wechsel in der Farbe zwischen dem
Blaustein- und dem Ziegclsteinmauerwerk sehr malerisch wirkende Fassade
sah bei dem einförmigen Oelfarbenanstrich natürlich weniger günstig aus.
Das Innere des Gebäudes, das nach den Formen der Fassade zu
urtheilen aus dem Schlüsse des 17. Jahrhunderts oder dem Anfange des
18. Jahrhunderts herrührte, enthielt, abgesehen von einem hübschen
Treppenpfosten zur Zeit nichts mehr, was ein kunsthistorisches Interesse
hätte in Anspruch nehmen können.
Kleinere Mittheilungen.
Freilegung des Chores der Nikolauskirche zu Aachen.
Durch die im Anfange des Jahres 1804 ausgeführte Neuanlage einer Strasse zwischen
der Grosskölnstrasse und dem Seilgraben, die den Namen Mi noriten Strasse fuhrt, ist der
bis dahin verbaute Chor der St. Nikolauskirche freigelegt worden. Die dadurch in Weg-
fall gekommenen Bauten waren 1. ein im vorigen Jahrhundert gebautes (leschäftshaus
von keiner weiteren Bedeutung, 2. die Loretokapelle der eben genannten Kirche, die in
der Breite des sitdlichen Seitenschiffes sich neben den Chor nach der Grosskölnstrasse zu
legte und 8. ein weiteres kleines Haus, das zwischen den beiden genannten Bauten lag
und um das in seiner Fassade stehende alte Kreuz herumgebaut war.
Die im Jahre 1703 von dem damaligen Baumeister Mefferdatis erbaute Loretokapelle
bot nur geringes kunsthistorisches Interesse. Sie musste wegen vollst Ȋndiger Baulallig-
keit abgetragen werden. Ihr Grundriss war rechteckig, sie hatte eine Thür zur Strasse
und zum Chor, wurde durch zwei rundbogige Fensler erleuchtet und durch ein Tonnen-
gewölbe überdt^ckt. Das gänzlich schmucklose Aeussere wurde durch ein S-förmig gebogenes
Walradach abgeschlossen und bekrönt durch einen aus Kupfer getriebenen profilirten
Knauf, der eine länglichovale vertikale 3Ietallplatte trug, worauf ein Madonnenbild gemalt
war. Das Innere der Kapelle schmückte ein prachtvoller Altar im reiclisten Kococcostil,
der nach den Entwürfen des Architekten J. J. Couven in der Mitte des vorigen Jahr-
hundert^s ausgeführt wurde. Ueber der einfachen Mensa erhob sich ein zierliches Tabcr-
vT»
nakel (nur Repositorium), zu dessen beiden Seiten, mit der Predella und den Leuchter-
bänken verbunden, sich kleine Räume zur Aufnahme von Reliquien befanden. Der Altar
war au beiden Seiten durch reich geschnitzte Thüreu architektonisch mit den Wänden
— 93 —
der Kapelle verbunden. Der Altar stand einen Meter vor der Rückwand. Dieser hintere
Raum wurde durch die beiden Thüren zngÄnglich. An der Rückwand war eine sehr
zierlich ausgebildete reich umrahmte Nische angebracht, worin sich ursprünglich eine
Madonnenstatue befand. Diese ganze Nische war so hoch angebracht, dass man von der
Kapelle aus, vor dem Altare stehend, auch den Sockel derselben noch sehen konnte. Die
Wirkung des Ganzen war ausserordentlich schön und plastisch, da die eben erwähnte
Nische einheitlich mit dem eigentlichen Altare zusammenwirk'te, obgleich sie räumlich
nicht mit demselben verbunden war.
Die farbige Behandlung des ganz in Holz hergestellten Altar werke« war sehr
wirkungsvoll. Die ornameutirten Theile sowie die beiden Engelfigurcn, die die seitlichen
Thüren bekrönten, und alle Profilleisten und (resimse waren vergoldet, während die ver-
bleibenden Flächen als grüner Marmor behandelt und durch kleine goldene in regelmässigen
Abstanden aufgemalte Flammen belebt waren ^
Das eben erwähnte Kreuz, gleich unterhalb der Loretokapelle, stand ursprünglich
noch tiefer und bildete bis 1763 einen Theil der den Hof des damaligen Franziskaner-
klosters nach der Grosskölnstrasse zu abschliessenden Mauer. 1763 erhielt es den Stand,
den es beim Abbruche noch hatte, und wurde damals mit dem sogen. Minderbrüderpiefchen
verbunden, das vordem vor dem Eckhause zwischen Gross- und Kleinkölns trasse, dem
sogen. Gapstock, stiind. Die sehr barocken Figuren der durch eine architektonisch einfach
ausgebildete Nische eingerahmten Kreuzgruppe waren keine bedeutenden Kunstleistungen;
sie zeigten eine übertriebene realistische Darstellung und eine überaus theatralische Auf-
fassung in ihrer Gruppiruug. Das hiesige Suermondt-Museum bewahrt eine Photographie,
die die oben erwähnten nun abgerissenen Bauten und auch die Anlage dieser Kreuzgruppe
darstellt.
Im Anfange des laufenden Jahres musste auch die an der Nordseite des Chores
gelegene Sakristei wegen Baufälligkeit niedergelegt werden. Dieselbe war nach dem
Aachener Brande zum Theil mit Bauresten der bis dahin erhaltenen ursprünglichen
Sakristei errichtet worden und würde schon längst wegen der mangelhaften Bauweise
eingestürzt sein, wenn nicht schwere Eiseuanker die Mauern zusammengehalten hätten.
Der jetzt niedergelegte Sakristeibau bot nur geringes architektonisches Interesse
und war ganz unorganisch mit dem Chor der Kirche verbunden. Dennoch wirkte die
gesaramte Gruppe der Sakristei mit ihren kleinen Anbauten von der neuen Minoritenstrasse
aus gesehen, sehr malerisch. Auch von dieser Anlage bewahrt das Museum eine Photo-
graphie auf.
Das Innere der Sakristeibauten war nur hinsichtlich des Mobiliars von einiger
Bedeutung. Die grossen Sakristeischränko zur Aufbewahrung der Paramente und der
heiligen Gefässe waren einfache aber geschmackvolle Arbeiten; durch verzierte Lisenen
und vielfach verkröpfte Rahmenproftle und die schön ornamentirteu Eisenbeschläge und
Schlösser machten dieselben einen sehr gediegenen Eindruck.
Durch den Abbruch dieser Sakristeibauten haben sich manc^he Anhaltspunkte für
die Gestalt der vor dem aachener Brande bestehenden ursprünglichen Sakristei ergeben.
Dieselbe stand an der gleichen Stelle, hatte dieselbe Länge wie die jetzt abgerissene
Sakristei, aber nur eine Breite gleich der der Seitenschiffe, so dass die nördliche Seiten-
schiffwand in ihrer Verlängerung mit der Sakristeimauer dieser Seite zusammenfiel. Das
Innere war durch Kreuzgewölbe überspannt, deren Schildbögen an der nördlichen Chorwand
noch sichtbar sind. Unter der Bauraasse der abgerissenen Sakristei fanden sich eine
grosse Anzahl von (Tcwölberippen, Maasswerkstäben, Schlusssteinen, Thürgewänden etc.
der ursprünglichen Sakristei auf. Besonders interessant sind die Gewölberippen und die
sehr reich mit feinem Blattwerk verzierten Sehlusssteine. Die Ornamente an denselben
sind von grosser Schönheit und merkwürdigerweise auch an den Stellen der Schlusssteine
angebracht, die dem Beschauer gänzlich unsichtbar bleiben mussten. Diese Baureste sind
f^r Aachen besonders beachtenswerth, weil sie die einzigen sind, die uns aus jener Zeit, dem
Anfange des 13. Jahrhunderts, erhalten sind. Es ist Sorge dafür getragen, dass alle
*j Vgl. die AhbiUlung.
— 94 —
anfgefandenen Bautheile an geeigucter Stelle in den unteren Räumen der neuen Sakristei
aufbewahrt werden.
Die an den erwähnten Fundstücken noch theil weise erhaltene Malerei stammt
grösstentheils aus dem 15. Jahrhundert. Danach sind die Gewölberippen in Zonen getheilt,
wovon die eine wechselseitig weiss und roth und die andere schachbrettförmig bemalt ist
und zwar in den Farben weiss, gelb, blau und roth. Die Ornamente der Schlusssteine
sind naturalistisch, die Blätter grün und die Rosen roth, bemalt. Die Wandflächen waren
mit einem dunkelrothen Thon angestrichen.
Im Bauschutte fanden sich ausserdem noch eine grosse Anzahl interessanter Boden-
belegsteine aus gebranntem Thon, die ornamentale Verzierungen und Wappen enthalten.
Diese Bodenfliesen gehören dem Schlüsse des 15. Jahrhunderts an.
Durch den Abbruch der Sakristei ist auch die untere Endigung des Treppenthürm-
chens, das den Zugang zum Dachboden der Kirche vermittelt und in der Ecke zwischen
Chor und nördlichem Seitcnschifib liegt, frei geworden. Dieser Bautheil ist im Laufe der
Zeit oft umgebaut worden und es ist daher schwierig, den ursprünglichen Zustand zu
erkennen. Der Zugang zu diesem Treppen thürmchen wurde durch eine kleine Thür
in der östlichen Abschlusswand des nördlichen Seitenschiffes vermittelt. Diese Thür
begann erst in einer Höhe von 1 Meter über dem Fussboden der Sakristei, sodass ursprüng-
lich noch eine Freitreppe davor angebracht sein musste um dieselbe zugänglich zu machen.
Bei dem jetzigen Neubau der Sakristeiräume wird dieser Bautheil wieder in der vermuth-
lich alten Weise hergestellt werden. Dasselbe gilt von dem kleinen kreisrunden Fenster,
das oberhalb der vorhin erwähnten ThÜr aufgefunden wurde. Dieses Fenster wird im
Innern der Kirche durch den Marienaltar verdeckt und bildete die Fortsetzung der Kreuz-
gangfenster des nördlichen Seitenschiffes, die das obere Stockwerk des Kreuzganges mit
der Kirche verbanden.
Bei der nunmehr bereits theilweise erfolgten Wiederherstellung der äusseren
Ghorfassaden hat es sich gezeigt, dass der Chor ursprünglich weniger lang als zur Zeit
war. Der ursprüngliche, gleichzeitig mit der noch jetzt stehenden Kirche errichtete Chor,
hatte ein ganzes Gewölbejoch weniger. Der erste 1327 consecrirte Bau ' wurde 1333 durch
den Brand beschädigt. Bei der folgenden Wiederherstellung ist wahrscheinlich der Chor
in dem jetzt bestehenden Umfange vergrössert worden ^ 1390 wurde derselbe fertig-
gestellt. Dass der Chor ursprünglich um ein Gewölbejoch kleiner war, folgt aus dem
Unterschied der architektonischen Verhältnisse und des Mauerwerks zwischen den altem
und jungem Chortheilen. Die Fenster des neuem Thciles beginnen tiefer als die des
altem Theiles; jene sind dreitheilig, diese zweitheilig; die Gewölbejoche des altern Theiles
haben profilirteSchildbögcn, während die des jungem Theiles solche überhaupt nicht
haben. Schliesslich stellte es sich bei der jetzigen Restauration auch heraus, dass die
Strebepfeiler an der Stelle, wo die beiden Theile sich vereinigen, hier ohne Verband nach-
träglich angesetzt worden waren.
Aachen. J. Buchkremer.
Spottgedicht auf die Franzosen aus dem Jahre 1793.
[Nnch eiuem m der hiesigen Stadtbibliothek (Mise. tom. VI Nr. 27) vorhandenen Flngblutt.]
Das nachstehende Gedicht vordankt seine Entstehung der grossen Freude der links-
rheinischen Bevölkerung Über den Sieg der Ocstcrreicher unter dem Prinzen von Koburg
über die Franzosen unter Dumouriez bei Aldenhoven. (1. März 1703.) Infolge dieser
Niederlage mussteu bekanntlich die Franzosen das seit Dezember 17U2 besetzt gehaltene
deutsche Gebiet räumen. Die tiefe Abneigung gegen die Franzosen und die von ihnen
vertretenen Grundsätze, sowie die Freude über das Ende der Fremdherrschaft und die
*) Dieser Altar wurde sorgfHltig abgebrochen und wird höchst wabi-scheinlich nn einer älin-
lichen Stelle wieder sur Verwendung kommen.
*) Neu, Zur Geschichte des Fransiskanerklosters etc., Aachen 1881, S. 14.
») Cfr. Qu ix, Beiträge zur CJeschichte der Stadt Ajichen, II {lriH\, S. 13S: „Am 9. Mai 1390 wurde
der nunmehr fertig gewordene neue Chor der Kirche v«»n dem WtihJiischof zu Lüttich, ArnoUl,
Bischof von CapitoHaue mit 8 Altären geweiht." — Nou a. a. O. S. 17 nimmt hierbei nur eine
Bestauration an.
— 95 —
Dankbarkeit gegenüber dem Sieger kommen in dem Gedichte in gleicher Weise zum Aus-
druck. Jedenfalls ist das Gedicht, dessen Verfasser sich am Schlüsse selbst als „Schröders,
Küster zu Puffendorf im Gülischen Amt Aldenhoven** bezeichnet, nicht lange nach der
Schlacht entstanden. Wie einige im Gedicht (vgl. u. a. 6 und 8) befindliche Andeutungen
schliessen lassen, ist dasselbe vor der am 4. April 1793 erfolgten Flucht des Generals
Dumouriez zu den Oesterreiehem verfasst.
Ludovicus XVI
Innocens Mortuus
den 21ten Januarii.
Ludwig König der Franken, ist Mord-
weis gestorben, Wem wundert's: wenn solcli'
ganz Reich nunmehro verdorben?
Wird in ein neu Liedchen entworfen, unter der Melodie:
Wunderschön prächtig.
I. Vers.
Französisch' Nati(m! Wo ist dein Köuigsthronr*
O du elendes Volk in Babilon!
Du schändest deiner Krön, auch spürest jetzt dein Lohn,
Merke, wir singen dir*s, aus frohem Thon;
Du darfs zwar wagen, die wir's beklagen,
Zu plündern die Länder, mit schändlicher 3Iacht,
Bis dich der Kaiser zum Schinder jetzt jagt.
2.
National-Konvent! schrie auch dein Präsident!
Werden wohl billig Blut-Igel genennt;
Du sprachst ein Urtheil, dies bringt dir viel Unheil,
Da du dein König bringst in Henkers Hand.
Himmel schick Rache, donnere und krache,
Segne den Säbel in Koburg sein Hand,
Dass Er die Mörder würg im eignen Land.
3.
Gibt dir*s noch Wunder? Merk insbesonder.
Wenn du zum Feind jetzt hast die ganze Welt;
Ein Volk olm Gesetz, Freiheit ihr Geschwätz,
Gleichheit und Bruderlieb, wie man es zählt.
Keines von beiden wollen wir leiden.
Wir glauben und halten die römische Lehr,
Suchen und rächen des Kaisers sein Ehr.
4.
Wer hat die Welt gemacht? und dich darauf gebracht?
Begreifs du dies Wunder, so meld* es nur bald,
War's nicht der Himmel? Thörichter Lümmel!
Erkenne die Wahrheit, sie ist gar zu alt;
Ob dich empörest, doch nichts zerstörest.
Würdest du rasend, ein Lucifer gleich,
So bleibt das Wort gelten aus göttlichem Reich.
5.
Du pralllest dein(?r Macht, man dich darzu auslacht,
Sehe ein David mit Goliath im Streit,
— 96 —
Wer auf Gott vertraut, der hat wohl gehaut.
Gedeon mit wenigen schlagt weit und "breit,
Du Volk der Franken, gehst aus den Schranken,
Fluchest des Himmels und alles, was recht,
Wie die Barbaren und solches CJcschlecht.
6.
Du prahlst dein 3Ieistcrstiick und grosses KriegesglUck,
Seh, wie der Vogel dir jetzt fliegt aus der Hand,
Komm auf das Kriegsfeld, wo Koburg jener Held,
Mit hundert jagt tausendeu aus dem Land;
Ohne die Leichen, die Todes verbleichen.
Wir haben am Ruhrfluss viel tausend an Hand,
Denen der Pulver von der Pfanne gcbranudt.
7.
Du bringst zwar schön Geschütz, uns aber ist es Nütz,
Dir kocht man hier Suppen aus eigenem Döppcn,
Du hast den Freiheitsbaum hier gepflanzet kaum,
Du machest dein Gräber hier mit eigenen Schuppen;
Und auch dein rothe Kapp, 0 dummer Narrenlapp,
Brauche in Zukunft zu ein' Ehrenkranz,
Wenn dich noch lüstern soll dergleichen Tanz.
8.
Dein oberster Feldherr General Dumouriez
Ein echter Würgengel, wie Holofer,
Geister voller Hofart und von gar schlechter Art,
Michael der Held stürzt solch' Lucifer;
So faule Glieder plotzen jetzt nieder.
Laufen als Mörder und Böß wicht ins Grab,
Man würgt ihn' die Gurgel nicht schändlich gnug ab.
9.
Koburg du teurer Held, Heil sei dir in der Welt,
Wir streuen dir Palmen zum Lorbeerkranz.
Du hast uns Heil gebracht, die Franken fortgejagt, *•
Unsterblicher Lohn sei ewig dein Glanz.
Dies wenig Lieder, ich lege nieder,
L;h singe mit Jubel und freudigen Thon,
Gott reiche auf Ewig dem Helden sein Lohn.
10.
Sub umbra Alarum, 0 Lux Musarum!
Majestätischer Adler des Ocsterreicher Haus,
Ich bin dein Unterthan und reich dir diesen Plan;
So lang mein Blut weget, reiss ich nicht aus.
Mein Leib, und Leben, will ich dran geben,
Sehe, ich schreib dirs mit eigener Hand
Schröders mit Namen, so bin ich genannt.
Küster zu Puffendorf im Gülischen Amt Aldenhoven.
Princeps Saxokoburg Generalissimus!
Venit Vidit Vicit.
Koburg unter göttlich-starkem Schutz,
Ist den Patrioten jetzt zum Trutz.
Äacheit. C. Wackev.
Druck von UicKiiANN K.kki/.vm in /Vachkj».
Mmm -Ea@li©xis ¥oxÄ0li
Jshrljch S Numnicni Kummiiu<iiinii-Vi>rlim
k I Bögen Rojiil Oktay. '''^'
t 'rnuierVlii'n Itiii'liUnu'llniiK
Preis des Jahrgang» ,5 j„,„
4 Hark. in Aniilji'ti.
Mittheilungen des Vereins für Kunde der Aachener Vorzeit.
Im Auftrage des Vereios lierauHKegi'ben von B. Bobnock.
Achter JahrKanff. 1H05.
Inhalt: Franz OpiieobofT, Die famiUc von FticBbcim in Ani-huti im IT. und IE). JobrhuDtliirt.
Die Familie von Friesheim in Aachen im 17. und 18. Jahrhundert.
Von Franx Oppenhoff.
Die erste Nammer des laufenden Jahrgangs dieser Zeitschrift bra^'lite
aus der Feder des Herrn J. Bachkremer die eingehende, durch H Tafeln
erläuterte, hochinteressante Baugeschichte des Friesheimschen Hauses auf
dem Bergdrisch. Ist der Name dieser Familie eben durch ihr prftchtigCB
Heim den meisten Aachenern auch bekannt geblieben, so durfte doch kaum
mehr als der Name der ehemaligen Besitzer des jetzt niedcrgelcf^n Kchönen
Gebäudes sich in der lokalen Erinnerung erhalten haben. Und duch liegt
die VermutDng nahe, dass diejenigen, die ein. besonders für jene Zeiten,
80 ansehnliches Wohngebäude ihr eigen nannten, auch im öffcntlidien
Leben Aachens hervorgetreten seien.
Der Wunsch, fiber die ehemaligen Besitzer des Frie»^heimHche[l IfauMiii
genauere Nachrichten zu erhalten, hat zu den nathütehcnden Audführungen
den er-<ten Anst/j>ä gegeben. Dieselben machen cn hich ;<ur Auf^lM;, die
Beziehr.r.gen der Familie von Frie»>heim zum öffentlichen Uiben Aaehcnii
im 17. Jahrhundert und im Anfange des iH. unter Au^wJiIus^h de« min^ler
Wich'.:;/i:n kurz darzulegen. Der Verfa-SKer hofft damit zur Kenntuih der
GescLi.iite Aachen-^ io d<:r trüt^n Zeit, die i;n 17. Jahrhundert über Dculvib-
U-d hereinbrach, einen klehien Beitrag zo li<;f':ni, wenn er -lich atich nicht
TCTh^iiiL da-3 noch vieles der Aufklärung' ttezw. Krpänz'Jii:: Wlarf.
AU Qnei:en kommen vor aüem in Be'.r-yJjt die Ilut-- und l'AmxuV-.h-
pr>ju4.-:üe der ätadi Aachen: leMer reichen «ie wir b;-. ia da» Jahr det
gnwiMD .Staii'.braiile! ilOö*!; L;:.ii/. AL-ierer r"^.!','-.':;i':.'j ArchiTaHer) wird
■Lten Yj^kL-vWi g-^-Lehen. A'.f Gnid vo-'j .\:*-£.<,jt:u aj* A/i/:!-*;f.*;r
EirtbeBll^Lera t^i Mao» ia IL BaL'le »*:;L*:r ,&:i'.ra:^e z^r 0':Lea^/g:e
u 1
— 98 —
rheinischer Adels- und Patrizierfamilien" auch über die Familie von Friesheim
genealogische Mitteilungen gegeben, die der nachstehenden Arbeit viel-
fach sehr von Nutzen gewesen sind.
Es bleibt noch aufzuklären, woher die Familie stammt. Mit der
Uradelfamilie von Friesheim, welche die erbliche Vogtei im Dorfe Friesheim
bei Euskirchen besass und bereits 1171 urkundlich vorkommt, hat die
Aachener Familie nichts gemein. Das beweist die Verschiedenheit der
Wappen ^ Der Name der Aachener Familie wird bald Friesheim, Friessheim,
Vriessem, meist aber Freis(s)heim geschrieben. Sie gehörte der deutsch-
reformirten Kirche an und ist vielleicht in Folge ihrer Verwandtschaft
mit den Familien Amya, Blantsche u. a. nach Aachen gekommen. Nach
Macco werden die Friesheim in den Aachener Kirchenbüchern nicht vor
der Wende des 16. Jahrhunderts genannt^; allen Mitgliedern der Familie
kommt im 17. Jahrhundert das Adelsprädikat zu, einige, so der Oberst
Gottfried von Friesheim und seine Söhne, waren Freiherren. Gleichwohl
finden sich in den meist benutzten Adelslexiken keine Nachrichten über
die Familie von Friesheim, nur das Zedlersche Universallexikon ^ gedenkt
derselben als eines freiherrlichen Geschlechtes, dem der General der Infanterie
der Generalstaaten in Holland, Johann Theodor (f 1733) entsprossen sei*.
Im 17. Jahrhundert gab es in Aachen zwei Linien der Familie von
Friesheim, von denen die eine, deren Hauptvertreter Albrecht von Friesheim ^
war, das prächtige Haus auf dem Bergdrisch bewohnte, während die andere,
welcher der schon genannte Oberst Gottfried, Freiherr von Friesheim ange-
hörte, an der Ecke „des Duppengrabens** und „der Missierstrasse" ihr Heim
hatte ^. Beide Zweige der Familie zählten, wie das auch die vornehme
^) Gütige, Mitteilung des Herrn E. von Oidtman. Bezüglich der Wappen vgl.
von Oidtman in der Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins, Bd. VII, S. 315, Anm. 1,
Hensch, ebenda S. 297, Anm. 1 und Macco, Bd. II, S. 35.
*) Am 2. Februar 1677 bescheinigen Bürgermeister, Schöfifen und Rat der Stadt
Aachen, „dass der wohlgeborener Godefridus von Friessheim freyherr und oberster in
ihrer kayserlicher mayestätt dienst und dieser unserer statt eingeborener bürger und
einwohner ist, wie auch seine voreitern selige bürger und einwohnere
gewesen seyn**. (Amtliche Zeugnisse auf dem städtischen Archive.) Gottfried von
Friesheim war geboren 1602 oder 1603.
^) Bd. IX (aus dem Jahre 1735) unter Friesheim ; auch Macco führt die Familie als
Freiherren von Friesheim auf.
*) Ueber ihn s. unten S. 108 ff.
^) Ein Sohn Albrechts, Hans Peter, war wahrscheinlich Inhaber einer Kupferfabrik;
er wird 1677 unter denjenigen genannt, die aus dem städtischen „Kelmyn Berg" Galmei
geliefert erhielten. (Verzeichniss von E. E. Kahts Kelmyn Bergs, 1676—1677, auf dem
städtischen Archive).
*) Das Eckhaus Alexianergraben-Franzstrasse, in dem Oberst Gottfried Freiherr
von Friesheim wohnte, dürfte im Laufe der Zeit wohl manche Veränderungen erfahren
haben; doch machen besonders die den Hof räum umgebenden Gebäudeteile — eine
photographische Abbildung befindet sich im städtischen Museum — noch heute einen
imposanten Eindruck. — Dass Gottfried von Friesheim in dem genannten Hause wohnte,
ergiebt sich aus einem Erlasse des Kats vom 31. Juli 1663, der demjenigen eine Belohnung
von 100 Keichsthalem zusichert, der den „leichtfertigen Bosswicht" namhaft machen könne,
der am 27. Juli Nachts zwischen 10 und 11 Uhr in der „Wohnbehausung des Herrn
Obristen von Freissheirab am Eck des Duppengrabens" nach der Seite „von Missierstrasse"
— 99 —
Einrichtung des Hauses auf dem Bergdrisch und die Beziehungen der von
Friesheira zu anderen angesehenen und wohlhabenden Familien der Stadt
(Amya, Römer, Hessel von Dinteren u. s. w. ^) wahrscheinlich machen, zu
den reicheren Bärgerfamilien Aachens. Der Name Albrecht von Friesheims
(Freisheims) erscheint überaus oft in den städtischen Rats- und Beamten-
protokollen. Er war, wahrscheinlich seit dem 1. Februar 1651 ^ Gläubiger
der Stadt, und eine lange Reihe von Jahren hindurch beschäftigen die
„Freissheimschen Gelder" die städtischen Behörden; trotz wiederholter
Umlagen (Schatz, Schätzung^) und strenger Eintreibung bezw. Bestrafung
der „Hinderstendigen" wollte es Jahrzehnte hindurch nicht gelingen, die
Schuld zurückzuzahlen. Nach der amtlichen Festsetzung durch den Magistrat
betrug die Schuld am 6. März 1659 6451 Reichsthaler; die Interessen dieser
Summe seien für die Zeit vom 1. September 1655 bis 6. März 1659 zuzurech-
nen. Ausserdem sollten dem Gläubiger „wegen gehabter Mühe** 300 Tfialer
zugelegt werden*. 1662 beträgt die Schuld noch 3284 Reichsthaler ^ und
am 29. Januar 1665 beschliesst der Rat, „damit der Wittiben von Herrn
Alberten von Freissheim ihrer hinderstendigen Capital und Interessen halber
dermahleinst verholffen werden möge", solle „der bürger und einwohnender
sowoU als der Auswendiger darahn pro quota bezahlen" und mit dem
Empfange, der bereits begonnen hatte, fortgefahren werden*. 1669 beträgt die
Friesheimsche Forderung noch 2846^4 Reichsthaler, wozu aber noch ungefähr
700 Reichsthaler rückständige Zinsen kamen '. Noch im Jahre 1684 befassen
dorch ein Glasfenstcr einen „Grobstein in ein Gemach geworfen", das die Herren Abgesandten
der Generalstaaten der Vereinigten Niederlande innegehabt hätten, und in dem sie damals
beisammen gewesen wären. Vgl. auch RatsprotokoU von Dienstag, 81. Juli 1663 (Eats-
protokolle, Bd. IV, S. 153). Der bezügliche Erlass des Eats wurde „durch öffentlichen
Trommelschlag" verkündigt. — In einer notariellen Urkunde vom 24. Juli 1659 (in den
Prozessakten Freissheim/Sicss auf dem städtischen Archive) wird die Wohnung des
Herrn Obristen Gottfried von Freissheim als auf der Marschierstrasse belegen angegeben,
womit zweifellos ebenfalls das Eckhaus Marschierstrasse-Duppengraben gemeint ist. Dass
der Oberst vor 1659 auf dem Bergdrisch gewohnt hat, ist wohl kaum anzunehmen. Somit
dürfte die von J. Buchkremer in dem eingangs genannten Aufsatze (S. 7 des laufenden
Jahrgangs dieser Zeitschrift) ausgesprochene Vermutung, dass das bisher noch nicht ent-
zifferte Wappen auf dem prächtigen Kamine der Haupthalle des Hauses auf dem Berg-
drisch dasjenige der Familie Amya sei, nicht zutreffen.
*) Vgl.. die Namen der Taufpaten bei Macco a. a. 0., 11, S. 36.
*) An diesem Tage wurden bei Albrecht von Friesheim seitens der Stadt „Friedens-
oder Satisfaktionsgelder aufgehoben". — Aachen hatte zu der den Schweden nach den Be-
stimmungen des Westfälischen Friedens zu zahlenden Kriegsentschädigung von 5 Millionen
Thulern für seinen Anteil 27,234 Flor, beizusteuern. Vgl. Meyer, Aach. Gesch., Bd. I,
S. 646 und Haagen, Gesch. Achens, Bd. II, S. 258.
') Unter dem „Frei^sheimschen Schatze" ist eine Umlage zu verstehen, aus deren
Ertrag die von der Stadt an Freissheim geschuldete Summe („die Freisshei raschen Gelder")
bezahlt werden sollte. Ueber den Ausdruck Schatz, Schätzung vgl. man, was Haagen,
Gesch. Achens, Bd. II, S. 250 über die Hatzfeldsche Schätzung sagt, und Gross, Zur
Geschichte des Aachener Reichs, in dieser Zeitschrift, Jahrgang VI, 1893, S. 72.
*) Beamtenprotokolle, Bd. XXXIX, S. 99.
*) Ratsprotokolle, Bd. III, S. 48.
•) Ratsprotokolle, Bd. VI, S. 10.
^) Ratsprotokolle, Bd. X, S. 289.
— 100 —
sich Magistrat und Rat mit der alten Schuldforderung der Erben „weiland
Alberten von Freissheira*', mit denen ein Vergleich geschlossen wird \
wodurch die Angelegenheit ihr Ende erreicht haben dürfte.
Dass sich die Bezahlung einer verhältnismässig doch nicht grossen
Summe so lange hinziehen konnte, dass die Stadtkasse häufig nicht in der
Lage war, die fälligen Zinsen zu zahlen, erklärt sich aus der so überaus
trostlosen finanziellen Lage der Stadt im 17. Jahrhundert. Schon in der
zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts war der allgemeine Wohlstand infolge
der vielen Beunruhigungen durch Kriege sehr erschüttert worden^; vollends
vernichtet wurde er im 17. Jahrhundert. Mehr als der grosse Stadtbrand
des Jahres 1656 haben die unaufhörlichen Kriegsdrangsale die völlige Ver-
armung des grössten Teils der Bürgerschaft herbeigeführt*. Die damalige
Kriegführung ging nicht so sehr darauf aus, durch grosse Schlachten
eine schnelle Entscheidung herbeizuführen, als den Gegner durch Hin- und
Herzüge zu ermüden und durch Verheerungen des Landes der Mittel zur
Kriegführung zu berauben. Nur in den Sommer- und Herbstmonaten stan-
den die Truppen im Felde, im Winter fielen sie den unglücklichen Be-
wohnern des Landes, das gerade den Kriegsschauplatz bildete, zur Last.
Die Heerführer erhoben nicht selten die unerhörtesten Forderungen, für
sich selbst wie für ihre Offiziere und Mannschaften, und wenn sie nicht
befriedigt wurden, so plünderten und raubten sie, bis sie ihren Willen
durchgesetzt hatten. Es machte dabei keinen Unterschied, ob das Reich
bezw. die Stadt zu den kriegführenden Parteien gehörte oder nicht. Meist
handelte es sich darum, die Stadt zu zwingen, entweder die Truppen in
ihr Gebiet aufzunehmen und dort zu verpflegen oder aber für die Ver-
schonung eine Abfindungssumme zu zahlen. Die Heere der eigenen Nation
machten es kaum besser als die fremder, und ein kaiserlicher Schutzbrief
nutzte in den seltensten Fällen, da er von den Generalen, sei es unter
dem Drucke der Kriegsereignisse, sei es aus Habsucht, nicht geachtet
wurde; ebensowenig halfen spätere Eeklamationen.
Als Deputirter der Stadt und Vermittler fremden Heerführern gegen-
über war während des Dreissigjährigen Krieges zu wiederholten Malen
thätig der schon mehrfach genannte Freiherr Gottfried von Friesheim ; sein
Sohn zwang 1702 während des spanischen Erbfolgekrieges, an der Spitze
holländischer Truppen, die Stadt, seine Leute in ihre Mauern aufzunehmen
und ihnen mehrere Monate lang Quartier zu geben!
Freiherr Gottfried von Friesheim war seiner Zeit ohne Zweifel einer
der wohlhabendsten und einflussreichsten Bürger Aachens. Er war Offizier
im Dienste des Kaisers, in welchem er — nachweislich seit 1647 — den
Rang eines Obersten bekleidete*. Er lebte wenigstens in späteren Jahren
») EatsprotokoHe, Bd. XIV, S. 143.
•) Vgl. Hansen, Kriegsdrangsale Aachens in der zweiten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts, in der Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins, Bd. VII, S. 65 ff.
•) Vgl. Haagen, Gesch. Achens, Bd. 11, S. 244 ff. (259), und Aus Aachens Vor-
zeit, Jahrgang III, S. 113/14.
*) In amtlichen Zeugnissen des Aachener Magistrats (im städtischen Archive) aus
'en Jahren 1660 und 1675 wird er als sacrae Cacsareae maiestatis colonclus bezeichnet;
— 101 —
ständig in Aachen und war ein Geldmann mit den ausgedehntesten per-
sönlichen und geschäftlichen Verbindungen. Wir lernen ihn kennen als
Ankäufer mehrerer Häuser bezw. Höfe^ und als Inhaber einer „von der Stadt
gekauften" Mühle*, besonders aber als einen in Zeiten der Not von der Stadt
oft in Anspruch genommenen Vermittler in Geldangelegenheiten; an den
mannigfachen Truppenwerbungen in jenen kiiegerischen Zeiten war er
finanziell beteiligt, zu mehreren ausländischen Höfen hatte er die engsten
Beziehungen.
Gottfried von Friesheim wurde geboren zu Aachen 1602 oder 1603^
und vermählte sich am'29. November 1629 mit Katharina Amya, mit der er
acht Kinder hatte. Im Jahre 1642 war er Eittmeister und hatte seinen
Wohnsitz innerhalb des Aachener Reichs. Als nämlich nach dem Siege des
französischen Marschalls de Gu^briand über den kaiserlichen General von
Lamboy auf der Husener Heide bei Uerdingen am 17. Januar 1642 der Gene-
ral ßeinhold von Rosen, der, einem livländischen Geschlechte entsprossen,
mit Gustav Adolf nach Deutschland gekommen und nach Bernhard von
Weimars Tode 1639 mit dessen Armee in französische Dienste getreten
war, das Aachener Reich brandschatzte, kamen am 6. April 1642 Graf
von Merode de Holfalize zu Frankenberg, der Rittmeister Gottfried von
Friesheim und Arnoldus Schmitz, Pastor zu Haaren, einerseits und ßein-
hold von Rosen andererseits zu Düren zusammen, um wegen einer an den
letzteren zu zahlenden Summe zu verhandeln, wodurch der Plünderung
und Verheerung des Aachener Reichs durch die Rosenschen Truppen ein
Ende gemacht werden sollte. Die Stadt Aachen hatte sich nämlich zu
in einem solchen yom 26. August 1675 heisst er sacrae Caesareae maiestatis quondam
colonelhis, während er in einem Zeugnis vom 2. Februar 1677 „oberster in ihrer kayser-
hrher mayestätt dienst und dieser unserer statt eingeborener bürger und einwohner"
genannt wird (vgl. S. 98, Anm. 2).
*) So kaufte er im Jahre 1637 (?) das bekannte Gut Oberfrohnrath bei Horbach,
welches zu Anfang des 18. Jahrhunderts aus den Händen der Familie von Friesheim
durch Kauf (für 25000 holländische Gulden) an den Bürgerhauptmann Johann von Thenen
überging, bei dessen Familie es bis heute geblieben ist. S. Hon seh in der Zeitschrift
des Aachener Geschichtsvereins, Bd. VIT, 8. 296/97. — Ueber die Erwerbung eines „auf
der Paunelle** am Stadtwall gelegenen Hauses durch Gottfried von Friesheim berichtet
eine Urkunde vom 27. Oktober 1635, die bei Pick, Aus Aachens Vergangenheit, Aachen
1895, S. 481 mitgeteilt wird.
^ Wo diese Mühle lag, konnte nicht genau festgestellt werden. Einen Anhaltspunkt
bietet eine Notiz in dem Beamtenprotokoll vom 19. Juni 1668 (Bd. XXXX, S. 270): „Den
Supplicirenden Lambert Lamberts, Jacob Moess und Consorten haben herm Bürger-
meistere und beambten auf ihre gcthane praesentation, dass die bottergass uf ihre
eigene Kosten bestendigh repariren und 12 ihar langh also unterhalten wollen mitt dieser
condition daz von dess h. Vögten heyendalss erb ahn biss ahn dess h. obr. von
freissheimbs Müll solches thun sollen, gegen einnehmungh dess Weggelts ahn St.
Albertspfortz uf 12 ihar langh dergestalt wie in ihrer Supplication mitt mehreren Vermelt
ihr begeren eingewilligt . . .** u. s. w. Die Buttergasse, in welcher demnach die Mühle
lag, war eine Querstrasse des Adalbertsteinwegs und schnitt diesen auf der Strecke
zwischen der heutigen Elsass- und Viktoriastrasse.
*) Es heisst nämlich in einem vom Aachener Magistrat am 4. April 1675 aus-
gestellten amtlichen Zeugnisse: ilhistris et generosus dominus Godefridus baro de Freisheim,
aetatis septuaginta duorum annorum . . ,
— 102 —
einem Vergleiche mit von Rosen d. h. zur Zahlung einer Abfindungssumme
an diesen General nicht verstehen wollen, was zur nächsten Folge die
Brandschatzung des Aachener Reichs gehabt hatte. Die oben genannten
drei Abgesandten des Reichs, die „ohne Zuthun der Stadt" im Namen der
Eingesessenen des Reichs die Verhandlungen führten, kamen mit von Rosen
dahin äberein, „dass das Reich von allen Hostilitäten, als Raub, Plünde-
rung, Morden und Brennen frei sein solle, wenn es ein für alle Mal diesen
alhier logirenden Regimentern zum besten 4000 Reichsthaler innerhalb 8
Tage zahlte**. Die Stadt Aachen wurde ausdrücklich von diesem Abkommen
ausgeschlossen ^ In den Jahren 1647 und 1648 w&r der Oberst Gottfried
Freiherr von Friesheim Kommandant zu Eschweiler ^. Als solcher hatte er
den Auftrag, die von der Stadt Aachen, deren Waffenfabrikation vor dem
Stadtbrande in hoher Blüte stand ^, zum Dienst der kaiserlichen Heere auf
das Schloss zu Eschweiler gelieferten Waffen, inbesondere Pistolen, den
einzelnen Truppenkörpern gegen Quittung auszuteilen*.
Wie 1642, so hat Oberst von Friesheim im Laufe des 30jährigen
Krieges mehrmals im Interesse Aachens mit den Führern der Aachen oder
dessen Gebiet berührenden Armeen verhandelt, öfter auch das zur Befrie-
digung der Generale nötige Geld vorgeschossen. Er selbst weist hin auf
seine Bemühungen und Verdienste um die Stadt in einem Schreiben an
diese vom Oktober 1660, in welchem es heisst: „Was nuhn anbelangt, das
mit Hern Haubttman Boogardt vor diesem von E. E. Rahtt auff Euss-
kirchen, Kessenich und der ents wegen Abwendung der 6 Lottringschen
Regimenter deputirt gewesen, auff welcher reysen dan ich alle Zehrungs-
und andere Unkosten verwandt und bezalldtt, und mir grosse obligationes
von denselben Obristen und ihren nachgesetzten Officieren über den Halss
gezogen, will mich ahn gemeltes Hern Haubttmans advis und raport refe-
rirt haben, und stelle eins mit dem anderen zu meiner hooch- und villge-
ehrter Heren Burgermeister und Heren Beambten grossgunstiger Discretion/
In demselben Briefe wird an einer anderen Stelle ausgeführt: (Die Herren
Bürgermeister und Beamten mögen erwägen, dass) „mir derzeit in a° 1636
wie ich auff einstendigh anhalten des Hern Burgermeister Berchems, Hern
Doctor Nuttens und Hern Balthasaro Munstero als damohllen E. E. Rahtts
abgesanten undt Deputirten, zu Dienst der ganzer Statt und gemeinem
Besten innerhalb drey ad 4 dagen: Rixdl. 28 400 content formirte und dahr-
schoss, und in a"* 1640 denovo, auff Begehren E. E. Rahtts, an Picolomini
und General Commissario Boehmer, voor dem Burgermeister Buittbach baar
*) Dass es bei der Zahlung von 4000 Reichsthalern nicht verblieb, geht aus dem
unten S. 103 auszüglich mitgeteilten Briefe des Obersten Gottfried von Friesheim an
die Stadt Aachen vom Oktober 1660, wo der Schreiber angibt, dass er „a* 1642 zu
Manutinentz des Reichs an Generalmajor Koose 5000 Reichsthaler und dan 10 000 Reichs-
thaler** bezahlt habe, klar hervor. — S. Anhang.
») Seit dem 11. Mai 1648 erscheint Kapitänlieutenant Promb als Kommandant in
Eschweiler.
•) Vgl. Haagen, Gesch. Achens, Bd. IT, S. 250.
*) Mehrere dieser Quittungen mit anderen diese Angelegenheit betr. Papieren be-
finden sich auf dem städtischen Archive.
— 103 —
zahllete Rxdl. 12 000 und deu 24. May selbiges Jahrs 7000 ßxdl. und
dan in a** 1642 zu Manutinentz des Reichs an den Generalmayor Roose
5000 Rxdl. und dan 10 000 Rxdl. So van den ersten Rxdl. 28400 durch
meine Dexteritiet, dem deuffel aus dem Rachen zu Collen gehoolt, davon
ohne mich E. E. Rahtt woU nit eines Hellers Wehrt wurde becommen
haben, versprochen wahrt axinsbefreyung und andere prävilegien mehr vor
meine Lebzeitt ..."
Bezüglich der erwähnten Kriegsdrangsale sei auf die Darstellung des
betr. Zeitabschnittes bei Meyer und Haagen (II, S. 244 S.) verwiesen.
Im Jahre 1636 quartierte der kaiserliche Oberst von Bredau seine 12
Kompagnieen zu Pferd und 5 zu Fuss mit Gewalt in Aachen und der
nächsten Umgebung ein und blieb dort vom 12. Februar bis zum 8. Juni
(Meyer, I, S. 623/4); 1640 musste die Stadt die Befreiung von den Winter-
quartieren, die der kaiserliche General von Hatzfeld in Aachen zu nehmen
drohte, sehr teuer erkaufen (Haagen, II, S. 250); über die Plünderungen
im Aachener Reich durch General Rosen 1642 s. oben S. 101/2 und Anhang
zu S. 102. Im einzelnen lassen sich die Vorgänge, auf die der Schreiber
des Briefes * hinweist, wohl kaum nachweisen.
Es fehlte Gottfried von Friesheim nicht an mächtigen ausländischen
Verbindungen, die wohl geeignet waren, seinen Einfluss in der Stadt zu
stärken; von besonderer Bedeutung sind seine Beziehungen zum englischen
Hofe und diejenigen zum Hause Oranien. Karl II., der Sohn und Nachfolger
des unglücklichen, am 30. Januar 1649 hingerichteten Königs Karl I. von
England, war nach der vollständigen Niederlage bei Worcester (1651) von
Cromwell eifrigst verfolgt unter wunderbaren Abenteuern aus England
geflohen und hatte seitdem auf dem Festlande in gezwungener Unthätig-
keit abgewartet, bis die Zeiten sich der Wiederaufrichtung der Monarchie
und seiner Wiedereinsetzung in die königlichen Rechte günstiger gestalteten.
1660 beriefen ihn seine Unterthanen zurück, und ergriff er von dem an-
gestammten Throne Besitz. Das tragische Geschick seines Hauses und
die eigenen wechselvollen Erlebnisse Karls IL, der wie wenige die Ungunst
und die Gunst des Schicksals erfahren hatte, erweckten diesem Fürsten
^) Das Schreiben, dem die oben mitgeteilten Auszüge entnommen sind, betrifft eine
dem Obersten von Friesheim von der Stadt zugegangene Rechnung von 11636 Mark, „die
noch von Wein und Bier Accinssen restiren sollten". Diese Rechnung will der Oberst
nicht anerkennen nuter Berufung darauf, dass ihm für seine der Stadt geleisteten Dienste
Accinsbefreiung versprochen sei. Am Schlüsse des Briefes spricht er die Hoffnung aus,
dass seine „villfaltige gethane treuwe diensten und Mühewaltungen noch in etwas werden
consideriret werden und meine hoch- und villgeehrte Heren mir dahrin nit zu hartt fallen,
angesehen ein gantze gemeinden besser etwas entrahten kann als ein particuller; sonderlich
der es ohne Raum zu melten mit trewen Diensten meritirt hatf*. Die Bürgermeister
und Beamten lehnten die Bitte des Obersten um Niederschlagung der genannten Forderung
nicht völlig ab, sondern „machten diesen Durchschlag, dass dem Herrn Obersten in
Absehlag und Quittirung aller und jeder seiner Praetensionen" die Hälfte der betr.
Summe nachgelassen werden, dass er aber „den übrigen Rest entrichten und inskünftig
gleich anderen damit gehalten werden solle**. (Beamtenprotokolle Bd. XXXIX, S. 177.)
Das Schreiben des Obersten, welches kein Datum tiägt, war bei der städtischen Ver-
waltung am 20. Oktober 1660 eingegangen.
lU* —
eine aussergewöhnliche Teilnahme auch ausserhalb Englands, namentlich
an den Orten, an denen er während seiner Verbannung geweilt hatte. Zu
diesen Städten gehörte auch Aachen ; auch Aachens Bürger hatten den nur
allzu schwachen, aber mit der Gabe einer seltenen persönlichen Liebens-
würdigkeit ausgestatteten Fürsten in seinem Unglücke im Jahre 1655 in
den Mauern ihrer Stadt kennen gelernt; als er endlich auf den Thron
seiner Väter zurückgeführt wurde, erweckte die Kunde hiervon auch in
Aachen lebhaften Widerhall, der in einem herzlichen Glückwunschschreiben
der Stadt seinen Ausdruck fand^ In demselben Jahre (1660), in dem Karl
nach England zurückkehrte, ernannte er den Obersten Gottfried, Preiherrn
von Friesheim zu seinem Residenten in Aachen. Die Ernennungsurkunde
(aus Westminster vom 2. Dezember 1660^) rühmt seine reife Einsicht und
seine Verdienste, sowie seine nicht gewöhnliche Ergebenheit für den König
und seine Sache; „anderswo habe er hiervon öfters Proben abgelegt".
Wahrscheinlich hatte der König während seines Aachener Aufenthalts den
Obersten kennen gelernt und mit ihm Verkehr gepflogen. — Gottfried von
Friesheim war als „Magnae Brittanniae et Hyberniae regis hac in urbe
residens", wenn die Stadt Veranlassung hatte zur englischen Regierung
oder diese zur Stadt in Beziehung zu treten, der Vermittler. Ein solcher
Fall trat ein 1668, dem Jahre des Aachener Friedenskongresses. Der
englische Gesandte zum Kongresse, Ritter Temple, kündete seine bevor-
stehende Ankunft dem Obristen Gottfried von Friesheim an, damit dieser der
Stadtverwaltung wegen des bei solchen Gelegenheiten üblichen Ceremoniells
Mitteilung mache. Der Gesandte hatte dem Wunsche Ausdruck gegeben,
„ab incognito einzukommen". In diesem Sinne benachrichtigte die Stadt
den Meyer, den Pfalz-Neuburgischen Obristlieutnant, Freiherm von Kolff,
dem als Vertreter seines Herrn das Recht zustand, den Gesandten das
militärische Ehrengeleit zu geben. Nachträglich aber berichtete der Haupt-
mann Bogardt, den die Stadt eigens zu dem Zwecke dem Ritter Temple
entgegengeschickt hatte, um von ihm zu erfahren, ob er feierlich em-
pfangen werden wolle, dass der Gesandte erklärt habe, „ex rationibus"
wünsche er ebenso wie die anderen Gesandten eingeholt zu werden. Als
nun dem Herrn von Kolff, der inzwischen „die fürstlichen Völker" hatte
abziehen lassen, die Mitteilung von der Sinnesänderung des Gesandten
gemacht wurde, „formalisirte er sich höchlichst darüber** in der Meinung,
die Stadt Aachen habe ihn absichtlich getäuscht, um ihn in der Ausübung
des Geleitsrechtes „zu retardieren". Er drohte, dass hierdurch der Ver-
4xag zwischen seinem Herrn und der Stadt „interrumpirt" werden solle.
In dieser Verlegenheit beschlossen Bürgermeister und Rat („zu Entfliehung
aller Misshelligkeiten, so bei diesem Zustand zu befahren") die feierliche
Einholung durch die Herren Bürgermeister für dieses Mal zu unterlassen,
dem Herrn Gesandten aber die Herren Hauptmann Bogardt und Oberst
von Friesheim entgegen zu schicken, die die Stadt „aufs beste excusiren"
>) S. Meyer, Aach. Gesch., S. 663; Haagen, Geschichte Achens, Bd. n, S. 274.
•) S. Anhang.
— 105 —
sollten, übrigens „wolbemelten herrn, wie anderen hcrren beschehen, mit
kanon und kammerschuss zu verehren" ^
Wie zu dem königlichen Hause von England, so hatte Gottfried von
Friesheira auch sehr nahe Beziehungen zum Hause Oranien, das durch
Heiraten* mit dem Hause Stuart eng verknüpft war. Im September 1681
erhielt Oberst von Friesheim in seiner Wohnung auf dem Alexianergraben
den Besuch der Prinzessin von Oranien. Bürgermeister und Beamte be-
schäftigen sich am 5. August 1681 mit den Empfangsfeierlichkeiten für
den hohen Gast und beschlossen: ,,dass beym einziehen der Königlichen
Princesse von Oranien die bürgerschaflft von Cölner-Pfortz ab bis ahn des
herrn Obristen von freissheimb behausung in armis und parade stehen,
der weg durch gross Cölnerstrass über Closter (so hiess früher Kloster-
gasse und Klosterplatz; vgl. Pick, Aus Aachens Vergangenheit, S. 223)
und Parfiss genohmen und ohne einich schiessen mit wehr beschehen,
sondeni nur mitt Canon und Cammer dass salut geben werden solte*^.
üeber den Besuch der Prinzessin von Oranien berichtet ganz kurz
auch die kleine sogenannte Schricksche Chronik oder „Verzeichnuss Wass
sich alhier Binnen dieser Stadt Aachen Innerhalb 23 Jahren Zugetragen
hatt, als anfangent 1666 bis 1689 adi". Hier heisst es zum Jahre 1681:
„5 Sept. Kam die Princess von Oranien hierin .... 12 dito Marschirte
die Princessin von Oranien hinweg"*. Der Name der Prinzessin von
Oranien ist weder in dem Beamtenprotokoll noch in der Schrickschen
Chronik angegeben; man hat wohl an die Gemahlin Wilhelms in., Maria,
die Tochter König Jakobs II. von England, welche nachmals Königin von
England wurde, zu denken ^
Oberst Gottfried Freiherr von Friesheim starb in hohem Alter im
Juli 1683, nachdem ihm seine Gemahlin im August 1682 im Tode vorauf-
>) Beamtenprot. vom 27. April 1668 (Bd. XXXX, S. 261 ff.). — Eine Notiz in
dem Beamtenprotokoll vom T.November 1668 (Bd. XXXX, S. 280) lautet: -Dem Herrn
Obristen von freissheimb sollen wegen des Englischen Ambassadorn Tempels von gebrawenen
weissen Bier guctgethan [werden] sechssig gl. aix. — Nach dem Beamtenprotokoll vom
22. Februar 1691 (Bd. XXXXTTT, S. 287) wurde dem Syndikus Lipman aufgegeben „ein
höffliches schreiben an Ihre Majestät König in Engellandt, wie weniger nit ahn h. Obristen
von freisheim einzurichten gestalt derselbe sich gefallen lassen wolle ersagtes schreiben
behorig orthss zu adressiren". Der hier genannte Oberst von Freisheim ist zweifelsohne
der Sohn des Obersten Gottfried, Johann Theodor von Freisheim, welcher in den Dienst
des Prinzen Wilhelm in. von Oranien, Erbstatthalters von Holland, der im Jahre 1668
auf den königlichen Thron von England erhoben wurde, getreten war. üeber ihn s. unten
S. 108 ff.
*) Karls II. Schwester Maria war die Gemahlin Wilhelms n., Prinzen von Oranien,
und der ans dieser Ehe hervorgegangene Sohn, Wilhelm III. von Oranien, heiratete 1677
Maria, die älteste Tochter Jakobs II. von England, des Bruders und Nachfolgers Karls 11.
*) Beamtenprot., Bd. XXXXII, S. 138.
*) von Fürth, Beiträge und Material zur Geschichte der Aachener Patrizierfamilien,
Bd. U, 8. Abteilung, 2. Anhang, S. 181.
*) Wenige Tage nach dem Besuch der Prinzessin von Oranien wurde dem Oberst
Gottfried von Friesheim eine Enkelin geboren, zu deren Taufe als Patin geladen war
und persönlich erschien: „Charlotte, Ihre Durchlaucht die Verwlttibte Frau ChurfUrstin
zur Pfalz". S. Macco a. a. 0., Bd. n, S. 85, Anm. 2.
— 106 —
gegangen war^ Die Söhne wandten sich wie der Vater der militärischen
Laufbahn zu und brachten es hier zu hohen Stellungen. Der älteste von
ihnen, Johann, geboren 20. Dezember 1630, der im Jahre 1658 den Rang
eines Obristwachtmeisters im Regimente des Obersten Georg Friedrich von
Sparr^ im Dienste Kaiser Leopolds bekleidete, weilte im Mai genannten
Jahres in Aachen, um Mannschaften für sein Regiment anzuwerben. Ob-
gleich Leopold ihn mit einem Empfehlungsschreiben^ an Bürgermeister
und Rat der Stadt Aachen ausgerüstet, und sein Minister von Lamboy
in demselben Sinne an die Stadt geschrieben hatte, wurde die Werbung
Anlass eines ernstlichen Konfliktes. Die Ursache ist nicht völlig aufgeklärt,
doch scheint es, dass ein Aachener, Zander Cornelissen, seines Zeichens
ein Zimmermann, unter Schmähreden gegen Leopold die in seinem Namen
veranstaltete Werbung verächtlich zu machen suchte und dadurch den
Zorn des Oberstwachtmeisters Johann von Friesheim so gewaltig reizte,
dass er gegen ihn den Degen zog, den Fliehenden verfolgte und ihn in
dem Hause „zur Maus" auf dem Münsterplatze niederstiess. Bürgermeister
und Rat der Stadt wollten diese Rechtsverletzung nicht ungeahndet
lassen, sondern thaten Schritte zur Ergreifung Johann von Friesheims und
suchten zu hindern, dass er mit den bereits angeworbenen Truppen die
Stadt verlasse. Der Vorfall hatte sich am 4. Mai zugetragen; am 6. Mai
protestirte Oberst Gottfried von Friesheim Namens seines Sohnes in Gegen-
wart dreier Offiziere des von Sparrschen Regiments auf dem Rathause gegen
die Massnahmen der städtischen Behörde und verlangte freies Geleit für
seinen Sohn zur Abführung der angeworbenen Truppen. An demselben Tage
fassten die Bürgermeister und Beamten folgenden Beschluss:
1658, Mai 6. Obwohl der Obrister Freissheimb sich heut dato vor
herren Burgermeist^ren und Beambten angeben und namens seines sohus
*) Nach den Begräbnisregistern der Alexianerbrüder, die auf dem Aachener Standes-
amte aufbewahrt werden, wurde Oberst von Friesheim am 9. Juli 1683, seine Gemahlin
am 1. September 1682 begraben.
*) Georg Friedrich von Sparr gehörte einer angesehenen, wahrscheinlich aus
Schweden stammenden Familie an, aus der im 17. Jahrhundert mehrere tüchtige Generale
hervorgingen, so Ernst Georg, Graf von Sparr, Kaiserlicher General-Feldzeugraeister, der
unter den verschiedensten Fahnen sich kriegerische Lorbeeren errungen hat, und inbesondere
Otto Christoph, Freiherr von Sparr, Kurfürstlich-braudenburgischer Generalfeldmarschall,
der als tüchtiger, zuverlässiger, namentlich im Geschützwesen erfahrener Führer von dem
grossen Kurfürsten mit Recht sehr hochgeschätzt wurde. (S. Allgemeine Deutsche Biographie,
unter Sparr.) — ücber Georg Friedrich von Sparr s. auch S. 108, Anm. 1.
^) In diesem Schreiben, welches das Datum, Pilsen den 5. Februar 1658, trägt, heisst es:
„Demnach wür zu mehrer Versterckhung unserer armada unseren under den sparischen
Regiment Obristen Wachtmeisteren Johann von freissheimb eine gewisse Werbung zu
fuess aufgetragen haben, Alss ersuchen wür Euch hiemit freund tgnediglich, Ihr wollet
gedachten Obristwachtmeisteren Johann von freissheimb oder seine dessentwegen aus-
schickenden officier nicht allein die freye Werbung verstatten, sondern auch darzue allen
gueten Vorschub und hilifliche Handt biethen. . ." Die Unterschrift lautet: Leopold, König
von Böhmen und Ungarn und Erzherzog zu Oesterreich. (Leopold I. wurde erst am 18. Juli
1658 zum Kaiser erwählt und am 5. August gekrönt; König in Ungarn war er bereits seit
1655.) Lamboys Brief ist aus Prag vom 12. Februar 1658 datirt. Beide Briefe be-
finden sich auf dem städtischen Archive.
— 107 —
dess Obrii^ten Wachtmeisters Johanssen von Freissheimb (welclier vorgisteren
nachmittags in der Mauss in eines Burgers hauss einen Zimmerman nieder-
gestochen) frey gleidt zu abfuhrung seiner Volker zu Behuef Ihrer
Konigen in Ungarn zu ertheilen begert, zugleich auch protestirt, dass man
zu ergreiffung wohlgemeltes seines sohns die haxschalen (?) in seinem hauss
geschicket hette. So haben herren Beambten, den Pralen punctum wegen
des gleidts weilen dieser actus zumal exorbitant und der Statt und Bürger-
lichen Privilegien zuwieder lauft, zu Einem Ehrbarn Raht verwiesen,
sonsten sich erklert, dass sie erleiden mögten, dass die geworbene Volker
durch den officiren stündlich abgefürt würden, welches dem Obristen Freiss-
heim per Secretarium also angezeigt worden. Wie nun derselb mit dieser
der herren Beambten Erklehrung nicht zufrieden sondern umb ferner per-
sohnlich gleidt seines sohns angestanden, ist es bey vorigen antwort ver-
plieben, wargegen bemelter Obrist protestirt und verlauten lassen, wan
bey so beschaffen Sachen, einige fernere Soldaten verloren gehen werden,
dass er und sein söhn den abgang an die Verursachere zu suchen bedacht
were, dass er sonsten viele gehessige Leut dahie hette, solches wiesse der
effectus auss^
Der Bat trat der Auffassung des Magistrats bei und beschloss am
8. Mai 1658: „Ein Erbar Kahtt last es bey der hh. Bürgermeister und
Beambten Schluss wegen des wieder den Obristen Wachtmeister Johann
von freissheimb abgeschlagenen gleides, noch zur Zeitt bewenden*'*. Jetzt
griff Oberst Georg Friedrich von Sparr zu Gunsten seines Oberstwacht-
meisters ein; er eilte von Köln nach Aachen und richtete am 14. Mai ein
Schreiben ^ an die Bürgermeister, in dem er kategorisch sowohl freien Ab-
zug für seinen Oberstwachtmeister und seine Kompagnie samt Bagage und
Zubehör als auch Bestrafung des oben genannten Zimmermanns verlangte.
Am Schlüsse seines Briefes erklärt Oberst von Sparr, er erwarte schleu-
nigste Antwort, da er im Begriffe stehe, „zu Pferde zu sitzen"; die Bürger-
meister würden, indem sie seinen Wünschen Folge gäben, sich selbst
und ihm „viele Weitläufigkeiten abschneiden". Diesem so bestimmt ausge-
sprochenen Ersuchen hat der Magistrat wohl entsprechen müssen; war
doch in jenen kriegerischen Zeiten bei den trostlosen Zuständen im deut-
schen Reiche die bürgerliche Gewalt der militärischen gegenüber machtlos.
Aber man verlangte doch eine Entschädigung des verwundeten Zimmer-
manns, und zwar hielt man sich an den Vater des inzwischen abgezogenen
Oberstwachtmeisters. — „In Sachen" — heisst es in dem Beamtenprotokoll
vom 12. Juli 1658* — Zandern Cornelissen und den herrn Obristen God-
darten von freisslieimb eines und andern Theilss haben hh. Bürgermeister
und Beambten über vorigen ertheilten mündlichen Bescheideren | : dass
Er nemblich den durch söhn h. Johannen von freissheimb verwundeten
Cornellischen befriedigen solle: | die Execution erkandt und solle
^) BeamtonprotokoUe Bd. XXXIX, S. 79.
») Ratspro tükolle, Bd. I, S. 156.
*) Dasselbe befindet sich im städtischen Archive.
*) Beamtcnprotokolle Bd. XXXIX, S. 85.
— 108 —
Ein herr Ein lierr sein und den Ungehorsamen zum Gehorsam
pringen".
Zehn Jahre später nahm Johann von Friesheim, der inzwischen zum
Generalwachtmeister aufgerückt war, im Dienste der Republik Venedig
auf Kreta an den Kriegen gegen die Türken teil, in denen Angehörige
aller Nationen auf das heldenmütigste, aber dennoch ohne Erfolg, für den
christlichen Glauben und christliche Kultur und Gesittung kämpften. Zwei
Brüder Johann von Friesheims, Wilhelm Heinrich und Johann Theodor,
hatten Kompagnieen in dem Regimen te Johanns, doch hat Johann Theodor
an dem Feldzuge wohl kaum teilgenommen ; an seiner Statt führte ein Haupt-
mannsverwalter (Laurentio Bartholomaei) die Kompagnie ^ 20 Jahre lang
hatten die Türken auf Kreta Krieg geführt, 4 Jahre lang dauerte die
förmliche Belagerung Kandias, des am stärksten befestigten Platzes und
letzten Stützpunktes der venetianischen Macht auf der Insel, bis endlich
am 7. (17.) September 1669 nach hartnäckigster Verteidigung der Rest
der christlichen Besatzung in ehienvoller üebergabe die Stadt räumen
musste. Schon einige Monate vorher war in den heissen Kämpfen um das
Fort St. Andreae Johann von Friesheim gefallen ^,
Der jüngste Sohn Gottfried von Friesheims, Johann Theodor^, geb.
7. Oktober 1642, dessen oben bereits mehrfach gedacht worden ist, trat in den
*) Prozessakten Buirssgen/Freisheira (Stadt. Archiv). S. auch die folgende Anm. —
Die „ausländischen Völker** im Dienste der Republik Venedig standen unter dem Befehle
des früheren Obersten Johann v. Friesheims, des Generals Georg Friedrich von Sparr, der bei
der Belagerung Kandias neunmal verwundet und späterhin zum Kaiserlichen General-
Feldmarschall-Lieutenant erhoben wurde (S. Zedier, Universallexicon unter Sparr).
^) Auf Ersuchen Gottfrieds von Friesheim, des Vaters Johanns und auf dienst-
eidliche Versicherung des Schöffen Johann Wilhelm von Berchem und des städtischen
Artilleriehauptmanns Jakob Savelsberg bescheinigen Bürgermeister, Schöffen und Rat
am 6. April 1669, dass der „illustris et generosus dominus Joannes baro a Freisheim
piae memoriae, quondam sacrae Caesareae majestatis colonellus et generalis vigiliarum,
qui nuper in servitio serenissimae Venetorum reipublicae in praesidio
Candiae contra hostem Christiani nomiuis militando occubuif, ein ehelicher
Sohn des Gesuchstelle rs und seiner Frau Katharina Amia sei. Wenige Tage später (am
13. April 1669) bescheinigen dieselben Behörden gleichfalls auf Ersuchen Gottfried von
Friesheims, dass in Aachen und Umgegend keine ansteckende Krankheit herrsche. Dieser
Bescheinigung bedurfte der Antragsteller, da er mit seinem Sohne Johann Theodor —
offenbar aus Anlass des Todes Johann von Friesheims — nach Italien zu reisen beab-
sichtigte. Gottfried von Friesheim selbst war bei den grossen Werbungen der Republik
Venedig finanziell beteiligt (S. auch Prozessakten Bürssgen/Freisheim auf dem städtischen
Archive) und hatte noch im Jahre 1675 einen Geschäftsführer in Venedig. Am 26. August
dieses Jahres nämlich erklärte Gottfried von Friesheim vor den Bürgermeistern, Schöffen
und Rat, dass sein Mandatar und Geschäftsführer zu Venedig, Abraham von Colin,
jüngst verstorben, und damit das diesem am 9. Februar 1675 vor dem hiesigen Magistrat
ausgestellte „mandatum ad recipiendum a serenissima republica Venetiana ipsi domino
comparenti adhuc restantia debita" erloschen sei, und ernannte zugleich zu neuen Bevoll-
mächtigten Laurenz und Simon Charles.
^) Bei Macco a. a. 0. Johann Die der ich genannt; Taufpaten waren: Johann
Diederich, Graf von Merode (S. Anhang zu S. 102), Daniel Amya, Johann von Bour,
Baro de Frankenberg, Paulus Roemer doctor, die Edelgeborene Anna von Stein-Kallen-
fels, Maria Seulain und Susanne de Beurre.
— 109 —
Heerdienst der Generalstaaten in Holland ein und bekleidete im Jahre 1680
den Rang eines „capitains onder die guarde von syn hocheyt" K Im zweiten
Jahre des spanischen Erbfolgekrieges, am 7. November 1702, zog er, der mitt-
lerweile Generalmajor geworden war, an der Spitze holländischer Truppen
in das Aachener Gebiet ein, um sehr gegen den Willen der Bürger und
der derzeitigen städtischen Behörden in der Stadt Winterquartier zu nehmen.
Wie in so vielen Fällen, weigerte sich die Stadt erfolglos, die holländischen
Truppen, denen bald noch preussische folgten, aufzunehmen. Im Einzelnen
berichtet über diese Vorgänge ausführlich die Chronik des Bürger-
meisterei-Dieners Janssen, wo es zum Jahre 1702 heisst: „Den 7'®° 9^*^^*
ist der general freissheim von die staeten mit 3000 man Reuter und fusser in
reich von Aachen (eingerückt) und heilt sich 8 tag darein auff und thäte
grossen schaden, und den 14 9"'^*'' komt dieses folck bis an pont Pfortz
und wolte parfors in der statt sein, die h h™ hielten die thor verslossen
konten aber dass accordt nitt einig werden, da bleib dass folck vor Pont
pfortz liegen, des nachts und haben groossen Schaden in die benten, an
Haagen, bäum alles abgehauwen und feur davon gemacht dai-auff dan des
aben alle burgerschaft in gewähr und auff die wäll gute wacht gehalten,
und diese habens halt nit besser gemacht, dan sie nahmen auch dass holtz
und bonestecken auss die gartens und Machten auch feur davon, darüber
komt der Kayserl. Commissarius von luttich in der Nacht durch dass Volck
nach sandtkoul pfortz zu, so unterreden sich unsere h h*" mit ihm und seindt
dess accordts einig worden, und das volck komt den 15. 9^^** zur statt
hinein und blieben hier in winter garnisonn, dan sie hatten im Nahmen
des Kaysers ihre function wohl gedahn" *. Es ist nur zu begreiflich, wenn
die Stadt sich mit allen Mitteln sträubte, Trappen, auch wenn sie, wie in
diesem Falle, einer befreundeten Macht angehörten, für den Winter in ihre
Mauern aufzunehmen. Denn abgesehen davon, dass die Anwesenheit der
Soldaten mannigfache Belästigungen für die Bürger mit sich bringen
musste, so waren auch stets grosse Geldopfer für die Stadt mit den Ein-
quartierungen verbunden. So auch im Winter 1702/3. Von manchen Miss-
helligkeiten und Streitigkeiten über die beiderseitigen Verpflichtungen
berichten die städtischen Beamtenprotokolle ^; Interesse dürfte auch folgende
Notiz erwecken, die dem Protokoll vom 8. Januar 1703^ entnommen ist,
„ferner sint h. Rhentmeister Heidtgens und h. Weinmeister von Eschweiler
deputirt worden, gestalt dem h. Generalmaior freiherrn von freissheimb
ahnstatt Eines neuen Jhars 100 Ducaten zu praesentiren, wie dan auch
dem Maior de la place 2 souverainen zu verehren". Solche Ehren-
gaben wurden nach Ausweis der Beamtenprotokolle in jenen Zeiten hoch-
stehenden Persönlichkeiten sehr oft dargebracht; sie entsprangen in den
weitaus meisten Fällen gewiss nicht dem freien, unbeeinflussten Willen des
*) Nämlich des Prinzen von Oranien. (Amtliche Zeugnisse des Aachener Magistrats
auf dem städtischen Archive; Macco a. a. 0., II, S. 35; vgl. auch oben S. 105, Aum. 1.)
') y. Fürth, Beitr. und Material z. Gesch. der Aachener Patrizierfamilien, III, S. 26.
«) Bd. XXXXV, S. 121, 126, 135, 137, 188, 146.
*) Beamtenprotokolle, Bd. XXXXV, S. 182.
— 110 —
Gebers, sondern waren vielmehr eine Unsitte, eine drückende Verpflichtung,
der die städtische Behörde, ohne Nachteile für die Stadt fürchten zu
müssen, sich nicht entziehen konnte^.
Im Frühjahr 1703 zog General Johann Theodor von Friesheim mit
seinen Truppen gegen Bonn, die Residenz des mit Frankreich verbündeten
Kurfürsten und Erzbischofs von Köln, Joseph Klemens, und nahm teil an
der Belagening dieser Stadt, die am 14. Mai nach vorausgegangenen Ver-
handlungen mit dem französischen Kommandanten Marquis d'Alegre von den
Holländern besetzt wurde.
Auch in den folgenden Jahren des spanischen Erbfolgekrieges nahmen
vielfach Truppen der kriegführenden Mächte in Aachen Winterquartiere;
wiederholt gingen zu Beginn des Winters Deputirte der Stadt zur Haupt-
armee, um mit den Generalen persönlich zu verhandeln und Befreiung von
der Last der Winterquartiere zu erlangen — meist vergeblich. In einigen
Fällen wurde den Deputirten aufgegeben, sich u. a. auch an den General-
major von Friesheim zu wendend '
*) Wie 1703 Herrn Generalmajor von Friesheim, so wurden 1704 dem Grafen von
Dobna, dem Befehlshaber der in diesem Jahre in Aachen im Winterquartier liegenden
Truppen, seitens der Stadt ein Neujahrsgeschenk von 100 Dukaten gemacht. Am
5. Januar 1704 beschlossen Bürgermeister und Beamte, „dass hiesigem herm Comman-
dant^n, dem Grafen von Dohna mit einer Recognition von 100 Ducaten in Golt als wie
dem Herrn Generalmaior von Freissheimb beschehen ahn Handt gangen auch demselben
sein hier frey zu brauen vcrstatlet werden solle". (Beamtenprotokolle, Bd. XXXXV, S. 190.)
— Ein ebenfalls recht ansehnliches Geldgeschenk, 1000 Eeichsthaler, dazu noch ein Fuder
Wein, erhielt 1689 von der Stadt der brandenburgische Generalmajor Friedrich von
Heyden, der mit seinen Truppen am 10. November 1689 in Aachen Winterquartiere bezog.
Zugleich beschloss der Magistrat, der Gemahlin desselben einen Spiegel oder ein Stück
Silberwerks zu verehren. (Pick, Aus Aachens Vergangenheit, S. 589.) — Denn nicht nur
bares Geld, sondern auch Waffen (Pistolen), Pokale, „Drankgeschirre", Geräte aus Kupfer
(z. B. Kronleuchter) oder Silber (z. B. Lampetschüssel) und vor allem Wein wurden als
Geschenke an hohe Personen gegeben. Die Wein Verehrungen aus den Jahren 1662—1779
hat Pauls, Zur Geschichte des Weinbaues in der Aachener Gegend, (Zeitschrift des
Aachener Geschichtsvereins, Bd. VII, S. 270 if.), auf Grund von Auszügen aus den
Beamtenprotokollen zusammengestellt. Daselbst heisst es, dass am 30. Januar 1703, in
demselben Jahre, in welchem dem General von Freisheim „anstatt eines neuen Jahrs" 100
Dukaten verehrt wurden, die Herren Weinmeister deputirt wurden, dem „Brigadier Major
von Zobell ein Vässgen Wein anstatt eines neuen Jahrs, Frantzen Wein auszusuchen", und
4 Tage nachher, am 3. Februar 1703, wurde beschlossen, dass durch den Kapitän Bogart
„hundert Bouteillen wissen, fünfzig Champagner und fünfzig Borgongsche Weins dem
H. von Zobel praesentirt werden sollen". — Ein Älal hören wir auch von der Ablehnung eines
angebotenen Geldgeschenks. Die betreffende Stelle in den Beamtenprotokollen (Bd. L) lautet:
„Sambstag den 9**^" 7^*"'' 1758 (Kleins Raths) ist beschlossen, dass dem frantzosischen Commis-
sario h. De la saal, welcher von seiner Excellence h. Marschall De Contades am 24***" jüngst
(umb sich mit dem hannoverischen Commissario wegen sicheren Geschäften zu Unterreden)
hiehin geschickt worden, sich dahier ettwan 6 wochen auifgehalten hatt, Undt übermorgen ab-
reysen wirdt, wegen einigen den herm burgermeisteren Undt beambten insbesonders bekanten
Ursachen, Ein hundert güldene Ducaten durch Regierenden h. burgermeistem von Oliva
selbst zum present gemacht werden solln — non voluit acceptare — nur allein ein
klein präsentgen von thee Undt Nehnadeln ahngenohmen.
«) Beamtenprotokolle, Bd. XXXXV, S. 164, 230.
— 111 —
Johann Theodor von Friesheim scheint später seinen. Aufenthalt
dauernd in Holland genommen zu haben; er starb als General der Infanterie
der Generalstaaten, 91 Jahre alt, im Jahre 1733 ^
Anhang.
Zu Seite 102.
Der Dürener „Vergleich" lautet nach der auf dem städtischen Archive befindlichen
Ausfertigung vollständig so:
Demnach Sich die Statt Aachen wieder alle hoflfnung biss anhero nicht accomodiren,
und zu einem Nachbarlichen Vergleich verstehen wollen, under dessen aber dem Landt
und Reich von Aachen mit Blunderungh, Raub, Mordt und Brandt nicht geringer Schade
zugefuegt worden. Dahero gedachtes Reichs von Aach Eingehorrige ohne Zuthucn der
Statt ursach genohmen zu vcrhuetung ferneren und groesseren Ruins die hochwollgeborenen
Edlen und Ehrwürdigen Graven und herren herm von Merode de Hoffalize herrn zu
franckenburgh h. Gottfrid von freissheim, Rittmeistern und Johannes Schmidtz pastom
in hären zu »mir anhero mit genügsamer Volmacht abzufertigen umb in ihren und dess
reichs von Aach nahmen Einen gewissen vergleich, und zu erhalttung guter Nachbar-
schaft mit mir zu treffen, Also und dergcstaltt dass die eingehorrigcn dess Reichs von
Aach bey hauss und hoff auch ufifm feldt, und wo Sie sunsten zu verrichten haben
wurden Jedesmahlss geruhigh und unperturbirt gelassen und aller orten und enden frey
sicher und ungehindert passirt werden mögen, Massen dann Endtlich nach langer ünder-
redungh dahin verglichen worden, da die herren Abgeordneten Crafft habender Volmacht
in Nahmen dess Reichss von Aachen Eingehorrige (Warunder aber die Statt Aachen
durchauss, noch dero Burgerschafft nit begriffen Sonderen aussgeschlossen und zu Ihr Excell.
dess herm General Lieutnants Graven von Guebriants Respect mit derselben zu tractiren
vorbehalttcn sein soll; zu erhalttungh gutter Nachbarschaft, Ein vor alle mahll diessen
alhier logirenden Regimentern zum besten Vier Tausendt Reichssthaller Innerhalb acht
Tagen gewiss und unfhelbar zu entrichten vcrwi lüget, Mitt diesser Gegenversicherung
dass von Jetzt ahn, und hinführe keine ferneren ansprach oder forderungen an dass reich
von Aachen gethan. Sonderen alles unheil, und biss anhero vergangene Hostilitäten Alss
Blunderen, Rauben, Morden und Brennen, von den Eingehörigen abgeschaffet, und also
in allem gute Nachbarschaft gepflogen werden solle, über dass weillen auch die Under-
thanen in treibungh ihres gewerbs, So woll auss- alss Innerhalb dess Reichs zu schaffen
haben, So soll dennen zu Wittem und Wilhelmstein liegenden officiren Ernstlich anbevohlenn
werden, dass Sie alle und iede dess Reichss von Aachen Underthanen Jedesmahlss aller
orten und enden frey, sicher und unangefochten passiren und repassiren. Auch alle
freundtschaft mitt crtheilungh pass, und anderen dha Sie dessen von Noethen haben
wurdenn, widderfahren lassen sollen. Und nachdeme vor diessem getroffenen vergleich von
dem Reich Aachen underscheidtliche gefangene hinwegh gefuhrt worden; So Ist auch dess
fhalss abgeredt und beschlossen, dass Solche, gegen eine Leidentliche Rantzion widerumb
frey, ledig, und loss werden sollen Und Im fhall sich auch zutragen wurde, dass ahn
Einen und anderen dess Reichs Aachen ortt, oder underthanen Ettwass gewalttsames
verübet werden soltte. So Soll dasselbe Nicht allein reraedyrt: Sonderen auch die Thätter
zu gebührender Straff getzogen werden, dass nun diesses wie obstehet desto besser und
vester gehaltten werden möge, Ist diesser vergleich doppelt, und Eines lauts aussge-
fertiget, und von beiden Theilen underschrieben worden, Signatum Deuren den 6. Aprilis
a«» 1642.
Unterschriften: Reinholdt von Rosen, v. Merode de Hoffalyze Frankenburg, Gode-
frid von freisheim, Arnoldus Schmitz, Pastor in haaren. (Die drei Erstgenannten haben
ihrer Unterschrift ihr Siegel hinzugefügt.)
*) Zedlers Universallexikon, Bd. IX unter Friesheim.
— 112 —
Arnold n,s Schmitz war der dritte in der Reihe der Haarener Pfarrer und verwaltete
die Pfarrstelle von 1635 bis 8. Dezember 1648. (Im Texte der Urkunde wird, abweichend
von der Unterschrift, dem Haarener Pfarrer der Vorname Johannes gegeben. Die Haarener
Bjrchenbücher kennen nur den Vornamen Arnold: Arnoldus Faber sive Schmitz.) Er war
ein geborener Haarener. Als dritter unter den von seiten des Reichs mit dem General
von Rosen zu Düren verhandelnden Notabein wird oben der „Graf und Herr von Me-
rode de Hoifalize zu Franckenburg" genannt. Herr zu Frankenberg war seit dem 21.
März 1633 Johann Diederich von Merode-Hoffalize, der im Jahre 1645 starb. Er begann
im Jahre 1637 den Wiederaufbau des völlig verfallenen Schlosses. In demselben Jahre
1642, wo zu Düren das Abkommen zwischen Rosen und den genannten Vertretern des
Aachener Reichs getroffen wurde, wurde wahrscheinlich das herrschaftliche Gebäude
zu Frankenberg fertiggestellt: oberhalb der Eingangsthüre ist das Familienwappen mit
der Jahreszahl 1642 angebracht. (S. Quix, Die Frankenburg. . Aachen 1829, S. 4, 16 ff.,
75.) Johann Diederich von Merode de Hoifalize und Gottfried von Friesheim waren be-
freundet; als in demselben Jahre 1642 dem letzteren ein Sohn geboren wurde, vrurde der
erstere Pate, und nach ihm erhielt das Kind auch die Vornamen Johann DiedericL (S. 108,
Anm. 3.) — Eine kurze Notiz über die Plünderungen der Rosenschen Truppen findet
sich in dem Begräbnisregister der Alexianerbrüder, das auf dem Aachener Standesamte
aufbewahrt wird, zum März 1642: „Anno 1642, den letzten Martii ist der Oberst Rosen
mitt ctwau 15hundert Pferden in dit reich kommen und hatt den 1. Aprill in der nacht
etzliche Meullen und heuser auff Collesteinwech in brandt gestochen, darunder S. Tomas
(-hof: unleserlich) item Dennewartzmeull, den huntzkirchhoff, die Fellmeullen des Abends
zwischen 7 und 8 Uhren". (Die Dennewaltsmühle lag „gegen das Elunckartshäuschen
über" [Mühlenregister auf dem städtischen Archive] ; Hundskirchhof [„Die Hundtskirfßger
Müll": Mühlenregister] ist noch heute der Name des gleichfalls auf dem Eölnsteinweg
gelegenen Gutes.)
Zu Seite 104.
Die Urkunde, durch welche Karl II. von England den Obersten Gottfried Frei-
herrn von Freisheim zu seinem Residenten in Aachen ernennt, hat folgenden Wortlaut:
(L. S.) Carolus Del gratia Angliae, Scotiae, Franciae et Hybemiae Rex, Fidei
Defensor etc. Omnibus ad quos praesentes iiterae venerint, Salutem. Cum Nos perpensis
serio verum momentis aequum censuerimus, ut in malus Nostri commodum et utilitatem
aliquis a Nobis constituatur, qui rebus Nostris prout vel occasio tulerit, vel Nostra exi-
gerint Mandata, Aquisgrani sedulus invigilet: Sciatis quod Nos perspecta diu habent^s
tum maturam Nobilis et dilecti Nobis viri Gothofredi Baronis de Freisheim prudentiam
et merita, tum afifectum in Nos et Nostra non vulgarem [cujus utriusque saepius alibi
in Nos edidit specimina] Eundem Baronem de Freisheim nominaverimus et constituerimus,
et literis hisce Nostris nominamus et constituimus Ablegatum Nostrum Residentem in
praedicta urbe Aquisgranensi. Eidemqne pleuam protestatem authoritatemquc facimus et
concedimus praedicto Residentis munere fungendi, nee non privilegijs, honoribus et
immunitatibus omnibus quae ad idem pertinent, quocunque nomine aut appellatione enun-
cientnr, aequo plane iure cum alijs quibusque Residentibus fruendi. Volumusque insuper
et edicimus omnibus Fidelibus subditis Nostris, Amicos vero et Confederatos quoscunque
Nostros rogamus et pro Amicitiae iure exoramus, ut praedictum Baronem de Freisheim
eo porro loco et honore dignentur, quam fas est sibi vendicare Nostrum Residentem.
Datum in Palatio Nostro Westmonasteriensi die Decembris 2. A" Dni 1660 regnique
nostri Duodecimo.
Carolus R.
Ad Mandatum Seren™* Dni Regis
FA. Nicholas.
Eine Abschrift der Urkunde befindet sich im städtischen Archive.
DULCK VON IIkIUIANN KaATZKU in V^JMUlUi,
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Jährlich 8 Nummern Kommissions -Verlag
a 1 Bogun Royal Oktav. ''*''
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Preis des Jahrgangs K j^jj^l
4 Hark. iu Aachen.
Mittheilungen des Vereins für Kunde der Aachener Vorzeit.
Im Auftrage des Vereins heraasgegcben von B. Sohnook.
Ächter Jahrgang.
Inhalt: C. Rbntti, Di^r liheinatigu malerische Wandschmuck im karuIingiäehcQ Tbeile des
Aachener Münsters, — Bericht über das Vereinsjahr 1B94— 05. — Vorzeichniss der Mitglieder.
Der ehemalige malerische und plastische Wandschmuck im
karolingischen Theile des Aachener Münsters.
Von Anfang ari hat die Kirche die Kunst, (He Dante so schön und
wahr eine Enkelin Gottes nennt, in den Dienst ihres Kultus gestellt. Zeugen
dessen sind die bis ins zweite, ja erste Jahrhundert nach Christus hinauf-
reichenden Ueberrcste all christlicher Malerei und Skulptur in den Kata-
komben. Doch zur vollen und reichen Entfaltung konnte die Kunstthätigkeit
in der Kirche erst gelangen, als dieselbe durch das Toleranzedikt KoDstantiuä
des Grossen im Jahre 313 aus der unwürdigen Lage einer rechtlosen
Sklavin in die einer freigeborenen Himnielstorhtor gebührende Stellung
erhoben wurde. Nun bedeckte sich gar bald der Boden der christlich ge-
wordenen Welt mit herrlichen Basiliken, deren Altären und liturgischen
Geräthen und Gewändern der Stempel der Kunst aufgedrückt war, deren
Kuppeln, Wände und Fussböden in vielfarbigem niuaivischem Schmucke
erglänzten. Dass auch das weithin berühmte Liebfrauenmünster iu Aachen
einer solchen Mnsaikverzierung nicht entbehrt hat, ist wohl unter den
obwaltenden Verhältnissen, auch wenn keine Kunde davon bis zu uns
gedrungen wäre, anzunciimcn. Ob aber sclion Karl der Grosse oder erst
sein Sohn und Nachfolger Ludwig der Fromme das Münster in dieser
Weise ausgestattet hat, ist eine nicht völlig aufgeklärte Frage. Einliard,
der begeisterte Biograph Karls, der in seiner vita Caroli, Alles aufzuzählen
pflegt, was seinem kaiserlichen Herrn zum Ruhme gereicht, berichtet im
26. Kapitel wohl, dass Karl seine Lieblingsschöpfung „auro et argento et
— 114 —
luminaribus atque ex aere solido cancellis et januis" geziert, und Säulen
wie Marmor aus Rom und Ravenna habe kommen lassen, erwähnt aber
nirgendwo einer musivischen Wandbekleidung. Wenn dann aber weiter in
dem Briefe Hadrians^ an Karl, unter den aus dem Palast zu Ravenna
geschenkten Gegenständen die „musiva" ausdrücklich genannt werden, so
dürfte aus dem Schweigen Einhards hierüber geschlossen werden können,
dass die „musiva" erst unter Ludwig dem Frommen an Ort und Stelle
angebracht worden sind. Die üeberlieferung, dass ein italienischer Mönch
die Mosaiken ausgeführt habe, gewinnt an Wahrscheinlichkeit bei der
Erwägung, dass in Italien zu jener Zeit diese Kunst wenn auch bereits
im Sinken begrilien, noch vielfach geübt wurde, und dass die unter Karl
dem Grossen angeknüpfte Verbindung mit dem päpstlichen Hofe auch unter
Ludwig dem Frommen noch rege fortbestand und die Ueberlassung italienischer
Künstler erleichterte.
Die Frage, welche nun zunächst der Lösung harrt, ist die nach den
Theilen des Münsters, die im 9. Jahrhundert mit Mosaik verziert worden
sind. Der ehemalige Kanonikus an der Münsterkirche und Geschichtsschreiber
Aachens Peter & Beeck erzählt in seinem „Aquisgranum", dass zu seiner
Zeit (1620) die Mosaiken noch dunkel an dem Gewölbe des Eingangs der
Kirche an der Wolfsthür, deutlicher an einigen Fensternischen, am voll-
kommensten aber an der Kuppel und dem Innern Hauptgewölbe des Central-
baues, das über der Hängekrone in der Mitte der Kirche ist, zu sehen
gewesen wären. Wir werden wohl nicht fehl greifen in der Annahme, dass
auch in dem zu ä Beecks Zeiten längst verschwundenen karolingischen
Chorbau die Mosaiken nicht gefehlt haben. Man hat zwar, gestützt auf
die dehnbare Bemerkung k Beecks, „die Kirche sei im Innern mit Malereien
von Mosaikarbeit in buntfarbigen Bildern, welche Geschichten aus dem
alten und neuen Bunde darstellten, ehemals allenthalben bekleidet und
bedeckt gewesen" * angenommen, dass die Innern Wände des Oktogons
ebenfalls musivisch ausgestattet gewesen seien.
Dagegen spricht der Umstand, dass man im Gegensatz zu den Fenster-
laibungen auf den innem Wänden keine Spur von Mosaik entdeckt hat,
während derselbe doch hier sich leichter und besser als dort erhalten haben
würde. Ferner muss darauf aufmerksam gemacht werden, dass die Innern
Wandflächen beim Bau des Oktogons sofort ausgefugt worden sind, was
wohl niclit geschehen wäre, wenn sie zur Aufnahme von Mosaiken bestimmt
gewesen wären. In Italien war es Sitte die Mosaikbilder an besonders
lichtvollen Stellen wie z. B. den Fensterlaibungen in Medaillonsform anzu-
bringen; dasselbe düifte auch hier der Fall gewesen sein. Während wir
über die bildlichon Darstellungen der Mosaiken im Gewölbe der Vorhalle,
in den Fensterlaibungen und im alten karolingischen Cliore absolut keine
Nachrichten haben, besitzen wir von dem Kuppelbild ausser der Beschreibung
ä Beecks eine Zeiclinung Ciampinis, die von Aachen aus an ihn nach Rom
gesandt wurde, und welche dieser Gelehrte in seinem grossen Werke über
*) Epist. 36 apud Dom. Boquet et Baronius.
*) Aqiiisicraiinin. Ucbersetzuug vou Käntzelcr S. 78.
— 115 —
Kirchen und Mosaiken, in Kupfer gestochen, veröffentlicht hat. Die Zeichnung
stellt die auf dem Throne sitzende majestas Domini dar, der die Aeltesten,
welche sich von ihren Stühlen erhoben haben, ihre Krone darreichen.
Die Darstellung ist durchaus mangelhaft und fehlerhaft, was unschwer
nachzuweisen ist.
Ciampini, durch die Zeichnung irre geführt, nimmt an, dass in der
Kuppel statt der 24 Aeltesten der Apocalypse nur 12 zur Darstellung gelangt
seien, ja er beweist sogar in weitschweifiger Weise, dass dies in wahrer
Würdigung der symbolischen Bedeutung der Zwölfzahl gar nicht anders
hätte geschehen können. Und doch zeigt ein Blick auf das Bild, dass in
Wirklichkeit nicht 12, sondern der hl. Schrift entsprechend 24 Aelteste
angebracht waren. Hätte der Zeichner den Krcisbogentheil, welcher dem
mittleren zunächst liegt, bis zum horizontalen unteren Randstrich der
Zeichnung herabgezogen, so würde er auch in diesem Felde noch Raum für
den dritten Aeltesten gefunden haben, da . er aber diesen Bogen in dem
Seitenrandstrich der Zeichnung aufliören lässt, so wurde der Raum für den
dritten Aeltesten abgeschnitten. Ciampini hat dies nicht gefunden, und
da er in den beiden Nebenfeldern nur zwei Aelteste stehen sah, hat er
daraus gefolgert, dass in der Kuppel nur 12 Aelteste sich vorgefunden
haben, was unrichtig ist. ä Beeck sagt S. 51 deutlich, dass 24 Aelteste
vorhanden waren, die sich von ihren Sitzen erhoben und dem auf dem
Throne Sitzenden ihre Krone darboten ^
Eine fernere Abweichung in der Zeichnung des Ciampini von der
traditionellen Darstellungsweise der Aeltesten ist darin zu erblicken, dass
er die Aeltesten ihre Kronen mit unverhüllten Händen dem Heiland darbieten
lässt. In Wirklichkeit aber ist das Aachener Bild von der überlieferten
Form nicht abgewichen; denn die Zeichnung, welche sich 1873 nach Ent-
fernung des Stucks aus dem Gewölbe des Oktogons unter den karolingischen
Mosaikpasten vorfand, und welche jedenfalls als Vorlage für die Anbringung
der Pasten gedient hatte, zeigte, so defekt sie auch sonst gewesen sein
mag, deutlich genug, dass die Hände der Aeltesten, welche die Kronen
darreichten, verhüllt dargestellt waren. Auch die Anbringung der Engel,
am Throne der Majestas in der Ciampinischen Zeichnung muss auf einem
Irrthum beruhen, da der Augenzeuge ä Beeck in üebereinstimmung mit
den Traditionen der Ikonographie ausdrücklich hervorhebt, dass um den
Thron die vier apocalyptischen Thiere gestanden hätten.
Die Sterne, welche sich in dem Mosaikbilde der Kuppel befanden,
scheinen aus Metall hergestellt gewesen zu sein. Als die Stuckaturen der
Kuppel abgehauen wurden, fanden sich, in den Stein des Gewölbes ein-
gehauen, kreisrunde Vertiefungen von etwa 30 cm Durchmesser und 3 cm
Tiefe vor, welche unregelmässig über die Kuppelfläche in der Art vertheilt
waren, dass dieselben immer auf der Stelle angebracht waren, wo nach dem
Bilde der Himmel dargestellt war. Für die Mosaiken selbst hatten diese
*) Vgl. H. Barbier de Montault, Die Mosaiken im Münster zu Aachen; au3 dem
Französischen übersetzt von Andr. Hub. Körner S. 9.
— 116 —
Vertiefungen keinen Zweck, vielleicht haben sie dazu gedient, Platten auf-
zunehen, auf welchen die Sterne im Hochrelief angebracht waren.
Die karolingischen Mosaikbilder nahmen bedeutende Flächen ein.
So cntliielten:
die Kuppel 282,00 qm
die Vorhalle 70,00 „
die Fenster 59,00 „
und das Chor 39,00 „
mithin eine Gesammtfläche von rot 550,00 qm.
Es ist nicht anzunehmen, dass diese grosse Bildfläche, wie die
Aachener Tradition sagt, durch einen einzigen Mann ausgeführt worden
ist. Angenommen, dass bei der Sorgfalt, mit welcher in jener Zeit die
Mosaiken ausgeführt wurden, ein Mann durchschnittlich 15 Tage bedurfte
um 1 qm Mosaik fertig zu stellen, so ergeben sich 8250 Tage oder — das
Jahr, bei den vielen Feiertagen, die in jener Zeit beobachtet wurden, zu
250 Tage gerechnet, — 33 Jahre Arbeitszeit. Es ist wahrscheinlicher, dass
die Bilder durch mehrere Künstler, die unter der Leitung eines Mönchs
standen, ausgeführt worden sind. Dass damals hinreichend Leute vorhanden
waren, welche mit den musivischen Arbeiten vertraut waren, bezeugen
die zur Zeit Karls des Grossen und Ludwigs des Frommen in Rom erbauten
Kirchen, in welchen Mosaikbilder sich befanden; so das durch Leo IIL
im Lateran erbaute Triclinium, Sta. Praxede, St. Nereus et Achilleus und
viele andere. (Vgl. Platner und Bunsen, Rom). Wir können daher mit
einer gewissen Sicherheit annehmen, dass mehrere Mosaikkünstler bei der
Ausführung der Aachener Mosaiken beschäftigt waren.
Die Ausführung der Mosaikarbeiten vollzog sich in folgender
Weise: Zunächst wurde ein in Farben gemaltes Vorbild hergestellt,
von welchem eine Zeichnung auf die Mauer aufgetragen wurde. So-
dann wurde mit einem hackmesserähnlichen Instrumente den farbigen
Pasten die der Zeichnung entsprechende Form gegeben. Die Pasten wurden
hierauf zu kleinen, vielleicht handgrossen Flächen zwecks Beurtheilung der
Richtigkeit der Farben und Zeichnung provisorisch zusanunengestellt, deren
Rückseite mit Mastik oder Mörtel belegt und jede Paste an die für sie
bestimmte Stelle der präparirten Wand eingedrückt. Der Mastik bestand
aus einer Mischung gebrannten Kalks und pulverisirten Marmors, mit
Olivenöl zu einer teigartigen Masse angemengt, die in wenigen Monaten
steinhart wurde. Eine Bekleidung der Wände des Oktogons mit Marraor-
tafeln ist zwar vielfach angenommen worden, aber ohne alle Ursache; denn
auch nicht eine Spur von Eisenhaken, mit denen dieselben in der Mauer
hätten befestigt werden müssen, hat sich vorgefunden.
Weitere Nachrichten über die polychrome Ausstattung des Münstei*s
erhalten wir erst nach fast 200 Jahren durch den anonymen Biographen
des um 1018 verstorbenen Lütticher Bischofs Balderich 11.^ Dessen Mit-
theilung lautet in der von Käntzeler besorgten Uebersetzung des Aquis-
') Vitn Baldcrici Eimsc. Anonym. 1053. Pcrtz, Mouuin. S. IV, 794.
— 117 —
granum von ä Beeck (S. 143): „Mit Recht liat auch Kaiser Otto III., als
er einst im königlichen Palaste, dem königlichen Sitze und dem Staats-
Wohnsitze seinen Aufenthalt hatte und dabei bemerkte, dass die dortige
Kapelle noch nicht mit Malerei genug geschmückt sei, aus Eifer für des
Gotteshauses Zier den ehrenwerthen Mann Johannes, von Geburt und
Sprache Italiener, einen überaus geschickten Maler aus Italien zu sich
gerufen und ihm aufgetragen, an dieses Geschäft seine geschickte Hand
zu legen. Er folgte seinem Befehle und hat ein besonderes Kunstwerk
in Aachen zu Stande gebracht, obgleich es durch die Länge der Zeit, wie
alle Dinge, vergangen ist." Ueberall, wo diese Mittheiluug verwerthet
w^rd, wird sie auf die Restauration der karoüngischen Mosaiken bezogen;
allein in derselben ist ausdrücklich die Rede von einer weitern maleri-
schen Ausschmückung des nicht hinreichend mit Malerei versehenen Münsters
und dementsprechend haben sich denn auch in jüngerer Zeit anlässlich der
im Münster vorgenommenen Restaurationsarbeiten Reste der Malereien des
italienischen Meisters unter der Pliesterung des Gewölbes im Glockenthurm
auf dem Hochmünster, auf den Wänden des letztern, in dem zugemauerten
Fenster oberhalb der vom Hochmünster zur Gallerie der Kreuzkapelle
führenden Thüre und in der Treppe im nördlichen Treppenthurme vor-
gefunden.
Dieselben zeigen durchweg einen ornamentalen Charakter, was jedoch
nicht ausschliesst, dass auch Figurenmalereien vorhanden gewesen sind.
Wir wollen versuchen, eine kurze Beschreibung der Malereien zu geben,
wenngleich dieselbe ohne Beigabe von Abbildungen mangelhaft bleiben muss.
Der grössere Theil der üeberreste dieser Malerei befindet sich im
Glockenthurm auf dem Hochmünster. An der Unterfläche des Gewölbes
erkennt man noch jetzt die Reste von zwei grösseren Kreisen, welche
durch einen rothen und einen weissen Streifen umrahmt sind. Allem An-
scheine nach befanden sich an diesem Gewölbe sechs solcher Kreise, welche
durch ein etwa 0,70 m breites Band eingefasst waren. Dieses Band wies
drei Reihen in rother Farbe dargestellter Quadrate auf, und befanden sich
an den Enden wieder in rother Farbe hergestellte Kreise. Das Innere der
sämmtlichen Kreise war weiss. Ob dasselbe zur Ausfüllung mit figürlichen
Darstellungen bestimmt war, Hess sich nicht mehr feststellen. Auch die
das Glockenhaus gegen AVesten abscliliessende Mauer enthält noch Reste
von Malereien, deren Gegenstand jedoch nicht mehr zu erkennen ist. Besser
erkennbar ist die Malerei der Unteransicht der Gurtbogen im Glockenthurm.
Die Malerei des an der Westmauer anliegenden Gurtbogens besteht aus
drei Reihen von aneinanderliegenden Quadraten, welche durch rothe Streifen
gebildet sind, und deren Fond zwischen Leichtroth und Gelb abwechselt.
Im Innern dieser Quadrate befindet sich ein kleiner rother Kreis. Der
gegen Osten befindliche Bogen des Glockenthurmes zeigt an seiner Unter-
ansicht ein aus vier geraden, kurzen Linien gebildetes Zickzackrauster,
welches sich in weisser Farbe von gelbem Grunde abhebt. Dieses Zickzack-
muster wird durcli einen rothen Streifen am Rande des Bogens eingefasst;
der Streifen zieht sich auch der Stirnseite des Bogens entlang. Die Unter-
— 118 —
ansieht der Reste der drei kleinen Bogen, welche ehemals von den daselbst
stehenden Marmorsäulen, die zwischen dem Glockenthurm und dem Hoch-
münster sich befanden, getragen wurden, zeigt einen gelben Fond von
einem inneren weissen und äusseren rothen Streifen eingefasst; der letztere
läuft wiederum der Stirnseite des Bogens entlang und setzt sich fort da-
selbst am Anfange des Bogens, sowie an der Stelle, wo das Mauerwerk
des Bogens an die Mauer anstösst. Diesem rothen Streifen zunächst be-
findet sich im Bogenzwickel ein gelber, welchem sich ein grauer anschliesst,
der den gelben Fond unifasst.
Entlang der Gewölberundung, welche sich über das westliche Quadrat
des RundschiflFes spannt, befand sich eine fortlaufende geometrische Ver-
zierung dicht an der Stelle, wo dies Gewölbe an die Säulenstellung, welche
das Glockenhaus vom RundschiflF trennt, anstösst. Die Zeichnung war
braun auf gelbem Fond, welcher an der Seite durch braune Linien ein-
gefasst war. Neben diesem geometrischen Muster, dem Oktogon zu, befand
sich eine weitere in rother Farbe ausgeführte Verzierung, deren geringe
Ueberbleibsel jedoch die ursprüngliche Darstellung nicht mehr erkennen
lassen. Reste eines breiten Streifens in schwarzer, gelber und rother Farbe
befinden sich am westlichen Bogen des Oktogons, an der Seite des Krönungs-
stuhles.
Die Grundform der Verzierung in der Laibung des Fensters über der
Thür, welche vom Hochmünster zur Gallerie der Kreuzkapelle führt, bildet
ein Quadrat, in welches ein Kreis in gelber Farbe eingezeichnet ist, dessen
Peripherie die Seiten des Quadrats berührt. Die liierdurch gebildeten vier
Zwickel sind in grauer Farbe gehalten. Die vier Seiten des Quadrats
bilden die Durchmesser von ebensovielen Halbkreisen, von welchen der
obere in schwarzer, der untere in brauner und die beiden an den Seiten
in weisser Farbe hergestellt sind. Durch diese Zeichnung wird die Form
eines griechischen Kreuzes mit abgerundeten Kreuzbalken hervorgebracht,
welche sich berührend übereinander stehen und sich wiederholend das ein-
fassende Band bilden. Dicht an die Querbalken des Kreuzes anschliessend
läuft an der ehemals der Verglasung des Fensters zugekehrten Seite ein
schwarzer Streifen, neben welchem sich ein gelber befindet, der, dem Glase
zu, durch einen Perlstab begrenzt ist. An der anderen Seite sind die
Kreuze ebenfalls durch einen schwarzen Streifen berührt, welcher die Kante,
die das Mauerwerk zwischen der Fensterlaibung und der Stirnmauer bildet,
einfasst, und in der letzteren den Bogen entlang sich fortzieht. Der Fond
zwischen den Kreuzen und den dieselben einfassenden Streifen ist ein leichtes
Rosaroth.
In der Laibung der im Rundbogen überwölbten, jetzt durch ein Gitter
verschlossenen Thür, die sich in der nördlichen Wendeltreppe vorfindet,
sind ebenfalls noch Reste von Malereien aus der ottonischen Zeit vorhanden,
jedoch auch in sehr defektem Zustande. Erkennbar ist nur noch eine der
Wölbung des Bogens entlang laufende, auf gelbem Fond in rothen Linien
ausgeführte Reihe vierblätteriger Blumen, die, etwa zehn Centimeter von
einander entfernt, sich wiederholen. Die einzelnen Blumen sind durch rothe
— 110 —
striche zu einem fortlaufenden Ornament verbunden, welches an der einen
Seite durch einen dunkelgrünen, an der anderen Seite durch einen rothen
Streifen eingefasst war. Neben dem letzteren Streifen, nach aussen hin,
war die Unteransicht des Thürbogens noch mit Malereien bedeckt, die sich
aber in so schlechtem Zustande befinden, dass schwerlich mehr das ursprüng-
liche Bild zu enträthseln sein wird.
Es ist dies Alles, was von jenen Malereien bis jetzt aufgefunden
worden ist.
Die teclinische Ausführung dieser Malerei scheint in einer Art al
fresco geschelien zu sein, wobei die Farben in die noch feuchte oder
angefeuchtete Pliesterung mit dem Pinsel etwas eingedrückt wurden. Für
das hohe Alter von fast 900 Jahren sind die Farben noch gut erhalten,
und dürfte ein grosser Theil der jetzigen Abblassung derselben darauf
zurück zu führen sein, dass später, doch nach dem Ende des 15. Jahr-
hunderts, über der Malerei eine neue Pliesterung angebracht worden ist,
wodurch die Farben nothwendig schwer leiden mussten. Die Farben in der
Fensterlaibung über der Thür zur Kreuzkapelle, welche nicht überpliestert
worden sind, haben sich viel besser erhalten als die überpliesterten im
Glockenhause. Es ist anzunehmen, dass zur Zeit als dieses Fenster zuge-
mauert wurde, die Malerei des Hochmünsters im Allgemeinen noch die
Erhaltung zeigte wie die dieses Fensters.
Der Gepflogenheit der mittelalterlichen Künstler, ihren Namen der
Nachwelt zu erhalten, ist auch der Maler Johannes treu geblieben. Nur
zwei Verse sind von der Zeit und Werth seines Werkes in nicht gerade
bescheiden zu nennender Weise verewigenden Inschrift übrig geblieben.
Sie lauten:
A patriae nido rapuit me tertius Otto
Ciaret Aquis, sane tua qua valeat manus arte^
Zum Lohne für diese Arbeit beschenkte derselbe Otto den Johannes
mit der bischöflichen Würde in Italien; doch durcli den Herzog der Provinz,
worin der Bischofssitz lag, abgehalten, weil dieser den an Sitten und
Frömmigkeit ausgezeichneten Mann lieber durch die Heirath mit seiner
Tochter erheben wollte als durch die bischöfliche Würde, verliess Johannes
aus Liebe zur Keuschheit Italien und stellte sich bei dem Kaiser wieder
ein. Endlich ist er zu Lüttich zur Zeit Bischofs Balderich den Weg alles
Fleisches gegangen und ruhet dort in der Kirche des hl. Jakobus in der
Nähe des Altars des hl. Märtyrers Lambertus^
Man setzte ihm folgende Grabschrift:
Sta, lege, quod spectas, in me pia viscera flectas.
Quod sum, fert tumulus, quod fuerim titulus
Italiae natus —
Qua probat arte nuinum, dat Aquis, dat cemere planum
Picta domus Caroli, rara sub axe poli^
') Vita Balderici Episoopi, Anonym. 1053, in Pertz, Monuin. S. IV, 724.
"^) Aquisgranum. Deutsche Uebersetzung von Käutzelcr S. 144.
*) Chapeavillo, Gesta pontif. Leod. Tom. I, p. 230.
— 120 —
Wir wissen nicht, wie lange die Schöpfung des Malers Johannes intakt
geblieben ist, doch steht fest, dass sie gegen Ende des 15. Jahrhundeils
auf dem Hochmünster noch vorhanden war.
Zu Anfang des 18. Jahrhunderts wurden die letzten Mosaiken in der
Kuppel des Münsters, wahrscheinlich weil sie schadhaft geworden waren,
abgenommen. Das Stiftskapitel beschloss, die Wände und die Kuppel dem
Zeitgeist entsprechend, mit plastischen Darstellungen in Gyps zu schmücken.
Mit dieser Aufgabe betraute dasselbe nach den Angaben von Quix und
Käntzeler den italienischen Künstler Altari. Er begann seine Arbeit im
Jahre 1719. Hierauf dürfte sich auch das Chronogramm:
saLVe o pla, o DVLCIs VIrgo Maria
beziehen, welches an der westlichen Stirnseite des Bogens stand, der das
Chor vom RundschiflF treimt.
Die Arbeiten Altaris sollen nach Käntzeler' sich bis zum Jahre 1730
hingezogen haben. Es mag dies richtig sein, da zu einer soleheu umfassenden
Arbeit ein Zeitraum von 10 bis 11 Jahren nicht zu lang erscheint. Die
weitere Nachricht Käntzelers, dass 1729 die Kuppel des Münsters ein-
gestürzt sei, muss auf einem Irrthum beruhen, da die ursprüngliche karo-
lingische Kuppel heute noch unversehrt besteht. Wenn auch die stilwidrige
Stuckverzierung vom Standpunkte der Kunst aufs tiefste beklagt werden
muss, so lässt sich doch nicht verkennen, dass Altari in seinem Fache ein
hervorragender Meister war. Der konstruktive Anfang der Kuppel liegt
in der Höhe des Bogenansatzes der Fenster des Oktogons; der dekorative
Anfang der Altarischen Stuckarbeit ging höher hinauf, er setzte erst 0,76 m
über den Fenstern des Oktogons an.
Nach der Darstellung Altaris schien die Kuppel von 16 Engelu
getragen, welche zu je zwei auf den Ausläufern der acht Pfeiler des Oktogons
standen. Die Kuppel war in Ai*t einer leichten Calottc behandelt, deren
acht Felder durch nach oben sich verjüngenden Medaillons mit Blatt-
umrahmung belebt waren. Das Innere der Medaillons war in blauem mit
Gold durchsetzten Tone gehalten. Da, wo die Galotte die acht Mauer-
flächen berührte, befanden sich halbrunde Ausschnitte, unter denen auf
schwerem Gesimse Moses und sieben andere Propheten sassen, auf besonderen
Spruch tafeln die entsprechenden, von ihnen gemachten messianischen Weis-
sagungen tragend. Sowohl die Engel wie die Propheten waren in mehr
als Lebensgrösse, als Vollfiguren, letztere in sitzender Stellung ausgeführt.
Die Figuren wurden durch im Innern derselben angebiaclite Eisenstangen
zusammengehalten.
Die Fenster sowie deren Laibungen erhielten ebenfolls Verzierung.
An die einfassende Umrahmung schloss sich die Verzierung der Laibung
an, in welcher, als Reminiscenz ihres früheren Schmuckes, Mosaikpasten
auf Blumenblättern angebracht waren. In dem Fenster des Oktogons, welches
die Durchsicht zum Chor bietet, war ein gekrönter Doppeladler angebracht,
unter welchem Nachbildungen von Türkentrophäen, Fahnen, Rossschweife
u. s. w. sich befanden.
') ti Beeck, Aquisgranum ; Deutsche Uebersetzung S. 358.
— 121 —
Auf (1. r Höhe des Anfanges der drei von den Marmorsäulen getragenen
kleinen Bogen lag ein durchgehender Kämpfer, welcher in den einspringenden
Ecken Konsolen bildete, die durch je einen geflügelten Engelskopf getragen
wurden. Auf jeder dieser Konsolen stand eine lebensgrosse Statue, und
zwar gegen Osten Jesus mit dem Kreuz und Maria mit dem Jesuskinde;
gegen Süden Johannes mit dem Lamm und Paulus mit dem Schwert; gegen
Westen Leo IIL mit dem Kreuz und Karl d. Gr. in voller Rüstung und
Kaisermantel, mit dem Scepter in der Rechten, und gegen Norden der
hl. Joseph und die hl. Anna, die letztere ein Kind, die hl. Jungfrau, auf
dem Arm tragend. Diese Statuen waren von vorzüglicher Arbeit; nur die
Leos IIL und Karls d. Gr. waren äusserst mangelhaft. Dieselben rührten
auch nicht von Altari her, sondern waren im Jahre 1825 von einem hiesigen
Bildhauer gefertigt worden.
Unterhalb des durchgehenden Kämpfers und der von Engelsköpfen
getragenen Konsolen befanden sich auf jedem Pfeiler zwei dicht neben-
einander stehende Paneele, welche bis zur Höhe des Fussbodens des Ober-
geschosses hinabreichten und auf dem grossen Gesims, welches in dieser
Höhe ringsum im Innern des Oktogons sich hinzog, standen. In jedem
dieser Paneele hing von oben herab ein Bandstreifen, an welchem in ver-
schiedenen Bindungen die sämmtlichen in der Kirche gebräuchlichen Geräthe,
wie Kelche, Leuchter, Weihwasserwedel, Schlüssel, Bischofsstäbe, musi-
kalische Instrumente, dann Kirchenpararaente, wie Kasel, Stolen, Alben,
auch Weihrauchlasser, ja sogar ein Blasebalg um das Feuer in letzteren
anzublasen, Vortrag- und andere Kreuze etc etc. hingen. Etwa in der
Mitte eines jeden Paneels befand sich, ebenfalls durch den Bandstreifen
getragen, ein ovales Medaillon, in welchem die hauptsächlichsten Reliquien-
behälter des Münsters dargestellt waren. Diese Medaillons waren oben mit
einer aus demselben Band kunstreich geschlungenen Schleife geschmückte
Diese Art der Belebung der Pfeiler machte jedoch einen eigenthümlichen
Eindruck.
Von ganz besonderer Schönheit war die Ausschmückung der Wände
im Erdgeschoss. Hier waren die Rundbogen mit Archivolten versehen,
welche sich auf dem Kämpfer zu einer nach einwärts gehenden spiralförmigen
Rundung verliefen. Ueber dem Schlussstein des Bogens hielten zwei kleine
Engel ein Medaillon, von welchem zwei Blumenguirlanden herabhingen,
welche mit ihrem unteren Ende an der Archivolte befestigt waren. In
diesen Medaillons waren kleine Szenen aus der heiligen Geschichte dargestellt.
In den acht Zwickeln der Bogen, an den Pfeilern waren die vier Evange-
listen und vier Kirchenväter, in vollendet schöner Arbeit, dargestellt. Die
Evangelisten befanden sich in der östlichen Hälfte des Oktogons und zwar
links Lukas, dann Johannes, dann Mathäus und rechts Markus. Die an der
Westseite befindlichen Kirchenväter waren, an der Südseite beginnend. Am-
•
broüius, dann Hieronymus, hierauf Augustinus und an der Nordseite Gregorius
der Grosse, alle in Hochrelief gearbeitet. Der Fond der Mauern, an welcher
sie befestigt waren, war abwechselnd in verschiedenen Mustern gaufriert.
*) In San Vittorino in Mailand habe ich eine völlig ähnliche Verzierung gesehen.
— 122 —
Auch die Boorcnsoffittcn waren verziert. In einem in jedem derseU»en
angebrachten Paneele waren verschiedene Abtheilungen, welche durch
Kreise, ovale, längliche Sechs- oder Achtecke getrennt waren. In diesen
Abtheilungen waren entweder Rankenwerk, oder Blumenornaraente oder
sonstige Verzierungen angebracht, während die trennenden Kreise n. s. w.
meist mit Blumen oder Sonnen gefüllt waren. Alle Arbeiten waren plastisch
hoch erhaben und von schöner kräftiger Ausführung.
Den Arbeiten im Oktogon, welche lediglich in der Dekoration des
Gewölbes bestanden, schlössen sich die des Rundschiffes würdig an.
Die säramtlichen Arbeiten, welche Altari im hiesigen Münster aus-
führte, waren aus freier Hand gefertigt. Keine gegossene Verzierung ist
verwandt worden. Zu den ausgeführten Arbeiten wurde zuerst das zu
Fertigende im Rohen aufgetragen, und dann der Gyps in noch halb feuchtem
Zustande in derselben Weise wie Bildhauerarbeit ausgearbeitet. Es war
dieses eine zwar mühsame, aber auch künstlerische Arbeit. Jeder einzelne
Theil war originell, keiner gleich dem anderen.
Im Hochmünster traten an Stelle des plastischen Schmuckes Gemälde,
welche^ durch Bemardini — wohl auch ein Italiener — seit dem Jahre
1730 ausgeführt wurden. Sie befanden sich in der Unteransicht der sechs
schrägen Gewölbe, welche über die drei nördlichen und drei südlichen
Quadrate des Rundschiffes gespannt sind, und stellten meist Szenen aus
der biblischen Geschichte vor. Die Figuren, mehr als lebensgross, waren
in Oelmalerei ausgeführt.
Es w^aren gute Bilder, w^elche Bernardini gemalt hatte, und besonders
in der Zeichnung waren sie vorzüglich. Bernardini war Meister in der
Zeichnung der perspektivischen Verkürzung, nell'arte del sotto in su, wie
der Italiener es nennt, und hier hatte er an den Gewölben des Münsters
vollauf Gelegenheit, seine Kunst zu zeigen, was er auch redlich gethan
hat. Im Kolorit war er weniger glücklich; es mag aber auch sein, dass
seine Farben späterhin durch äusseren Einfluss ihre ursprüngliche Kraft
verloren haben.
Die von Bernardini gemalten Bilder wurden in den Jahren 1824 — 25
durch den Aachener Maler Ferdinand Jansen - restaurirt. Auch malte der-
selbe in dem westlichen, dem Glockenthurm anliegenden Quadrate die Ein-
weihung des Münsters durch Leo III. im Jahre 805. In der unteren Ecke
hatte er in bescheidener Weise sein eigenes Bild angebrachte
Durch die Freigebigkeit des Königs Friedrich Wilhelm IV. wurden
im Jahre 1845 die von den Franzosen im Jahre 1794 geraubten Marmor-,
Granit- und Porphyrsäulen, welche Aachen im Jahre 1815 zurück erhielt,
1
*) Quix, Münsterkircbe S. 14.
') Jansen war auch ein sehr geschätzter Dichter, der mehrere Bändchen Gedichte
in Aachener Mundart herausgegeben hat, welche von 1815—1821 bei C. A. MüUer in
Aachen erschienen sind. Er wohnte in dem Hause der Grosskölnstrasse, welches heute
mit Nr. 51 bezeichnet ist.
*) Dieses einzige Bild Jansens ist bei der Zerstörung der Bilder des Hochmünsters
initzerstört worden, ohne dass von demselben eine Kopie genommen worden wäre.
— 123 —
wieder anfg-os^ellt. Im Jahre 1850 begann der schon 1843 gegründete
Karlsverein zur Restauration des Aachener Münsters seine praktische
Thätigkeit durch den Angriff der Wiederherstellungsarbeiten am Chor.
Das Stiftskapitel beschloss, in der Kuppel des Oktogons das Bild der Majestas
Domini, umgeben von den vierundzwanzig Aeltesten, in der Weise wie es
früher gewesen, in Mosaik ausgeführt, anbringen zu lassen. Es schickte
auf seine Kosten einen Zeichner nach Italien, der an dort vorhandenen
Mosaiken aus karolingischer Zeit die nöthigen Vorstudien machen und
einen Entwurf herstellen sollte; dieser Entwurf war bestimmt, dem nun
folgenden Konkurrenzausschreiben als Grundlage zu dienen. Bei diesem
Wettbewerb gingen nur zwei Zeichnungen ein, eine von Staatskonservator
von Quast und die andere von Professor Schneider in Cassel. Als Preis-
richter fungirten die Herren von Salzenberg, Schmidt, Viskonti, Parker,
de Surigni und Bethune. Die Verhandlungen dieser Herren über die ein-
gelaufenen beiden Pläne führten zu keinem Result>ate. Baron v. Bethune
in Gent erhielt den Auftrag, eine neue Zeichnung für das anzufertigende
Mosaikbild zu entwerfen. Diese wurde am 1. Juli 1871 per majora an-
genommen. Mit der Ausführung der Mosaiken wurde Salviati in Venedig
betraut, welcher nicht lange vorher eine Werkstätte auf der Insel Murano
eingerichtet hatte.
Man begnügte sich nicht damit, vorerst nur Raum für das Mosaik-
bild in der Kuppel des Oktogons zu schaffen, sondern entfernte auch sofort
die übrigen Werke von Altari und Bernardini mit einer unheimlichen Gründ-
lichkeit. Nicht einmal im Bilde wurden dieselben erhalten, obwohl es da-
mals an warnenden Stimmen nicht fehlte*.
Zum Anbringen der von Salviati angefertigten Mosaikpasten musste
die innere Fläche der Kuppel, die bei der karolingischen Arbeit glatt
geblieben war, besonders hergerichtet werden. Hierzu wurden über die
ganze Fläche derselben Rinnen von etwa 5 cm Breite und 3 cm Tiefe
dicht nebeneinander eingehauen, damit der Untergrund für die Mosaik-
pasten besser halten sollte. Auf diesen wurden die Mosaiken angebracht,
doch nicht in der Weise, wie es beinahe 1000 Jahre früher der italienische
Mönch gethan hatte, sondern in einer von Salviati erfundenen Art, die
sich vor der ersteren wohl durch Billigkeit aber nicht durch Exactheit
und Haltbarkeit auszeichnete. Salviatis Verfahren war folgendes: Das
rausivisch darzustellende Bild wurde umgekehrt (negativ) auf weichem
Papier gezeichnet und dann die Pasten, mit ihrer Aussenfläche der Zeich-
nung und den aufzubringenden Farben entsprechend, auf das gezeichnete
Bild geklebt. Hierbei stand selbstverständlich der von der Mörtelmasse
*) Der nachbcrige Stadtarchivar Käntzelcr schreibt im Feuilleton des „Echo der
Gegenwart** vom 12. Februar 1866: „Ich habe mehrmals Herrn Kanonikus N. N. darauf
aufmerksam gemacht, wie sich im Oktogon au den Wänden das ganze ehemalige Inventar
des Aachener Schatzes, vom Anfange des 18. Jahrhunderts, wohl auffinden lasse, so dass
man daraus ersehen könne, was jetzt noch vorhanden sei und was mangele von Keliquien-
gefässen, gottosdienstlichen Utensilien, Paramenten u. s. w. Bevor es zum Abschlagen
dieser Gypsoruamente im Oktogon kommen wird, wäre gewiss eine genaue Abzeichnung
dieser Gegenstände im Interesse der Alterthuinswissenschaft angezeigt,*
— 124 —
aufzunehmende Theil der Pasten aufrecht, und wurde dann das so her-
gestellte Bild an der ihm zukommenden Stelle mit den Pasten in die auf-
getragene Mörtelmasse eingedrückt und blieb so haften bis der Mörtel
erhärtet war. Hierauf wurde dann das das Bild noch immer bedeckende
Papier mit Wasser abgewaschen und jetzt erst trat das Mosaikbild in die
Erscheinung. Dieses Verfahren hatte den Uebelstand, dass es bei dem-
selben unmöglich war, während der Anfertigung des Bildes Fehler in dem-
selben sehen und verbessern zu können; jeder Fehler in der Ausführung,
jede Disharmonie in den Farben und andere Ungehörigkelten treten viel-
mehr erst dann zu Tage, wenn das Bild für immer an seiner Stelle ange-
bracht ist. Diese Mängel zeigten sich denn auch bei dem hiesigen Mosaik-
bilde; die musivische Fläche wies Unebenheiten auf und Lücken zwischen
den einzelnen Pasten, welche stellenweise 5 Millimeter betrugen. Der
hierdurch sichtbar werdende Mörtel wurde — mirabilc dictu — mit ent-
sprechender Farbe angestrichen und so dem uubewatfneten Auge des arg-
losen Zuschauers entzogen.
Die in solcher Weise angefertigten Mosaiken sind von der Abnahme-
Kommission angenommen worden, und erhielt dafür Salviati die Summe
von 58400 Mark.
Rechnet man hierzu die Kosten der Vorarbeiten mit . . 23 250
so stellen sich die Gesammtkosten der Mosaiken auf . . 81650 Mark^
Gegen Ende Juni 1881 wurde das Werk vollendet.
Vereinsangelegenheiten.
Bericht über das Vereinsjahr 1894—1895.
Auch in dem abgelaufenen Jahre hat der Verein sich wieder redlich bemüht, der
Aufgabe, die er sich bei seiner Gründung gestellt, einerseits durch Abhaltung von wissen-
schaftlichen Sitzungen und Ausflügen und andererseits durch Herausgabe und Vervoll-
kommnung des Vercinsorgans nach Möglichkeit gerecht zu werden. Die verschiedenen
Monatsversammlungen waren gut besucht und verliefen, Dank dem unermüdlichen Eifer
einzelner Vereinsmitglieder in Beschaffung interessanten lokalgeschichtlichen Materials, sehr
anregend. Wegen der in den Sommer des abgelaufenen Jahres fallenden Heiligthumsfahrt,
die naturgemäss mancherlei Behinderung der Vereiusraitglicder im Gefolge hatte, fand nur
ein wissenschaftlicher Ausflug statt. Derselbe hatte zum Zielpunkt das geschichtlich
merkwürdige Städtchen Aldenhoven bei Jülich. Herr Pfarrer Schnock verbreitete sich
in einem eingehenden Vortrage über die Geschichte dos Ortes, während Herr Direktor
Dr. Wacker über die Schlacht bei Aldenhoven sprach. An die Vorträge schloss sich eine
Besichtigung der Pfarrkirche und sonstiger sehcnswerther ßautcu an. Die satzungs-
gemässe Generalversammlung fand am 7. Dezember 1895 statt; in derselben erstattete
der Vorsitzende, Herr Dr. Wacker, Bericht über die Lage und Wirksamkeit des Ver-
eins in dem Jahre 1894—95. Demselben entnehmen wir, dass die Mitgliedcrzahl leider
nicht unerheblich zurückgegangen ist; bange Befürchtungen brauchen aber darob doch
nicht Platz zu greifen; „denn wir haben, so führte der Vorsitzende aus, in unserm Vereine
einen festen Stamm einheimischer Mitglieder, deren Festhalten am Verein uns gesichert
«) Vgl. Kölnische Volkszeitung vom 1. Juli 1881, Nr. 179, vom 11. Juli 1881, Nr. 189
und vom 23. September 1881, Nr. 2G3.
— 125 —
ist, deren berechtigter Lokalpatriotisiuus ein festes Fundament ist, auf dem »ich das
Interesse für die vaterstädtische Geschichte aufbant. An der Peripherie jedes Vereines
können wir eine fluotuirende Masse bemerken, auf deren Festhalten nicht zn rechnen
ist. Aus Gefälligkeit gegenüber einem Freunde oder Bekannten eingetreten, warten manche
nur auf eine passende Gelegenheit abzuschwenken. Alle wissenschaftliche Vereine der
Stadt klagen über Abnahme der Theilnehmer. Lassen wir uns deshalb nicht irre machen
in der weitem Verfolgung unserer idealen Bestrebungen; vor allem wollen wir die alte
Mitgliederzahl durch energische Agitation wieder zu erreichen suchen. Mit 250 Mitgliedern
können wir voll und ganz die Aufgabe erfüllen und materiell ermöglichen, die wir uns
mit unserer Zeitschrift gesetzt haben. '^ Sodann legte der Schatzmeister des Vereins, Herr
Stadtverordneter F. Kremer die Jahresrechuung vor, die von zwei Mitgliedern geprüft
und für richtig befunden wurde. Dem Schatzmeister wurde Entlastung gewährt und der
verdiente Dank für die sorgfältige Kassenverwaltung seitens der Generalversammlung
ausgesprochen. Die Einnahmen und Ausgaben stellten sich wie folgt:
Einnahmen:
An Kassen bestand aus dem Vorjahre M. 724.15
211 Jahresbeiträge für 1894 „ 633.—
2 rückständige Jahresbeiträge für 1893 „ 6.—
Zinsen der Sparkasse „ 13.98
M. 1377.13
Ausgaben:
Dmckkosten der Vereinsschrift und Anderes M. 933.15
Inserate „ 18.10
Porto-Auslagen „ 23.60
Verschiedenes „ 24.—
Kassenbestand w „ 378.28
M. 1377.13
Nach Erledigung des geschäftlichen Theiles der Generalversammlung folgte noch eine
Beihe interessanter geschichtlicher Mittheilungen; u. a. berichtete der Vorsitzende über
das weitere Schicksal der chiffrirten Briefe des französischen Generals Davoüts an Napoleon,
deren Entzifferung endlich gelungen ist. Das Nähere darüber hat Herr Dr. Wacker in
der Zeitschrift des Görresvereins veröffentlicht.
— 126 —
Verzeichniss der Mitglieder.
L Vorstand.
Erster Vorsitzender: Wacker, Dr. K., Direktor der Lehrerinnen-Bildungs-
anstalt in Aachen.
Zweiter Vorsitzender und Redakteur: Schnouk, H., Strafanstalts-Pfarrer
in Aachen.
Schriftführer: Oppenhoff, F., Gyranasial-Oberlehrer in Aachen.
Bibliothekar: Schollen, M., Staatsanwaltschafts-Sekretär in Aachen.
Kassirer: Kremer, F., Buchhändler und Stadtverordneter in Aachen.
Beisitzer: Rhoen, C, Architekt
Menghius, C. W., Stadtverordneter.
Spoeigen, Dr. J., Oberlehrer.
Jardon, Dr. A., Gymnasiallehrer.
Schaf frath, J., Stadtverordneter.
Glas Ben, J., Kaufmann.
IL Mitglieder.
Adams, Hub., Kgl. Notar in Aachen.
A Isters, Dr., Professor in Aachen.
Barth, Apotheker in Aachen.
Baurmann, Dr. L., in Aachen.
Becker, J., Pfarrer in Weidesheim.
B eissei. Mar. Wilh., Rentnerin in Aachen.
Bertaut, L. Fabrikbesitzer in Aachen.
Bibliothek des Landkreises Aachen.
Biesing, Fritz, Rentner in Aachen.
Bock, Dr. Frz., Rentner in Aachen.
Bock, P., Nadelfabrikant in Aachen.
Bock, 0., jr., Kaufmann in Aachen.
Böcke 1er, H., Direktor in Aachen.
Bott, Bürgermeister in Forst.
Brückner, Dr., Arzt in Aachen.
Brnns, Fritz, in Werden a. d. Ruhr.
Buchholz, Jos., Kaufmann in Aachen.
Buchkremer, Jos., Privatdozent in Aachen.
Bücken, Win., Uhrmacher in Aachen.
Gapellmann, R., Geometer in Aachen.
Gazin, Frz., Ingenieur in Denver, Co.
Amerika.
Ghantraine, Dr. "W., Arzt in Aachen.
Gharlier, A., Restaurateur in Forst.
Glar, Dr., Gymnasial-Oberlehrer in Aachen.
G lassen, J. J., Pfarrer in Verlautenheide.
G lassen, J., Kaufmann in Aachen.
G lassen, Dr. J., Arzt in Aachen.
G lassen, Jak., Kaufmann in Aachen.
Glassen, M., Kaufmann in Aachen.
Gornely, Bürgermeister a.D. in Elchenrath.
Gossmann, Th., Möbelfabrikant in Aachen.
Gremer, £., Hauptlehrer in Aachen.
Cremer, Jos., Bauunternehmer in Aachen.
Gremer, M., Lehrer an der Lehrerinnen-
Bildungsanstalt in Aachen.
Greutier, A., Buchhändler in Aachen.
D ahmen, Frz., Kaufmann in Aachen.
Daverkosen, Jos., Kaufmann in Aachen.
Demeuse, Henri, Rentner in Aachen.
Deterre, Jos., Buchd rucke reibesitzer in
Aachen.
Dicker, Otto, Rentner in Aachen.
Dodenhöft, Em., Lehrer a. d. Viktoria-
schule in Burtscheid.
Drosemann, Dr. 0., Redakteur in Köln.
Dujardin, P., Architekt in Aachen.*
Eibern, M., Baumeister in Aachen.
Ernstes, Rieh., Kratzenfabrikant in Burt-
scheid.
Eschweiler, Pfarrer in Gürzenich.
Feld mann, Fritz, Kaufmann in Strassburg
im Elsass.
Fey, Job., Landgerichts-Sekretär in Aachen.
Fey, Jos., Rentner in Aachen.
Firmanns, Jak., Juwelier in Aachen.
Firmanns, Apotheker in Aachen.
Flamm, G. J., Kaufmann in Aachen.
Forckenbeck, von, Rentner in Aachen.
Förster, Jos., Kaufmann in Aachen.
Fraiquin, Lehrer in Aachen.
Pranzen, Deservitor in Eller.
Geschwandner, Dr., Direktor an der
Viktoriaschule in Burtscheid.
Genien, Peter, Kaufmann in Burtscheid.
Geyer, Dr. H., Gymnasiallehrer in Wesel.
G Uli am, AI., Brunnenmeister in Aachen.
Göbbels, J., Stadtrath in Aachen.
— 127 --
Gobi et, Aus:., Seifeufabrikaiit in Aachen.
Goeckc, Dr., Professor in Aachen.
Greve, Dr. Th., Professor in Aachen.
Grimmendahl, Dr. P., Gyiunasial-Ober-
lebrer in Aachen.
Gross, H. J., Pfarrer in Osterath.
Hammels, Jos., Kaufmann in Aachen.
Ha mm er 3, H., Photolithograph in Aachen.
Hammers, Job., Rentner in Aachen.
Hansen, Dr. Jos., Stadtarchivar in Köln.
Keinen, Dr. L., Arzt in Aachen.
Heller, Geometer in Aachen.
Hentrich, Gerichts- Aktuar in Aachen.
Hermann, Maschinenfabrikant in Bnrt-
scheid.
Her mens, Jos., Stadtrath in Aachen.
Herren, L., Kaufmann in Aachen.
Hess, Job., Kaplan in Köln.
Heucken, Jos., Kaufmann in Aachen.
Heasch, A., Cand. jur. in Aachen.
Hoesch, Otto, Kaufmann in Aachen.
Hoff, von den, H., Justizrath in Aachen.
Hon ne feller, P., Photolithograph in
Aachen.
Hube, M., Geschäftsbücher-Fabrikant in
Aachen.
Hüffer,Rüb., Maschinenfabrikant in Aachen.
Hüntemann, Jul., Schneidermeister in
Aachen.
Jardon, Dr. A., Gymnasiallehrer in Esch-
weiler.
Jaalns, Dr. H., Rabbiner in Aachen.
Jörissen, Alb., 8tud. jur. in Aachen.
Kaatzer, Herm., Wtw., Buchdruckerei-
besitzerin in Aachen.
Kaentzeler, Jos., Privatgeistlicher in Bonn.
Kahlau, H. J., Kaufmann in Aachen.
Kaltenbach, J., Kaufmann in Aachen.
Kelleter, Dr. F., Gymuasial-Oberlehrer in
Aachen.
Kelleter, Dr. H., Stadtarchiv-Assistentin
Köln.
Kickartz, J., Gasraeister in Aachen.
Klausener, Bürgermeister in Burtscheid.
Klevisch, Greg., Kaufmann in Aachen.
Klinkenberg, Dr., (iyranasial-Oberlehrer
in Köln.
Klinkenberg, P. H., Conditur in Aachen.
Koch, H. H., Dr. theol., Militär-Oborpfarrer
und Division-^pfurrcr in Frankfurt a. M.
Koehn, Gymnasial-Oberlehrer in Aachen.
Körfer, Herrn., Breunereibesitzer in Roth o
Erde.
Kremer, Ferd., Stadtrath in Aachen.
Krichel, J. 31., Rcndant in Aachen.
K r u s z e w s k i , Dr. A., Gymnasial-Oberlehrer
in Aachen.
Kuetgens, P., Stadtrath in Aachen.
Lambertz, H., Pianofortefabrikant in
Aachen.
Lamberz, Emil, Ingenieur in Aachen.
Lauffs, Fr., Rektor in Satzvey.
Lennartz, W., Hof-Uhrmacher in Aachen.
Lentzen, P. A., Fabrikdirektor in Aachen.
Lorsch, Dr., Arzt in Aachen.
Lessenich, M., Kaufmann in Aachen.
Linnartz, Direktor der Pro vinzial -Taub-
stummenanstalt in Aachen.
Lippmann, Otto, Fabrikant in Aachen.
Lob, R., Fabrikant in Burtscheid.
Lörkens, Dr. J., Professor der Rechte in
Freiburg i. d. Schweiz.
Loersch, Dr. H., Geheim. Justizrath, Pro-
fessor der Rechte in Bonn.
Lovens, Jakob, Pianoforte-Fabrikant in
Aachen.
Lücke rat h, W., Pfarrer in Waldfeucht.
Maassen, Arthur, Dachdeckermeister in
Aachen.
Mac CO, H. F., Kaufmann in Aachen.
Mahr, Gerb., Heizungsfabrikant in Aachen.
Maus, Heinr., Kunstgärtner in Aachen.
Med er, Dr. J., Gymnasial-Oberlehrer in
Aachen.
Menghius, 0. W., Stadtrath in Aachen.
Messe w. Frz. G., Rentner in Aachen.
Meurer, Dr. A., Realgymnasial-Obcrlehrer
in Aachen.
Michels, Jos., Hotelbesitzer in Aachen.
Möhlich, Job., Königl. Aratsanwalt in
Aachen.
Mülle nmeister, J., Tuch-Fabrikant in
Aachen.
Nelson, Dr. J., Professor in Burtscheid.
Neu, Frz., Rektor in Aachen.
Nenfforge, Th. von, Kaufmann in Aachen.
Ncujean, Eg., Maler in Aachen.
Niederau, W., Agent in Burtscheid.
Niessen, Jos., Kaufmann in Aachen.
Noethlichs, Gottfr., Lehrer in Aachen.
Ochs, Pfarrer in Steinfeld.
Oidtmann, Dr. Heinr., Glasmalerei in
Linnich.
Oppenhoff, F., Gymnasial-Oberlehrer in
Aachen.
Otten, Heinrich, Cigarren-Fabrikant in
Aachen.
Pauls, E., Rentner in Düsseldorf.
Paulssen, Frz., Stadtrath in Aachen.
Peelcn, Ferd., Pliestcnucister in Aachen.
— 128 —
Peltzer, Gast., Kaufmann in Aachen.
Peppermülier, Oberbibliothekar in Aachen.
Pier, von, Hrch., Nadelfabrikant in Aachen.
Pier, von, Louis, Nadelfabrikant in Aachen.
Pohl, Wilh., Bildhauer in Aachen.
Polis, Peter, Fabrikant in Aachen.
Polis, Pierre, Fabrikant in Aachen.
Pschmadt, Realgymnasial - Vorschullehrer
in Aachen.
POtz, Jak., Kaufmann in Aachen.
Quadt, Max, Rektor in Aachen.
Qu ad flieg, Lehrer in Aachen.
Reinartz, Job., Architekt in Bnrtscheid.
Rey, van, A., Kaufmann in Aachen.
Rhoen, C, Architekt in Aachen.
Roo rings, Aug., jr., Kaufmann in Aachen.
Rossum, Rud., Kaufmann in Aachen.
Rüben, J., Bauunternehmer in Aachen.
Rtttgers, F. J., Juwelier in Aachen.
Saedler, H., Pfarrer in Derendorf.
Savelsberg, Dr. H., Gymnasial-Oberlehrer
in Aachen.
Senden, Major im 2. Bad. Feld- Artillerie-
Regiment Nr. 30 in Rastatt.
Sommer, Dr., Professor in Aachen.
Schaf frath, J., Stadtrath in Aachen.
Schervier, Aug., Fabrikant in Aachen.
Schiffers,Hnb.,Steinmetzmoi8terinRaeren.
Schillings, Jos., Kaufmann in Aachen.
Schlesinger, M., Redakteur in Aachen.
Schmitz, H., Realgymnasial-Oberlehrer in
Aachen.
Schmitz, C, Stadtrath in Aachen.
Schmitz, P., Havanna-Import-Geschäft in
Aachen.
Schneider, Frz., Apotheker in Aachen.
Schnock, H., Strafanstultspfarrer in Aachen.
Schnütgen, Gymnasial-Oberlehrer in
Aachen.
Schollen, M., StaatsanwaltHchafts-Sekretär
in Aachen.
Schulze, Job., Gymnasial-Vorschullehrer in
Aachen.
Schumacher, Wilh., Zeichner in Aachen.
Schwartzcnber^, von, Fr., Steinmetz-
meister in Aachen.
Schweitzer, J., Buchhändler in A&chen.
S p 0 e l g e n , Dr. J., Realgymnasial-Oberlehrer
in Aachen.
Springsfeld, Dr., Arzt in Aachen.
Stanislaus, Aug., Flaschenbiergeschäft in
Aachen.
Steinraeister, Carl, Cigarrenfabrikant in
Aachen.
Strom, Frz., Kaufmann in Aachen.
Talbot, Hugo, Rentner in Aachen.
Theissen, Job. Pet., Reg.-Sekretär in
Aachen.
Theissen, Hrch., Hotelbesitzer in Aachen.
Thoma, Dr., Arzt in Aachen.
Thom6, Ferd., Buchhalter in Aachen.
Thyssen, Edm., Architekt in Aachen.
Tönissen, Wilh., Pfarrer in Borbeck,
ürlichs, Barth., Buchdruckereibesitzer in
Aachen.
Vaassen, Dr. B., Rechtsanwalt in A&dien.
Valtmann, H., Kaufmann in Aachen.
Vi gier, Louis, Schirmfabrikant in Aachen.
V i n c k e n , Mich., Oberpostdirektions-Sekret&r
in Aachen.
Vogelgesang, C, Kaufmann in Aachen.
Wacker, Dr. C, Direktor a. d. Lehrerinnen-
bildungsanst^lt in Aachen.
Wangemannn, Dr. P., Zahnarzt in Aachen.
Weber, Arthur, Kaufmann in Aachen.
Weber, Alex, Lehrer a. d. Webeschule in
Aachen.
Weidenhaupt, P., Lehrer in Aachen.
Welter, H., Rechtsanwalt in Aachen.
Wen dl and, L., Pfarrer in Rheinbach.
Weyers, Rodr., Buchhändler in Aachen.
Wieth, Dr. H., Gymnasial-Oberlehrer in
Colmar.
Wings, Fr., Kaufmann in Aachen.
Wirtz, P., Reg.-Sekretär in Aachen.
Zimmermann, Bürgermeister a. D. in
Aachen.
Verlag der Cremer'schen Buclihandlung (C. Caziii) in Aachen.
Die Aachener Geschichtsforschung.
Entgegnung auf die „Kritische Studie" des Herrn Dr. LuIyös
über
„Die gegenwärtigen Geschicbtsbestrebnngen in Aaclien**.
Mit UntcrstUUuüg Aachener Üeschicbtsfreundc herausgegeben von Dr. C. WSiCker.
96 S. gr. 8*». Preis JL 1.80.
DkICK \(»N UkKMANN KAAl/.hU IN AA( hun.
rs f 011111
MinElLÜNGEN DES VEREINS FÜR KIDE DER AACHENER VORZEIT
IM AUFTRAG DES VEREINS HERAUSGEGEBEN
TOS
HEINRICH SCHNOCK.
NEUNTER JAHRGAN6.
AACHEN.
Kommissions-Vbbi.40 dkr Obemkkschen Büchhandldno (C. Cäzin).
1S96.
INHÄLT.
Seite
1. Schönau. Von H. J. Gross 1
2. Christliche Auslegung einer bösen Karlssage. Von B. M. Lersch . . 88
3. Über das Zusammenleben der Stiftsgeistlichkeit zur Zeit der Karolinger.
Von H. Schnock 85
4. Kleinere Mitteilungen:
1. Handschriftliche Aufzeichnungen (1758—1785) im Stadtarchiv zu
Aachen. Von M. Schollen 41
2. Theodor Zimmers. Von J. Fey 44
8. Die Anwesenheit einer hanseatischen Gesandtschaft an König
Philipp ni. von Spanien in Aachen im Dezember 1006. Von
F. Oppenhoff 47
4. Ein merkwürdiger Fund. (Briefe Davouts an Napoleon I.) Von
C. Wacker 48
5. Schönau. (Fortsetzung.) Von H. J. Gross 49
6. Kleinere Mitteilungen:
1. Aktenstücke aus dem Aachener Stadtarchiv (1795—1805). Von
W. Brüning. . 92
2. Veranstaltung von Maskenbällen bei festlichen Gelegenheiten im
vorigen Jahrhundert Von M. Schollen. 95
8. Zur Geschichte des Kreuzherrenklosters. . . „ „ „ 96
4. Anordnung einer Prozession durch den Bat . „ „ „ 96
5. Fleischverkauf in der Fastenzeit n n n ^^
7. Schönau. (Fortsetzung.) Von H. J. Gross 97
8. Der Maler Johann Adam Eberle. Von J. Fey 119
9. Bericht über das Vereinsjahr 1895—1896 128
•}-*®4-^-
Jährlich 8 Nummcni EommiBsiona -Verlag
I 1 Bogen Royal OkUv. ^^"^
Cremer'schen BnchhaDdlung
Preis des Jahrgangs ^f ,^^„
4 Mark. in Aachen.
Mitteilungen des Vereins für Kunde der Aachener Vorzeit.
Im Auftrage dea Vereins herausgegeben Ton E. Sehnaek.
Nr. 1/3. Nennter Jahrgang. 1896.
Inhalt: E. J. Qross, SchQnan. ^ B. H. Lcrsch, Christliche Auslegang einer bäsen Karlssage.
— H. Schnock, Über das Zusammenleben (rita communis) der Stiftsgeistlicbkeit zur Zeit
der Karolinger. — Kleinere Mitteiinngen : 1. Hand schriftliche Aufzeichnungen (1753—1785)
im Stadtarchiv za Aachen. — 2. Theodor Zimmers. — 3. Die Anwesenheit einer hanseatischen
Gesandtschaft an Künig Philipp II. von Spanien in Aachen im Dezemher 1606. —
4. Ein merkwürdiger Fund.
Schönau.
Von H. J. GroBS.
Unter den vielen Burgen, welche in reichem Kranze die Kaiserstadt
Aachen umgeben, dürfte kaum eine andere eine so wechselvolle und lUr die
Sittenkunde so interessante Geschichte haben, wie Schönau bei ßichtericli.
Wir wollen versuchen, auf den folgenden Blättern dem Leser eine nur aus
urkundlichen und andern bewähiten Quellen geschöpfte Darstellung der
Schicksale Schönaus und seiner Besitzer zu geben, wobei wir bemerken,
dass alle Nachrichten, deren Herkunft nicht besonders angegeben ist, aus
dem ehemaligen Schönauer Archiv gezogen sind.
I.
Herrschaft und Schloss Schönau.
I. Schönau ein „Sonnenlelien", d. h. eine freie Herrschaft.
Schönan ist nie so bedeutend gewesen, dass seine Besitzer eine Rolle
im Weltdrama hätten spielen können, aber trotzdem ist es jedem, der sich
mit deutscher Eechtsgeschichte befasst hat, dadurch bekannt, dass es zu
den wenigen sogenannten Sonnenlehen zählt. Grimm' gibt deren fünf an:
Hennegau, Bicholt an der Maas, Nyel bei Ltitticli, Scliünau bei Aachen,
Warberg zwischen Helmstett und Wolfenbüttel. Biesen fügt Hansen^ noch
folgende bei: Oldenburg, Hassleben, Elelienrode, Heyenrode, Bellstädt,
■) Deutsche RechtsaltcrthUmcr I, S. 278.
') Zeitschrift des Aachener Qesebicbts -Vereins VI, S. B4, N. 2,
— 2 —
UifterungeD, Schniiedehausen, Reckershauseii. Auffallend muss es uns mit
Hansen erscheinen, „dass der Ausdruck Sonnenlehen nur so selten erscheint,
während noch im vorigen Jahrhundert eine grosse Anzahl allodialer Be-
sitzungen vorhanden war, auf welche diese Bezeichnung nicht angewendet
wurde." Weniger auffällig erscheint uns der „Umstand, dass das Mittel-
alter in der Uebertragung der Lehnsidee so weit gegangen ist, sich sogar
den direkten Gegensatz des Lehns, denn das war ja doch eben das Allod,
im Lehnsnexus zu denken". Jene Zeit betrachtete sogar das Recht auf
Arbeit, das doch — wenn man so sagen darf — eines jeden Menschen
eigenstes Eigen ist, als ein von Gott und der Obrigkeit verliehenes, und
bezeichnete die Arbeit selbst als ein zum Nutzen des Gemeinwesens von
Gott und der Obrigkeit gegebenes Amt^ also ebenfalls als Lehen: da
lässt sich doch leicht begreifen, dass sie alle äusseren Güter nur als Lehen
ansah, die man von einem Menschen oder, wo das nicht der Fall war,
direkt von Gott erhalten hatte.
Aus dem Vorstehenden ist schon klar, was wir unter Sonnenlehen
verstehen. Das waren allodiale Besitzungen des Adels — wie Hansen
ausdrücklich hervorhebt* — , welche zu keinerlei Dienstleistungen ver-
pflichteten, weil sie eben des Besitzers erbliches Eigen waren, das ihm
nicht von einem andern Menschen gegen irgend welche Verpflichtung über-
tragen worden war. Diese Güter hatten sich frei und unabhängig erhalten,
sie waren dem allgemeinen Zuge der Zeit nach Verlehenung — man ge-
statte den Ausdruck — nicht gefolgt. Ihre Besitzer waren darum auch
selbst unabhängig, keinem andern Herrn unterworfen, sie waren frei von
einem jeden Dienste eines Höheren: ausgenommen natürlich, dass sie als
Angehölige des Deutschen Reiches ihre Pflicht gegen Kaiser und Reich
erfüllen mussten.
Dass die Herren von Schönau die Bedeutung des Ausdruckes Sonnen-
lehen im wesentlichen ebenso auffassten, erhellt aus ihren eigenen Erklärungen
in gerichtlichen Aktenstücken. So sagt Baltasar von Mylendunck: „1) dass
die herlichkeit Schonaw mit ihren pertinentiis von unvordenklichen zeiten
her in alle weg anders nicht dan von der lieben sonne Gottes zu lehen
ist empfangen und getragen worden; 2) dass bemelte herlichkeit iederzeit
als eine freie herlichkeit dem heiligen römischen reich ohne mittel^ under-
worfen gewesen und iederzeit dafür gehalten und verthediget worden."
Dieselbe Anschauung gibt sich auch kund in folgenden Sätzen, welche der
Herr von Blanche in seinen Prozessen häufig anführt: „Wie Könige und
Fürsten ihre Reiche, so haben die Herren von Schönau ihr Schloss mit
allem Zubehör nur von Gott allein . . ." und: „Wie im longobardischen
Gesetze die Allode Güter ohne Dienstleistung (sine hominio) genannt werden,
die man von niera<and als von Gott allein empfängt, so auch jene Burgen
*) Vgl. Janssen, Geschichte des deutschen Volkes I, S. 315.
^ Zeitschrift des Aachener Geschichts-Vcreins VI, S. 84, N. 1.
^) unmittelbar.
— 3 —
und Gerichtsbarkeiten, die man Sonnenleheu nennt/ Er beruft sich dabei
auf Trithius und a Sande.
Nach der Auffassung der Herren selbst war also das Sonnenlehen ^
nichts anderes als eine freie reichsunmittelbare Herrschaft, und als eine
solche wird Schönau auch von andern anerkannt und bezeichnet. „Gedachte
herlichkeit ist in negster gülischer vehenden * für eine solche reichsunmittelbar
freie herlichkeit verthediget worden," sagt Baltasar von Mylendunck. Eine
andere Aufzeichnung nennt Carl V. selbst als diesen „verthediger" und
fügt bei: „Das hat Dieterich von Mylendunck mit eigener band schriftlich
hinterlassen.**
Als Walter von Blisia den Maternusaltar in der Nikolauskapelle des
Aachener Münsterstiftes, dessen Sänger er war, mit vier Malter Roggen
jälirlichen Erbpacht ausstattete, bezeichnete er die Grundstücke, welche
mit der Kornlieferung belastet wurden, als gelegen „im Gebiete oder in
der Herrschaft Schönau am Hirsch" ^ und im Jahre 1668 bezeugte Herr
Gothard von Keverberg genannt Meven, der in der Nähe von Schönau auf
dem Schlosse Rah in der Sörs seine „adelige residenz" hatte, dass die
Herren von Schönau stets die Jagd in ihrem Bezirke ausgeübt, dass er
selbst oft mitgejagt habe, ohne dass ihm darüber vom Herrn zur Heiden*
irgend ein Wort gesagt worden sei, dass er von seinem Vater habe sagen
hören, Schönau sei Herrlichkeit gewesen, ehe das Haus Heiden dazu gelangte.
Die Herren zur Heiden wollten die Reichsunmittelbarkeit Schönaus
nicht anerkennen und bestritten dieselbe auch aus dem Grunde, weil die
Besitzer nicht zu den Reichstagen zugezogen würden. Darauf antworteten
aber die Herren von Schönau, es sei ein unterschied zwischen Reichs-
unmittelbaren und Reichsständen. Nur letztere hätten Sitz und Stimme
im Reichstage, erstere dagegen seien solche, die ausser dem Kaiser keinen
Herrn über sich erkennen. Der Reichsstand sei darum auch reichsunmittel-
bar, nicht aber umgekehrt der Reichsunmittelbare auch Reichsstand.
Wir ersehen auch hieraus, dass die Herren von Schönau aus der
Eigenschaft ihres Besitzes als Sonnenlehen keine andern Rechte herleiteten
und beanspruchten, als die den Reichsunmittelbaren überhaupt zustanden.
Woher aber diese Reichsunmittelbarkeit der kleinen Herrschaft? Wir
antworten: Schönau liegt in dem alten praedium Richterich. Dieser Gross-
grundbesitz war nach dem Zeugnisse der Jahrbücher von Klosterrath^ ein
Allod der Aachener Pfalzgrafen, die aber schon im 12. Jahrhundert manche
Teile desselben an ihre Verwandten oder Diener vergabt hatten. Aus
0 üeber die Bedeutung und Erklärung der sinnbildlichen Bezciclinung siehe unten
Nr. 5.
*) Im geldrischcn Kriege 1542—43.
^) „in territoris sive dominio de Schonawen**. Quix, Müusterkirche, S. 139. AValter
war Kanonikus seit 1452, Säuger seit 1505, f 1512. Vgl. A. Heu seh, Nomina Domino rum
Canonicorum Reg. Eccl. B. M. V. Aquisgranensis S. 10, Sp. 1*.
*) der das Jagdrecht der Schönauer leugnete.
^) Annales Eodenses S. 25 u. oft.
— 4 —
diesen Absplissen sind die Rittergüter im nachmaligen Ländchen von der
Heiden entstanden. Da dessen Geschichte anderwärts eingehend dargestellt
werden soll, erinnere ich hier nur daran, dass dasselbe als praedium
Richterich zuerst AUod der Pfalzgrafen, dann Besitzung der Heinsberger,
hierauf königliches Eigenthum, danach Reichslehen der Kölner Erzbischöfe
und endlich Gebiet der Herzoge von Jülich war, welch letztere eine ünter-
herrschaft daraus bildeten, die von der Burg ihres ersten Herrn den Namen
zur Heiden bekam.
Trotz den Vergabungen jedoch blieb vom praedium Richterich noch
ein stattlicher Rest übrig, den ein Verzeichniss der Einkünfte des Aachener
Münsterstifts aus dem 11. Jahrhundert^ als Herrengut des Grafen Hezelo
bezeichnet. Dieser Rest ist eben Schönau*. Nahe bei der Stelle, wo das
jetzige Schloss liegt, befand sich ehedem der Haupthof des ganzen AUods,
an welchem Verwaltung und Gerichtsbarkeit des praedium hing. Ein An-
zeichen dafür findet sich noch in einem Vergleiche aus dem 17. Jahr-
hundert, durch den die Parteien Mylendunck und Hillensberg sich ver-
pflichteten, nichts von den zu Schönau gehörigen Besitzungen zu verkaufen,
zu versetzen oder zu vertauschen, auch nicht „den pesch' sammt den
kamerhof, in welcher besirk das Haus Schonaw gelegen ist.** Das Schloss
liegt demnach auf dem Grund und Boden eines alten Hofes, dessen Sohl-
stätte noch im 17. Jahrhundert den Namen Kammerhof führte. Dieser
Ausdruck ist nach der Analogie von Kammerforst u. a. gleichbedeutend
mit Herrenhof; das Haus Schönau ist demnach an die Stelle des pfalzgräf-
lichen Kanuner- oder Herrenhofes getreten. Der Besitzer dieses Kammer-
hofes nun war im Anfange des 11. Jahrhunderts nach dem Zeugnisse der
oben erwähnten Urkunde Graf Hezelo, der zweite Sohn des Aachener Pfalz-
grafen Herman*; das praedium Richterich gehörte demnach zur Aus-
stattung der jüngeren oder hezelinischen Linie des pfalzgräflichen Hauses,
welche 1045 auch in den Besitz der Pfalzgrafen würde gelangte ^ Die vom
Salhofe abgetrennten Güter verloren natürlich ihren allodialen Charakter,
verblieben aber unter der Grundherrlichkeit des Besitzers des ursprüng-
lichen Haupthofes. Den Beweis liefern die Jahrbücher von Klosterrath.
Dieselben verzeichnen manche Schenkungen an Ländereien, welche von
Besitzern der im praedium Richterich gelegenen Gütern an die Abtei gemacht
wurden, melden aber auch jedesmal, dass die üeberweisung der Grundstücke
durch den Pfalzgrafen erfolgt sei ^. Nachdem das pfalzgi'äfliche Haus 1 1 40
ausgestorben, und der alte Kammerhof an ein minder mächtiges und an-
gesehenes Geschlecht gekommen war, verlor dieser auch die Lehensherrlich-
>) Qu ix, Cod. dipl. aquen. Nr. 42.
«) Vgl. Hansen a. a. 0. S. 88.
*) Wiese.
*) Groll ins, Erläuterte Reihe der Pfalzgrafen zu Aachen, S. 22.
*) G fror er, Papst Gregor VIT., Band I, S. 81 fif.
") Anoales Kodenses S. lö, 19, 20.
— 5 —
keit über die abgetrennten Güter. Diese kam an die verschiedenen Herren,
denen das praedium Richterich zuteil wurde, bis sie zuletzt den Kölner
Erzbischöfen verblieb, die sich das Oberlehensrecht bei der Abtretung
Eichterichs an die Grafen von Jülich vorbehalten haben mögen.
Der alte pfalzgräfliche Kammerhof aber behielt trotz aller Verluste
seinen allodialen Charakter; seinem Besitzer standen über die bei diesem
Hofe verbliebenen Ländereien und deren Bewohner dieselben Eechte zu,
welche einst die Pfalzgrafen über das ganze Gebiet gehabt hatten: also
alle Eechte des Grundherren.
Wann und von wem der Kammerhof den Namen Schönau erhielt, ist
unbekannt, indessen lag die Benennung nahe. Wie man später Schönforst
nach seiner Lage im Walde benannte, so hat man dem Kammerhof nach
seiner Lage in der wasserreichen, fruchtbaren Niederung die Bezeichnung
Schönau beigelegt.
2. Das Gebiet der Herrschaft Schönau.
Die älteste der mir vorliegenden Grenzbestimmungen datiert vom
23. Dezember 1523; dieselbe findet sich in dem folgenden Vergleiche
zwischen Dieterich von Mylendunck, Herrn zu Schönau und Werner von
Schönrode, Herrn zur Heiden.
„Wir Diederich herr zo Mylendunck ind zo Schönawen unde Werner
von Schoenrode, herr zo der Heiden inde zor Blyt etc. doen kund allen
lüden und bekennen hiemit offenbarlich: so ein herr zo Schönawe Gott
allmächtig ind seinere kaiserlichen majestät unde dem hilligen ryche ind
niemand anders vor overheuft kenne inde die hoeuftvart^ von des herren
kamer zo Schönawe an das kaiserliche kamergericht gaet ind sulchs von
alders herbracht ist, inde oich myn Dederichs ohme, wilne here Kraft von
Mylendunck ritter, here zo Meiderich ind zo Schönawe, mynre Werners
moder Maria von Merode, frawe zo der Heiden, den beiden Gott benaede,
vur reede * ind hoeuftgericht seinre fürstliche genade zo Guiliche beklaigt
hait over die ingriffe, dieselve frawe zo der Heiden in der hirlicheit von
Schönawe möge gedaen liain, inde darup ein ordeil gesprochen ist op
freidag des hilligen creuz abends' exaltationis in dem jare uns herren 1510,
dat here Kraft vorschreven by seinen regalien, laessen ind gerichten zo
Schönawen ruwlich ind vredlich blyven solde, wie syn alderen ind he sulche
zuvorens gehait ind gebruicht hain, so sein wir, der herr zo Mylendunck
ind zo Schönawe unde der herr zo der Heiden vorschreven, heude dag
datum unser gebiete halven bysamen getreten ind haven dieselve regulirt
ind gesatz: so dat der distrikt unde gebiet der herlicheit Schönawe gaen
sal längs dat ryche von Ache von Vetzsen* und Houf* an uns® up Bers-
berger ' gut, ind dar längs durch dat velt over Oirsvelder * klyf und längs
Oirsvelder gut und hinder dat huis Oirsvelt längs den meistweg^ ind längs
') AppeUation. *) Käthe. ') 13. September. *) Vetschau. ') Huff bei Vetschau. •) bis.
^) Bcrensberg. *) Uersfeld. ') Mistweg.
— 6 —
Vilsberger hof, vort durch Dtistergatz^ und Roderstrass^ uns an den scheifen
graf, item durch dat Richterger'' velt um dat eitergut* längs künegatz ind
vorsterheiden * durch den vieweg uns do an dat eitergut, ind davon längs
den flutgraf uns wider op dat ryche van Ache, so dat der here zo Schönawe
op gen Houf, in den Groenendal, an gen haut, zen Hirtz ind op Meven-
heide, inde oich zo Richtergen in den distrikt of gebiet der herlicheit
Schönawe gelegen unde over die laessen, leinlude* ind samentliche under-
saessen darinen wohnende zo gebieden, unde ein here von der Heiden sich
derselben guder, huiser, hotten ind wohnungen noch der laessen, leinlude
ind undersaessen zo Schönawe gehoerende, in geinerlei raanieren under-
nehmen en sal nu noch zen ewigen dagen. Ydoch die guder zo Richtergen
in den Richtergen distrikt betreflfend, so einige under die herlicheit von
der Heiden gehören, over dieselve guder ind sonst niet aneinhangende sal
man so genge^ als mogelich na unse augenschein of vurbringen unsre
diener beiderseitig gebiet in dem Richterger distrikt vorschreven ouch
aneinklevende ferner zo goeder vruntschaft ind naburschaft regelieren ind
setzen sonder aller argelist. Des zo warer urkund syn dieser verdregen
zwei glychs inhalts ufgericht ind haven unsere siegelen wissentlich hie an
doen hangen, der yder parteie einen na ime® genomen hait. Gescheit in
dem jaren uns herrn 1523 den 23 tag im dezember. Dederich her zo
Mylendonck ind zo Schönawe. Werner von Schoenrade, her zor Heiden inde
zor Blyt^**
Die Festsetzung der Grenze in Richterich hat nie stattgefunden.
Quix^® druckt jedoch einen Brief Werners von 1524 ab, in welchem der-
selbe seine Zustimmung zu einer Grenzbegehung ertheilt, welche das
Heidener Gericht gemeinschaftlich mit dem Schönauer abgehalten hatte
und welche die oben angegebenen Grenzen etwas näher bestimmt. Das
Schreiben lautet: „Myne vrüntliche grütz — So myne vogt ind geschworene
mir vorbracht haven, dat ür scholtis ind geschworen die limiten der herlig-
keit Schönawe mit hün begangen, zo wissen von dem dürrenbaum" längs
dat ryche von Aichen bis up Berensberg gut, item durch den kohlweg
bis up die elf trappen, item durch den byrweg''^, vort durch den rein an
den Scheit ^\ item durch den veeweg, borgass ind kuegass *^ over die vorster-
heid ind durch den weiweg bis up den dürrenbaum vorschreven, so bin
ich darmit zo vrede ind en sal mich der guten inde lüden binnen den vür-
gemelten limiten der herlichkeit Schönawe volgens sigel, breve ind ordel
der herzogen zu Guilich seliger gedechtnis niet annehmen; hirintgen*^ ir
uch der guten inde lüden in der herlichkeit van der Heiden baussen die
limiten der herlichkeit Schönawe vorschreven oich nit annehmen en solt;
ydoch die beide herlichkeiten Schonawen und Heiden sullen ein wy die
*) Dttstergasse. ') Strasse nach Herzogenrath. *) Richterich. *) Altirgnt. ') Vorderste
Heide. •) Lehenleute. ^) bald. •) an sich. •) Nach einer späteren Abschrift. '®) Geschichte
des Schlosses Schönaii S. 9. ") Zwischen Vetschau und Horbach. '-) alias: leer- oder Herweg.
^') Kohlscheid. '*) Vgl. oben: künegatz. '*) wohingegen.
— 7 —
andere berechtigt sein inde bliven up den gemeinen busch .... 1524.
Werner von Schoinrode her zor Heiden inde zor Blydt.**
Im Jahre 1754 Hess der Herr von Blanche die Grenzen seines Ge-
bietes gegen Aachen durch Statthalter und Schöffen begehen und lud alter
Gewohnheit gemäss die Herren von Aachen, d. h. Bürgermeister und Rath,
als Grenznachbaren zum Begange ein. Weil von selten des Magistrats
niemand erschien, nahm Blanche den Leutenant des Quartiers Laurensberg
und einen Einwohner des Aachener Reichs mit. Da im Protokolle die
bezüglichen Grenzen ganz genau bezeichnet sind, teilen wir dasselbe im
Wortlaute mit. Man ging „von Berensberg an längs dem Achener land-
graben bis am liirsch, sodan dieserseits^ längs dem wachtthürmgen daselbst
bis auf den hirscherweg und durch diesen hirscherweg bis auf den Berger-
creuzweg onweit unser lieber frauen rast^, hiervondannen aber durch den
Gronenthaler weg und durch die Herlenter- ^ oder Hufferstrass, item durch
den graberweg bis an Vetschen und hiervondannen durch den Herlenter-
weg bis an den dürrenbaum."
Es sind noch einige Verzeichnisse aus dem vorigen Jahrhundert er-
halten, welche die zum Schönauer Distrikte gehörigen Ortschaften, Höfe
und Häuser angeben. Alle zusammen liefern folgendes Ergebniss. Zur
Herrschaft gehörten:
1. Schloss Schönau mit dem Burghofe; das im Vorgeburg liegende
Pannhaus „an die Kreuzer**; 9 Häuser und Höfe mit ihrem Zubehör an
Graswuchs und Länderei ; 2. der Küppershof, welcher dem Aachener Lieb-
frauenstifte gehörte; 3. am Hasenwald: 14 Häuser; 4. auf die Huff: 3 Häuser
mit Weide und Land; 5. im Grünen thal: 6 Häuser mit Weide und Land;
6. an die Hand: 5 Häuser u. s. w.*; 7. zum Hirsch: 5 Häuser u. s. w.'*;
8. Lind-Hofgut; 9. Richterich: die Kirche, die daran anstossende Schule,
der Zehnthof des Aachener Kapitels und darum liegende 80 Häuser; dies-
seits der Borgasse, Künnegasse und Forsterheide 11 Häuser u. s. w.^;
10. Wilsberg: 9 Wohnungen; 11. Mevenheide, die sich bis auf den Vieh-
weg erstreckt: 11 Häuser und Höfe u. s. w.*; 12. Haus und Hof Uersfeld
samt dessen Abspliss Mittelürsfeld und 6 nunmehro (1758) erbauten Häus-
chen; 13. Forsterheid: 8 Wohnungen; 14. diesseits der Bank am Kreuz:
3 Häuser; 15. Viehweg: 10 Wohnungen; 16. Steinweg oder Kreuzstrass
diesseits am Scheid: 59 Wohnungen; 17. auf Bley: 2 Wohnungen.
Der weitaus grösste Theil dieses Gebietes wurde trotz der Abmachungen
von 1523 und 1524 den Besitzern von Schönau durch die Herren von Heiden
streitig gemacht.
*) auf der Schönauer Seite.
*) Vgl. meine Beiträge zur Geschichte des Aachener Reichs, „Aus Aachens Vorzeit**,
Jahrg. V, S. 102, Aum. 4.
') Heerlen.
*) wie bei Nr. 4 und 5.
— 8 —
3. Die Rechte der Herren vou Schönau.
Im Jahre 1302 bestätigte und verbriefte Kaiser Albert im Lager
vor Köln dem Ritter Gerard von Schönau alle Gerechtsame, welche letzterer
als Besitzer der Herrschaft Schönau auszuüben berechtigt war.
Die Urkunde selbst ist nicht mehr vorhanden, aber es gibt eine von
Bürgermeister und Rat der Stadt Aachen beglaubigte Abschrift. In einem
Prozesse wird erzählt, Balthasar von Mylendunck habe die Urkunde ihrer
Wichtigkeit wegen auf dem Aachener Rathause hinterlegt, und dort sei
sie bei dem Brande von 1656 zu Grunde gegangen. Nachdem berufene
Gelehrte erklärt haben, dass Inhalt und Form dieser für die Geschichte
Schönaus allerdings sehr wichtigen Urkunde keinen Anlass zu Bedenken
bieten^, wird man sich wohl auf dieselbe berufen dürfen. Sie lautet mit
der Erklärung des Aachener Magistrats also:
„Wir bürgermeister, scheffen und rath des königlichen stuels und
reichsstatt Aach thuen kund hiemit öffentlich bezeugend, dass der wohl-
geborener herr, herr Baltasar freiherr von Mylendonck, herr zu Schönaw
und Warden etc. uns einen brief uf pergameut geschrieben und mit ihre
röm. königl. majestät Alberti anhangenden Siegel zustellen und einhändigen
lassen, folgenden wörtlichen inhalts:
^Albert von Gottes Gnaden Römischer König, allezeit Mehrer des
Reichs, entbietet allen des H. Reichs Getreuen seinen Gruss. Ihr möget
wissen, dass Wir — da Uns der tapfere Mann Gerard von Schönau klar
dargethan hat, wie er und seine Vorfahren Burg und Herrschaft Schönau
bei Aachen mit ihrem Zubehör: den Höfen, Weilern, Häusern, Ländereien,
Weiden und Büschen, mit den Laten und übrigen Einwohnern und Unter-
gebenen, mit der hohen und niedern Gerichtsbarkeit, sowie andern Rechten
und Regalien, nämlich der Erhebung von Auflagen und Steuern^, der Prägung
von Münzen, der Ausübung der Jagd, bisher inne gehabt und ungestört
besessen hätten, und er zugleich demütig und unterthänig bat. Wir möchten
ihn, sowie seine Burg und Herrschaft Schönau mit ihrem Zubehör in Unsern
und des H. Reichs Schutz nehmen und die genannten Rechte und Regalien
bestätigen, — dieser unterthänigen Bitte willfahrend, den Gerard, seine
Burg und Herrschaft Schönau mit ihrem Zubehör in Unsern und des H. Reichs
besondem Schutz nehmen, alle und jede vorgenannten Rechte und Regalien,
deren Gerard und seine Vorfahren in der Herrschaft Schönau genossen und
sich erfreuten, aus der Fülle Unserer Königlichen Macht bestätigen, indem
Wir wollen, dass Gerard sowie seine Erben und Nachfolger in besagter
Herrschaft Schönau dieser vorbezeichneten Rechte und Regalien freien
Gebrauch und ungehinderten Genuss für immer haben sollen. Zur Urkund
und Bekräftigung haben Wir genanntem Gerard diesen offenen und mit
*) Vgl. Hansen, Zeitschrift des Aachener Geschichts-Vereins, VI, S. 86, N. 1.
*) Ich gebe die Urkunde zur Bequemlichkeit der Leser in genauer deutscher üeber-
setzung.
') assissias et voctigalia.
— 9 —
üneerm Königlichen Siegel bestätigten Brief ausgestellt. Gegeben im Lager
bei Köln im Jahre des Herrn 1302, am Tage der h. h. Märtyrer Crlspinus
und Crispinianus ^ in der 1. Indiction und im 5. Jahre Unserer Regierung.
Und hat demnach wohlgedachter herr bei uns fleissig ansuchen lassen,
dass wir denselbigen königlichen brief vidimiren und transumiren und ihm
davon ein glaubwürdiges vidiraus und transumpt mitteilen wollten. Daruf
wir den Originalbrief mit allem fleiss examinirt und gegen dies unser vidi-
mus und transumpt collationirt, und da wir denselbigen königlichen brief
von wort zu wort gleichen Inhalts, wie selbiger vor inserirt ist, und an
Siegel, Pergament und Schriften unversehrt, unradirt und unverletzt und
ganz richtig ohn allen argwöhn befunden, so haben wir ihm dies unser
vidimus und transumpt — dem in- und ausserhalb gericht gleich dem ori-
ginalbrief vollkommener glaub gegeben werden soll, mitgeteilt. Urkund der
Wahrheit haben wir unserer statt gemeinen insiegel hierauf drucken und
durch unseren secretarium dies vidimus und transumpt unterschreiben lassen.
Geschehen Aach am 22. augusti 1615. Niclaus von Münster.**
Kaiser Albert bestätigte demnach dem Ritter Gerard als Herrn von
Schönau folgende Rechte: Derselbe durfte die hohe und niedere Gerichtsbar-
keit sowie das Jagdrecht ausüben, sodann Umlagen und Steuern erheben,
endlich Geld prägen. Sehen wir nun zu, ob die Herren von Schönau diese
Rechte auch thatsächlich geübt haben.
a. Nichts ist mit grösserer Heftigkeit angegriffen und mit so aus-
dauernder Zähigkeit vertheidigt worden, als die Schönauer Gerichtsbar-
keit. Bei allen Kämpfen um die Selbständigkeit der kleinen Herrschaft
handelte es sich zunächst um die Berechtigung ihres Gerichts.
Es fragt sich nun: auf welcher Seite stand das Recht? Greifen wir
auf das zurück, was wir oben über die Stellung Schönaus zum praedium
Richterich gesagt haben, so dürfte sich die Frage leicht entscheiden lassen.
Schönau war der Haupthof des ganzen praedium, hier war der Mittelpunkt
für die Verwaltung und Rechtsprechung des Gesammtallods *. Diese Stellung
konnte Schönau nicht mehr behaupten, als der bei weitem grösste Theil
des praedium Richterich in den Besitz mächtiger Fürsten kam, als Herren
wie die Heinsberger, die Erzbischöfe von Köln, die Grafen von Jülich
Grundherren des Gebietes wurden und die Oberherrlichkeit über die ehedem
zu Schönau gehörigen Güter in Anspruch nahmen. Darum liess sich Gerard
von Schönau vorsichtigerweise von Kaiser Albert die Gerechtsame über
das dem alten Haupthofe noch verbliebene territorium oder dominium
verbriefen, damit nicht auch diese im Kampfe des Schwächeren gegen den
Mächtigeren verloren gingen. Ueber dieses Gebiet und dessen Bewohner
besass demnach der Herr von Schönau die hohe und niedere Gerichtsbar-
keit; über andere Güter des ehemaligen praedium Richterich, soweit sie
») 25. Oktober.
*) Vgl. hierzu meine Beiträge zur Geschichte des Aachener Reichs, „Aus Aachens
Vo^zeit^ Jahrg. VIII, S. 17 ff.
— 10 —
nämlich an Schönau lehenrtthrig, kurmedig oder zinspflichtig waren, stand
ihm nur noch eine Latengerichtsbarkeit zu; über diejenigen Güter aber,
welche in eine andere Grund- und Lehensherrlichkeit übergegangen waren,
hatte der Schönauer gar nichts mehr zu sagen.
Mit einem Worte: dem pfalzgräflichen Haupthofe Schönau ist es in
bezug auf die ihm unterstehenden Güter ähnlich ergangen, wie der kaiser-
lichen Pfalz Aachen mit ihren Nebenhöfen.
Dass diese Auffassung richtig ist, ergibt sich auch daraus, dass Hansen ^
aus der Erwägung einer Urkunde des Herzogs Wilhelm von Jülich zu dem-
selben Ergebnisse gelangt. Im Jahre 1361 verpfändete nämlich besagter
Herzog das ehemalige praedium Eichterich mit all seinen Gerechtsamen
an Goedert von Bongart, schloss aber ausdrücklich die dem Herrn von
Schönau auf dessen, wie auf den Gütern seines Bruders Maschereil und
deren Tante, der Frau von üelpich, zustehende Gerichtsbarkeit von der
Verpßlndung aus. Diese Güter lagen im Kirchspiele Richterich, sowie in
den andern^ Dörfern und Feldern, die zu Richterich gehörten. Der Vor-
behalt zu gunsten des Schönauers sollte jedoch nur so lange dauern, als
dieser' die Länder Montjoie und Cornelimünster vom Herzoge in Pfandschaft
besass. Den Blutbann auf diesen Schönauer Gütern behielt der Fürst zwar
sich selbst vor, denn er sagt: „Treife dat gerichte an lyf, dat solen sy
(die Schönauer) oeverleveren uns herzogen ind unsen amtluden"; jedoch
auch in solchen Fällen erfolgte die Verhandlung und die Findung des
Urteils durch das Schönauer Gericht: „ind danaf sal man alsdan richten,
also yre (der Schönauer) laisen dat wysen solen**.
Hier ist — und darauf hat Hansen mit Recht aufmerksam gemacht
— von Schönau selbst gar nicht, sondern nur von denjenigen Gütern die
Rede, welche die Familie von Schönau damals noch gemeinschaftlich im
Kirchspiele Richterich bezw. Eigelshoven besass; die Rechte des Herrn
von Schönau in der ihm verbliebenen „Burg und Herrschaft" werden also
durch diese Abmachung gar nicht berührt.
Es muss aber auch noch auf den Umstand hingewiesen werden, dass
der Herzog selbst beide Beschränkungen, sowohl die, welche die Dauer
des Vorbehalts zu gunsten der Schönauer bis zur Einlösung von Montjoie
und Cornelimünster festsetzte, als auch die, welche sich auf den Blutbann
bezog, in der erneuerten Belehnung Bongarts von 1370 fallen liess. Es
heisst nämlich da nur noch : „ [nd behalden ouch heren Reinarde, dem heren
van Schoenvorst op deme goede van Schoenawe ind wilne heren Maschriels
sins broders ind der vrouwen van Uelpich ire moinen irene goede zo Schoenawe,
') A. a. 0. S. 89 f.
') Hiermit sind die im Kirchspiele Eigelshoven liegenden Güter gemeint. Sie ge-
hörten demnach zum praedium, nicht aber zur Pfarre Bichtcrich.
^) Reinard, der jüngste aber bedeutendste der damaligen Schönauer. Vgl. über diese
Verhältnisse meine Abhandlung über Keinard von Schönau, ^Aus Aachens Vorzeit",
Jahrg. VIII, S. 17 ff.
— 11 —
dat zo Richtergin binnen deme kirspel inde in den anderen vorschreven
dorperen ind kirspelen mag gelegen syn, ire laessen ind leluden, wie sie
die alda hant, op wilchen irem goede van Schoenawe her Reinard, her van
Schoenvorst, die gerichte haven ind halden sal, ind die vorschreven heren
Goedert (von Bongart) noch die sine sich der niet annemen en solen".
Hieraus schliesse ich, dass der Herzog sich entweder selbst überzeugt
hat, er sei nicht berechtigt, die Gerichtsbarkeit der Herren von Schönau
zu beschränken, oder durch den damals noch sehr einflussreichen Reinard
zum Aufgeben der Beschränkungen veranlasst worden ist.
üebrigens hatte Goedert von der Heiden bereits im Jahre 1361 für
sich und seine Erben auf jeden Eingriff in die SchÖnauer Rechte schrift-
lichen Verzicht geleistete In einer andern Urkunde erklärte er sogar,
sich selbst und seine Untergebenen der Gerichtsbarkeit seines Nachbars
unterwerfen zu wollen, wenn er oder die Seinigen Güter erwürben,
welche im Gebiete der Herrschaft von Schönau lägen: „. . . mar wer et
Sachen, dat wir of unse undersassen einige lehen of loesgut kregen mit
recht . . . under der vorschreven heren Mascherei und seinen broder God-
dart van Schonawen und Ulpich, die sullen mit mehrder recht staen end
gefordert werden vor dem gericht ind herlichkeit ind goeder van Schonawe
und Ulpich" ^
Endlich gab derselbe Goedert im Jahre 1373 folgende Erklärung ab:
„Wir Goddart herr zur Heiden thun kund . . . dat wir . . . unsen magen
und broderen herrn Johannen Mascherei und Goddarten von Schonaw ge-
broderen geloft han und globen . . . ihnen und ihren lüden, laessen und
gerichten ind goederen van Schonaw und Ulpich geine noth, hindernus noch
achter theil nimmer mehr zu doen . . /'
Die Herren von Schönau versahen sich wohl von ihren neuen Nach-
barn in Heiden nicht viel Gutes, sonst hätten sie sich alle diese Ver-
sicherungen nicht ausstellen lassen. Indessen haben wir auch Reinard
von Schönau als einen sehr vorsichtigen Geschäftsmann kennen gelernt.
Uebereinstimmend mit dem, was uns die angeführten Urkunden über
die Gerechtsame der Herren von Schönau sagen, erklärt Kraft von Mylen-
dunck im Jahre 1566: „. . . Die freie herschaft Schonaw mit aller hohen und
niederen oberkeit, Jurisdiction, gepot, verpot, huldigung, Schätzung, politische
Ordnungen zu machen und was denselben weiters anhengig sein mag, in
und über den zugehörigen dorferen, eingesessenen underthanen, walden,
feldern, ackeren und anderen güteren, sowohl in criminal- als bürgerlichen
Sachen", wie seine Voreltern seit mehr als hundert Jahren und weit über
Menschengedenken ruhig und friedlich besessen zu haben.
Wie die Herren die Strafgerichtsbarkeit geübt, werden wir in der
M Qu ix, Schönau S. 13.
») Abschrift.
') Abschrift aus dem 18. Jahrhuudert. Daher die Verschiedenheit der Schreibweise.
Das Original beider Stellen legte Max von Mylendunk 1079 dem Gerichte zur Heiden vor.
— 12 ~
Geschichte der einzelnen Besitzer darthun; hier beschäftige uns zunächst
das sogenannte Latengericht, welches den Schönauern nie streitig gemacht
worden ist. — Dasselbe war ein Fronhofgericht, wie sie von Maurer^ be-
schreibt. Der Herr konnte selbst oder durch einen Stellvertreter zu Gericht
sitzen. Das war in Schönau der Schultheiss, der wiederum häufig durch
den Statthalter, einen der Schöffen, vertreten wurde. Bei Berufungen sollte
der Herr selbst Eecht sprechen. Zur Zuständigkeit der Fronhofgerichte
gehörte die Aufnahme von Fremden in den Hofverband, die Leistung des
Huldigungseides, die Veräusserung, Vertauschung und Freilassung der hof-
hörigen Leute, die Veräusserung und Zersplitterung von hofhörigen Gütern,
die Wieder Verleihung heimgefallener Hofgüter, die Konstatierung des her-
gebrachten Hofrechtes und die Erlassung neuer Verordnungen; ausser-
dem alle Vergehen der Hörigen, welche nicht zum Blutbanne gehört haben.
Aus dieser letzten Zuständigkeit lässt es sich auch erklären, dass sich-
eln dem grossen thurn des Schlosses Schönau ein mit eisernen banden und
schlossern versehener gefangenen-stock** befand, „worin die in der reichs-
herrschaft daselbst betroffenen missethäter zu gebürender abstrafung in-
carcerirt werden", obwohl die Herren von Schönau jederzeit den Stock und
die in der Herrschaft vorhandene „criminalgerichtsstatt** als Beweise für
eine vollständige Kriminalgerichtsbarkeit betrachteten.
Das Gericht war, wie Baltasar von Mylendunck sagt, besetzt mit
Schultheiss, (sieben) Scheffen oder Laten und andern Gerichtsdienern; der
Instanzenzug ging vom Gericht an den Herrn, vom Herrn an das kaiser-
liche ßeichskammergericht. Eine schriftliche Feststellung der Satzungen
und Gebräuche des Gerichts war nicht vorhanden; der alte Late lehrte es
die jungen — die neu eintretenden Schöffen — , wie das ältere Weistum
an einigen Stellen sagt. Jedoch erwähnt ein Gerichtsakt von 1610 folgende
Gewohnheit: „In dieser herrschaft Schönau ist herbracht und allezeit un-
verbrüchlich und ernstlich darob gehalten, wan etwo von auslendischen
gerichten requisitoriales oder subsidiales ertheilt, dass gleichwol darauf
nichts exequirt oder fuirgestellt; es were dan, dass die ganze volkomene
acta, darauf solche requisition beschehen, mitedirt und daraus ersehen, ob
auch richtig prozedirt oder aber einige nullitates committirt."
Als Hofgericht hatte die Schönauer Bank keine grösseren Befugnisse
als die andern Latengerichte ; es war ihre Aufgabe, die Eechte des Herrn
über die Lehengüter zu wahren, Uebertragungen der ihr unterstehenden
Ländereien vorzunehmen, die Berechtigten in dieselben einzusetzen und die
bezüglichen Akte in das Gerichtsbuch einzutragen. Beim Absterben eines
Lehenträgers mussten die Erben binnen sechs Wochen und drei Tagen sich
beim Gerichte angeben, das Lehen mit einem doppelten Pachte erheben
und einen Lehenträger stellen, widrigenfalls das Lehen verwirkt war. Auch
durfte kein Leheninhaber ohne Brief und Siegel des Herrn sein Gut be-
schweren. Wurde ein Gut geteilt, so mussten die einzelnen Absplisse
') Geschichte der Fronhöfe IV, S. 86, 140, 151.
— 13 -
erhoben werden. Ueber die Erhebungsgebühren wird in den Protokollen
nichts gesagt; es heisst stets: „hat seine gewöhnlichen iura gegeben **. Nur
von der Kurmede ist angegeben, dass sie mit zehn Reichsthaler „verthediget*
worden sei. Bei Verkäufen wird „Lickop** *, Gottesheller und Verzichts-
pfennig erwähnt; der Verzicht geschah „mit mund und halm**. Zuweilen
werden auch Kohlenlieferungen ausbedungen.
Den Protokollen der mir zu Gesicht gekommenen Gerichtsbücher von
1606 — 1666 entnehme ich die folgenden Angaben über Gerichtspersonen,
Kurmeden, Güterpreise, Flurnamen und Renten.
1606. Stefan von Richterich, Schultheiss; Egidius Pelser, Huprecht
Schröders, Thies Nacken, Johan Savelsberg, Peter und Johan Ortman,
Kerst von der Bank, Scheffen.
1631. Emund Merkelbach, Statthalter; Johan Savelsberg, Johan Nacken,
Werner und Johan Ortman, Kerst von der Bank, Johan Rempkens, Gerichts-
personen.
Peter Reuland verkauft ein Wohnhaus „in den bär genant, gelegen
am stegbendchen**, den halben Mistpfuhl und Bongart, sowie andere
Erbgüter (Immobilien) im Aachener Reich für 2100 Thaler ^, Lickop
ländlich, Gottesheller V» Reichsthaler. Eine Abschüttung der Güter
soll ohne die im Reich gelegenen nicht zulässig sein.
iVa Morgen Land „an den baumsweg" kostet 294 V2 Thaler,
Gottesheller ein Blaumeuser.
Der Verwalter von Schönau, Jakob Ernau, lässt eine Kuhkur für
10 Reichsthaler „verthedigen**. — Ein Gut in Richterich „an gen end**
zahlt an Schönau jährlich vier Kapaune und vier Schillinge ^ — Ein
Morgen Land „boven die Mevenheide** wird verkauft für 150 Thaler
und zwei Karren Kohlen; Gottesheller drei Mark. — Ein Gut in
Richterich „an dat weinhaus** zahlt ein Drittel von zwei Kapaunen.
— Auf Grundstücken „an der Hirtz** und „am Taubenberg" lasten
zwei Renten von „ein müd roggen und zwo mark pfenningsgelt" bezw.
„zwei müd roggen und ein capaun". Beide Renten werden „gegeben
jetzunder an junker Hoflfaliss erbgenamen binnen Achen". — Die Rute
„kurmediges land boven die Mevenheide" kostet sechs (Aachener)
Gulden weniger eine Mark. — Catharina Vrohn überträgt alle Güter
ihren Kindern unter dem Vorbehalt, dass diese sie „mit kost, drank,
kleidung unterhalten".
1632. Leonard Heidenthal, Schultheiss; Werner Ortmans und Emund
Merkelbach, Gerichtspersonen.
Panhaus und viertehalb Viertel Hofreide „auf die Houff" zahlte an
Schönau jährlich neun Bauschen. — „Ein halbes haus nämlich die
küche mit dem vorhaus, die scheuer, kuhestall, backhaus, anderthalb
') Weinkanf; stets mit dem Zusatz: ländlich.
*) Hienmter sind Aachener Thaler & 26 Mark — 130 alten Pfennigen zu verstehen.
') Für die Beuten vergleiche das folgende Register.
— 14 —
viertel hofreide, die platz, da das haus aufstehet, wird verkauft für
150 Thaler. Das Haus gibt an Schönau jährlich Vj^ Fass Roggen
und 3V4 Kapaun, an Heiden 7 Bauschen und einen Heller, „den grund-
schatz genant**. — „An den baumsweg, die kehr genant". — „Ein ort^
hauses oder stallung mit scheur, mistpfuhl, gerechtigkeit des putzes*
und hinterhabeudem kohlhof im Grönendal gelegen nechst dem bär"
kostet 270 Aachener Thaler und einen Wagen Kohlen. — Ein Morgen
Graswachs „in den cardian" zahlt jährlich sechs Heller. — Land
„boven das hilligen häusgen" kostet per Ruthe einen Aachener Thaler.
— Clara von Elzauen empfangt Güter „an die gass". — Graswachs
„den kockelholz genant unter dem hirtz". — Ein Haus in Richterich
wird verkauft für 55 Thaler und einen Thaler Verzichtspfennig. —
Die Ruthe pferdskurmedigen Landes am Baumsweg kostete sechs Gulden
eine Mark. — Der Bau „am hirtzer poeP** nämlich „kuchen, kamer
und keller** wurde für 57 Thaler verkauft. Anderthalb Morgen Land
daselbst kostete 131 Aachener Thaler, die Rute Graswachs imCardians-
bend wurde mit einem Thaler aix bezahlt. — Haus und Hof im
Grünenthal verkaufte der Besitzer für 210 Thaler. Die Hausfrau
erhielt einen Rosenobel, ausserdem lieferte der Käufer einen Wagen
und eine Karre Kohlen frei nach Aachen. Die Kosten des Notbaues
an dem baufälligen Häuschen ersetzte der Verkäufer. — Die Witwe
des Frambach Lonix „hat dem herrn mit doppeldem pfacht und gold
und Silber ihre belehnung entricht wegen unterschiedliche guter, und
fort den gerichtspersonen ihre iura" (1654).
1656. „Vor uns Adolf Hillensberg als possessor des Hauses Schönau,
fort Emont Merkelbach schultheiss und Peter Theilen gerichtspersonen".
Am 7. Februar dieses Jahres verzeichnet das Gericht den Verkauf
von sieben Viertel und 30 Ruthen Graswachs „gelegen in den Grönen-
dahl . . . mit dem vorheuft ausscheissend auf die Schönauer und Cardians-
bende ... an den wolerwürdigen herren Gerardus Schonebrot*, canonicus
U. L. F. Stift zu Achen, jede ruth zu acht gülden aich, und haben
verkeufer los frei gut verkauft, sonder allein der kirchen zu Richterich
undergüldig sein und pleiben 15 merk, und solle diese 15 merk an
die kaufpfennigen gekürzt und abgezogen werden".
Schönbrod vermachte das Land an die Ciarissen zu Aachen. Nach
seinem Tode wurde Herr Engelbert Quirini als „volmechtiger und
geistlicher vater der hochwürdigen frauen und dero conventualen des
Clarissenklosters zu Achen" damit belehnt; 1661 verkauften letztere
») Viertel.
^) Braunen.
^) Pfuhl, jetzt zugeschüttet und zu Garten gemacht.
*) Bei Heusch, Nomina ... ist der Name Schurebraedt (S. 22 *) und Schurebroedt
(S. 29 ') geschrieben. Er trat sein Kanouikat am 19. März 1594 an und starb als Jubiiarins
am 7. November 1656.
— 15 —
das Grundstück an Privatleute. — 1657 verkauft „die ehr- und teug-
same Agnes von Richterieb, wittib herren Goedtfreidt von Weisswiller
seliger oberrichter Mn gegenwart . . . ihres sohnes Adames Baltheiweins ^
. . . haus und hof gelegen zu Richterich " . . . für 400 Thaler und
20 Obstbäume. Das Haus ist „los frei gut**. Sollte ein „Bescheudt**
erfolgen, so wird dem Ankäufer alles erstattet, was er an den Bau
gelegt hat. — 1657 belehnt Amandus von Mylendunck, (der recht-
mässige) Herr zu Schönau, den Johan Heundt mit einem Gute, gelegen
zu Richterich „auf die gass". — 1660 . . . „etliche ruthen landts
ä 29 mark aix in den kaufbenden in den 15 morgen ... ist los,
leiber, frei gut". — 1662 . . . „haus und hof an das ürsfelder kleif
gelegen". — 1664. „Erb und gut, haus und hof, wie es zu Richterich
an das end gelegen negst den herren vom capitel zu Achen . . .
5 morgen lands, ein viertel graswachs, so schönauer guter sind, und
noch einige erbschaft, so theils Cortenbacher theils Uersf eider lehengut".
Ausser den mitgetheilten Flurnamen kommen noch vor: am Germich,
Altarfeldchen, am Hander Weg, am Hirzer Weg, auf die Fröschmisten,
auf die Fröschwei, auf dem Scheiben (scheifen) graf ^, auf die bach, in der
vasseinen (fasszeinen), in der Weinstrasse, das Bärenlebgen, im Bossbart.
1710 bekundet J. Cornets, abgestandener Schultheiss zu Schönau, vom
Herrn von Blanche sechs species Pattakons, womit alle seine Forderungen
befriedigt seien, gegen Herausgabe der Protokolle, Register und anderer
Briefschaften erhalten zu haben.
Wie wir schon sahen, hatten manche der lehenrührigen Güter ausser
den Lehenlasten noch andere jährliche Abgaben an „Erbpachten, Renten,
Capaunen und Geldzinsen" zu erlegen, welche alle auf Andreastag verfielen.
Ein Verzeichniss derselben vom Jahre 1596 enthält die folgenden:
„Peter an gen hirtz 4 müd V2 ^^^ss roggen, 1 capuin, 8 mark
pfeuningsgelt.
Krein^ zum hirtz 2 müd roggen, 4 mark pienningsgelt.
Jan up den thiendhof* 7 vass roggen, 11 capuin, 10 Schilling,
9 Pfenning.
Wilhelm Froen 12 capuin, 12 Schilling. — Goddart Nacken 1 capuin,
13 Schilling.
Druid^ im weinhaus' 1 capuin, 1 Schilling. — Heintgens kinder
10 vass roggen. — Gilles up Mevenheid 9 capuin, 15 Schilling. —
Der halfman up dem thiendhof 9 capuin, 9 Schilling. Item von einem
timmerplatz beneben seinem hause jarlichs 2 daler. — Meyen Thomas
1 hoen®. — Der Weingartzberg 7 capuin, 1 Schilling. — Thomas
hausfrau vor dem thiendhof 4 capuin, 5V« Schilling. — Gilles Peltzer
7 capuin, 2V2 Schilling, 9 penning, 2 kurmud. — Jan Kemmerling
1 müd roggen. — Gört Nacken 3 capuin, 3 Schilling, 1 malter roggen.
^) Vogtmajor. *) Baldoin. Welch eine Rechtsehreibung! ^) Graben. *) Quirin.
&) Zehnthof. «) Gertrud. ^) Ein Häuserkomplex in Richterich. ») Huhn.
— 16 —
— Merten Blomen 1 malter 1 cop roggen. — Gilles Pelzer 4 vass
roggen. — Carsillis van Merkelbach 1 malter roggen, 7 capuin, 7
Schilling. — Arnold Nacken 1 müd roggen. — Johan Froeschs gut
6 capuin, 3 Schilling, 9 vass V2 cop roggen. — Gerard von Schonawen
van dat erf van Oi^sfeld 2 capuin, 2 Schillinge. — Larabert von Urs-
feld und Theis von Steinstrassen 4 vass roggen. — Wilhelm int Wein-
baus, Thoenes auf dem Bremenberg 2 vass roggen. — Wilhelm Fredericlis
und Palliers kindern 16 capuin, 15 Schillinge. — Jan in die aide schewr
13 capuin, 13 Schillinge. — Goisen gut 7 vass roggen, 10 capuin, 10
Schillinge. — Nacken in dat weinhaus 3 vass roggen, 3 capuin, 3
Schillinge. — Johan uf den thiendhof 6 mark. — Gielis* Krops 7 capuin,
7 Schilling. — Der beer im Grönendal 3 mark. — Meister Lenz * söhn
in dem beer 1 hoen. — Poirtgens kinder 1 malter roggen. — Leonard
Jordens zu Vetschen öVs mark 1 Schilling. — Peter von SchirtzeF
4 mark, 1 mass even*. — Eeinart im panhaus IV2 mark. — Hern
Everharts kinder van Haren aus der teschen zu Aich 8 capuin. —
Segraz muUen op den graef 2 müd roggen, abgebest bei den here.
— Der halfen^ zu Berrenberg, Boendts parteien^. — Johan Broicher
1 mttd haver. — In den roemer der halfen betaelt 1 vass haberen.
Thiesken Roemers 2 vass haberen; lassen kurzen tegen einen brandiser,
staende in't salet' zu Schoenaw.
Pettr (sie) Milles zu Orsbach 2 vass roggen, 2 capuin. — Der
kleine hof zu Orsbach 2 capuin, — Der Schultheiss 2 capuin, 1 chur-
mud. Die churmud betalen die mitgedelingen van den schultheiss auf
der Mevenheiden.
Funk auf die Mevenheid 1 churmud. — Buetter* von Ach nunc
Schanternell 1 churmud. — Nellis im gronenschild 1 churmud. — Der
hof zu Neuland * gibt jarlichs 8 müd roggen, 12 gülden, 8 capuin. —
Jan Doetsmans 1 mud haber, 4 capuin, 4 acher merk, 1 churmud. —
Huegen gut IV2 mud roggen, 1 churmud. — Henrich Laven gut 2
mud roggen, 1 churmud. — Offens gut 3 vass even, 2 capuin, 2 hennen,
1 ziehnthoen, 10 V» Schilling, 19 pfenning, 1 paeschbrot ^^, 1 churmud.
— Die cluiss. Clas Neuland 1 vass haberen, 1 churmud. — Peters
gut an den putz zu Neuland 2 hennen, 1 ziehnthoen, 19 pfenning, 1
paeschbrot, 1 churmud. — Philips gut von Neuland 2 cupuin, 2 Schilling,
1 paeschbrot, 1 churmud, 1 capuin, 1 thienthoen, 3 Schilling, 1 paesch-
brot, 1 churmud. — Die OUichsraüllen ^^ zu Neuland 4 acher merk".
Eine Uebersicht der Einnahmen liefern die Rentmeisterrechnungen,
aus denen wir zunächst die Erträge von den Lehengütern ausheben.
1567 heisst es in den Einnahmen: „Item von den schönauischen
underthanen an roggen 21 müd, 1 vass, 3 ferdeP^. — Item von den under-
*) Egidius. *) Lorenz. ^) Schurzelt. *) Hafer. *) Halbwinner. •) Der Zins ist
nicht angegeben. ') Im kleinen Saal. ®) Bttttcrshaus in der Soers. *) Uebcr diesen Hof
siehe unten. >ö) Osterbrot. ") Oelmühle. ") Viertel.
— 17 —
thaüen 3 müd haber, 1 vass. — Item geben die underthanen zu Schonawen
jahrlichs 158^/4 capuin, 9 honer, 3 paischbrot und 5 gülden 16 bauschen
penuinksgelt".
Dass die Kapaune und Hühner aber nicht in natura abgeliefert,
sondern in Geld gezahlt wurden, zeigen die Rechnungen von 1571 und
1584, in denen der Posten so angegeben ist: „169 capuin und III ferdel
capuin, geben vur jeden 6 albus, facit 42 gülden, 10 albus und 2 heller",
und „169 capuin und HE ferdel capuin, jedes stück ad 8 albus ^= 56 gülden
14 albus, 9 honer vor jedes 3 albus"! Man scheint also die Tiere nach
dem Marktpreise bezahlt zu haben, während nach dem ältesten Laten-
weistum ein Paar Kapaune mit neun Schillingen bezahlt wurden „und wat
sy (die Pflichtigen) un me geven, dat en soulde niet syn ind werden darby
verunrecht".
Von den Geldzinsen sagen die Rechnungen: „Item geben die underthanen
jarlichs 76 pennink . . .". Die Zahl der bestehenden Kurmeden wird über-
einstimmend mit dem Verzeichnisse auf 15 angegeben; eine verfallene Kuh-
kurmede ist mit 6 Thaler — 13 Gulden berechnet. Im 17. Jahrhundert
wurden dafür, wie oben angegeben, 10 Reichsthaler erhoben.
Nach der Gefangennahme der Brüder von Blanche im Jahre 1760
verkündete der Kommissar Schlösser ein kuifürstliches Dekret folgenden
Inhalts: Da der Kurflirst vorhabe, das von den Brü^lern Blanche aus einem
blosen Latengericht zu formirende oder bereits formirte unmittelbare iudicium
zu kassiren, so interponire er zum voraus ein Dekret, dass gegen alle
diejenigen, welche von den Blanche sich zum Statthalter, Scheflfen, Fiskus,
Appellationskommissar anstellen liessen, die rechtsbehörige Ahndung vor-
gekehrt werden solle; dass es aber keineswegs in der kurfürstlichen Meinung
liege, der Schoenauer Laetbank als solcher etwas zu entziehen, so dass
die dahin gehörigen Sachen, als wegen Zins, Pacht, Ein- und Ausgang
der Kurmöden u. dgl. auch fernerhin dort verhandelt werden sollen. Es
dürfe sich aber niemand mehr unterstehen Sachen, die zum gewöhnlichen
Landgerichte gehören, bei der Schoenauer Laetbank einzuführen. Vogt und
Scheflfen der Unterherrschaft Heiden werden beauftragt, jede Zuwiderhand-
lung sofort zur Anzeige zu bringen. Vogt Coomans, Gerichtsschreiber Hoen
und die Schöffen versprachen, am Gehorsam nichts fehlen zu lassen „mit
hinzugefügter fast gemeinsamer ansprach, dass sie dieses reglements und
Unterscheidung des gewöhnlichen gerichts und der laetbank ganz wol zu-
frieden wären, weilen sie bis anhero fast nicht gewusst, wohin sich zu
wenden haben".
Die Genannten waren eben die Heidener Gerichtspersonen; von den
Schönauern, die zur Anhörung des Dekrets durch Läutung der Pfarrglocke
zusammengerufen waren, wird eine solche Aeusserung nicht berichtet. Oder
soll etwa durch das sehr bezeichnende „fast** zait angedeutet werden,
dass diese keineswegs „wohl zufrieden" waren?
b. Herr Kraft spricht in der oben angezogenen Stelle von „Schätzungen",
— 18 —
d. h. vom Rechte des Herrn von Schönau, seine Unterthanen mit Steuern
zu belegen. Auch diese Berechtigung spricht Kaiser Albert dem Ritter
Gerard zu. Ueber die Art, wie die Steuern veranlagt wurden, ist nichts
bekannt; wahrscheinlich geschah es aber wie im benachbarten Heiden durch
das Gericht. Die Erhebung der Steuern, die auch „Schatz" hiessen, erfolgte
durch den Rentmeister, der dieselben vor dem Herrn verrechnete. Aus
den wenigen vorhandenen Bruchstücken dieser Rechnungen lässt sich er-
sehen, dass der Schatz in den Jahren 1554 — 1560 im ganzen 2164 Gulden
14 Albus, und von 1609 — 1613 rund 1546 Gulden einbrachte; das macht
jährlich in runder Summe 310 Gulden.
Accisen^ wurden in Schönau hauptsächlich vom Bier erhoben. „Der
herr zu Schonaw**, sagt Kraft von Mylendunck, „hat von onvurdenklichen
Jahren seine kuirmeister gehabt wie noch, welche in dem schonawischen
gebiet hier und wein geprüft und auch die Übertreter und Verbrecher mit
gebürender emenda bestrafet haben." Die Herren zur Heiden bestritten
den Schönauern dieses Recht ebenfalls und erlaubten sich thatsächliche
EingriflFe in dasselbe. So forderte zur Zeit des Baltasar von Mylendunck
die Frau zur Heiden die Bieraccise von den Schönauer Brauern und liess
durch den Feldschütz einem Zapfer des herrschaftlichen Brauhauses an die
Kreuzer Geld mit Beschlag belegen, woraus derselbe 28 Aachener Gulden
wegen der geforderten Abgabe bezahlen musste. Der Brauer beschwerte
sich darüber bei seinem Herrn, indem er angab, das sei niemals geschehen,
die Schönauer Kürmeister hätten vielmehr „het hier nach die werdy auf-
und abgesetzt"*, und stets hätte „ein zeitlicher her zu Schonaw auf
schonawer grond die axis genossen und in gebrauch gehabt".
Es fehlte natürlich nicht an Brauern und Bierzapfern, welche sich
der Steuer zu entziehen suchten. Um diesen entgegenzutreten, erliess
Amandus von Mylendunck folgende Verordnung, aus der wir die Thätigkeit
der Kürmeister noch genauer kennen lernen: „Demnach berichtet werde,
ob solten die bierbrawers und zäpfern dieser meiner freiherrligkeit Schonaw
sich gelüsten lassen, der polizeiordnung zuwider, meiner angestellter kür-
meister unerfordert, das hier ungekürt und ungekerft ausfahren zu lassen
und zu verzapfen: damit aber hinfort solche Unordnung und verschlag der
accinsen verhütet werden möge, wird allen und jeden braweren bei pfeeii
2 goltgulden anbefohlen, kein hier ausführen zu lassen, es sei denn zu-
vorderst der angestellter kürmeister einer darzu gefordert, gekürt und
gekerft; den zäpferen aber so auswendig hier einlageren, dessen bei pfeen
eines goltguldene kein anzustechen, es sei dan dazu der kürmeister erfordert
und geküret. Diewelches der bot^ der gebühr^ anzukündigen um ihres
Schadens vor zu kommen. So geben Schonaw unter meiner handunterschrift
und pittschaft am 22. junii 1652. A. v. Mylendunck."
*) Assisiae, Abgaben von Lebensmittelu uud Waren, also indirekte Steuern.
') (1. h. je uacli dem Werte auf höhern oder geringern Preis gesetzt.
*) Gerichtsbote. *) wie es sich gebürt.
— 19 —
Brauereien gab es fünf ia der Herrschaft: das herrschaftliche Pann-
baus an die Kreuzer, zwei im Grünenthal, wovon eine zum Bär hiess, eine
an der Huff und eine am Hirtz.
Das Pannhaus „an die Kreuzer, prope cruces** lag „im vorgeburg des
Schlosses"; es gehörten dazu „haus, hof und 15 morgen land**. Dasselbe
brachte im Jahre 1567 dem Hen-n 65 Gulden 20 Albus ein; es wird aber
nicht gesagt, ob das Geld aus dem Pachte oder aus der Bieraccise herrührte.
Im Jahre 1611 verpachtete Baltasar von Mylendunck das „panhaus
zu Schonaw nebst anklebendem bongart und kohlhof" an die Eheleute von
der Bank, welche ihm in seinen „noeten und anliegen** 437^2 Thaler ä 26
Mark aix vorgestreckt hatten, für 70 Thaler auf so lange, bis das Dar-
lehen verwohnt wäre. Er behielt sich jedoch das Recht vor, durch gänz-
liche oder teilweise Abzahlung der Schuld die Pachtzeit zu kürzen oder
auch die Gläubiger anderweitig zu befriedigen. Dieser Fall trat aber nicht
ein, denn Baltasar verfügt erst 1618 wieder über das Brauhaus. Damals
heiratete seine Tochter Agnes den Johann von Kessel. Während der
Bräutigam alles in die Ehe brachte, was er von seiner ersten Frau Helene
von Spee ererbt, das, was er bereits von seinem Vater Mathias erhalten
„als nemlich under anderen den hof zu Loe under Kessel gelegen und den
hof zu Pütt**, sowie das, was er nach seines Vaters Tode noch zu erwarten
hatte, gelobte Baltasar „obgedachter juffer Agnes als seiner leiblichen
dochter** eine Mitgift von 4000 Gulden Venloer Währung und bis zur
Auszahlung dieser Summe sechsprozentige Zinsen. Auch gestattete er den
Eheleuten, dass sie zur Befreiung ihrer anderen Güter im ersten Jahre
tausend Gulden auf seine Besitzungen aufnehmen dürften; fünf Jahre nach
seinem Tode könnten sie sich den Rest auszahlen lassen. Als Zeugen unter-
schrieben Goedart von Beeck, G. Kipshoven, Herman Quadt. Zur Sicherung
der Zinsen räumte dann Baltasar dem Schwiegersohne das Pannhaus an
die Kreuzer ein, und Johann von Kessel sowohl wie dessen Sohn Baltasar
bezogen stets die Pachtgelder. Baltasar von Kessel war verheiratet mit
Margarethe von Broich. Nach seinem Tode ehelichte die Witwe den Herrn
Melchior von Dammerscheid. Beide verpachteten 1697 „das panhaus an
die kreuzer mit dazii gehörigem gehöcht, scheuer und stall** für jährlich
140 Thaler ä 26 Mark aix. Isaak Lambert von Blanche, der Isabella von
Kessel, eine Tochter der Witwe, geheiratet hatte, nnterschrieb als Zeuge.
Am 7. November 1703 schenkte dann Margarethe von Broich, Witwe
Kessel und Dammerscheid, zu Anrath ihrem Sohne Johann Wilhelm von
Kessel eine Gerechtigkeit am Hoenger Busch sowie die Forderung, wegen
welcher sie das Pannhaus an die Kreuzer in Pfandschaft hatte. Als
Johann Wilhelm hörte, dass seine beiden Schwäger von Blanche und
Hammes, der die Anna Maria von Kessel zur Frau hatte, die Schenkung
angreifen wollten, Hess er sich durch den Kurfürsten in Düsseldorf manu-
teniren. Aber das nutzte ihm nichts; 1712 beauftragte Hammes den Notar
Schmitz sich für ihn, seine Frau und seine Erben in den Besitz des Pann-
— 20 —
hauses zu setzen. Es geschah mit den üblichen Formalitäten. Nach dem
Tode des Harames wurde dessen Witwe von der Witwe Tornako zu Aachen
wegen Schulden vor dem Gerichte des Ländchens zur Heiden belangt. Die
beiden Frauen einigten sich dahin, dass die Hammes der Tornako das
Pannhaus einräume, und dej* Akt wurde 1721 von dem Heidener Gerichte
approbirt, realisirt und dem Protokolle einverleibt. Nun erhob aber Nikolaus
Paffen, der Schwiegersohn der Witwe Hammes, den die Heidener einen
Köhlerknecht nennen, Einspruch. Er wollte sein Recht auf das Pannliaus
vor dem Gerichte zu Schönau darthun, während die Tornako an der
Zuständigkeit der Heidener Bank festhielt. Schliesslich erkannte letztere
auf Räumung des Pannhauses und Übergabe desselben an die Witwe
Tornako. Der Gerichtsdiener Deutschen wurde mit der Ausführung des
Beschlusses beauftragt. Als derselbe sich mit Heidener Schützen am Pann-
haus befand, um die Immission vorzunehmen, erschien plötzlich der Herr
von Schönau, Johann Gottfried von Blanche, den Melchior Hammes, der
Sohn der Witwe „schier in allen wirtsheuseren der Stadt Aachen auf-
gesucht und herauszukommen gebeten hatte". Wegen dieser „Verletzung
der schönauischen Jurisdiktion** erschoss der junge Mensch den armen
Boten, der nur seine Schuldigkeit gethan. Als gerechte Strafe für die
scheussliche Ueberschreitung seines Rechts, die er freilich nachher als
einen Akt der Notwelir darzustellen suchte, traf den Blanche das Geschick,
dass er selber die ganze Schönauer Selbstherrlichkeit' begraben und sich
zum Vasallen des Kurfürsten schwören musste. Das Pannhaus blieb aber
im Besitze der Witwe Tornako.
Als von Blanche aus der Haft zu Jülich losgekommen war, nahm er
beim Freiherrn von Geyr, der im letzten Jahre der Gefangenschaft Schönau
verwaltet hatte, 1100 Reichsthaler auf, um das Pannhaus vom General-
feldzeugmeister Tornako, dem Sohne der Pfandinhaberin, einzulösen. Ob-
schon dieser die Kreuzer bereits seinem Schwiegersohne für dessen Ältesten
übertragen hatte, versprach er doch dem von Blanche dafür sorgen zu
wollen, dass ihm das Gut für 1000 Reichsthaler überlassen werde. So kam
das herrschaftliche Brauhaus nach fast löOjähriger Entfremdung wieder
an Schönau, blieb aber dem Herrn von Geyr zur Hypothek gestellt.
Von den beiden Brauereien im Grünenthal wurde die neben dem
Pannhause zum Bär liegende von den Brüdern Gabrielis am 19. März 1699
für 600 Aachener Thaler ä 26 Mark verkauft. Der Verzichtspfennig betrug
17 Reichsthaler ä 56 Mark. Das Haus lag einerseits neben dem Bär,
anderseits neben von Ottegraven.
Viel bedeutender war der Ertrag für die Brauerei am Hirtz. Man
verkaufte dieselbe mit Haus, Hof, angehöriger Braugerätschaft nebst zu-
gehörigem Garten und Graswachs im Jahre 1744 für 1400 Reichsthaler.
Das Protokoll verzeichnet ihre Lage „neben des aachischen wachtthurms
erbschaft** sowie den auf derselben lastenden Schönauer Erbpacht von
4^2 Fass Roggen, 1 Kapaun und 8 Mark.
- 21 -
Die Bieraccise wurde, wie wir oben schon hörten, von jedem Gebräu
gezahlt, denn der Kürmeister musste ja jedesmal gerufen werden um durch
Probe des Bieres den Wert festzustellen und zu „kerfen**, d. h. den
Betrag der Accise auf dem Kerbholz anzuzeichnen. 1596 hat „Jan in gen
Groenendal gebrowen 24 gebrowe, bis Andreae gerekent en betaelt; Gilles
in gen beer 23 gebrowe; Huprecht an gen hirtz 14 gebrowe. Dartegen
V, ton biers vor einen daler, der rest ist verriebt."
Die Biersteuer brachte ein in den Jahren 1554 bis 1560: 452 Gulden,
1567: 14 Gulden, 1568: 13 Gulden, 1569 und 1570: je 18 Gulden 12
Albus, 1571: 16 Gulden, 1584: 7 Gulden. In einer Rechnung ohne Datum
ist dieselbe mit 4 Thaler 10 Mark verzeichnet.
c. Dem Herrn von Schönau stand es auch zu, von den die Herr-
schaft Durchziehenden für die Benutzung der Wege eine Abgabe zu er-
heben. Dieses „Wegegeld" ergab in den Jahren 1554 — 1560 die Summe
von 240 Gulden. Der Schlagbaum hing an die Kreuzer und wurde „von
Schönau geschlossen und geöffnet**.
d. „Ein Herr von Schönau**, sagt Kraft von Mylendunck weiter, „hat
Juden unter seinem gebiet und herrschaft zu vergleiten gehabt, welche
jehrlichen tribut bezahlt und die erde zu ihrer begrebnuss von einem herrn
zu Schonaw kaufen müssen, wie solches mit brieflichem schein zu belegen.**
Das Recht Juden zu geleiten, d. h. ihnen den Aufenthalt in der
Herrschaft zu gestatten, lässt sich ebenfalls aus den Rechnungen nach-
weisen. In den Jahren 1554 — 1560 zahlten drei Juden für den Aufenthalt
in Richterich zusammen 257 Gulden; ein Jude Alexander gab für seinen
Aufenthalt im Weiler an der Hand 36 Gulden jährlich. In betreff dieses
letzteren wendete sich der Aachener Rat am 11. Januar 1553 an Herrn
Kraft von Mylendunck in einem Schreiben, welches klar zeigt, dass auch
Aachen Schönau als eine selbständige Herrschaft anerkannte. Der Jude
hatte nämlich von einem Frauenzimmer für ein Spottgeld Tuch gekauft,
das zwei armen Webern in der Christnacht vom Rahmen abgeschnitten
worden war. Der Rat forderte Herrn Kraft auf, da Alexander „unter
seinem Gerichtszwang und Gebiet gesessen** sei, den armen Leuten zu
ihrem Tuch oder zu ihrem Geld zu verhelfen. — Im Jahre 1666 erklärte
eine 80jährige Frau vor Notar und Zeugen, dass die Juden in Richterich
im Weinhaus auf Schönauer Gebiet wohnten, woher die Strasse den Namen
Judenstrasse führe, und dass dieselben in der Vorheide oder auch in
„Lysgens grab^** begraben würden.
e. Wir haben oben schon ein Zeugnis aus dem 17. Jahrhundert mit-
geteilt, wonach die Herren von Schönau stets die Jagd auf ihrem Gebiet
ausübten und auch die benachbarten Edelleute an derselben teilnehmen
Hessen. 1599 gestattete Baltasar von Mylendunck dem Junker Wilhelm
von Streithagen auf Ürsfeld ebenfalls die Mitjagd, aber nur auf Lebens-
') So hiess die Schönauer Richtstätte.
— 22 —
zeit und ohne Nachteil für die schönauische Hoheit. Isaak Lambert de
Blanche, der in kaiserlichen Diensten kreuzweis durch einen Fuss geschossen
worden war, liess in den Jahren 1709 und 1710, „da er selbst Ziemlicher-
massen impotent gewesen", die Jagd durch einen Aachener ausüben.
Mit grosser Strenge hielten die Herren darauf, dass ihr Jagdrecht
nicht verletzt werde. Es fehlt nicht an Verordnungen besonders gegen
die Hunde, die knüppellos im Felde umherschweiften; auch wird als Akt
der Landeshoheit angemerkt, wenn so ein armer Köter vom gestrengen
Herrn erschossen worden war. Natürlich verfuhr man auch gegen zwei-
beinige Jagdfrevler nicht gerade gnädig. 1607 wurde ein Schönauer „wegen
violirter schonawischer Jagdgerechtigkeit" auf dem Schlosse in Haft gebracht
und erst „auf vorpitt verschiedener benachbarten edelleuten nach aus-
geschworener Urfehde aus gnaden relaxirt". Ein Aachener wurde 1687
dieses Verbrechens wegen sogar in Eisen gelegt und musste seine Flinte
mit 3 Thaler auslösen. Und gerade wegen der Jagdgerechtigkeit führte
der Streit zwischen Heiden und Schönau zu Auftritten von unglaublicher
Roheit. Ein Herr von Leerode beorderte als Mitherr zur Heiden einen
Haufen Gesindel, darunter „einen salva venia Schweineschneider und einen,
der sich für einen Tiroler ausgibt", um den jagenden Herrn von Blanche
mit seinen Vettern und einem Landleutenant aus dem Amte Brüggen zu
überfallen. Die Herren Hessen sich wirklich von den Kerlen entwaffnen,
schlagen und verwunden. Dafür forderten sie aber auch als Schadenersatz
10000 bezw. 5000 und 4000 Dukaten und der Landleutenant, dem ein
Arm lahm geschlagen worden war, ausserdem eine jährliche Rente von
100 Dukaten. Das Gericht in Düsseldorf nahm freilich die Sache nicht
so hoch; es verurteilte Leerode zu 50 Thaler fiskalische Bruch t, 100 Thaler
Civilentschädigung für die vier Verwundeten, zur Tragung aller Kur- und
Prozesskosten, sowie zur Erstattung der Flinten und Jagdtaschen.
f. Das Münzrecht, welches Kaiser Albert dem Ritter Gerard verbriefte,
hat — soviel bekannt — nur einer der Herren von Schönau ausgeübt, nämlich
Dietrich von Mylendunck, welcher 1522 in den Besitz Schönaus gelangte.
Kräftig bemüht, alle seine Rechte wie auch sein Gebiet zu wahren und
gegen die Eingriffe der Heidener zu schützen, hat er wohl auch seine
Münzen nur zu dem Zweck schlagen lassen, damit dieses Recht nicht ver-
gessen werde. In den spätem Latenweistümern ist denn auch häufig Rede
von den durch Dieterich geprägten Geldstücken, welche ältere Laten gesehen
zu haben versichern. Ob Kraft von Mylendunck nicht wenigstens den
Versuch gemacht hat, Schönauer Münze anfertigen zu lassen? Das lässt
sich zwar nicht beweisen aber doch vermuten aus einem der vielen Klage-
punkte, welche Wilhelm von dem Bongart vor dem Herzog von Jülich
gegen ihn vorbrachte. Es heisst nämlich in der Beschwerdeschrift, Kraft
habe sich auch durch „vergleitung und aufhaltung von falschmünzern"
gegen seiner Fürstlichen Gnaden und des H. R. Reichs Ordnungen vergangen.
Der Mylenduncker weist freilicli diese Anschuldigung entschieden zurück
— 23 —
und sagt, er habe nur einigen Handwerksgesellen die Erlaubnis gegeben,
ihr Handwerk auszuüben und sich dadurch ehrlich zu ernähren.
Sicher aber ist, dass Johann Gottfried von Blanche allen Ernstes
daran dachte, das Schönauer Mtinzrecht wiederum zur Geltung zu bringen.
Er teilte dem Kurfürsten von Köln als einem der Direktoren des Nieder-
rheinisch Westphälischen Kreises unter dem 7. Januar 1756 mit, dass er
sich zur Aufrechthaltung des regalis cudendae monetae ' habe entschliessen
müssen, einige Münzsorten nach des H. R. Reichs Ordnung und der benach-
barten Mtinzherren Fuss prägen zu lassen. Aber bereits am 22. Januar
machte Herr von Reuschenberg, der diese Angelegenheit in Bonn betreiben
sollte, dem Herrn von Blanche die Mitteilung, einer der Bonner Herren
habe ihm gesagt: „es wäre für ewr. hochwohlgeboren zu wünschen, dass
sie solches ius monetandi ^ in jüngeren zeiten ausgeübt hätten, als dass sie
solches erst nach einem so langen zeitverlauf durch alte dokumenten sich
anmassen wollen; ich besorge allein, dass ewr. hochwohlgeboren dabei
contradiktion und verdruss leiden**. Herr von Blanche ging nun zwar
ungesäumt mit der Ausgabe der von ihm neugeprägten Vierhellerstücke
vor, aber sofort zeigte sich auch die „contradiktion**. Der Aachener Rat
verbot die „schonawische bauschen** unter Strafe von 3 Goldgulden toties
quoties'^ und liess das Verbot sowohl an den Stadtthoren anschlagen, als
auch durch die Pfortenwächter in den Häusern verkündigen. Damit war
der Versuch gescheitert.
4. Sonstige Rechte und Güter der Herren von Schönau.
a. Es versteht sich von selbst, dass Schönau als ehemaliger Haupthof
seinen Anteil an der Almende des pfalzgräflichen AUods Richterich hatte.
Die Lehenleute und Laten erklärten denn auch im Jahre 1491 auf die
Frage ihres Schultheissen, „ob sie einige gerechtigkeit auf dem walde*
hätten, wann echer^ wüchsen, und ob sie auch einige seh wein daraufschlagen
mögen P: dass sie von ihrem gedenken alle zeit, wann echer wüchsen, nach
gelegenheit ihre schweine aufm walde haben mögen schlagen ohne etwas
davon zu geben, und ihrer keinem ist kundig, dass sie jemals gehöret oder
von ihren eiteren vernomen noch in ihrem leben gesehen oder gehöret haben,
dass jemand von alsolchen Schweinen gelt oder Schätzung erfordert geheischen
oder gegeben hat, dan sie allezeit von menschen gedenken hcro die freiheit
besessen haben davon nichts zu geben; wiewohl nun in drei oder vier jähren
die juffer von der Heiden^ jedes schwein geschätzet und in gelt gesetzet
und die alte gute gewonheit herkomen und unverbrüchliche uralte gehabte
^) des Rechtes Geld zu schlagen.
*) Hecht der Münzpräge.
*) für jeden einzelnen Fall.
*) dem Gemeindcbusch.
*) Eicheln und Buchecker.
*) Maria von Merode.
— 24 —
freiheit der lehenleuten und laten von Schonaweu aufgehoben und gebüret^
hat.** Wie seine Lehenleute, so klagte auch Kraft von Mylendunck selbst
1508 gegen die Frau zur Heiden vor dem Herzog von Jülich, dass sie
„nach inne willen in den gemeinen busch handele wider recht ind alle
billigheit**. Der Sohn und Nachfolger der Maria, Werner von Schönrode,
scheint diese Klageu abgestellt zu haben; sein Schreiben vom Jahre 1524
sagt ja ausdrücklich, dass „die byde herlichkeiten Schonawen und Heiden
suUen ein wie die andere berechtigt syn inde bliven up den gemeinen busch** ^.
Dass insbesondere der Hof zu Schönau noch in späterer Zeit an der ganzen
Almende beteiligt war, zeigt eine Erklärung der Halbwinnerin vom Jahre
1567: Wilhelm von dem Bongart als Herr zur Heiden habe ihr geboten,
„so hoch der her zu gebeden^**, sich der Hofgüter mit samt der Gemeinde^
zu enthalten, bis sie ihm die Türkensteuer erlegt habe. Obwohl nun bisher
der Herr von Schönau diese Steuer immer erhoben „und in seinen ver-
ordneten legstellen gebürt** hatte, gab die Pächterin, „um aller bedrangung
auszuweichen", dem Vogte zu Horbach drei bescheidene Goldgulden, jedoch
unter der Erklärung, dass sie dadurch der Gerichtsbarkeit ihres Herrn
nichts vergeben wolle.
Die Schönauer hielten ihre Berechtigung an der Gemeinde stets auf-
recht. Noch im Jahre 1758 Hess von Blanche in das Begangprotokoll die
Bemerkung aufnehmen, „der gemeinsame busch sei von den Heidenern arg
devastirt, fast ruinirt**.
b. Inbezug auf den Zehnten, welcher im Ländchen von der Heiden
dem Aachener Münsterstifte gehörte, behauptete von Blanche, gestützt auf
die Aussage der Pächterin, dass ein Teil der Länderei im Schönauer Felde,
sowie zwei Stücke, „der Lahn** genannt, zehntfrei seien, dass von dem
übrigen Lande die elfte Garbe* gezehntet werde, dass 10 Garben Winter-
frucht und 10 Garben Hafer den Schönauer Bedienten überlassen, Zehnt-
stroh und Kave aber dem Hofe zurückgegeben werden müssten, während
von gelben und weissen Rüben, von Klee, Kappus, Hanf, Flachs, Heu,
sowie von andern grün abgeschnittenen und verfütterten Kräutern dem
Kapitel nicht der geringste Zehnte verabreicht werde.
c. Im Jahre 1737 vermass der Landmesser Spiertz folgende zum Hause
Schönau gehörige Stücke: 1. den Hausweier, der rings um das Schloss und
den Vorhof gelegen ist; 2. den Mevendrischweier (600 Ruten); 3. den
Leimweier (80 R.); 4. den Broichweier (400 R.); 5. den Baltusenweier
(17 R.), das Langweierchen (IIV2 RO1 das runde Pfühlchen (2 R.), das
Pfützweierchen (5 R. 4 Fuss), den Pfützpfuhl (12 R.); 6. das Feld, der
Lahn genannt, und die Wiese, Pesch genannt (16 Morgen 50 R.); 7. den
*) an sich gezogen.
2) Qu ix, Schönau S. 9.
^) bei der höchsten Strafe, die er verhängen konnte.
*) Almende.
*) Der Herrenhof des Grafen Hezelo gab dagegen sogar doppelten Zehnten.
— 25 —
Plattenbend (8V4 M.); 8. den Kahlingsbend (5 M. weniger 1 R.), das
Kesselsbendchen (177 R.); 9. den Jungenbusch vor dem Schlosse gelegen,
in dem Eichen und Buchen standen. Die Mylenduncker sollen die Bäume
abgehauen und verkauft haben; der alte Blanche Hess die letzten fällen
und für den Aufbau des Hauses Schönau zurechtmachen, jedoch wurde das
Holz von brandenburgischen Volontärs verbrannt. Darauf bepflanzte man
den Boden — 6 Morgen 61 Ruten — mit 961 Bäumen: es kam also auf
eine Rut^ ein Baum.
d. Der in der Vorburg gelegene Hof von Schönau war nach den
vorliegenden Nachrichten stets verpachtet und zwar lange Zeit an die
Rentmeister bezw. Schultheissen. Es wird nicht ohne Interesse sein, das
Urteil zu hören, welches ein Mylendunck, der Herr von Goer und Fronen-
broch, gelegentlich einer Erbteilung im Jahre 1579 über den Wert der
Besitzung fällte. „Item zu Schonawen ist kalk und stein ganz wolfeiP,
und hette mein broder herr zu Meiderich bei seinen lebzeiten mit 4000
daler an den zweien orteren so schone heuser bauwen kunnen, als ich zu
Goer und Fronenbroch mit 14000 daler. Item zo Schonawen kan man
um 4 daler so viel kalen * kaufen, als einer von uns zu seiner haushaltung
soll bedürfen. Item die 15 morgen lants, so mein broder seliger der
schultessinen zu Schonawen verkauft, jeder for 50 Daler, welches mir halb
zukomt. Zu gedenken, Schonawen hat ungeferlich anderthalb hondert
morgen lants und mag ein morgen von den besten 75 daler gelden: so
hoch kan das lant zu Fronenbroch nit angeschlagen werden, dan das ist
lehen, Schonawen aber allodial. Noch zu gedenken, die fischerei zu Schonawen
ist nit gerechnet. Item den bungart hinder des Schultessen haus, welchen
meine neflfen selbst 20 daler werden schetzen jarlichs. Item der acker
zu Schonawen mus auch angezogen werden**.
Die Rechnung von 1567 verzeichnet in den Einnahmen: „von dem
hove zu Schonawen au roggen 60 müd, 1 müd weiss, 6 müd haberen"; die
Rechnung von 1571 fügt noch hinzu: „. . . item an schrimpkorn 1 malter
roggen". Wahrscheinlich ist hiermit der damalige Pachtbetrag in Frucht
angegeben. Im Jahre 1584 heisst es: „Item gab ich von dem hof zu
Schonawen geltpacht 50 daler, jeden ad 52 albus facit 108 gülden 8 albus".
Im folgenden gebe ich die noch vorhandenen Pachtverträge der
Zeitfolge nach. — 1596 April 18. verpachteten die Brüder Kraft und
Baitasar von Mylendunck den Hof an Paulus Breera und Idgen, dessen
Hausfrau, auf 12 Jahre (mit beiderseitigem halbjährigen Kündigungsrecht
nach 6 Jahren) für 48 Müd Koggen oder 40 Müd Roggen und 16 Müd
Hafer 3, 4 Müd Weizen ^ 8 Müd Hafer, V2 Müd Erbsen; diese Frucht ist
') Ganz in der Nähe, auf dem Vetscheter Berge, wurden Steine gebrochen und Kalk
gebrannt.
*) Kohlen.
') Hafer galt also nur die Hälfte des Koggens.
*) Es wurde also viel weniger Weizen als Roggen und Hafer gezogen.
~ 26 —
in guter, reiner, trockener „marktgever" Ware in Aachen abzuliefern.
Ferner zahlen die Pächter 50 Thaler vom Graswachs und 20 Thaler „von
dem breiden, vor dem haus verlandten weier" und geben „vor lieffenis"
jährlich 6 Pfund Zucker, 1 Pfund Pfeffer, 1 Pfund „genffers" ^ 6 Kapaune,
2 gute fette Gänse, 2 Verken „ausser der stuppelen oder ein fettes dafür
zu der heiTen chuir"*, einen fetten Hammel, ein Lamm, „hondert markt-
oder grosse" Pfund Butter — die im Mai geliefert werden mussten — 30
gute harte getrocknete Käse, 10 Quart Rttböl, 100 Eier, auch Milch und
Rüben nach Bedarf der Küche. Ausserdem liefert der Pächter Häcksel
und Stroh für die Pferde der Herren, ßlhrt die nötigen Kohlen zu, wofür
er von jeder Fracht ein Fass Hafer für die Pferde erhält, und holt das
Heu aus dem Cardiansbend. Auf das gepachtete Land muss er jährlich
20 Wagen Mergel und 7 Karren Kalk fahren; das beaufsichtigen der Herren
Diener. „Item es soll der halfen schuldig sein, dero hern kalkuitschen
hönern^ die weide zu vergennen, noch keine douben der halfen zu halten
macht haben." Bei Hagelschlag und Misswaclis wird der Pächter gehalten
wie andere Halfen; geschieht Schade „durch hernkraft*", so wird das
abgeschätzt und trifft die Herren zu zwei, die Pächter zu einem Drittel.
Als Zeugen unterzeichneten Goddart von Keverberg genannt Meven und
Johan von Utwich.
Als Adolf von Hillensberg und seine Frau Anna Maria von Mylen-
dunck 1663 den Hof wiederum auf 12 Jahre verpachteten, gaben sie den-
selben auf Halbgewinn nicht bloss von den Fruchtarten, sondern auch von
den Kühen, Schweinen und Schafen. Ausserdem forderten sie 145 Thaler
„vihezugt", 40 Thaler als trockenen^ Weinkauf, für mefrau einen Rosenobel
und zu Neujahr 6 Pfund Zucker, 8 Pfund Zinn, 1 Pfund Pfeffer, 1 Pfund
„imber*^" und V2 Pfund NägeF. Vermutlich haben die Verpächter dem
Halbwinner eine Anzahl Vieh in die Wirtschaft gegeben, daher der Halb-
gewinn auch am Vieh.
Ein ähnlicher Vertrag wurde 1712 zwischen dem alten Herrn von
Blanche und dem Freiherrn von Reuschenberg zu Berensberg geschlossen,
aber da lauten die Bedingungen ganz anders. Reuschenberg sollte gegen
Vorgabe von drei Morgen die Schönauer Länderei bebauen und besäen und
dann mit Blanche die Frucht teilen. Weil Blanche bereits im folgenden
Jahre durch einen Mylendunck aus dem Besitze von Schönau gesetzt wurde,
konnte der Vertrag nicht gehalten werden, und Reuschenberg erlitt einen
Schaden von 160 Thaler. Zum Ersatz überliess man dem Sohne und Erben
Reuschenbergs die Gegenstände, welche Blanche beim Abzüge dem Berens-
berger übergeben hatte : Kalesche, Wagen, Karren, Gewehr und mehrere Geräte.
1726 August 7. verpachtete Johan Gottfried von Blanche „das kaiserlich
freie reichshaus Schönau samt gebucht, schewr und stallung wie auch die
') Ingwer. *) Wahl. ^) Truthühner. *) Krieg, Fehde. *) Dessen Betrag nicht
von den Parteien verzehrt, sondern vom Verpächter hezw. Verkäufer zum eigenen Nutzen
verwendet wird. •) Ingwer. ^) Gewürznelken.
— 27 —
weide, den pätzdriesch genant, den newen bend, den Jungenbusch, kalber>
weid and die halbscbeid der weide, den pesch genant, sodan den kalings-
weier mit umliegenden dämen, item das schönauer feld, jedoch die länderei,
so Carl ' und Johan Hecker hieraus oben negst der richtericher beiden jezo
einhaben ausgeschieden, und ungleichen drei theil des gartens vor Schonauer-
pforten gelegen und endlich die um den schönauer weiern liegende däme*
für 550 Thaler a 26 Mark aix. Blanche behielt sich vor den Sal, den
neuen Bau, den Platz samt daselbst stehendem Gefach, den hintersten
Keller, den vierten Teil des Gartens, das halbe Obst, die Ausfütterung
von jährlich drei Kühen und sechs Schafen, drei Kohlenfuhren nach Aachen
und drei nach Schönau.
§ 14 des Vertrages lautet: „Solle pfachter bei exemplarischer straf,
so sich der hen* zu Schönau vorbehaltet, keine fruchten in der heidnischen
mühl mahlen lassen, auch dem haus Heiden in keine wege gehorsam leisten/
Diese Bedingung fehlt selbstverständlich in der Verpachtung vom
13. März 1760, welche die beiden Brüder von Blanche während ihrer Haft zu
Jülich thätigten. Als Gegenstand der Verpachtung sind genannt: der Pfütz-
driesch (Punderichs), die Kälberwiese, der oberste und unterste Pesch, der
Kahlingsbend und Weier, der Plattebend, der Kessels-, Bischofs- und
Pflaumenbend zusammen etwa 50 V» Morgen; sodann das Schönauer Feld
und das Feld im Lahn. Der Pachtpreis betrug 350 Thaler ä 9 Gulden
aix. Wenn die Brüder wieder auf Schönau wohnen, muss der Pächter den
halben Garten, die neue Weide, den Morgen im Busch abtreten, das halbe
Obst geben, Mist und Brand fahren, zwei Kühe und ein Rind ausfüttern,
drei Fass Wintersamen, ein fettes Kalb, ein Lamm und ein Faselschwein
liefern, zahlt dann aber nur 310 Thaler. Am folgenden Tage übernahm
der Pächter noch 7 Morgen im Kaliugsbend, 7 Morgen im Richtericher
Feld an der Harburger Dell, 7 Morgen am Heiligenhäuschen (zwischen
Richterich und Horbach) und 7 Morgen im Hotzerfeld für einen jährlichen
Pacht von 133 Thaler ä 26 Mark aix oder 64 Reichsthaler und 2 Mark.
Diesen Vertrag unterschrieb auch der Vogtmajor Hauzeur, der in den
Jahren 1760 — 1762 kurfürstlicher Verwalter von Schönau war.
Der Pächter hat keine guten Geschäfte gemacht. 1768 war er den
Blanche 164 Thaler 28 Mark 2 Bauschen Pacht schuldig und musste dafür
dem Herrn vier Kühe im Gesamtwert von 80 Thaler, ein Pferd ad 31 Thaler,
einen Branntweinskessel ad 35 Thaler 28 Mark 2 Bauschen und eine Sau
ad 18 Thaler überlassen.
e. üeber den Hof Neulant, welcher ebenfalls zu Schönau gehörte,
muss ich mich wegen mangelnder Nachrichten kürzer fassen. Derselbe lag
in der Bank Kirch rath, Landes Herzogenrath, und war ein Lathof mit
einer Latenbank. Die Gerechtsame desselben bestanden in 12 Müd Roggen,
3 Müd Hafer, 17 Kapaunen, 12 Aachener Gulden, 4 Hühnern, 3 Zehnt-
') ('arl Hecker hatte ciuc von Blauche zur Frau.
— 28 —
hühnern, 3 Osterbroten und 8 Kurmeden. von Blanche berechnete den
Ertrag desselben auf 84 Thaler. Auch sagt er, es gehöre zu dem Hofe
noch ein Latdistrikt, „Schönauer gut" genannt, der zehntfrei sei und dessen
umliegende Güter mit 10 Schilling species vor dem Latherm bezw. Statt-
halter und zwei Latschöffen erhoben werden mtissten.
Im Jahre 1600 gaben die Brüder Kraft und Baltasar von Mylendunck
diesen Hof auf ewige Wiederlöse dem Leonard Kanen für 1200 Reichsthaler
und bevollmächtigten den Goedart von Keverberg genannt Meven auf Rath \
das Gut dem Kanen vor dem Manngerichte zu Herzogenrath zu übertragen.
Schon zwei Jahre nachher gab Baltasar Neulant an Andreas Vroen auf
ewige Wiederlöse für 1600 Reichsthaler, von welcher Summe ihm selbst 400,
dem Kamen aber 1200 Reichsthaler ausgezahlt wurden.
5. Die üebernahme der Herrschaft.
Die Besitzergreifung der Herrschaft Schönau durch einen neuen Herrn
erfolgte unter einer Reihe von sinnbildlichen Handlungen. Manche derselben
sind allgemein üblich gewesen und wurden auch beim Antreten bürgerlicher
Immobilien angewendet. Dahin gehören „aufnehmung der erd vom acker
die lahn genant, ausstechung der watzen in dem bungart der pützdriesch
genant, abbrechung der zweig im grossen garten der vorm haus gelegen,
Schöpfung des wassers aus dem hausweier, fassung des klöppeis der vordersten,
auch der ersten, zweiten, dritten pforte des vorhofs und des hauses Schönau
und stochung des feuers auf salert", wozu bei einer andern Gelegenheit
noch „aufschürzung und niederlasung des heels^in der küche" erwähnt wird.
Alle diese Handlungen sollten nur andeuten, dass der, welcher sie vornahm,
der wirkliche Herr des Hauses und Hofes war.
Einige andere Gebräuche, welche der neue Besitzer beobachtete, hatten
dagegen den Zweck, die Eigenschaft Schönaus als eines Sonnenlehens, als
einer ganz freien und unabhängigen Herrschaft darzuthun. Dazu gehört
das Auswerfen von Gold- und Silbermünzen gegen die Sonne, wobei die
linke Hand auf das Seitengewehr gelegt wurde.
Die Lehen, besonders auch die im Ländchen von der Heiden gelegenen,
wurden vor dem Lehenhofe mit Gold und Silber empfangen: wenn nun der
neue Herr von Schönau Gold und Silber gegen die Sonne wirft, so drückt
er durch diese Handlung den Gedanken aus, welchen das älteste Schönauer
Latenweistum mit den Worten ausspricht: „man en held die guede van
niemande, dan van onsen heren Gode ind siner liever moder**. Gott der
Herr hat ja nach den Worten des 18. Psalms „in der Sonne sein Zelt auf-
geschlagen" und die Gottesmutter Maria kannte das Mittelalter aus dem
12. Kapitel der Geheimen Offenbarung als das „mit der Sonne bekleidete
Weib". Und wenn der Besitzergreifende dabei die Hand in die linke Seite
*) Rahe in der Soers.
^) Kesselhaken über dem Herdfeuer.
- 29 -
legt, wo er seine WaflFe trug, so heisst das nichts anderes, als das« er
bereit sei, den ihm von Gott gewordenen Besitz gegen jeden Angriflf zu
verteidigen.
Sodann wurde den Unterthanen der Eid vorgelesen. „Ihr X. X. sollt
globen und schwören zu Gott, dem hoch wohlgebor neu herm X. N. als herm
hierselbst zu Schonaw trew holt und gewärtig zu sein, ärgstes zu warnen
uud bestes zu fordern.*' Der Schwörende erhob die Hand und sprach:
„Was mir anitzo ist vorgelesen worden und ich wohl verstanden habe,
solchem will ich also nachkommen, so wahr mir Gott helfe und sein
h. evangelium."
Die Feier fand gewöhnlich zu Schönau auf der grossen Brücke statt.
So befiehlt Dietrich von Mylendunck 1521 seinem Schultheissen, dem Gerichte
„zo gebeiden der huldonge ind eide na, sy mir als urem heren zu Schoenauen
gedain hont op die groise bruiche . . .".
Als Gothard von Mylendunck am 8. August 1574 die Huldigung ent-
gegennahm, gab er den Unterthanen ein Ohm Bier und „etlich brod und
keis darzo, kost zusamen 4^2 gülden **. Bier, Brot und Käse wai' das
Gericht, welches der Herr zu Schönau den Unterthanen geben musste, so
oft sie Frondienste für ihn leisteten. Das älteste Weistum sagt dartiber:
„Item of dat herrschaf zo Schonowen vyant hedde, so moisseu die loessen,
alle avents zween, zo Schonowen wachen, ein yegelich solde man geven
ein pott biers, ein par micken* ind ein stück kees darup. It^m wer't sach,
dat men ouch um vyenschaf dat ys* houwen muss, so soulde men ouch den
laessen kees brot ind hier geven.**
Die Rechnung von 1590/91 sagt: „Item bei Gillissen im beer verzert
worden als mynher zu Schönaw gehult worden ... 22 gülden.** Verglichen
mit der Huldigung von 1574, die nur 4^» Gulden kostete, muss das eine
grossartige Feier gewesen sein; man hat sie wohl im Bär gehalten, um
den Heidenem durch die That zu zeigen, dass Grünen thal, wo der Bär
lag, zum Schönauer Gebiet gehöre.
6. Das Schloss »Schönau. Kin Inventar.
Über die baulichen Verhältnisse des pfalzgrilHichen Herrenhofes wissen
wir aus Urkunden nichts, wir können nur vermuten, dass derselbe nach
den Vorschriften des Gesetzes über die Königshöle eingerichtet gewesen ist.
Gegen Ende des 13. Jahrhunderts gab es Hvluni eine Burg Schönau;
im Jahre 1280 wurde ja da.selbst der bekannte Friede zwischen der Gräfin
von Jülich und der Stadt Aachen abgeschlossen. Diese Burg haben wir
uns dann ähnlich vorzustellen, wie sich jetzt noch die in Trümmer liegenden
Burgen von Heiden, Wilhelmstein und Schöiifurst zeigen; auch können die
ältesten Teile des Soerserhauses zum V^irgleiche herangezogen werden.
Da war ein mächtiger Turm, der Bergfried oder Donjon, welcher als
*) Wcbabrole.
») Eb.
— 30 —
Wohnung für die herrschaftliche Familie diente und au den sich die
Wohnungen für die Diener und die Wirtschaftsräume anschlössen. Das
Ganze umgaben breite Wassergräben und hohe Mauern, an deren Ecken
runde oder eckige Türme die Verteidigungsfähigkeit erhöhten.
Im Jahre 1488 schloss Kraft von Mylendunck einen Vertrag mit dem
Ziramermeister Johan Poeghen, laut welchem letzterer auf den Turm von
Schönau eine neue, 60 Fuss holie Kappe setzen sollte nebst Erkern an den
Ecken mit drei oder vier Fenstern. Auch wurde die Scheune auf dem
Hofe wiederhergestellt. Kraft lieferte das Holz und die Geräte, gab dem
Meister und dessen Knechten die Kost beim Halbwinner und zahlte, wenn
alles fertig war, 80 rheinische Gulden ä 6 Aachener Mark, 3 Müd Roggen
und 3 Tonnen Bier. Beim Abschlüsse des Vertrages waren zugegen Wolter
von Bilsen, Kanonikus und Vizedom der Liebfrauenkirche zu Aachen';
^Tohan von Palant, Herr zu Wildenburg und Drost zu Herzogenrath und
Wilhelmstein; Johan von Hambach, Vogt von Wilhelmstein.
Die Wohnung im Donjon mit ihren in drei oder vier Stockwerken
liegenden Räumen, zu denen man nur auf engen und steilen Wendeltreppen
gelangen konnte, wurde den spätem Geschlechtern zu unbequem. Die
Schönauer des 16. Jahrhunderts erbauten sich ein neues Herrenhaus. Eine
Rentmeisterrechnung aus dem Jahre 1566 zeigt den Posten: „Zu Schonaw
auf das new haus ein dachdeck er gestuppt 2 dag. jeden dags VIII albus.*
Und im folgenden Jahre heisst es: „Item als sich das new haus zu Schonaw
ein wenig ersezt, hab ich ime zu steur legen lassen vier ankeren, jeden
XI albus."
Der Wachtturm des Hauses wurde von den Wächtern „Savels Jan
thurm" genannt; warum, ist nicht gesagt.
Aus einem Briefe des Baltasar von Mylendunck vom Jahre 1624 erhellt,
dass damals wieder Reparaturen am Hause nötig waren. Er schreibt seiner
Tochter, die Mutter solle auf dem Vetscher Berg drei Wagen Giundsteine
bestellen, um die Fundamente am Burghause auszubessern, und einen
Pliesterer nehmen, um den Saal zu pliesteren, „dan das stehet gar zu
schimpflich und zu hesslich" ; auch müsste seine Kammer wohl wieder geweisst
werden. Zuerst aber solle man den Schieferdecker das Dach nachsehen
lassen, sonst werde das Pliestern nicht viel nutzen. Das neue „gemechsgen**
solle man nicht eher weissen lassen, bis er da sei, weil noch ein neuer
Söller darüber müsse gemacht werden. Glänzend ist es demnach mit dem
Hause Schönau damals nicht bestellt gewesen.
Bei den vielen Streitigkeiten über den Besitz der Herrschaft, welche
mehrmals eine gewaltsame Einnahme des Hauses zur Folge hatten, mussten
auch die Gebäude viel leiden. Als Isaak Lambert von Blanche sich 1696
in den Besitz des Gutes setzte, fand er das Haus verwüstet, „fast zerbrochen,
und über einen häufen gerissen''. Kaum hatte er dasselbe durch Zimmerer
^) Es ist der oben in I. 1 erwähnte Walter de Blisia; davon, dass er Vizepropst
gewesen sei, findet sich bei Heasch nichts.
— 81 —
uod Dachdecker instand setzen lassen, so musste er wieder riumen und
konnte nachher mit den HersteUnngsarbeiten von neuem beginnen. Er hat
sich aber jedesmal auf das Xutwendigste beschrinkt. Deshalb be^iiunn sein
Sohn und Nachfolger im Jahre 1782 mit einem vollstiindigen Neubau, wie
er sich denn auch rühmt, das Haus von gmnd auf herrlich aufgebaut zu
haben. Sein Werk steht noch heute: der Baumeister hat mit dem alteu
Gemäuer gründlich aufgeräumt, den Donjon zum Treppenhaus umgewandelt
und die Wohnräume zu beiden Seiten desselben angelegt.
Es ist mir nur ein Vei-zeichnis Schönauer Mobilien zu Gesicht gekommen,
welches zudem aus einer Zeit stammt, in der es mit dem Hause am traurigsten
aussah« Das mag die übergrosse Dürftigkeit erklären. Bedauerlich ist,
dass der Notar über die vorgefundenen Urkunden und Bücher so kurz hinweg-
geht: jedenfalls hatten diese mehr ,uf sich*, als die Würste und allen
Lappen, die er gewissenhaft verzeichnet. Das Inventar lautet:
..Anno 1696 den 11. mai uf requisition herrn Goddart Kraft, ft\Mlienn
von Mylendunck, herrn zu Fronenbroch etc. hab ich endsunterschriebeuer
kais. offenbarer uotarius ... die ufin haus zu Schonaw nach ergriffener
possession gefundene mobilia et moventia folgender gestalt trewlich invenUag^i-
sirt und verzeichnet.
Nemlich. Zween füllen von ungefehr ein jähr, drei ackerpfent so
ziemlich alt und zwei fünf ad sechsjährige pferd ; 28 stück hornvieh, worunter
10 kühe klein und gross, das übrige aber rinder und erwachsene kälber,
wovon einige fremden leuten zugehörig sein sollen, nemlich 5 küh und
2 rinder, item 7 kälber klein und gross; 4 säw und 2 beren samt 14 kleine
verklein, 7 vaselverken, ein erwachsene und ein junge geiss und ein bock,
und einig federvieh von schrauten, hüner und tauben;
item 10 viertel speck, 10 haramen und hespen samt einigen bolster-
wurst ad 10 stück, 15 stück geräuchert rindfleisch;
an roggen 21 malder 5 vass, an hanfsamen 4 vaas, weizen 1 malder
5 vass, flachssam 1 vass, wickea 1 vass, rübsam ^/g vass;
Better und pullen. Ein gestreift federn bett, ein haubtpull, 2 küssen
und 2 decken.
Item ein bettstatt mit gelb behengsel; im saal ein bett mit haubtpull
und 2 küssen und 2 alte decken. Ein bettstatt mit alt grün bohengsol,
ein alt federn bett und ein korb mit federn; 8 altfränkische eontrefait
schildereien.
Gewehr. Vier gezogene bnxen, vorab 2 mit flintenschlössern, 10 flinten
und musquetten durcheinander, 2 alte stücker von flinten mit anhabenden
Schlösser, ein Jagdhorn und ein halb tönngen bnxcnpulver.
Ein tabaxdoes, dieses ist in einem taiellaken samt untcrscheidliciicn
briefschaften, so in einem pulpito gefunden, eingebunden und zupitschirt
worden mit mein notarii pitschaft. Ein klein rund mit eisen beschlagenes
kistgen, worin unterscheidliche briefen, so gleichfals zupitschirt worden.
— 32 —
Leinwat. 20 tafellaken gross und klein durcheinander, 12 feine
Servietten, 4 kleine servietten, 12 handtücher, 8 schlechte korbkleider, ein
klein stück bettzieg von 1^2 eilen, 3 stück grob ungebleicht servietten-
gebild, 3 stein flachs, 2 par grobe laken, noch 2 grosse gebilde tischtücher
und 2 gebilde handtücher; in einem mit rauhem kalbfeil überzogenem korb
2 hemden und ein kinderwindel, 40 stück klein leinwat, 5 lange hals-
tücher, 13 hemden, 12 bündel werken garn, eine quantiteit boddelen garn,
11 stein hanf. Noch 5 servietten und ein tischkleid in der küche gelegen.
Einige nicht viel werthe hölzerne dosen und item alte buicher, so
nit viel uf sich haben; item ein missiven buch von Mylendonkh.
Holzen werk. Ein altes pultbrett, 2 spinrader, einen vierkantigen
tisch, noch einen vierkantigen austreckenden tisch samt einer gelb und
roten tapet, 6 hülzene steul, ein Spiegel, 2 ledige kiste und eine so zu-
gesiegelt und hern von Blanche Schwester Antonetta zukommen soll ; noch"
ein klein kistgen so auch ledig.
Uf der capellkammer ein klein vierkantig tischgen, noch ein vier-
kantiger tisch, ein kantenküssen, ein mit eisen beschlagene kist, ein alte
kist mit allerhand alte brief uf dem söUer stehend." (Nun folgen Töpfe
und Fässer.)
„61 milchnäpf oder plateelen und ein milchfass und andere melkerei-
gereitschaft. Ein kochbank in der kuchen, ein sietzsiedel, ein vierkantiger
tisch, 2 bänk, 2 stuhl.** (Dann Tonnen und Melkzeug.)
„Noch eine alte bettstatt samt altem bett und schlechter decken für
die mägd. Ein holzene kornmühle.
Kleider. Ein brauner leibrock von pay mit henskot gefüttert, ein
greis graw kleid, nemlich rock und kamisol.
Eisenwerk. 6 eiserne kessel und topfe, 4 lange bratspiesse, löffel,
röster, pfannen und einen hengel.
Kupfer. Ein kleiner mörser mit eisernem stösser, 4 gegossene kupferne
leuchter, ein kleiner kupferner kessel und sieb.
Zinnenwerk. 6 englisch Zinnteller, 3 grosse und 3 kleine schüsselen,
13 churzinne teller.**
Auf einem Zimmer, die Stube genannt: „ein bett, haubtpull und 2
küssen samt 2 wullen und ein leinen decke, ein bettstatt ohne gardinen"
und einige Frauenkleider nebst Wäsche; „ein hoch schaff mit 2 thüren
und 2 Schlosser, worin ein weissen frawen sommerrock, ein alte fontange,
ein tabbert, 2 alte frawen tabberts, noch 2 zinne kümpgens, 10 ziuner
leffeln, ein kupfern lichtputz, ein ronde mit leder überzogene kist, ein klein
vierkantig tischgen mit bontem tischkleid.
In der oberkuchen: ein moult, ein stuhl, drei zeinen oder waschkübel.
Ein par alte pistolen, ein degen mit portep^e, noch drei schnaphanen und
ein feuerrohr, ein holzen wag mit schalen, ein alten rostigen degen mit
bajonett. Und ist dieses, was sich an mobilien uf besagtem haus zu
SchonaW gefunden." (Fortsetzung folgt.)
— 33 —
GhrisUiche Anslegong einer bösen Earlssage.
Von B. M. Leneh.
Die inhaltreiche Abhandlung von Ang. Pauls: ,Der Bing der Fastrada*^
mit ihrem gelehrten Apparate im 17. Bande der Zeitschrift des Aachener
Geschichis-Vereins S. 1 — 73 ist besonders deshalb beachtenswert, weil ae
den Kern der Sage, wie er sich in den 5 ältesten Formen dersdben ans
dem 13. and 14. Jahrhundert darstellt, von den spätem Zuthaten ksschält,
insbesondere auch von der Tor nicht langer Zeit aufg^ommenen Beziehung
zur Fastrada. Ohne Zweifel mit Recht wird ein Teil dieser Answüchse
anf abergläabische Vorstellungen zurückgeführt, deren Entstehen weit ror
der kandingisch^i Zeit liegt ; es sind dies namentlich die Tiden altso-Sagen
über einen Liebeszauber, der auch nach dem Tode der Geliebten nicht
erlischt. Interessant ist ferner die Herkunft eines Zaubersteines Ton der
Schlange, welcher der Kaiser, als sie mit der Kröte in Streit lag, Becht
gesprochen hatte, eine schon bei Theodosius Toricommende Sage, die dort
mit d^ Wiederkehr der Sehkraft des erblindeten Monarchen in Verbindung
gebracht wird, wogegen nach der aas Zürich stammenden Erzählung der
kostbare Stein, den ein grosser Wurm aus Dankbarkeit Karl überliess,
Ursache eines schlimmen Zaubers ward. So lange er nämlich im Besitze
einer Gemahlin des Königs war, erwies er sich als ein böses Philtrum, und
im Munde der Gestorbenen ruhend, fesselte er das Herz des Gemahls
derart, dass er die einbalsamierte Leiche IS Jahre mit sich herumführte,
bis ein Ritter den Stein aus dem Munde entfernte und zu Aachen in einen
Sumpf bei einer warmen Quelle warf: .in locum [quendam uligunosum ad
fontem calidum*, woraul dann die Liebe des Königs auf die Aachener Gegend
überging und Veraula5>uD? zur Gründung der Stadt und zur Erbauung
des Munsters wurde, wie der ähnliche Vorgang früher zur Erbauung einer
Kirche in Zürich.
Enelkens Weltbuch bringt die Sage, ohoe der Herkunft und der
Beschaffenheit des im Munde der Leiche vom Bisch*'fe gefundenen 21auber-
mittels zu eedenken: ebtfüs-»weüiir thut dies die Levdeaer Handschrift, nach
welcher Karl in eine Zauberin oder Nymphe, die nur bei Anwesoiheit
des Königs Leben zeigte, verliebt war, bis ein Sonnenstrahl ihm das der
Zunge angewachseoe Goldkorn, granom auri offenbarte, nach dessen Ent-
fernung sie nicht mehr erwachte '. Nach dem Gedichte Karl Meinet war
es aber ein im Haare verb«jrgenes Bin ^'eichen ivingeryn), was Karl nicht
von der Leiche weg^lies^. Ms es eLtfemt wurde: als dassell« in ein tiefes Broch
bei der einsamen G^anu^burg gewurten wcrJ-n war, gin^ seine Neigung auf
Aachen über, wu er dann das Münster zu U. L. Frauen Ehre baute.
Ahnlich lautet die Erzähluc^. welche Petrarca zu Aachen schrifllich ver-
M Amck ukdere Zaab^rrtcine £?i:^ea. n^x^r die Zos^ ^Icgt, ikre Kraft, ^jvemue
ex oealk hTa^nac;. si «rr^iiiL:;*. lir^Tiie hairii- sabiüu« ftticn pn«-lieer« dkaamr.* Plinii
Eist. SAt. 37. e. lo.
— 34 —
zeichnet fand; hier war es eine Gemme ^ in einem kleinen Ringelchen
unter der Zunge der einbalsamierten Leiche eines Weibsbildes, weches ein
Kölner Bischof entdeckte und in den Schlund eines naheliegenden Sumpfes
warf, inmitten dessen darauf der vom Liebeszauber befreite Herrscher auf
mächtigen Steinmassen mit grossen Kosten den Palast und den Tempel
erbaute, da Aachen jetzt der Lieblingssitz des Königs wurde. Auch die
Kölner Chronik weiss von dem „rinck mit eyme kostel gesteyn dair lach
in syne puyll", welchem Aachen sein Rathaus und sein Münster zu ver-
danken hat.
Wahrscheinlich hat eine ähnliche Sage schon zu Zeiten der Römer
bestanden. Ich will damit nicht sagen, dass der Römer, der zum ersten
Male Aquis granum ausrief, Kunde von einem dort ruhenden Zauberkorn
hatte; auch möchte ich nicht mit Klinkenberg (Zeitschr. des Aach. Geschieh ts-
Vereins, Bd. XIV, S. 1 u. ff.) in der Grana eine Erdgöttin Sirona wiederfinden,
da diese doch wohl den Mond vorstellte, oder mit Seybert im Edelstein einen
in Indien sprichwörtlichen Schlangenstein, den die Gewitterschlange im
Kopfe trägt und dann mit Pauls vom Donnergotte Thor und dessen Blitzen
die Sage ableiten, wobei der Edelstein, von dessen Glanz kein Wort spricht,
die nach dem Gewitter strahlende Sonne und zugleich das spärlich leuchtende
verborgene Goldkorn den goldenen Erntesegen bedeuten soll. Immerhin
deutet die Schlange auf römisch-heidnischen Ursprung der Sage. Die von
Epidauros herübergebrachte Schlange wurde, wie wir bei Plinius lesen, als
Haustier gepflegt, und eine im Süden vorkommende Schlange wurde an
rheinische Thermen verpflanzt*. Es ist zudem die Schlange nicht ohne
Beziehung zum Quellgotte Apollo, der sie mit seinen Pfeilen verfolgt ^
Selbst die Basilisken-Schlange der Pyrenäischen Provinz, in welcher der
Sonnenquell* war, könnte für diese Beziehung angeführt werden.
Wenn nun auch die heidnische Grundlage in unserer Sage nicht zu
verkennen ist, so liegt in derselben doch auch eine christliche Idee aus-
gesprochen. Zunächst kehi't in den schriftlichen Aufzeichnungen aus dem
13. und 14. Jahrhundert der Gedanke beständig wieder, dass vor der
Erbauung des Münsters ein unerklärlicher Zauber den Sinn des HeiTschers
gefangen hielt, der sich in der unsinnigsten Weise, ja in höchst sündhafter
Art der Liebesbeweise kund that. Die Legende von einer Sünde, die Karl
nicht beichten wollte, die ihm aber durch einen vom Himmel wunderbar
gekommenen Gnadenbrief erlassen wurde, hat man im Mittelalter selbst
in einem Relief des Karlsschreines zu verewigen nicht gescheut. Jeden-
falls war diese Sünde keine andere, als die von der Sage ausgesponnene,
für den Frommsinn Karls unbegreifliche und nach den wirklichen Ver-
^) Diese erinnert an die Sonueugemmen der Magier. (Plin. H. n. 37, c. 10.)
') Ehemals hatte man Öfters auch hier Gelegenheit, am Abflüsse des mit Thermal-
Wasser vermischten Warmbaches Schlangen zu sehen.
') Plinius, Hist. nat. 34, c. 8.
*) Plinius, Hist. nat. 8, c. 21.
— 35 —
hihiiksäcn miflMglkhe. Die Liebe K^ris galt eiBer Per^nüekkeiU oiiler
welciier man sich keine andere als Aachen TorzosteUen hat, das nur bei
sefBo* Anvesenheit Leben zeigrte, von ihoi Teiia;ssen« wie tot dalag^: sie galt
einer Xympbe, selbst nach ihrem Ti>de nnd trotz des Fäulnisgeruches, als
welche man nur die Nymphe der warmen Wasser nehmen Inuuu deren obschon
u^ngenehm riechende Dämpfe ihn ergötzten. Die Thermen lagen damals
Terödet, die Bäder in Ruinen. Wie zu Kpins Zeiten, hauste ein bOser
Dämon dario. Ton dessen Treiben auch noch eine Tiel spätere Nachricht
etwas zu «wählen weiss. Die ganze heidnische Anlage musste in den
Augen eines Christen, bevor sie in christicher Weise geweiht worden, nicht
unbedenklich sein. Wenn^nun aber Karl diese Bäder erneuerte und ihnen
seine ganze Neigung zuwandte^ so mochte ihm und Andern diese Anhäng-
lichkeit an die von Heiden rielgebrauchten Quellen zeitweise als ein Ver-
gehen, ja als grosse Sunde erscheinen, worüber dann eine himmlische
Erleuchtung (der Sonnenstrahl) Aufklärung und wovon der Bischof ihm
Befreiung brachte. In dieser Beziehung wird die Legende, die meist mit
der Nachricht von der Erbauung des Münsters, wodurch Aachen der Mutter-
gottes gewidmet wurde, schliesst, bedeutungsvoll. Es war dies ein Sühne- Akt,
aus dessen Grossartigkeit die Nachwelt auf eine vorhergegangene grosse
Sünde schloss.
Über das Zusammenleben (vita conmiunis) der Stiftsgeistlich-
keit zur Zeit der Karolinger.
Von H. Schnock.
Das Streben Einzelner nach einer höhern, als der unbedingt not-
wendigen christlichen Vollkommenheit reicht bis in die ersten Anfänge der
Kirche zurück. Es ist begründet in dem Wesen der christlichen Keligion,
die neben den strikten Geboten auch der Freiheit überlassene Räte ihren
Bekennern vorlegt. Unter den ersten, welche sich in Befolgung der
evangelischen Räte versuchten, nennt uns die Kirchengeschichte die Asceten,
deren Entstehung in das zweite Jahrhundert fällt. Mitten in der Familie
und bürgerlichen Gemeinde, ohne mit den Sitten und Gebräuchen des Alltags-
lebens zu brechen, übten sie ihre strenge, ascetische Lebensweise. Aus
jenen Christen sodann, die sich zur Zeit der blutigen Verfolgung imter
dem römischen Kaiser Decius (249 — 251) gezwungen siihen, in die Wüste
zu fliehen, gingen die sogenannten Anachoreten oder Einsiedler hervor;
denn auch als der Sturm der Verfolgung sich wieder gelegt, verblieben
sie in der einmal lieb gewonnenen Einsamkeit, in heroischer Weltentsagung
und treuer Befolgung der evangelischen Räte ihrem Gotte vollkommener als die
übrigen Menschen dienend. Der hl. Antonius (f 356) übernahm die geist-
— 36 —
liehe Leitung der in einzelnen Zellen oder Höhlen wohnenden Anachoreten
und schuf unter ihnen eine gewisse Verbrüderung. Einen Schritt weiter
ging um dieselbe Zeit Pachomius; er errichtete auf der Nilinsel Tabenna
ein Haus oder Kloster, in welches er eine Anzahl Anachoreten aufnahm,
die nunmehr zusammen wohnten und nach einer bestimmten Regel lebten.
Er ist also recht eigentlich der Gründer der nachmals so zahlreich gewordenen
Coenobiten, Um die Ausbreitung des Klosterlebens in Kleinasien und im
ganzen Oriente machte sich hoch verdient der gelehrte und beredte Kirchen-
fehrer Basilius der Grosse, Erzbischof von Cäsarea. Die von ihm her-
rührende Basilianerregel, welche 368 Satzungen enthält, von denen 55 die
grosse und 313 die kleine Regel bilden, gelangte gar bald zu hohem An-
sehen und wurde in fast allen Klöstern des Morgenlandes beobachtet. Als
Patriarch der abendländischen Mönche wird mit Recht der hl. Benedikt
von Nursia angesehen, dessen Klosterregel das Ideal und die Grundlage
fast aller nachfolgenden klösterlichen Satzungen im Occidente wurde. Die
seit dem vierten Jahrhundert in stetem Steigen begriffene Begeisterung
für das Klosterleben konnte ihre Rückwirkung auf den Weltklerus nicht
verfehlen. Sie machte sich selbstredend nur da geltend, wo an einer Kirche
mehrere Geistliche gleichzeitig wirkten. Das war nun aber in erster Linie
der Fall an den Bischofskirchen, wo eine mehr oder minder grosse Anzahl
von Presbytern unter dem Archipresbyter und die Diakonen — gewöhnlich
sieben — sowie die andern niederen Kirchendiener unter der Leitung des
Archidiakons ihre geistlichen Funktionen verrichteten. Der Begi*ünder des
Zusammenlebens solcher Geistlichen, welche in den Kanon (daher der Name
Kanoniker) oder in die Matrikel derselben Kathedralkirche eingetragen
waren, ist der hl. Augustinus, der, wie er schon früher mit einigen Freunden
zu Tagaste ein gemeinsames Leben geführt hatte, so nach seiner Erhebung zum
Bischof von Hippo mit seinem Klerus zusammenwohnte und lebte. Das
Beispiel des berühmten Bischofs fand bald allerwärts eifrige Nachahmung.
Im Frankenlande fand diese vita canonica, welche eine Ablegung der
Gelübde, wie es in den Klöstern zu geschehen pflegte, nicht bedingte, seit
dem achten Jahrhundert die weiteste Verbreitung. Bischof Chrodegang
von Metz schrieb um diese Zeit eine Regel, die zunächst für die Kanoniker
seiner Kathedrale bestimmt war, aber auch von Klerikern anderer Bischofs-
kirchen angenommen und beobachtet wurde. Zu allgemeiner Geltung ist
dieselbe aber nicht gelangt, sei es, weil sie für zu nahe verwandt galt mit
der Regel der Benediktiner, deren Mitglied der Metzer Bischof war, sei
es, weil sie überhaupt für ungenügend und nicht zweckentsprechend gehalten
wurde. Ein neues allen gerechten Anforderungen entsprechendes, einheit-
liches Normalstatut für die Kanoniker aufzustellen, war die Aufgabe der
von Ludwig dem Frommen im Jahre 816 in Verbindung mit dem Reichstag
nach Aachen berufenen Synode. Diese entledigte sich ihrer Aufgabe in
der Weise, dass sie das ganze vorliegende Material auf 2 Bücher verteilte,
v(m denen das erste „de institutione canonicorum** und das zweite „de insti-
— 37 —
tutione sanctimonialium" betitelt wurdet Das erste Buch umfasst 145
Kapitel, von denen 113 das Quellenmaterial aus den Konzilien, den päpst-
lichen Dekreten und aus den Schriften der Kirchenväter zusammenstellen.
Als deren Bearbeiter wird der gelehrte Metzer Diakon Amalarius angesehen.
Die übrigen 32 Kapitel stellen das unter Zugrundelegung des Werkes Chrode-
gangs gewonnene Ergebnis der synodalen Beratung dar. Das zweite Buch
hat 28 Kapitel; die sechs ersten sind Auszüge aus den Schriften einzelner
hl. Väter, die 22 folgenden Kapitel enthalten spezielle Regeln für die Kloster-
frauen. Dass übrigens nicht erst mit der Promulgierung dieser Synodalverord-
nungen die vita canonica eingeführt wurde, sondern in praxi bereits lange
vorher geübt worden war, geht klar und deutlich aus beifolgender Stelle
der Praefatio zur Synode hervor: „. . . . licet plerique, auxiliante Christo,
devote ac religiöse cum sibi subjectis canonicam servent institutionem, et
in plerisque locis idem ordo plenissime servetur ....*' Die Verordnungen
der Aachener Synode verpflichteten nicht nur die Geistlichen der Kathedral-,
sondern auch die der Kollegiatkirchen. Einige der Bestimmungen mögen
hier Erwähnung finden. Kapitel 117 ordnet das gemeinschaftliche Wohnen,
Schlafen und Essen der Kanoniker in einem von einer Art Befestigungs-
raauer umgebenen Hause an: „Necesse est tamen, ut claustra, in quibus
clero sibi commisso canonice vivendum est, firmis undique circumdent
munitionibus, ut nulli omnino intrandi aut exeundi, nisi per portam pateat
aditus. Sint etiam int^rius dormitoria, refectoria, cellaria et ceterae habi-
tationes, usibus fratrum in una societate viventium necessariae". Kapitel
115 gestattet den Kanonikern im Gegensatze zu den Mönchen Leinen zu
tragen. Fleisch zu essen, Eigentum zu besitzen, spricht letztern aber ein
grösseres Anrecht auf Unterstützung seitens der Kirche zu, als erstem,
welche neben den kirchlichen Einkünften auch ihr Privateigentum haben.
„. . . . Canonicis liceat linum induere, carnibus vesci, dare et accipere,
proprias res et ecclesiae cum humilitate et justitia habere . . . ." Während
in Kapitel 126 die Beobachtung des kanonischen Stundengebetes überhaupt
und in den folgenden Kapiteln die der einzelnen Hören eingeschärft wird,
warnt Kapitel 131 vor verschiedenen mitunter recht groben Verstössen
beim Gebet. Kapitel 134 erklärt im Eingange, dass nicht nur dem Bischöfe
das Strafrecht über die Domgeistlichkeit, sondern auch den Pröpsten über
die Stiftsgeistlichkeit zustehe, womit die oben bereits erwähnte Ausdehnung
der Verordnungen über die vita canonica auf die Kollegiatkirchen aus-
gesprochen ist: „Quamquam contemptores canonicarum institutionum epis-
copali praecipue judicio plectendi sint, qua poena, ut ait beatus Augustinus,
in ecclesia nuUa major esse potest, demonstrandum tamen est, qualem ceteri
praelati, qui illis dignitate inferiores esse noscuntur, in locis sibi
commissis, in quibus canonice vivitur, erga subjectos quosque delinquentes
. . . . adhibere debeant correptionis modum.** Wer sich gegen die Regel
vergangen hat, soll mehrere Male ermahnt und wenn das nicht hilft, öffent-
0 Hartzheim, Conc. Germ. tom. I, p. 430 ff.
— 38 —
lieh zurechtgewiesen werden. „Quod si et his renisus fuerit, ceteris ali-
mentis interdictis, pane tantum usque ad dignam satisfactionem utatur et
aqua." Macht auch dieses unfreiwillige Fasten auf den Delinquenten noch
keinen Eindruck, so muss er in der Kirche einen Strafplatz einnehmen.
„Dein si his modis correptus incorrigibilis extiterit et aetas permiserit, quia
juxta Salomonen! „Stultus verbis non corrigitur*' congrua ei verberum adhi-
beatur castigatio/ Wenn auch die körperliche Züchtigung keine bessernde
Einwirkung ausübt, so soll er wie ein räudiges Schaf von der übrigen
Herde getrennt und dem Bischöfe überwiesen werden, damit dieser das
Weitere veranlasse.
Das letzte Kapitel fasst die Tugenden noch einmal zusammen, deren
ein frommer Geistlicher sich befleissigen soll.
Das Schicksal fast jeder menschlichen Einrichtung teilte auch die
des gemeinschaftlichen Lebens der Weltgeistlichen. Bei ihrem ersten Ent-
stehen freudig begrüsst, entwickelte sie sich nach und nach unter dem
Schutze und Segen der Kirche zu hoher Blüte und grosser Ausdehnung,
um aber alsdann wieder ebenso allmählich, wie sie gekommen, infolge der Un-
gunst der Zeit und der Veränderlichkeit der Menschen, von der Bildfläche
zu verschwinden oder höchstens noch das eine oder andere Mal hie und
da vorübergehend aufzutauchen. — Der Kaiser hatte auf das Ergebnis der
grossen Aachener Synode, auch soweit es die Regelung der vita canonica
betraf, den allergrössten Wert gelegt. Das Original der Verhandlungen
liess er im Hofarchir hinterlegen und den Erzbischöfen, gleichviel ob sie
der Synode beigewohnt hatten oder nicht, je eine Abschrift durch seinen
Gesandten Notho zustellen. Doch nicht einmal ein halbes Jahrhundert war
seitdem verflossen, als auch schon und zwar — merkwürdig genug — von
bischöflicher Seite der erste Vorstoss gegen das Werk unternommen wurde.
Der Erzbischof Guntar von Köln, berüchtigt durch seine Auflehnung gegen den
päpstlichen Stuhl und durch seine perfide Mitwirkung in der Ehescheidungs-
angelegenheit Lothars, wollte sich, vom Papste exkommuniziert und vom
Kaiser im Stiche gelassen, wenigstens die Anhänglichkeit des Klerus seiner
Residenz sichern. Zu dem Ende machte er demselben weitgehende Zu-
geständnisse; er vereinbarte mit den Kanonikern der Domkirche und denen
der Stifte innerhalb und ausserhalb Kölns, nämlich St, Gereons, St. Severins,
St. Kuniberts, des Klosters zu den hl. Jungfrauen, des Klosters der Märtyrer
Cassius und Florentius, des Klosters St. Viktor, der Kirche St. Pantaleon
und des Spitals bei derselben, dass letztere alle fortan unabhängig von
Bischof und Domstift, die ihnen aus dem gemeinsamen Kirchenfond zuzu-
weisenden Güter selbständig verwalten sollten. Ferner wurde jedem Kanoniker
seine eigene Wohnung und Pfründe, über die er auch zu Gunsten seiner
Brüder testamentarisch verfügen konnte, zugeteilt. Desgleichen wurde
ihnen freie Wahl ihres Präpositus, dem im Verein mit einigen andern
besonders hierzu befähigten Brüdern die unbedingte Leitung aller Innern
und äussern Angelegenheiten obliegen sollte, bewilligt. Die Frage, ob
— 39 —
diese Vergünstigungen damals nur den Nebenstiften, nicht aber dem Dom-
stifte zuteil geworden sind, wird von den Einen bejaht, von den Andern
verneint. Diese erste Durchbrechung des Grundgedankens der vita canonica
wurde von der grossen Synode, welche im Jahre 873 zu Köln unter dem
Vorsitz des Kölner Erzbischofs Willibert abgehalten wurde, bestätigt.
Nachdem so einmal der Grund- und Eckstein aus dem Gebäude ausgebrochen,
war der völlige Zusammenbruch nur mehr eine Frage der Zeit. Dieser
vollzog sich freilich nicht über Nacht und auch nicht tiberall zu gleicher
Zeit. Während in dem einen Bistum oder an der einen Kirche die vita
communis schon bald der Vergessenheit anheimfiel, dauerte sie an andern
noch ungeschwächt fort; ja es kam sogar vor, dass sie in verhältnismässig
später Zeit noch in einzelnen Kirchen neu eingeführt wurde. Doch die
Geschichte des gemeinsamen Lebens in den Stiftern weiter zu verfolgen,
liegt ausserhalb des Rahmens unserer Aufgabe. Es sei hier nur noch der
Ausführungen Hüffers^ gedacht, in denen die Art und Weise, wie die in
Frage stehende Einrichtung allhiählich immer mehr verschwand, sehr treffend
dargelegt wird. „Zunächst richtete man für die Kanoniker eigene Wohnungen
ein, meistens in der Umgebung der Domkirche, dann beschränkte man auch
den gemeinschaftlichen Tisch auf die Festtage, hob ihn später ganz auf
und schied endlich sogar aus dem Stifts vermögen einzelne Anteile oder
Präbende für die Kanoniker aus. Der grösste Teil der Güter blieb jedoch
noch unter der Verwaltung des Propstes, der davon den Stiftsherren die
festgesetzten Einkünfte zahlen und gemeinschaftliche Ausgaben bestreiten
sollte. Aber nur zu oft wurde diese Verwaltung nachlässig, eigennützig
und willkürlich geführt, woraus dann heftige Streitigkeiten sich entwickeln,
bis man durch eine Teilung des Vermögens zwischen Propst und Kapitel
die entgegenstehenden Ansprüche auszugleichen sucht.**
Eine Frage, die sich im Anschluss an die vorangegangenen Er-
örterungen jedem Freunde der heimischen Geschichte von selbst aufdrängt,
ist die nach dem Stande der bezüglichen Einrichtung am Aachener Münster
in den Tagen der Karolinger. Da müssen wir gleich von vorneherein gestehen,
dass es» im grossen Ganzen nur spärliche Nachrichten sind, welche uns die
gedruckten Quellen hierüber vermitteln. Es ist zunächst selbstverständlich,
dass Karl der Grosse eine Anzahl Geistliche zur Abhaltung des Gottes-
dienstes an die Aachener Pfalzkapelle berufen hat. Ausserdem bezeugt
uns aber auch noch diese Thatsache eine von Karl dem Kahlen im Jahre
876 ausgestellte Urkunde, in welcher es heisst: Proinde quia .... avus
noster Carolus in palatio Aquisgrani capellam in honorem beatae dei geni-
tricis et Virginis Mariae construxisse, ac clericos inibi Domino ob suae
animae remedium atque peccaminura absolutionem pariterquo ob dignitatem
apicis imperialis deservisse constituisse .... dignoscitur^ Die Nachricht,
*) Hü ff er, Forschungen auf dem Gebiete des französischen und rheinischen Kirchen-
rechts S. 274.
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dass Karl die Geistlichen, und zwar zwanzig an der Zahl, aus Sinzig am
Ehein nach Aachen verpflanzt habe, ist nicht verbürgt. Schon Quix, der
in seiner im Jahre 1829 erschienenen Schrift: „Historisch-topographische
Beschreibung der Stadt Aachen ^^ ebenfalls diese Mitteilung bringt, nennt
sie in seiner im Jahre 1840 erschienenen „Geschichte der Stadt Aachen^"
eine unhaltbare Sage. Gleichwohl begegnen wir in manchen nach dieser
Zeit herausgekommenen Schriften lokalgeschichtlichen Inhalts dieser Sage
noch als einer feststehenden historischen Thatsache. Ebenso unverbürgt
wie die Herkunft und die Zahl ist der Charakter der Geistlichkeit am
hiesigen Münster in der Zeit der Karolinger. Wir wissen nur, dass die-
selben eine vita communis in ihrem „claustrum** oder „monasteriura" führte;
(die noch heute gebräuchlichen Bezeichnungen Klosterplatz und Kloster-
gasse erinnern an jene Zeit) ob dabei aber die Regel des hl. Augustinus
oder die des Metzer Bischofs Chrodegang befolgt worden ist, steht nicht
fest. Wenn man erwägt, dass die Wirksamkeit Chrodegangs und die Er-
richtung des Aachener Münsters zeitlich nur etwa 50 Jahre auseinander
liegen, so liegt die Annahme nahe, dass man auch hier, wie an vielen andern
Kirchen jener Zeit, die Metzer Regel befolgt habe. Damit Hesse sich dann
auch leicht in Einklang bringen die Nachricht einzelner Lokalhistoriker,
dass die hiesigen Geistlichen dem Orden des hl. Benedikt von Nursia an-
gehört hätten. Chrodegang war nämlich selbst Benediktiner und seine
Regel ist der der Benediktiner nahe verwandt. Es wird uns ferner auch
nichts darüber berichtet, dass die Aachener Stiftsgeistlichen die von der
Aachener Synode im Jahre 816 beschlossenen Satzungen angenommen haben.
Und doch dürfte man nicht fehlgehen in der Annahme, dass dies in Wirklich-
keit geschehen ist. Denn es wäre gar zu sonderbar, dass diese Regel, auf
deren allgemeine Befolgung, wie wir früher auseinandergesetzt haben, der
Kaiser den grössten Wert legte, hier am Orte ihrer Entstehung nicht
recipiert worden sein sollte. Wie lange das Zusammenleben der Stifts-
geistlichkeit hierselbst gedauert hat, steht ebenfalls nicht unzweifelhaft
fest. Aus der urkundlich überlieferten Thatsache, das Otto I. im Jahre 966
den Kanonikern am hiesigen Münster das Recht einräumte, sich frei und
selbständig aus ihrer Mitte einen Abt zu wählen, der hinfüro den Namen
Propst führen sollte (qui modo praepositus dicitur)*, hat man geschlossen,
dass um diese Zeit die vita canonica an der Pfalzkapelle aufgehört habe.
Jedenfalls hat dieselbe in beschränktem Masse noch Jahrhunderte fort-
gedauert.
») D'Achery Spicileg, cd. Paris, tom. III, S. 352.
«) S. 30.
«) S. 7, Anm. 3.
*) Quix, Codex Diplomaticus, tom. I, pars I, p. 10.
— 41 —
Eleinere Mitteilungen.
1. Handschriftliche Aufzeichnungen (1753—1785)
im Stadtarchiv zu Aachen.
Die Urschrift der nachstehenden Aufzeichnungen über Ereignisse aus den Jahren
1753 bis 1785 war ursprünglich einer Ausgabe der Aacher Chronick des Noppius von 1774
am Schlüsse einverleibt, später wurde sie hiervon abgetrennt und beruht nunmehr im
hiesigen Stadtarchiv. Sie rührt von unbekannter Hand her und hat einen der Sprache
wenig kundigen Schreiber zum Verfasser. Nichtsdestoweniger erschien der Abdruck dieser
Aufzeichnungen wünschenswert, weil sie manches Unbekannte bringen und die in den-
selben enthaltenen Angaben, soweit sie auch sonst vorkommen, sich als durchaus zuverlässig
erwiesen haben.
„1755 auf Stephanustag, des Nachmittag zwischen 4 Uhren, haben wir hier ein
kleine Erdbebung erfahren, im Jahr 1756 aber den 18. Febr. haben wir eine starke und
entsehetzliche Erd-bebung gehabt ungefehr um 8 Uhren morgens, und hat den ganzen
Morgen die Erd nit still gestanden, und hat noch lange Zeit gedauret^
Die im Jahr ungefehr 1753 oder 54 da die heilige Tag seind abgesetzt worden mit
dem Beding, daß man eine heilige Meß hat hören müßen, seind den 27^*" Septembris 1778
auf denen Canzelen abgelesen worden, daß man keine Meß brauchet zu hören, sonderen
Ostermontag, Pfingstmontag und den Tag nach Christag als nemblich Stephanytag gebotten
zu iieren gleich den Sontag benebst auch die 4 Wochen in Advent zu fasten als Mit-
woch. Freytag und Sambstag, und das Fest des heiligen Lamberti zu feyren gleich den
Sontag *.
Anno 1770 den 9*"" Junij hat Gott uns mit eine starke Erdbebung heimgesucht
und den 11**" selbigen Monat mit einen grausamen Hagclschlag, daß die Früchten im
Feld zerschlagen. Von selbigen Zeit an hat die theure Zeit angefangen und hat sich so
und so verfolgt, das das Brod 14 Merk gekostet hat und die Butter 17 Merk, Rindfleisch
7 Merk per Pfund, und das hat gedauret mit das Brod bis anno 1771 den 1**"* August:
da ist es 1 Merk abgeschlagen und den b^*^ dito da ist es 3 Merk abgeschlagen und den
10. August wider 10 Bauschen aufgeschlagen.
Anno 1771 den 27**" August ist der kay serliche Coramissarius in Achen angelangt,
Lodowicy' war sein Nam, und den 8**" Septembris ist der prüßiche Gesante in Achen
angelangt Sein jNam war Immikhanßen ^, und den 12'"" Septembris soll der erste Sitz
gehalten worden, worauf Einhalt geschehen ist, so ist doch der erste Sitz gehalten worden
den 29. Octobrisjbey Herrn Longe' in CoUestraß im wilden Mann, den 13. Decembris hat ein
jeder Commissarius das Schild ihres Principales ausgestalt. 1773 den 15. Decembris ist
der kayserlichen Commissarius nach Haus marschirt.
1773 den 10*'° Septembris des Morgens umb halber 9 Uhr haben der WeihbischofF von
Lüttig und zwey Deputirten von Nuntius von Collen und Hr. Proffion Tewis denen Herrn
Jesuiten die ^ Bulla von ihre Heiligkeit vorgelesen worden, daß ihre GesäUschaft auff-
gehoben, und von die Zeit an die Kirch zugeblieben und müsten sich ein weltgeistlichen
>) Zur (Hsohichte der Erdbeben de« 17. und IH. Jahrhunderts in der Aachener Oegend a. den
Auftat« von E. Pauls in Hoa 56, 8. 91 if. der Annalen des historischen Vereins für den Niederrhein.
Die Erdbeben in den Jahren 1756 und 1756 waren die Veranlassung, dass in der Pfarrkirche St. Foillan
mit bischöflicher Genehmigung „unter dem Titel der allerseligsten vom Engel verkündigten Jungfrau
Maria und dos heiligen Karoli Magni als sonderbaren dieser Stadt Patronen zu Ehren" eine Bruder-
schaft errichtet wurde, die heute noch besteht.
«) Der fortschreitenden Entwiokelung des wirtschaftlichen Lebens standen die 87 Feiertage, wie
sie die Baths-Yerordnung vom 7. September 162H festgesetzt hatte, hindernd in dem Weg.
*) Ludovici d'Orley, Herzoglich Luxemburgisoher Bat.
*) Gemeint ist Heinrich Theodor Emminghaus, Direktorialrat und Gesandter beim nieder-
rhcinisch-westfUlischen Kreise.
*) Lognay.
— 42 —
Eleyder tragen, nemlich Sontag darauf hat Pater Sunder die Predig im Münster gehalten
als in weltgeistlich Eleyder und doch nicht ehender dorffen halten, bis von Bischoff von
Lüttig die Erlaubnüß gab'.
Die im Jahr 1773 den 10^'** Septembris die Bulla gegen dessen Geschellschaft Jesu
aufgehoben worden, hat so mit der Zelt langsam wider so hervorgethan, daß bald diese
Ablaß balde jene wider in die Kirch gehalten ist worden, bis entlich im Jahr 1778
haben die Herrn Burger Bruderschaft und Jungesellen Bruderschaft von Eom erhalten,
die Todangst Bruderschaft zu halten. Die erste ist gehalten worden den 1*"" Novembris
1778 und ist die Kirch von Zeit an offen geblieben, und haben auch die 10 freitagie
Andacht und die 6 sondige von h. Aloisij auch gehalten und die Bettäg in die 8 letzte
Tagen Weinachten, und den letzte Sontag von h. Aloisij ist eine Prosession gehalten worden
mit das höchste Gut über den Marck, und der Profion Dewis hat das höchste Gut getragen.
Und haben sich viele Fackclen bei der Procession befunden bey 500, wo nicht mehr*.
1774 den 25*«" Aprill ist der Hr. Werkmeister Dauven nach Wien gerist, um die
Streitsach von Churfaltz mit die Stadt Aachen auszumachen, und ist den 22. Aprill 1777
wider ein Achen angelangt und hat alles rechtschaffen vor der Stadt ausgemacht. Wie
er aber widerkam von Wien, war er schon rigerede Burgermeister ^
Den 24*"* Octobris selbigen Jahr ist der Herr Sindicus Denys nach Wetzlar gereiset,
umb die Eeichsvisitation beyzuwohnen.
1775 den 27. Aprill des Nachmittags umb halber zwey ist der großen und kleinen
Rath zusammen bescheiden worden um halber fünf selbigen Dags wegen den newen Weg
von Bortscheit auf den Forst zu, worauf ein ehrbarer Rath beschlossen, den Weg mit Gewalt
zu verdilliegcn. Des selbigen Nacht seind 70 Grenadier und ungefehr 30 Werkleut aus-
gerückt und haben den Weg wider verdorben, die Grenadier seind aber stehen blieben
bis in Septembris. Den 20'*" selbigen Monat des Morgens zwischen 4 ad 5 Uhren seind
80 Man Soldaten nach Bordscheit marschirt wegen das Yerbott, daß der ehrbarer Rath von
Aachen gothan, sich des Weggelds zu enthalten; wo nicht, so soll man sie mit Execution
belegen, welches auch gleich geschehen ist, ein Jeder Weggeld Man mit 2 Mann belegt
worden ist, die haben sie essen und drinken und der Mann ein Kopfstück per Tag, einer
heist Rumpen, der ander Beckers; die Schöffen seind hernachher auch mit Mann belegt-
1776 den 2Ö**'* August haben wir hier in Aachen dem primus von Löwen ingeführet.
— seinen Namen war Mathias Joseph us Wild, in aachener Sohn — mit allen Pom und
Pracht: erstens mit die fünf klein Schulen mit ihre Fahnen und grüne Palmen an ihre
Hut; zweitens viele Bürger zu Pferd und die sechste und siebente und neunte Schul! zu
Pferd; viertens schier alle Kaufleut zu Pferd, sowohl catholische als uncatholische, auch
etliche mit ihren Wagen; fünftens den ehrwürdigen Hr. Prelat von Closterath mit einen
') Bezüglich der Ausweisung der Jesuiten s. auch Janssen (bei von Fürth, Beitrüge und
Material zur Qeschiohte der Aachener Patrizier-Faniilien, Band III, S. 370); er beklagt sich, dass sie
gehen „wie fremden, die kein Heimath haben". Dann fHhrt er fort: „Der König von Preußen aber will
sie absolut schützen und in seinem reich hegen". Wir wissen, dass, wie E. Reimann, Neuere Ge-
schichte des Freussischen Staates vom Hubertsburgor Frieden bis zum Wiener Kongress, Band II
(Abschnitt Friedrichs Stellung zur katholischen Kirche) bemerkt, „Friedrichs allumspannender Geist
auch das Schulwesen nicht vemachlAssigto, obgleich hier der Mangel an Mitteln und der Widerstand
derer, welche grössere Aufwendungen daf^ machen sollten, durchgreifende Reformen schliesslich un-
möglich machten. So sehr er sonst praktischen Zwecken den Vorrang einräumte, von den höhereu
Schulen forderte er nicht allein die Überlieferung von Kenntnissen, sondern hauptsächlich Entwickelung
des Verstandes und Ausbildung der Urteilsfähigkeit. Eben weil es für alle Zweige des Unterrichts au
tüchtigen Lehrern fehlte, erhielt er in seinem Lande die Jesuiten. Die in Breslau wurden „Priester
des königlichen Schulinstituts", unmittelbar dem Stallte unterstellt."
') Die im Jahre 1767 gedruckte „Sammlung dreyer Andachten, welche in der Kirch der Sooietät
Jesu EU Aachen gehalten werden", zählt folgende auf: „die erste von der Tod-Angst unseres sterbenden
Heilands, die zweyte zu Ehren des heil. Franoisci Xaverii, die dritte zu Ehren des heil. Aloysii Gon-
zagtt, so alle von der katholischen Kirch mit Ablaß bestAttiget sind".
Die Versammlungen der Tod-Angst-Bruderschafl fanden monatlich, die zu Ehren des h. Franziskus
Xaverius an 10 Freitagen im Jahre und die Andachten zum h. Aloysius an 6 Sonntagen statt.
*) Der Bürgermeister Kahr starb plötzlich am 29. Juni 1776 auf Petri und Pauli Abend.
— 43 —
secbsspannige Wagen und schier alle Herrschaften mit ihren Wagens haben ihm mit-
eingeführet; sobald als sie mit ihm bald an die Stadt kamen, da wurden die Cammeren
abgefenrt, und sobald als sie mit ihm an die Stadtpfort waren, da wurden die Canons
gelöset; siebentens kam Alles voraus, was vorhin gemeld ist worden, und ftüirteu ihm
mit seine Lövonisten und Professoren nach dero Thumkirch hinein. Da wurde dem ambrosia-
nischen Lobgesang gesungen mit Pauken und Trompetten, mit Läuten alle Elocken in der
Stadt. Nach geendigtem Gesang wurd er aus die Kirch zum Rathhaus geftlhrt. Wie
er da anlanget, wurden die Canons wider gelöst unter Paucken und Trompetten und wurde
empfangen von zwey Sindicy von Rathhaus. Nemliche Abend habe sie mit die Hr. Bürger-
meister und Hr. Beambten das Suppe gehalten, und den Abend schier alle Häuser mit
Lampen und Kerzen beleuchtet worden. Den 26*^ ist das Mittagmahl gehalten worden
bey denen Exjesuiten. Er hat ein Präsent von Hr. Burgermeister bekomen, eine große
silberne Lampetschtlssel ^
1778 den 24**" Jnnij ist der Hr. Doctor Dauven als regierenden Burgermeister zum
Major von Burtscheit mit Mehrheit der Stimmen erwählet worden und ist den 6*'" Julij
von hier nach Burtscheit gefUhret, umb alda seinen Aid abzulegen mit alle Beambten und
Neun Männer und 3 Hrn. Secretarius und die Hrn., so die Cammer bedeinen, als Ardenaw und
Vanscheuren, und die Carlschützen mit ihre Fahn mit unten und oben Gewehr bekleydet,
und haben den Vorzug gehabt. Billig war es gewesen, daß die rot, alwo der Hr. Burger-
meister ingewohnt, daß die Bttrger ihm aus begleit betten. Es waren im allen 11
Wagen alwo 2 mit 4 Ferd, die 4 Burgermeister Deiner mit Stegens auf ihre Seit. Des
Nachmittag zwischen 6 und 7 Uhren ist er wider nach die Statt gebracht worden, und
ist große Unruh erstanden zwischen die Bürger auf einander geschossen etc. etc.
1779 den 11*'" August haben wir des Nachmittag zwischen 4 ad 5 Uhren einen
erschröcklichen Regen gehabt, daß die große Wasserath das Wasser nicht hat verschlingen
können, und in die Straße das Wasser so briet gelaufen von ein Haus bis an das andere
und hat ein die Straße die Bafaye aufgeworffen, und das hat auf ein Stund gedauret
und hat erschrecklich darbey gedonnert und gewetterleuchtet.
1781 den 17**^° Julij haben wir hier in dieser kayserliche freye Reichsstadt Aachen
die Ehre gehabt, unseren kayserliche Magistät abends ungefehr um U Uhr in unsere
Ringmauren inmarschiret und von alle anwesende Bürger und fremde Herrschaften die
Ehre gehabt, im zu sehen, und den 18**" dito nachmittag um halb fünf Uhren ist ihre
kayserliche Magistät Joseph der 2** römische Kayser wider unter viele Rufen deren Bürger:
Vivat Joseph unseren Kayser soll leben, abmarschiret nach Brüssel, um die Huldiung seyne
Schwester als Herzogin von Braband beizuwonnen. Gott bewahren ihm auf alle Wegen.
Amen*.
1783 anfangs Decembris hat es angefangen zu fristen und etliche Zeit darnach
fingt es an zu schneyen, und einen oder 2 Tag fing es an zu regnen, und darauf fing es
wider an zu fristen und es hat gefroren bis den 20**" Febr. 1784, dan fing es an etwas
lind zu werden, und ist so kalt gewesen, daß die alte Leut und auch aus Paris ge-
schrieben ist worden, daß es viel kalter gewesen wäre als anno 1709 et 1740, daß diese
Kalt viel hoher gesteigen als die vorige Jahrzahlen.
1784 den 25**" May war es wie Donnerwetter des Nachmittag und es fing an zu
hagelen, doch nicht gedonnert nnd es fiUen Hagelstcin so dick wie ein Mansdaum, und schlug
auf etliche Platz die Fenstern zu Stücken. Gott Lob es war noch keinen Wind darbey.
Etliche Stein sind gewigt worden, man sagt, 3 bis 4 Loth schwär.
1785 den 30. May ist zu Bortscheit Einen mit das Schwert hingereicht worden.
Sein Nam ist Wilhelm, sein Zunam weiß ich nicht. Er ist aus die Pfar Siubelfeld
gebürtig.
*) Übor dieseu Empfang berichtet aasflihrlioh Meyer, Aaobensche Geschichten S. 769; vgl.
femer Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins Bd. I, S. 2l(>.
*) Über ^Kaiser Joseph II. in Aachen 17bl" baudolt eingehend Pick, Aus Aachens Vergangen-
heit 8. 552 ff.
— 44 —
Von Jahr 1784 bis 1785 ist eine große Kälte gewesen, daß man sich bald (nicht) erhalten
hat können, und den darauf folgende Frühling und Sommerzeit hindurch mehr k< als
warm und nicht viel Regen gehabt, daß die Butter den Sommer ist eingestochen worden
vor 100 ^ 20 et 21 bis 22 Cronenstücker und auf den Marck gegolden hat per Pfand
22 Merk (und) 23 Merk, das Bindfleisch 7 Merk per ^ in so fort in allem, außerhalb das
liebe Brod hat 8 Merk und letzton July hat es 7 Merk 2 Bauschen gegolten. Gott gebe
uns, was uns selig ist. Amen.^
Aachen, M, SchoUefh
2. Theodor Zimmerst
In der Musikgeschichte Aachens wird der Domorganist Theodor Zimmers für immer
einen ehrenvollen Platz einnehmen. Theodor Nikolaus Zimmers wurde am 6. Dezember
1781 * in Aachen in dem jetzt mit Nr. 106 bezeichneten Hause der Alexanderstrasse geboren.
Die Eltern gehörten dem kleinen Bürgerstande an. Der Vater Balthasar Zimmers, ein aus
Ubagsberg im Limburgischen stammender Handelsmann, hatte sich in Aachen ansässig
gemacht und am 11. April 1774 mit Gertrud Maassen vermählt. So wuchs der Knabe in
bescheidenen bürgerlichen Verhältnissen heran, bald aber entwickelte sich in ihm die
Neigung und Liebe zur Musik. Mit dem musikalischen Unterrichte sah es zu jener Zeit
in Aachen nicht besonders aus; die stürmische, allem künstlerischen Streben abgeneigte
Zeit Hess weder Lehrer noch Lernende aufkommen. So war Zimmers für sein Fortkommen
in der musikalischen Kunst auf sich selbst angewiesen, und man kann ihn nicht mit
Unrecht, sowohl in Bezug auf Komposition als auf Klavierspiel, einen Autodidakten nennen.
Als er es dahin gebracht hatte, dass er am Klavier geläufig und mit Sicherheit den Gesang
begleiten konnte, zog ihn der damalige musikalische Mäcen Aachens, der auch iu weiteren
Kreisen bekannt gewordene Arzt und beigeordnete Bürgermeister Dr. Solders' zu seinen
häuslichen musikalischen Aufführungen heran, und hier war es, wo das aufstrebende Talent
des jungen Mannes Nahrung und Entwickeluug fand. Bei Solders wurde viele und gute
Musik gemacht; hier war der Zcntralpunkt, wo sich einheimische und fremde Künstler
versammelten, und so wie Zimmers hierdurch das Beste jener Zeit zu hören bekam und
selbst thätig mit eingriff, so bot ihm auf der anderen Seite die reichhaltige musikalische
Bibliothek seines Gönners Gelegenheit zu lernen, die Meisterwerke der bedeutendsten Zeit-
genossen zu studieren und seine Kenntnisse der musikalischen Komposition zu vermehren.
Der öffentlichen Aufführungen waren damals wenige. Das Vereinswesen war so gut wie gar
nicht ausgebildet; nur zuweilen versammelten sich die zerstreuten Kräfte zu einer musi-
kalischen Gesamt-Produktion. Solche Konzerte dirigierte damals Dr. Solders, und Zimmers
war am Klavier. Allein nicht immer blieb er am Klavier; in der Folge vertauschte er
diesen Platz mit dem Dirigentenpulte. So hat er vielfach Konzerte dirigiert, welche zu
wohlthätigen Zwecken stattfanden, wie er ein Freund der Armen bis an sein Lebensende
geblieben ist. Bei solchen Gelegenheiten gelangten dann auch wohl von ihm komponierte
Lieder zur Aufführung ; mehrere derselben hat er später veröffentlicht. Auch während
des Aachener Kongresses im lahre 1818 hatte Zimmers die Vorbereitung und Leitung der
Konzerte in Händen, die zu Ehren und in Gegenwart der anwesenden Fürstlichkeiten statt-
fanden. In den Konzerten, welche von der Sängerin Catalani, die aus Veranlassung des
Monarchen-Kongresses nach Aachen gekommen war, veranstaltet wurden, übernahm Zimmers
die Begleitung der berühmten Virtuosin*.
>) Dem nachfolgenden Artikel ist der von Chr. Felix Aokens verfasste Nekrolog (Echo der
Gegenwart vom 5. September 1861, Nr. 244) zu Grunde gelegt.
•) Nicht IT88, wie Ackens, wahracheinlich nach dem Toteuzottel, angibt.
*) Siehe ttber denselben Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins Bd. I, S. &2.
*) Über den Aufenthalt der Catalani in Aachen: Meyer. Aachen, der Monarchen-Kongress im
Jahr 1818, §§ 23, 29, 38, 99, 52. Der Kuriosität halber sei hier Meyers Urteil ttber die Sängerin bei-
gefügt: n^hwingt sich die Lerche trillernd aus des Frühlings Saaten zum Himmel hin, so ist das
freilich schön in der Natur; aber sie bleibt nur monoton; singt und steigt Catalani, so entzücken
— 45 —
Vergebens aber machte sie ihrem Accompagnisten glänzende Vorschläge, vergebens
versachte sie ihn mit nach Italien zu nehmen. Zinmiers blieb seiner Vaterstadt tren,
er hat sie nie verlassen, was er allerdings später, und vielleicht nicht mit Unrecht, als
ein Unglück für seine musikalische Entwickelung: bezeichnet hat. Auch mochte ihm das
unstäte, herumschweifende Xünstlerleben wenig zusagen; gegen das Theater hatte er eine
derartige Antipathie, dass er nie einen Fuss hinein gesetzt hat^
Inzwischen hatte Zimmers im Jahre 1802 die Stelle des Organisten an der St. Peters-
pfarrkirche hierselbst erhalten '. Dies veranlasste ihn, sich eingehender mit Kirchenmusik
zu beschäftigen, als es bis dahin der Fall gewesen war. Zunächst wurde ihm die neue
Stelle ein Anfenerungsmittel, sich mit den Kompositionen für die Orgel, wie die grossen
Meister seit Sebastian Bach sie für dieses Instrument aller Instrumente geschaffen haben,
näher bekannt zu machen. Dann veranlasste ihn aber auch sein Amt, die kirchlichen
Oesangwerke eifriger zu studieren. Denn er hatte von vornherein deu Plan gefasst, an
St Peter einen tüchtigen Gesangchor zu schaffen und heranzubilden. Diesen Plan hielt
er fest, wie er auch der Kirchenmusik bis an sein Ende treu blieb, ihr hat er fast alle
seine zahlreichen Kompositionen gewidmet.
Zunächst für seinen heranwachsenden, aus Damen und Herren zusammengesetzten
Kirehenchor schuf er eine Menge vom leichteren zum schwerereu fortschreitender drei- und
vierstimmiger Messen, Kautaten, Motetten, Te Deums u. s. w., die er nachher zum Teil im
Druck herausgab, und die vermöge ihrer im Ganzen leichten Ausführbarkeit, vermöge ihrer
schönen rhythmischen und melodischen Gestaltung bald Gemeingut aller hiesigen Kirchenchöre
wurden, auch weite Verbreitung in Belgien, Frankreich und England fanden. Diese Werke
schrieb er meist mit Orgelbegleitung, manche instrumentierte er jedoch sowohl zur Be-
nutzung in seiner Pfarrkirche, wo an den Festtagen das Hochamt unter Orchesterbegleitung
gesungen wurdet als auch zum Gebrauche in unserer Domkirche, wo bis in die sechsziger
Jahre hinein an allen Sonntagen eine musikalische Messe mit ganzem Orchester zum
Vortrag gelangte. In der Domkirche kam auch während des Monarchen-Kongresses ein
grosses, von Zimmers komponiertes Te Deum für gemischten Chor und Orchester zur
Aufführung*. „Alle diese Werke charakterisiert der Stempel inniger Frömmigkeit, starken
Glaubens und freudiger Hoffnung; sie sind der Spiegel eines anspruchslosen, opferfreudigen
und liebevollen Wesens. Vom Standpunkte der Kunst aber begegnen wir in denselben
einem frischen, produktiven Geiste, abgerundeten künstlerischen Formen, schönen, wenn
auch nicht immer neuen Melodien, vielem Fluss und Schwung und mitunter wertvollen
kontrapunk tischen Gestaltungen*.**
Zimmers beschäftigte indessen den Kirchenchor von St. Peter nicht blos mit
seinen Werken, er benutzte diese eigentlich nur als Übungsstufen zu den schwierigeren
Messen und Kantaten von Haydn, Mozart, Beethoven, Cherubini u. s. w., die später in
dem Eepertorium seines Chores vorherrschten. Der Chor wuchs nach und nach so an,
dass die Räumlichkeiten zu enge wurden. Die Übung, welche Sänger und Sängerinnen
hier genossen, kam anderen musikalischen Bestrebungen unserer Stadt, sowie auch den
damals entstehenden rheinischen Musikfesten zu gut.
Zu Anfang des Jahres 1826 ward in unserer Domkirche, an welcher am 28. Januar
das Ohr die lioblichston Töne der Natur und Kunst in tausendfachen unnennbaren Trillern. Sie
ist ein unttbersohbares Feld, auf welchem die Kunstliebhaber eine reiche Erndte des Anmuths, und
die Virtoosinn Tausende der Goldblüten einscheuem. " (§ JJB.) Über andere TonkUnstler, "welche der
Monarchon-Kongress nach Aachen führte, s. Meyer a. a. Ü., § 24.
*) Qefl. Mitteilung des Hrn. Prof. Potliast in Rolduc.
«) Flank er, Die Kirchen-Orgeln in St. Peter, Jahrgang VH, S. 20 u. 2t dieser Zeitschrift. Das
Jahresgehalt betrug damals 144 gl., dazu lUr Begleitung der deutschen Messe an Sonntagen 15 gl.
und ftlr das Hochamt am Donnerstag 20 gl.
») Siehe Planker a. a. O. S. 22.
*) Die einxige kirchliche Feier während des Kongresses, von welcher Meyer berichtet, war ein
Hochamt ftm 4. Oktober 1818, dem Namenstage des Kaisers Franz. A. a. O. § 22. Vermutlich war im
Anschlüsse an dieses Hochamt Te Deum.
^) So urteilt Aokeus a. a. O.
— 46 —
genauiiten Jabrcs an Stelle des Kathedralkapitels ein Stiftskapitel installiert worden war,
die Organistenstellc frei. In der ersten Sitzung des neuen Stiftskapitels vom 4. Februar
1826 wurde Zimmers zum Domorj^anisten gewählte Nicht leicht hätte aber auch ein
Würdigerer für diese Stelle gefunden werden können. Denn in der Behandlung der Orgel
war Zimmers Meister, und seine Improvisationen auf derselben waren derart interessant,
dass viele Musikfreunde die Domkirche vorzugsweise besuchten, um Zimmers prä- und inter-
ludiereu zu hören. Zimmers hat mehrere Folgen Versetten in Druck erscheinen lassen.
Dass Zimmers neben seinen amtlichen Funktionen die übrigen vaterstädtischen Musik-
unternehmungen nicht aus den Augen verlor, geht aus dem bereits Angeführten zur Q^nüge
hervor. Als man im Jahre 1819 zur Bildung eines städtischen Vereins für Gesangmusik
schritt, war er es, der die Übungen am Flügel zu leiten übernahm, und seinem Eifer ist
es zum Teil zu verdanken, dass Aachen mit seinen Nachbarstädten gleichen Schritt hielt und
gleich bei den ersten zu Aachen gegebenen rheinischen Musikfesten (1825, 1829 und 1834)
Beweise einer tüchtigen Vorbildung im Chor ablegen konnte.
Hervorragend sind Zimmers Verdienste als Musiklehrer. Als solcher war er viele
Jahre am früheren St. Leouhards-Institut hierselbst und später auch eine Zeit lang an
dem Pensionats-Institut zu Blumenthal bei VaeLs thätig, bis ihm endlich das Alter Ruhe
gebot. Zum Gebrauche für seine Musikschüler gab er Vorübungen für Klavierschüler und
mehrere Hefte Singübungen heraus '.
In der zweiten Hälfte seines Lebens wohnte Zimmers, der nicht verheiratet war,
bei seinem Schwager, dem Kratzenfabrikanten Classen in der Peterstrasse Nr. 64. Wohl
machten sich in den letzten Lebensjahren die Lasten des Alters bemerkbar, aber bis an
sein Lebensende bewahrte er seine geistige Frische und Schaffensfreudigkeit. Noch kurz
vor seinem Tode vollendete er eine grosse vierstimmige Messe. Am 24. August 1861 ver-
schied Theodor Zimmers, fast 80 Jahre alt, nach nur viertägigem Krankenlager an einem
Herzübel. Am 26. August fand die Beerdigung statt, bei welcher die Concordia, deren
Ehrenmitglied der Verstorbene gewesen, das musikalische Ehrengeleite gab.
„Aufrichtiges, anspruchsloses, sittenreines, opferfreudiges und liebevolles Wesen**
— rühmte Zimmers Freund, der Stadtdechant Dilschneider ' — „veredelt durch eine innige
christliche Herzensfrömmigkeit, zeichnete Zimmers während seines ganzen Lebens aus;
in seinem späten Alter aber war vor Allem stets das Gotteshaus sein liebster Aufenthaltsort,
der Tisch des Herrn seine vorzüglichste Erquickung und das Gebet seine Hauptbeschäftigung.
Und so ist er denn auch, der in Wahrheit und Gerechtigkeit seinen Pfarrgenossen und
Mitchristen zum Muster und zur Auferbauuug gelebt, den vom hl. Geist so überaus ge-
priesenen seligen Tod der Gerechten gestorben."
„Seine Wirksamkeit", schlicsst Ackens seinen Nekrolog, „bildet eine Epoche in der
Geschichte der musikalischen Zustände Aachens. Er war ein von Allen, die ihn kannten,
geachteter und geliebter Mann, dabei anspruchslos und bescheiden. Er war ein tüchtiger
Ktlnstler und ein edler Mensch.**
Die Kompositionen Zimmers werden heutzutage nicht mehr aufgeführt. Fast alles,
was er geschrieben, hat einem anderen Kunstgeschmacke den Platz räumen müssen und
ist vergessen. Nur seine Melodien zu Kirchenliedern leben auch heute noch im Munde des
Volkes, insbesondere die Melodie zu dem violgesungenen schönen Woihnacbtsliede „Menschen,
die ihr wart verloren". Möge der Refrain dieses Liedes noch lange Jahre in Aachens
Kirchen verkünden, was Zimmers bei all seinem Schaffen vorschwebte : „Ehre sei Gott in
der Höhe!"
Aachett, J. Fey,
») Goß. Mittoilung ilcs Hrn. StillsarchivArs Kanonikus Vitboff. Das Jahresgehalt betrug damals
löO Tlialer.
*) Die Zimmersschon Kompositionen erschienen bei Arnold in Elberfeld, bei N. Simrock in
Bonn, bei Henson in Aachen, teilweise Hucb im Selbstverluge. Von den verachiedenen „Te Deume" ist
keines zum Druck gelangt.
^) Auf dem Totenxettel.
— 47 —
3. Die Anweseuheit einer hanseatischen Gesandtschaft an König
Philipp nr. von Spanien in Aachen im Dezember 1606.
Das in dieser Zeitschrift veröffentlichte Tagebacb des Aachener Stadtsyndikus
Melchior Klocker, das die Jahre 1602—1608 umfasst, enthält zom 26. Dezember 1606
folgende Notiz: ^Ahm 26. Decembris seindt der Anzer (V) statt gesandten ufm rahthauss
gewesen und haben sich hochlich erbotten und einen zirablichen trunck gethain*.*
Unter „Anzer statt gesandten** sind die Gesandten der Hansastädte zu verstehen.
Infolge eines Beschlusses des Hansatages zu Lübeck vom 16. Juni 1606 ordneten die
Städte Hamburg, Lübeck und Danzig gemeinschaftlich eine Gesandtschaft an König Philipp IIL
von Spanien ab mit dem Auftrage, wegen der apanischen Handelsprivilegien, der Forderungen
hanseatischer Kaulleute an die dortige Regierung u. s. f. in Madrid Beschwerde zu führen.
Der lübeckische Gesandte, der Ratsmann Henrich Brockes hat in seinen Tagebüchern auch
über die Reise der Gesandten von Lübeck nach Madrid eingehende Mitteilungen gemacht,
die wegen des grossen Interesses, das sie erregen, schon 1 774 auszugsweise veröffentlicht
und späterhin von der Geschichtsforschung vielfach benutzt und verwertet worden sind*.
Es dürfte manchem Leser dieser Zeitschrift nicht unwillkommen sein, zu erfahren, was
die Aufzeichnungen Henrich Brockes' über den Aufenthalt der Gesandtschaft in Aachen
berichten.
Der Bedeutung und dem Wohlstande der Hansastädte entsprach die Ausrüstung
und die Bedienung eines jeden der Gesandten, abgesehen davon, dass die lange Dauer der
Reise und die mit ihr verbundenen mannigfachen Beschwerden grössere Zurüstungen
nötig machten. Brockes hatte 6 Personen zu seinem Dienste, zu deren Fortschaffung
eine Kutsche und vier schön braune Pferde sowie ein brauner Gaul (Not- und Reit-
pferd) dienten. Ausserdem befand sich in seiner Begleitung der Konsul zu Lissabon,
Hans Kempferbeck, mit einem berittenen Diener. Die anderen Gesandten, der „gemeine
Hansesche Syndikus", Johann Domann, der Hamburger Ratsmann Jeronymus Vogcler
und der Danziger Ratsmann Arnold von Holten waren ähnlich ausgerüstet. Die Reise
ging durch Westfalen nach Köln und von da über Aachen nach Brüssel, da die
Deputierten angewiesen waren, zunächst den Erzherzog Albrecht „Herrn der hispanischen
Niederlande" zu begrüssen. Wegen der kriegerischen Unruhen jener Zeiten, die das
Reisen unsicher und gefährlich machten, war es häufig nötig, dass sich die Gesandten von
einer Stadt zur andern durch eine militärische Bedeckung (convoy) begleiten Hessen.
So hatte auch der Kölner Rat „30 gute Soldaten** der Gesandtschaft beigegeben,
die von Aachen aus wieder zurückkehrten; am 13. Dezember (alten Stils) Mittags zogen
die Deputierten aus Köln, nahmen ihren Weg über Bergheim und Jülich und langten am
15. Dezember 2 Uhr in Aachen an.
Wir lassen nun folgen, was Brockes über die Aufnahme sagt, die er und seine
Kollegen in Aachen fanden. Waren die hanseatischen Abgeordneten überall in deutschen
Landen höchst ehrenvoll empfangen und freigebig beschenkt worden, so namentlich in
Aachen.
„Den 16. December blieben wir zu Aach stille, versuchten die warmen Bäder und
besahen die Thumkirchen darein viell Rcliquiae von Carolo magno, sahen caput, gladium,
Coronam, novum testamentum etc., wie auch sein sepulchrum, und den Kunniglichen Stuell,
davon sich die Stadt rhümet und schreibet. Die Bürgermeister und etliche des Raths
kamen zu uns in unse Losameuter, gratulirten und verehrten uns mit Weinen und hielten
uns auff dem Rathhause den anderen Tag in den Weinachten ein Banket, dabei sie sich
mit uns frölich machten bis in den späten Abcnt.
Den 17. December, wie wir das Frühstück assen und aus Aach ziehen wollten auf
>) Aus Aachens Vorzeit, Jahrg. IV, S. 126.
') S. besonders Pauli in der Zeitschrift des Vereins fUr LUbeckische Qescbiohte und Alter-
thumskunde, I. S. 79 ff., S. ITA ff., S. 2«1 ff.; auch Heibertz, Quellen dor WestlUliHchen aeschichte,
II, S. 421 ff.
— 48 —
Mastriebt, kam der älteste Bürgermeister in Stiefeln und Sporen zu uns und erbot sich
mit uns zu reiten nnd uns zu geleiten so weit der Stadt Jurisdiction sieb streckede. Wir
wollten solches nicht zulassen und bedankten uns der Ehre. Aber er wollte von seiner
Meinung nicht weichen. Also mussten wir es geschehen lassen, schiedeten um 8 Uhr aus
Aach mit einem guten Convoy von 30 Soldaten. Der Bürgermeister ritt mit drei Dienern
und anderen Bürgern durch die Stadt vor uuserm Wagen her. Aber sobald wir aus der
Stadt kamen, setzte ich mich auch zu Pferde, der von Danzig that solches auch, und
nahmen also den Herrn Bürgermeister zwischen uns, bis dass er wieder umkehrte, welches
geschah eine kleine Meile von der Stadt."
Aachen. F. Oppenhoff.
4. Ein merkwärdiger Fund.
(Briefe Davouts an Napoleon I.)
Im 1. Heft des vorigen Jahrganges unserer Zeitschrift, S. 14—15, berichtete ich
über einen seltenen in Aachen gemachten Fund, bestehend aus 5, zum teil chiffrierten
Briefen des Marschalls Davout an Napoleon I. Wenn ich damals nur vou einem Miss-
erfolg der zahlreichen Versuche, das Geheimnis der Briefe zu lichten, erzählen konnte,
so ist es mir jetzt vergönnt mitteilen zu können, dass sie entziffert sind. Es war ein
merkwürdiger Zufall, der die Lösung des BUtsels herbeigeführt hat. Herr Oberlehrer
Dr. Holzhausen in Bonn, ein mit dem hier gemachten Funde bekannter und mit der
Geschichte Napoleons und seiner Zeit sehr vertrauter Herr, traf auf einer Reise in Italien
einen französischen, in Stockholm thätigen Geistlichen und erzählte diesem von den in
Aachen gefundenen Briefen. Dieser Herr nun interessierte sich sehr für die Entzifferung
der Briefe und war so glücklich, bei seinen Nachforschungen im Kriegsarchiv zu Stock-
holm Briefe zu finden, die mit den unsrigea in den ausgeschriebenen Teilen fast gleich-
lautend waren, hingegen Chiffreschrift zeigten an einigen Stellen, die bei uusern Briefen
nicht chiffriert waren und umgekehrt. Das Verhältnis der Briefe zu einander war so,
dass ein gewandter D^chiffreur eine Lösung finden konnte. Ich sandte die Schriftstücke
an das Chiffrier-Bureau des Auswärtigen Amtes in Berlin. Dem Direktor jenes Bureaus,
Herrn Geh. Hofrath Willisch, gelang es nach und nach, alle Briefe zu entziffern.
Sie stehen inhaltlich natürlich zur Geschichte Aachens nicht in Beziehung und sind
deshalb von mir auch nicht in einer Aachener Zeitschrift, sondern im 1. Heft des laufenden
Jahrgangs der Historischen Zeitschrift der Görres-Gesellschaft veröffentlicht worden. Sie
geben einige nähere Nachrichten zur Geschichte des Krieges im Jahre 1813, soweit er
sich auf dem nördlichen Schau platze abspielte, und namentlich zur Geschichte Hamburgs
unter Davout. Manche Nachrichten sind sehr kleinlich und minderwertig. Im allgemeinen
steht der für die Geschichtsschreibung resultierende Gewinn kaum im Verhältnis zu den
um jene Briefe aufgewandten Mühen.
Aachen, C. Wacker,
Verlag der Cremer'sehen Bnehhandlnng in Aachen, Kleinmarsehierstr. 3.
P. Giemen, Die Porträtdarstelliingen Karls des Grossen. VIII,
234 S. ; mit siebzehn Abbildungen Mk. 6. —
Dr. 0. Dresemann, Die Jakobskirebe zu Aachen. Gescliiclitliche
Nachrichten und Urkunden. 124 S Mk. 2. —
C. Rhoen, Die ältere Topographie der Stadt Aachen. 11, 142 S.
mit 4 Plänen Mk. 2.—
DkUCK von HeIIMAKN KaATZKR Di AACUtilN.
Mmm J^m@&i3%s T@3?^ili
Jährlich 6 Nummera Kommission s -Verlag
A I Bogen Royal Oktav. ^"
Cremer"sRheii Bnehhnndliing
Preis des Jahrgangs ,5 („,„
4 Mark. in Anehen.
Mitteilungen des "Vereins für Kunde der Aachener Vorzeit.
Im Auftrage dca Vereiaa beraasgegeben von H. Schnook.
Nr. 4/8. Neunter Jahrgang. 1896.
Inhalt: H. J. Gross, Scbonna (Fortsetzung). — Kleinere Mitteilungen: 1. Aktenstücke
ans dem Aachener Stadtarchiv. - - 2. Veraostultung von Maskenbällen hei festlichen üclegcn-
heitän im vorigen Jahrhundert. — 3. Zur Geschichte des KretiEherren -Klosters. — 4. Ao-
ordnuDg einer ProKOBaion durch den Bat. — 5. Fleisch verkauf in der Fastenzeit.
Schönau.
Von H. J. Gross.
IL
Die Herren von Schönau.
1. Die Pfalzgrafeii.
Die ersten Besitzer Sfhönaus, von denen wir Nachrichten haben, gehören
zur Familie der Aachener Pfalzf^rafen. Sie beaasaen das ganze praediuin
Richterich als Allod. Was über dieselben zu sagen ist, wird in einer Ab-
handlung über das Ländclien zur Heiden zusammengestellt werden, darum
begnügen wir uns hier mit der Anführung der Namen.
a) Hezelo (um das Jahr 1000), zweiter Sohn des Pfalzgrafen Hcrman.
b) Heinrich der Wahnsinnige, Sohn Hezelos und Pfalzgraf seit
1045, in welchem Jahre der bisherige Pfalzgi'af, Heinrichs Bruder Ezzo,
das Herzogtum Alemannien erhielt.
c) Heinrichll., Pfalzpraf und Stifter der Abtei Laach, gestorben 1095.
d) Siegfried von Ballenstädt, Stiefsohn Heinrichs II. und Pfalzgraf,
fiel in der EmpÖning gegen Heinrich V. am 11. Febrnar 1113.
e) Wilhelm, Sohn Siegfrieds und Pfalzgraf, starb kinderlos 1140.
Nach dem Tode Wilhelms begann der rasche Wechsel im Besitze des
praedium Richterich, den wir schon im ersten Teile unserer Abhandlung
kurz berührt haben. Während wir nun über die Schicksale des praedium
— 50 —
ziemlich genau unterrichtet sind, lassen uns die geschiclitlichen Nachrichten
in bezug auf den Haupthof Schönau vollständig im Stiche. Erst von
Hemricourt vernehmen wir, dass derselbe sich beim Beginne des 13. Jahr-
hunderts im Besitze des Herrn Heineman von Aachen (d'Aix), genannt
Schön forst, befunden habe.
Wie schon anderwärts hervorgehoben wurdet beruht die Beifügung
des Titels von Schönforst zum Namen Heinemans auf einem Irrtum Hemri-
courts. Aber wie ist es mit dem Zunamen d'Aix? Wer waren diese Herren
von Aachen? Standen sie vielleicht in verwandtschaftlicher Beziehung zu
den Pfalzgrafen und sind sie dadurch in den Besitz von Schönau gekommen?
Bekannt ist, dass eine Familie gleichen Namens sich schon im ersten Viertel
des 12. Jahrhunderts in einflussreichen Stellungen am kaiserlichen Hofe
befand und fast 150 Jahre lang die Vogtei in Aachen bekleidetet Ob
aber die Schönauer diesem Geschlechte angehört haben ^, ist mir schon
deshalb zweifelhaft, weil sich bei letzterem meist der Vorname Wilhelm
findet, der bei den Schönauern gar nicht vorkommt. Übrigens schreibt
Hemricourt den Heineman der Familie Limburg-Haesdal zu.
Gegen Anfang des 13. Jahrhunderts, so erzählt derselbe im Mhx)ir
des nobles de Hasbaye, lebte Heineman von Aachen genannt Schönforst,
der ein tapferer Bannerherr aus dem Geschlechte derer von Limburg-Haesdal
war und auch das limburgische Wappen, nämlich einen roten mit drei
silbernen Ballen (besans) belegten Löwen, führte. Er heiratete eine Tochter
des Herrn von Warfüs^e, die Dame von Burtonbur, und hatte drei Söhne:
Heinrich von Fexhe, Raso* Mascharel^ und Arnold von Burtonbur
(Bretonbour). Aus Verdruss darüber, dass infolge der Schlacht von
Worringen (1288) das Herzogtum Limburg an Brabant kam, legten die
Brüder das Limburger Wappen ab und behielten blos die Kugeln (tortelets)
bei; Heinrich nahm ein rotes Feld mit silbernen, Raso ein silbernes Feld
mit roten und Arnold ein silbernes Feld mit blauen Ballen an. Letzterer
belegte ausserdem, weil er der jüngste war, sein Schild mit einem Turnier-
kragen. Danach ist klar, dass die Schönauer, welche Silber mit Rot im
Wappen führen, Rasos Nachkommen sind, während die Herren von Winands-
rade, die den Kragen zeigen, von Arnold abstammen.
Einstweilen ist es selbst für Fachmänner^, geschweige für mich,
unmöglich, eine Geschlechtsreihe der Herren von Schönau aus der Familie
d'Aix herzustellen, in welcher jedem Mitgliede die richtige Stelle angewiesen
wäre. Ich muss mich darum ebenfalls bescheiden, die Namen anzugeben,
^) Vgl. meine Abhandlung über Reinard von Schönau, „Aus Aachens Vorzeit"*
Jahrg. Vin, S. 19, Anm. 3.
*) Vgl. Loersch, Achener Rechtsdenkmäler S. 274 if.
®) Vgl. Hansen, Zeitschrift des Aachener Geschichts- Vereins IV, S. 93.
*) Erasmus.
*) Über diesen Namen vgl. Reinard von Schönau 1. c. Jahrg. VIII, S. 19, Anm. 4.
•) Vgl. Hansen, Zeitschrift dos Aachener Geschichts- Vereins VI, S. 92. von
Oidtman, das. VIII, S. 209.
— 51 —
wie 8ie in den Urkunden vorkommen, berichtete Thatsachen mitzuteilen
und diejenigen Persönlichkeiten hervorzuheben, welche nachweislich
„regierende Landesherren** waren, wie sich ein Mylendunck in seinen Prozess-
akten ausdrückt.
2. Die Herren von Schönau aus der Familie d'Aix.
Lange bevor die von Heniricourt berichtete Wappenänderung vor sich
gegangen ist und zwar in den Jahren 1252 und 1254 lebte Gerard von
Schönau ^ Er wird als Ritter bezeichnet, aber da die Urkunden ihn nur
als Zeugen anführen, lässt sich weiteres über ihn nicht angeben. Quix
betrachtet ihn als Herrn zu Schönau. (^Heichzeitig mit Gerard lebte
Ritter Simon von Schönau. Derselbe besass in Aachen zwei Häuser,
welche der Amtswohnung des Sängers Conrad vom Münsterstifte gegenüber
lagen, sowie eine Mühle auf der Pau. Diese Liegenschaften veräusserte
Simon vor dem Jahre 1261 an den genannten Sänger 2. Auch
Heineman d'Aix, den Hemricourt anführt, war ein Zeitgenosse
dieser beiden Schönauer, denn er lebte noch um 1240^. Heinemans Söhne
haben wir oben aus Hemricourt angeführt. Der zweite derselben
a) Raso Mascharel I, der bis 1290 nachgewiesen werden kann^,
war Herr zu Schönau. Den Namen Raso führte er wohl nach seinem Gross-
vater Raes von Warfüs6e, den Spitznamen Mascharel nach dem Wappen.
Im genannten Jahre unterzeichnete er mit seinem Sohne Johann und
besiegelte einen Vertrag zwischen dem Aachener Münsterstifte und Macharins
von Mühlenbach. Damals war Johann schon grossjährig aber noch nicht
Ritter; diesen Titel führt er in einer Urkunde von 1314 •\ Wir finden ihn
noch 1324 als Zeugen in der Erklärung des Cuno von Molenark über den
Verkauf der Güter in Obermerz an die Abtei in Burtscheid. In diesen
Urkunden nennt er sich Johann von Schönau; Besitzer der Herrschaft ist
er nicht gewesen. Johann scheint nur eine Tochter gehabt zu haben,
welche den Ritter von Brouck (Broich bei Aachen) heiratete, der aus dem
edlen Geschlechte der Gimmenich stammte. So Hemricourt. Nach Raso
Mascharel I erscheint als Herr zu Schönau
b) Gerard von Schönau, der sich, wie wir oben sahen, im Jahre
1302 die Herrschaft Schönau mit ihren Gerechtsamen von Kaiser Albert
bestätigen liess. Mit diesem Gerard beginnen zwei Schönauer „Deduktionen"
die Reihenfolge der Herren dieser Herrschaft. Aber wer war dieser GemvA?
Weder Hansen* noch von Oidtman^ noch de Chestret* erwähnen ihn in
ihren Geschlechtstafeln. Zwar führt letzterer — freilich mit Fragezeichen —
einen Gerard von Schönau als zweiten Sohn Rasos I an, der jedoch
bereits 1306 Kanonikus und seit 1319 Dochant des Servatiusstiftes in
Mastricht war: sollte dieser unser Gerard sein? Dann müsste man annehmen.
*) Qnix, Frankenburi? S. 128. Reichsabtoi IJnrtschcid H. 240. ») Quix, Scbönaa
S. 83 f. ») Hansen a. a. O. 8. 2r}. <) Qnix, ncrcuKbrrtf S. 108. *) Qnix, Hchftnau S. 41.
•)Han8enLc. Bd. VI,3. 9»J. »)Oi(ltman I.e. Bd. VIII, 8.212. •) Uenard de Scbönan S. 8, 9.
— 52 —
derselbe habe nach 1302 Waffen und Herrschaft abgelegt und sei in den
geistlichen Stand getreten. Doch erwähnt Heraricourt unter den Söhnen
Easos II einen Gerard, den er „on tres wailhans hommes d'anne"
einen sehr tapfern Kriegsmann nennt. Aber auch Rasos II Sohn Gerard
war Geistlicher, Sänger am Münsterstifte in Aachen sowie Kanonikus der
Stifter St. Paul und St. Lambert in Lüttich. Die Bezeichnung als tapferer
Kriegsmann passt dagegen trefflich auf unsern Gerard, den Herrn von
Schönau, den ja auch Kaiser Albert „vir strenuus** nennt. Sollte nun wohl
Hemricourt beide Grerarde verwechselt und dem Neffen zugeschrieben haben,
was dem Oheim zukam? Das halte ich für wahrscheinlich und nehme
darum an, unser Gerard sei der älteste Sohn Rasos I gewesen und kinder-
los gestorben, worauf dann Schönau auf den zweiten Sohn, Raso II überging.
Gegen diese Auffassung spricht allerdings der Umstand, dass dann
zwei Söhne Rasos I denselben Vornamen geführt hätten. Das kommt jedoch
auch bei Reinard I vor, von dessen Töchtern zwei Elisabeth hiessen, doch
war eine derselben ein uneheliches Kind]*; von Reinards Brüdern hiessen
ebenfalls zwei Johann.
Zur Zeit Gerards lebte auch ein Ritter Arnold von Schönau, der
nebst andern Edelleuten im Jahre 1301 mit dem Abte von Steinfeld einen
Vertrag über den Mönchsbusch abschloss'^; am 15. September 1307^ starb
Heinrich von Schönau, Sänger der Liebfrauenkirche in Aachen, welcher
dem Kapitel eine Mark, den Kirchendienern sechs Schillinge vermachte.
c)RasoMascharelII, der von Hemricourt als der älteste Sohn
Rasos I angeführt wird, war Herr zu Schönau und Ülpich*. 1319 unter-
zeichnet er als Herr Raso, Ritter von Schönau, die Urkunde, durch welche
Arnold von Gimmenich der Alte die Schenkung eines im Limburgischen
gelegenen Waldes an die Abtei Burtscheid verbrieft ^ Seiner Ehe mit der
Schwester Gerards von Bongart entsprossen sechs Söhne ^ und wenigstens
eine Tochter Adelheid, die wahrscheinlich Winand von Rode heiratetet
Die Söhne hiessen: Johann Mascharel, Herr von Ülpich, der nach Hemri-
court eine Tochter Thiebauts de la Vaux zur Ehe genommen haben soll;
Amelius, Abt von St. Trond; Gerard, der Sänger des Aachener Münster-
stiftes; Johann Hage, Kanonikus an derselben Kirche; Raso Mascharel,
Herr zu Schönau und Reinard von Schönforst. Für letztern, welcher der
bedeutendste Schönauer und Stifter der Linie Schönforst ist, verweise ich
auf meine mehrfach erwähnte Abhandlung, in der auch die Nachrichten
über seine Kinder und Brüder zusammengestellt sind. Wir beschäftigen
uns darum hier nur mit
d) Raso Mascharel III, Herrn zu Schönau. Er hatte aus seiner
ersten Ehe mit Adille von Esneux eine Tochter Elisabeth, welche den
*) Vgl. meine Abhandlung Rcinard von Schönau, „Ans Aachens Vorzeit •*, Jahrg. VIH,
S. 60. *) Quix, Schönau, S. 36 ff. ') üngedruckter Nekrolog der Münsterkirche. Vgl.
Hansen a. a. 0. S. 95. *) Hansen a. a. 0. S. 96; de Chestret a. a. 0. S. 8. *) Quix,
Keichsabtei Burtscheid S. 817. <) de Chestret a. a. 0. 8. 8, 9. ') y on Oidtman a. a.0. S. 212.
— 63 -
Winand von Rode heiratete, der nach Hemricuurt ein Sohn «Ion llorrn
von Argenteau und ^on bon Chevalier wailhans * ot hanly* war. Von
ihm führt Winandsrat den Namen.
In zweiter Ehe vermählte sich Raso mit AfjnoH von MIIihwoM, I)Io
Gatten stifteten 1344 den Katharinaaltar in der Kirrho m Klchlorlch iiimI
statteten denselben aus „mit gewissen Krb^ütorn und KlnkUnllcMi, wnli'hn
sie in stehender Ehe gekauft, erworben, boschaft't und hlnr/n boHllninit
hatten," wobei sich Raso das Patronat über don AlUr fllr nlch Howin fllr
den zeitlichen Herrn, Erben, Nutzniesser oder Vorwal((»r (nminbiu'niiiii) dt»M
Hauses und Schlosses Schönau vorbehielt*. Auh dorn WorMaut« y^^hl liorvor^
dass Raso und Agnes nur solche Grundstücke und Uontnti m dor Hlirtnni^
verwendeten, welche nicht zu Schönau gehörten Hondcun V(»n Ihnon H«*lbxt
erworben worden waren; hieraus lässt sich HchlioHHon, diiHH «lo nhlit
berechtigt waren schönauisches Gut zu veräUHHem,
Rasos Tochter, Elisabeth von WinandHrode, rnrnJite um 24. Nov^mmImm'
1359 ihr Testamente Sie ernannte zu VollHtrecki^n Ihrijn VuUt, I/hIh
Maschreil, Jobann von Schönau, Kanonikus an Ht, H^rvaHtm in Mii*<irl/'hl
und Johann den Mönch van den Vclde, ihre V(?rKrhw/Jp:*^rf^!M, jw^dann dii»
Frauen Adelheid von Schönau, Frau von Ii>vle, Ad*flh*'id von i'lifhU
beide ihre ,Möbnen* — und Oda von Hrurnlill^^n. Von Kindern ^rwhUui
sie nur ihre Tochter Adelheid, von and<;m V^frwandfirn ^Hrnd^ff ifoimutt
von Schönao*, ihr , Brüderchen* und Ad^dh^rid, ihr ^HtUw^MUrtfUf^u*^ *.
Die an erster Stelle genannte Ad^dli'rid war wohl (Uh 'l'tHhUt f^^^//
Maächerels L die Gr/r^^tante i\f.T YA\f\n^^<'yuh HUt UhUm tUu \U*tfu Arnold
von Jülem»üt 2'eh»;::^t^t *: \\^iW',('u^, var -\h in z^utnU-r y,hn tt ,1 ^'\hnu
Herrn von K'>le venr.'i:.]**, V.V.*^.'A'/h li'x ihr d»^, V/;jhI /xr;^/-.'/, 4,./,/,
^diamaot vhu'er^;:,* *,:. 1 r. '.►:'.'- ^v^/.y'i r,:,)c*\ d.j< yor* r. t r,;.';,* /f r. •/,
And^iken ^.»:e 'ile Fri* v ,r. i ,;,h (-:;.a\*^'.u. i/'^A*^fH i^f i\o 7// »^
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— 54 ~
dass weder er noch seine Angehörigen irgendwie mit den Gerichten, den
Lassen und den Lehenleuten auf diesen Gütern zu schaffen oder über die-
selben zu gebieten haben sollten. Von den Gütern in Richterich können
wir zwei nachweisen: den Hof, welchen Keinard I daselbst besass und
den er nach der Erklärung seiner Söhne zu Gottes Ehre verwenden wollte,
sodann den dortigen Zehuthof, der dem Raso gehörte und der später —
wahrscheinlich durch den gleich zu nennenden Godart von Rode — an das
Aachener Münsterstift verkauft wurde. Letztere Besitzung wurde immer
als zum Schönauer Gebiete gehörig aufgeführt.
Raso Mascharel III ist um 1370 und zwar vor seiner zweiten Frau
gestorben. In der aus diesem Jahre datirten Urkunde heisst es nämlich
im Vorbehalt zu gunsten der Schönauer Gerichtsbarkeit: „ind behalden
heren Reinarde . . . op deme goede van Schoenawe ind wilne heren
Meschriels sins broders ind der vrouwen van Ulpich ire moinen op irene
goede ..." Damals war also Raso schon tot. Dass seine Frau ihn über-
lebt hat, erhellt aus folgender Aufzeichnung eines ungedruckten Toten-
buches des Münsterstiftes: „IUI Id. (Decembris) obiit Agnes dfia. de Bylre-
velt ac relicta diii. Marchareyls de Schonawen. Com. (memoratio) dni.
Masschereyls de Schonawen militis^" Beide hatten dem Stifte je vier
Mark vermacht.
Nach dem Tode Raso Maschereis III hatten dessen beide Enkel, die
Söhne der Elisabeth von Rode, mit Namen Johann Mascherei und Godart
bis zur endgültigen Teilung Schönau in gemeinsamem Besitz. Beide be-
erbten auch die Mohne von Ulpich. Das erhellt aus der bereits erwähnten
Urkunde Godarts von der Heiden vom Jahre 1373, worin er den Genannten,
seinen „magen ind broderen", verspricht, „ihnen, ihren Leuten, Lassen,
Gerichten und Gütern von Schönau und Ulpich niemals Not, Hindernis und
Nachteil" zufügen zu wollen. Auch die „Deduktion" im Schönauer Archiv
bezeichnet die Brüder ausdrücklich als Erben Maschereis und der Frau
von Ulpich. Bei der Erbteilung erhielt dann Johann Winandsrode, Godart
Schönau.
3. Godart von Rode, Herr zu Schönau,
war ein streitbarer Ritter. Er beteiligte sich 1386 an der Ermordung
Johanns von Gronsfeld, worüber in „Reinard von Schönau" eingehend
berichtet worden ist. Wie es scheint, hat Godart selbst nicht zugeschlagen;
während Reinard II von Schönau und Statz von Bongart Sühnealtäre
errichten mussten, wurde ihm nur die Stiftung eines ewigen Lichtes auf-
erlegt. Er entledigte sich der Verpflichtung in der von seinem Grossonkel
Reinard I erbauten Schönforster Kapelle zu Aachen ^
*) „Am 10. Dezember starb Agnes, Frau von Bylrevelt und Witwe des Herrn
Marchareil von Schönau. Gedächtnis des Herrn Masschcreii von Schönau, Ritter.** Hiernach
ist de Chestret zu berichtigen, der (nach Lefort) den Tod der Agnes auf den 12. Dezember
1349 setzt. (Renard de Schönau, S. 9.)
=*) Hansen a. a. 0. S. 97, Aum. 3.
— 55 —
Dieser Mord, welcher durch die begleitenden Umstände jeden ritter-
lichen Sinn tief verletzen musste, erweckte den Schuldigen viele Feinde
und erzeugte eine wilde Fehde. Auf diese Verhältnisse spielt der Aachener
Rat in einem Schreiben vom 22. Mai 1389 an. Godart hatte die Stadt
aufgefordert ihm Schadenersatz und Genugthuung zu leisten, weil Aachener
Bürger in seinem Brauhause am Hirz Bier getrunken aber nicht bezahlt
und bei dieser Gelegenheit Fässer, Wimpel und selbst das Brauhaus ver-
brannt hätten; weil ein gewisser Stimpel oder dessen Knecht ihm einen
Hengst gestohlen; weil die Stadt ihm ihr Recht versagt habe. In der
Antwort wies der Rat darauf hin, es sei Sache Godarts die Schuldigen
ausfindig zu machen, für deren Bestrafung man dann schon sorgen werde;
es gehe die Stadt nichts an, wenn Godarts Feinde ihm das Brauhaus ver-
brannt oder sonstigen Schaden zugefügt hätten; man habe ihm auch
das Recht nicht versagt, sondern nur wegen der „Todfehde**, in der er
sich befinde, den Aufenthalt nicht gestattet. Das habe aber geschehen
müssen um die Aachener und andere Leute vor Schaden durch Totschlag,
Raub und Brand zu bewahren. Godart gab sich denn auch zufrieden und
erklärte sich mit der Stadt, ihren Bürgern und Untersassen „genzlich
gesaist und früntlich verglichen". (1389. Juli 6.0 Er starb am 20. September
1389 oder 1390^
Godart hatte aus seiner Ehe. mit der Tochter des Ritters Egidius
von dem Weier nur zwei Töchter, von denen die ältere, Elisabeth, den
Ritter Gerard von Vlodorp heiratete, dem sie Schönau zubrachtet
4. Gerard von Vlodorp, Herr zu Schönau,
Sohn Godarts, des Erbvogts von Roermond und der Sophie von Neustadt.
Im Heiratsvertrage vom 24. November 1391 erhielt er „Schloss und Herr-
lichkeit Schönau mit allem Zubehör an Land, Leuten, Höfen, Dörfern,
Gebuchtem, Häusern, Gütern, sowie die mit all ihren Rechten, Regalien,
Gerichten bei Aachen gelegen sind, ausgenommen den Zehnthof, der von
Schönau verkauft ist, darauf Gerard auch von seines Weibes wegen rechten
Verzicht leisten soll mit Vorbehalt seiner und seiner Erben Hoheit und
Rechts." Aus dieser Klausel geht hervor, dass der Verkauf erst kurze
Zeit vor der Heiratsverschreibung, also jedenfalls durch den Vater der
Braut erfolgt war. Ausserdem brachte Elisabeth in die Ehe: den Hof zu
Modersdorf mit dem halben Gericht in der Warden, den Hof von Neuland
mit dem Gute von Kalkhoven, das Burglehen von Moufart (Montfort) mit
Zinsen, Kurmeden und 36 Kapaunen, die zu Echt erhoben wurden. Auch
sollten die Eheleute den Wingart, welchen Godart von Schönau an Eustach
von dem Bongart versetzt hatte, für sich einlösen dürfen sowie die Forderung,
welche dem Herrn von Winandsrode (Johann Mascherei) und seinem Bruder
(Godart) gegen die Herzogin von Brabant zustand, allein erheben.
») Quix, Schönau S. 17 ff. *) Das. S. 16.
') Zeitschrift des Aachener Geschlchts -Vereins Bd. VIII, S. H4, 213.
— 56 —
Gerard seinerseits hatte den Hof von Assel mit dem Zehnten von
Graet, mit den Laten, Kurmeden, Fischereien, dem Zolle und dem Rechte
des „lynpertz^" in der Maas und auf dem Lande. Vom Eitrage des Zolles
waren jedoch 50 Gulden jährlich und ausserdem 15 Bunder Benden für
die Schwester Gerards, welche Nonne zu Heinsberg war, für deren Lebens-
zeit vorbehalten. Blieb die Ehe kinderlos, so sollte Elisabeth ihre „duarie"
imd Leibzucht an dem Hofe von Assel haben, der ein Freigut war.
Der Herr von Schönau wurde 1409 auch mit der Erbvogtei von Roerraond
belehnt und wird noch 1418 erwähnte Das älteste Latenweistum von
Schönau^ erzählt von ihm, dass er die Rechte der HeiTschaft gegen die
Eingriffe der Heidener entschieden gewahrt habe. „Noch is geleeft** ^ so
heisst es, „dat die van der Heiden einen zo dem Hirze gevangen hadden,
int wart zer Heiden gevoert. Do her Gerard von Ruermunde dat vernam,
hei underweis den her van der Heiden, dat der gevangen weder gelevert
wart zen Hirz losledich, in voegen: misdeden syne lüde of jemantz anders
op synen gude, dat seulde hei uisrichten als sich dat gebürde. Item noch
hat men geleeft, dat op dem hove, die nu joncher Wynants van Korten-
bach is, dry man gevangen worden op des hofs gueden ind worden ouch
zo der Heiden gevoert, ind der loes* doe zerzyt hilt dat, dat gein amtman
op den gueden vangen noch penden ^ en seulde, dan der bode zo Schonouwen.
Her Gerart underwies den her van der Heiden, dat die dry man wider
losledich op die stede gelevert worden, da sy gevangen worden sind; ind
die zween here worden des eins, dat des nit me geschien en soulde. Mis-
dede jemantz op die guede to Schonouwen, her Gerart soulde ein richter
darvan syn, ind den hof ' soulde man untfangen to Schonouwen ind nirgent
anders. Ind wart ouch do geuissert, of zween loessen van Schonouwen sich
sloegen op der straissen, her Gerart ind syne vurfaren hielten die darzo,
dat sy dat dem lanthern richten aver® des lanthern bode. Die en kroede
sich der loessen nit zo vangen um der stück (?) wille."
Gerards Kinder waren Wilhelm, der seinem Vater in der Erbvogtei
von Roermond folgte, und Odilia, die Erbin von Schönau. Sie brachte durch
ihre Heirat mit Johann von Mirlar die Herrschaft an das Geschlecht der
Herren von Mylendunck. Werfen wir einen Blick auf die Herrlichkeit
Mylendunck und ihre Besitzer, bevor wir die Erzählung der Geschichte
Schönaus unter diesen Herren weiterführen.
*) Das Recht, den Schilfern auf der Maas gQgen Entgelt die Pferde zu stcUen,
welche auf dem Leinpfade die Fahrzeuge stromaufwärts zogen.
*) Zeitschrift des Aachener Geschichts -Vereins VIII,- S. 129. *) Quix, Schönau
8. 3 ft'. *) erleht worden. *) Das Latcngericht. ^) pfänden.
^) Kortenbach. Später machten die Heidener ein Lehen daraus, was die Schönauer
aber nicht anerkannten.
•) statt avermitz, overmitz = mittels.
j
— 57 —
Mylendunck
war im 12. Jahrhundert eine bedeutende Herrschaft, welche jedoch durch
einen Vertrag Gerlachs I mit Engelbert II, Erzbischof von Köln, eine
grosse Einbusse erlitt. Im Jahre 1274 verkaufte nämlich Gerlach zwölf
Ortschaften mit ihren Einkünften, Dienstmannen und Lehnsleuten sowie
viele Lehen diesseits und jenseits des Kheins an den Erzbischof, verzichtete
auf alle Lehengüter, welche er von der Kölnischen Kirche in Händen
hatte und nahm selbst einen Teil von Mylendunck als Kölnisches Lehen an K
Nach einem „Syllabus defunctorum dominorum in Mylendonck** im
Archive daselbst* trennte Gerlach auch die Herrlichkeit Pesch-Weinsack
von der Herrschaft und trat dieselbe an Herman von Imelhausen für
geleistete treue Dienste ab.
Ein „Unvorgreiflicher Status über das haus und die reichsfreie herr-
schaft Mylendunck** im Schönauer Archiv, den ich wegen seiner inter-
essanten Einzelheiten hier vollständig folgen lasset gibt über Besitzungen
und Einkünfte eingehende Nachricht:
„Erstlich zu beobachten, dass im leichten geld Neusser wehrung die
geringste sort ein heller; deren 12 machen einen album oder weisspfenning,
24 albus einen gülden und 25 einen daler, alles Neusser wehnmg; ein
reichsthaler aber hat 100 albus.
Die früchtenmass ist besonder dieses orts, komt doch bald mit der
Neusser mass übereinander, ist doch etwas starker, gehet mit malderen.
Ein malder hat 8 fass oder^ 4 sümmeren, ein sümmcr 2 fass, das fass 2
viertel. Das viertel 2 pinten.
Der morgen lands hat 150 ruthen, jede nithe 16 fuss vierkantig.
Das schloss und herrschaft Mylendonck ist ein Geldrisch-Ztitphanisch Ichen,
gelegen auf des h. römischen reichs boden, zwischen das Gülische und
Kölnische land inclavirt, 3 stund von Neuss. Bestehet in drei unter-
schiedenen gebauten quartieren, im ober- mittel und Unterhaus oder bauhof.
Das Oberhaus samt dem mittelsten haben ihre dreifache, im haus einen
breiten sonsten zwei schmale wassor^rral^en, der unterste bau al)er allein
den breiten gralien umher. So ist auch auf etwa ungefelir 100 schritt
dabei ein weitläufiger schöner garten, so in allem bezirk samt dem banm-
garten und darum gehenden wasseri^rahen zu dreien selten dem ruf muh
8 morgen anhaltet \ mit lustparken, hecken und lusthäuseni durchher
gezieret. So seind aurh vor dem hans viele ftchöne und wollK'setzte,
') Lacomblet, rrknnd»mbu«h II, H. ;{s7.
*) Ich Tcnianke »inen Aüh/ah^ der Frcnmllirhkf'it. df^ Herrn }UxTon von Wftllen-
webcr auf Mjlendnnck.
*) In der Ab?*«*hrir*t ^ind dio fUMtrflrHrtitfcn Pfjpp^lkon^^onant^n im In- nnd An-Uat
weggelassen, die r und w dnrr h u, die y dnrrh i fT<fl7J.
*} oder fehlt in der Vorlas:«^
*) In der Vorlage; anhalU;nd.
— 58 —
bepflanzte dämmen und gemeinden^ und annebens um dem schloss eine
weide und bleichplatz. Für dem haus fliesset eine rivier, die Neers
genannt, zweimal vorüber. Item ist^ (dasselbe) neben dem baumgarten
(und dabeneben mit schönen weieren, welche mehrentheils alle mit fliesseu-
dem Wasser unterhalten werden), versehen mit einem hopfengarten.
Specificatio der jährlichen geföllen und reuten. Stätige geldrenten.
Erstlich zwei drittentheil eines fahrzins von 26 albus 4 heller und 4 hüner,
das stück ad 8 albus, facit 33 albus 5^3 heller.
Der erbschatz, erbrent und waggeld tragt aus nach abzug des
gerichts gerechtigkeit, so selbig jährlichs empfängt, und andere darauf
haftende reallasten, facit 164 daler 41 albus 3V2 heller ^
Das Schützengeld nach abzug des heblohns facit 181 rth. 99 albus ^
Item seind es elf schwäre fuhren, wovon jede bezahlt wird mit 5 rth.
facit 55 rth.
Folgen übrige jedoch unbeständige geldrenten.
1. Die Wasserschmitt gibt jährlichs mit dem zoll 50 rth., wan der
einwöhner aber am haus* arbeitet, gibt er 40 rth.
2. Die wein- bier- und brandeweinsaccise ist verpfachtet für 60 rth.
3. Das haus hat 36 lehn an und wan ein lehnman stirbt, bekomt der
herr bei Vorstellung des neuen vasallen 7 rheinische goldgulden oder species
reichsthaler dafür und einen sammeten beutel oder V2 species reichsthaler,
und werden auf jedes jähr durcheinander zwei gerechnet, facit 21 rth.
4. Wan ein erb verkauft wird, gebührt dem herrn davon der zehnte
Pfenning, so mit jähren auf 40 rth. verpfacht worden.
5. Der brüchten werden jährlichs durcheinander gesetzt 50 rth.
6. Das weinhaus hat gethan 60 rth.
7. Drei in der herrschaft gelegene herrhöfe an küchengeld'^ und
neujahr 43 rth.
8. Wan Juden, geben 8 rth. zum tribut; jetzo ist nur einer. Auch
gibt der jud alle zungen von geschlachten beesten und 2 feiste gänse.
9. Die oel- und lohemühle gibt 150 rth.
10. Die kornmühl 10 rth."
11. — 19. Acht Posten Land, Benden, Graserei in den Britchen, zu-
sammen 328 rth. 50 alb. ^
„20. Heiderhof küchengeld 20 rth.
21. Die abnutzung der garten und baumgarten, so dan 3 weieren
und auf den dämmen stehendes holzge wachs wird gesetzt ad 100 rtli.
») Vgl. imten 22.
^) In der Vorlage: hat. „dasselbe" fehlt.
^) Hier sind also Reichsthaler gemeint.
*) Am Herrenhaus.
*) Betrag der Lieferungen dieser Höfe für die Herrenkttchc an Gewürz u. s. w.
*) Hier sind also Reichsthaler gemeint.
— 59 —
22. Item das hans anhaltend einen husch 86' , morjron, wolohor nun-
mehro ziemlich verhauen vom herm mit eichen wiotler In^postot wenlcn
kan, sonsten der Heekbi-oicher und Harinjrsoppcr hinidschatt »u wussor
und wiede offen liegt. Noch ein stuck buschgens, so ^UMchfulls vti^huuon
und gleicher natur ist, 5^,4 morgen anhaltetul. Item hat es noch ein
klein eichenbüschlein vorm haus, 10 moi*gen gross, so mit grilblohi ringsum
versehen, worin die gemeinde kein la\ib und gras hat,
23. Item hat das haus an stockbnüchcr, wolcho einmal ullo \iouu
jähr umgehauen werden, 145 morgen; hieraus können jahrliehs ilureh-
gehends 16 morgen gehauen werden und setze jeden morgen, wie selbige
vorhin verpfachtet gewesen ad 12 rth., facit U)2 rth.
24. Das feld vorm haus, das hausfeld genant, hat an morgeu/aihl
67 morgen, ist verpfachtet ad 7 rth. Neusser wehning; hat vorhiu gethan
ein malder korns und ein malder ein sümmer haberen ad 24J1 rth.
25. Noch ein feld, das cranenfeld genant, ungefilhr 44 niiH'geii, der
morgen hat gethan ein malder korns und ein malder habereii, tliut Ji'lya» i\
Neusser daler, facit 135 rth. 28 albus.
26. Noch ein feld, das rührenfeld genant, hat an morgen/ahl 21 niorMeUi
der morgen hat gethan ein malder körn und ein malder haberen, thnt
jetzo 72 rth. ^
27. Noch einig land an der capellen genant, 20 morgen, der nuHgen
zu 6 Neusser daler ad 53 rth. 40 albus '.
28. Noch ein stück land haltend an der musH 1) morgen, der morgen
thut an pfacht 6 daler, facit 32 rth. 76 albus.
29. Die kommtihl ist eine zwangmülile'' und gebet in zwei lilnfen,
thut an kom 97^2 malder, das malder per 2 rth,, facit 105 rOi,
30. An weizen 4 malder per 3 rth. fa<:it 12 rth.
31. An malz 24 malder per I V^« rth, fueit 36 rth,
32. 300 U frisch schweinenfleihch, daw il a^l H albus, fiuM 24 rth,
33. Einen feilten hammel faeit 3 rth.
34. Hegerhof 24 malder körn per 2 rth, facit 48 rth,, 24 nmlder
haberen per 1 rth. fa<it 24 rth,
35. 50 a butter, da^ U H albuh, fnät 4 rth, Nb, 15 malder körn,
15 malder haber<^n, ein kalb,
36. Scliöjjraderh'^f 30 inaMer koio per 2 rth, fa<jt <M) rth,, 30 niabb^r
haberen jw^r 1 rth. fa' it 30 rth.
37. Hei-IttTlj'.f 2ii inald«-r körn . , , r>>- r\U,^ 2J^ üiuM^-r Ij^^lx-ren . , ,
29 rth, 250 ej^n (:\u k>Jh , . , fa^ j1 2 iWi.
3^. TriettenV'roir'iK.'r z« i'<^Ji'J h.it <-i.-t fiii'Ll/'rjptar'ljt ;/<'than. 1>A üun-
mehru verj^fa -ht'^t i'ur ]2*> rih.. \* i i;^hi'f)i\n>t yj-la-ufi t'nr JW rih.. Kjj;/-
brückerzeiiC'i'i vr 1:^'» r^i .. J<;.'1<m''»'-;< !■<•! /« h<'ji'l Uiy ]<*h ri!j.. Jj</ Js>'''r<>i«'lier
— 60 —
zehend für 110 rth., Pescher zehend ftir 90 rth. Diese zehenden seind
alle vorhin in fruchten jetzo aber in geld und also ohne nachlass ; mögten
doch noch wohl höher verpfachtet werdend
39. Der flachszehend bringt circiter jährlichs aus 200 stein flachs
ad 100 rth.
40. Am erbpfacht und holz, haber bei unterscheidlichen parteien 109
malder ... 109 rth.
41. Erbpfachtkorn 89 malder ... 178 rth.
42. An wachs 24 ?l ... ad 30 albus ... 7 rth. 20 albus.
43. An rtiböl 47 quart, jede ad 25 albus, facit 11 rth. 75 albus.
44. Erbpfachthüner 176 stück, mit den rauchhünern, deren 278 stück
seind, facit zusamen 454 stück ... 36 rth. 32 albus.
45. Capaunen 12 stück ad I2V3 albus, facit 1 rth. 50 albus.
46. Erbpfachtsgänse 24 stück ad 20 albus facit 4 rth. 80 albus.
47. Der truckner weinkauf wird von obigen drei höfen mit dem wein-
haus vor jedes jähr gesetzt 48 rth. 25 albus.
48. Hieneben dienet zu wissen, dass in der herrschaft 35 diensthöf
seind, welche wegen sicherer, davor inhabender herrschaft (?)* erblich
schuldig seind alles holz und heu für die herrschaft einzuführen, das heu
zu machen, das eis zu hauen.
49. Ferner seind die unterthanen obligirt alle nöthige band- und
Spanndiensten zu thun, so dan auch, wan selbige mit kriegs oder andern
lasten nicht beschwärt werden, können jährlichs dem herrn wol 1000 rth.
geben, setze also 1000 rth.
50. So hat der herr auch die ins patronatus über eine personal,
die pastorat, drei vikarien, über die capellonat aufm schloss.
51. Grobe und kleine jagd und fischerei, fort alle regalien, so einer
immediat freier reichsherrschaft gebühren, und wird die abnutzung davon
angeschlagen werth zu sein 100 rth.
Belauft sich also summa summarum alles aufs gelindeste angeschlagen,
ausserhalb dem schlossgarten, buschen, diensten und anderen posten 4820
rth. 57 albus 8V2 heller.*'
Bei Gelegenheit der Heirat Dieterichs (IV. 1549 — 1575) mit Theodora
von Bronckhorst erhalten wir über die andern Besitzungen der Mylenduncker,
welche sie teils erheiratet teils ererbt hatten, folgende Auskunft.
Dietrich erhielt „für sein Patrimonium und kindsgedeil" :
1. die Häuser Mylendunck und Drachenfels mit ihren anklebenden
Hoheiten, Herrlichkeiten, Mühlen, Pachten, Zinsen, Zehnten, Höfen, Gülten,
und Renten;
*) Dagegen lautet eine beigeschriebene Bemerkung; „ad dimidium reduci debet**
= muss um die Hälfte gekürzt werden.
*) Soll wohl heissen: erbschaft = Grundbesitz.
') „Personatus ist allmählig im Gegensatze zur dignitiis für jene Präbenden ge-
braucht worden, mit denen ein Ehren Vorrang ohne Jurisdiction .... verbunden ist.**
Schulte, Lehrbuch des katholischen Kirchenrechts S. 218.
— 61 —
2. den Hof zu Camphausen im Lande von Jülich mit den Kornren ton
zu Jüchen sowie die Geldrenten zu lasten der Stadt Neuss;
3. das halbe Haus und Herrschaft Kulant (Reuland) im Lande von
Luxemburg mit allen Renten und Nutzbarkeiten.
Die beiden andern Brüder Gothard und Craft hatten sieh damals über
die folgenden Besitzungen noch nicht verglichen; sie blieben also zu gleichen
Teilen daran berechtigt, den Vorteil ausgenommen, welcher gemäss dem
Lehenrechte Gothard als dem ältesten zukam. Die in Klammern beigefttgten
Bemerkungen sind teils emer Verhandlung von 1579 teils andern Akten-
stücken entnommen.
1. Das Haus Goer mit seinen Höfen, Renten, Zinsen, Pachten, Mühlen,
Büschen und Benden; mit der Latbank zu Neor samt der Mühle daselbst;
mit seinen Hoheiten und Herrlichkeiten zu Meiel, Poll und Panheil,
derer Mühlen- und andere einkommenden Renten, mit seinen Kirchen- und
Altargiften*, Schatz und Diensten. [„Auch forzugeben, wie ich grossen
abbruch van Goerer wert und Aldewater geleden, darvon wol 7 bonre*
ungeferlich abgetrieben". Vom Hause Goer existirt noch ein genaues
Inventar aus derselben Zeit, leider nur als Bruchstück. Die Güter zu
Goer, Meil, Hörstgen, Fronenbroch u. a. waren 1541 im Besitze der Frau
von Drachenfels-Mylendunck.]
2. Haus und Herrlichkeit zum Hörstgen mit seinen Mühlen, Zinsen,
Gülten, Pachten, Zehnten, Buschen, Benden und „liffgenis"*- Gütern
sowie mit dem Gut „in gen hoessen", gelegen im Land von (Heve; „die
plei" samt dem Gut zu „Kuilen beneden Toil" mit seiner „eltergift**. [„Die
plei . . . den abbruch auf den Rhein und Issel und die sandbesturzung
muss abschlag an pacht thun . . .** „Das haus Fronenbroich und herrlich-
keit Hörstgen ist dem h. röm. reich immediate unterworfen; jedoch ist erst-
genantes haus ein geldrisches lehen, so beim lehenhof zu Ruremonde
relevirt wird.** „Hörstgen ist ein fendum von Mors*.]
3. Die zwei Rubbmcker Höfe im Amt von Wachtendonk mit ihrem
Artlande, mit den Zehnten, Zinsen, Renten, Benden, Holzwuchs und Fiwihereien
auf der Nerschen. [„Die Rubbmcker hof mögen in der erbschaft nit so
hoch ästimirt werden, derweil es ein behandsgut ist, da die hand bald
ansterben und alsdan schwerlichen mus gewunneu werden.** Auch stehen
in nassen Sommern die Benden unter Wasser.]
4. Der Swalmer Hof zu Wanlo mit seinem Artlande und Zehnt<*n
und allen zustehenden Gerechtigkeit^'n. [„Von diesem hof mu» man meinen
gnedigen hem herz<^»gen zu Guilich mit pferd und hämisch zu deinst kome»,
gilt auch zehenden halber aus.*"]
5. Die Hoheit und Herrlichkeit Meiderich im T^ande von Cleve l>ei
Duisburg gelegen, mit ihren Mühlen. Zinsen, Gülten, Renten. Paschten,
»und handgewinnsgoederen*' *, mit dem Hofe vor dem Hause im „vurgebrucht** ^
M Pmtronate über Eirehea und Altäre. •) Buuder. *i Leibzudit.
*> Die XM Dieiu^tleitftaiiges Terpfliclitet siBd. <^) V<^ftNUX'
— 62 —
und dem Hofe ten Eiken mit Weiden, Büschen, Fischereien und Gerechtig-
keiten. [Im Jahre 1582 verglich sich Herzog Wilhelm von Jülich, Cleve
und Berg mit „ Johan hern to Milendunck etc. wegen der hoheit, Schätzung,
klockenschlag; diensten, huldigung, gericht, anfang, toll ver, glaidt (sic)^,
axeisen, flschereye in der herlicheit Meiderich*' ^]
7. Der Hof zu Hesingen im Stifte Werden gelegen mit seinen Zinsen
und Pachten, mit „scholtferken** und anderen „lefenis*', welche die „haus-
leute* geben; noch 125 Goldgulden „auf der grafschaft Moers fallend,
wilchs alles in Meiderich gebrucht wird".
8. Haus und Herrlichkeit Soron (Soiron) im Lande von Limburg mit
Höfen, Büschen, Schlagholz, Renten, Pachten, Zinsen, Zehnten, Benden,
„penninksgeld**, Kurmeden; ferner andere Latbanken und Güter zu Gross-
und Klein-Kechain, Clermont, Visinirs^, Herve und darum gelegen.
9. Haus und Herrlichkeit Schönau, mit den Höfen in der Vorburg
und zu Neuland, ferner Büschen, Schlagholz, Benden, Beuten, Gülten,
Kurmeden, Schatz. Darneben 87 Malter Roggen Jahrrenten zu Meersen,
Holzgewalten auf dem Welldorfer und Jülicher Busch sowie Benden „vur
der Stadt gelegen".
10. Die „halfherrlichkeit zu der Warden" mit ihren Renten, Zinsen,
Pachten, Kurmeden und den Gerechtigkeiten „uf Hoeniger bosch"; mit dem
Hofe zu Merz „darinnen gehörig mit seinem artlande und gerechtigkeit
up der pastoreien zu Aldenhoven". Noch 17 Malter jährliche Rente an dem
Hause auf HarflF. Noch 7 Malter an dem Hofe auf Hohenholz. [„Wardcn
ist eine im herzogthum Gülich zwischen Höngen und Kinzweiler gelegene
mit der Biauen anschiessende untcrherrschaft, welche von unerdenklichen
Jahren her zweiherrig gewesen und eine halbscheid von der Dahlen-
broichische, die andere von der Milledonckische familie besessen worden'*."
Die Berechtigung am Hoengener Busch kam durch die Heirat der Agnes
von Mylendunck mit Johann von Kessel an diese Familie.]
11. Der Hof „uf gen Schluffert" im Amte Montfort mit seinem Art-
lande, den gebrochenen Heiden und den zugehörigen Benden.
12. Die Forderung des Wagengeldes im Amte Montfort, „wilchs uf
ein goetlich verdrag steit".
Es folgen noch verschiedene Forderungen, deren bedeutendste sich
auf 3500 Karolusgulden beläuft, und zum Schlüsse heisst es: „Was ferner
von goederen sind, hat man in der il nit können bedenken."
Eines der vergessenen Güter war der Hof Hastenbaur, von dem
bemerkt wird, er müsse „zum höchsten inwendig sechs jaren gcmirgelt
sein: dazo schätz und zehenden gilt".
Der Syllabus verzeichnet folgende Herren von Mylendunck:
*) Es wird wohl vcrglaidt = Geleit zu losen sein.
') F. Schrocdcr, Die ChroDik des Johannes Turck, Annalen, Heft 58, S. 154.
») Vis^V
*) von Fürth, Beiträge II, 2, S. 93.
— 63 —
Theodor (Tidericus, Dieterich) I, (1168—1220) ist der erste urkund-
lich genannte ^
Theodor II (1220—1566), ein Verwandter Conrads von Hochstaden
und ein treuer Helfer dieses Erzbiscliofs in allen Fehden. Auch streckte
er demselben eine Summe Geldes im Betrage von 1000 Mark vor*. Im
Jahre 1222 übertrug er das Patronat der Kirche zu Elsen dem Regulier-
herrenkloster zu Neuss, verzichtete in demselben Jahre mit seiner Gemahlin
Hadewig im Namen ihrer Kinder auf Güter und Allode in Elsen zu
gunsten des Deutschordenshauses in Gürath (Judenrode), und überlässt
1266 demselben Hause seinen Zinsmann Gerard in Elsen. Die Söhne Gerlach,
Adolf und Walram bestätigen noch 1290 die Schenkung ihrer Eltern ^
Von Gerlach I ist bereits oben Rede gewesen. Vielleicht ist Adolf
jener Rudolf von Reifferscheid, Herr von Mylendonk, der 1310 die Güter,
welche das Kloster zu Grevenbroich in Allrath besass, von der Lehns-
pflicht entband und mit Friedrich von Malberg andere Besitzungen daselbst
demselben Kloster schenkte. 1311 befreite er den deutschen Orden in
Gürath von der Pflicht, auf den Gerichtstagen zu Hülchrath (Helkenrode)
zu erscheinen und verglich sich 1321 mit den Ordensrittern über seine
Ansprüche an den Grevenforst *.
Gerlach II (1308 — 1350) hinterliess vier Töchter, von denen die
älteste den Jacob von Mirlar heiratete und Mylendunck an dieses Geschlecht
übertrug. Der Sohn Johann I vermählte sich mit Sibille von Merode zu
Bornheim, aus welcher Ehe ein Sohn und vier Töchter hervorgingen.
5. Die Herren von Schönau aus der Familie Mirlar-Mylendunck.
a) Johann II, Sohn Johanns I und der Sibilla von Merode, kam
durch seine Heirat mit Odilie von Vlodorp in den Besitz von Schönau.
Wann die Ehe geschlossen wurde, kann ich nicht angeben; der Syllabus
sagt, Johann sei 1423 vermählt gewesen. Im Jahre 1455 stifteten die
Eheleute Messen zu Maria im Kapitol, zu St. Georg, bei den Karm eilten
und Augustinern in Köln^ Nach einer Abschrift im Schönauer Archiv
gaben sie in demselben Jahre 150 Morgen und 13V2 Morgen in Erbpacht,
jeden für IV2 Summer Roggen oder im Ganzen für 49 Malter, sodann
12 Morgen weniger ein Viertel Bend ä 5 Mark kölnisch, das machte zu-
sammen 59 Mark weniger 3 Stüber. Der P>bpacht verteilte sich auf sechs
Ehepaare; vom Roggenpacht wurden gleich 12 Malter „afgelacht, gelöst
und gequit". Das Land gehörte zur Aussteuer der Odilia, nämlich „zo
*) Ropertz, Quellen und Beiträge S. 195.
*) Eckertz-Noever, die Benedictiner- Abtei. M. -Gladbach S. 267.
') Giersberg, Dekanat Grevenbroich S. 74.
*) Giersberg a. a. 0. S. 186, 147.
^) Zeitschrift des Aachener Geschieh ts -Vereins Bd. VIII, S. 213.
— 64 —
dem guede ind aiiseel zu Moesdorp, dat uns (den Eheleuten) alda zu-
gehörende is". Odiliens Mutter, Elisabeth von Schönau, hatte die Besitzung
dem Gerard von Vlodorp zugebracht. Als Zeugen des Erbpachtvertrages
untersiegelten „her Arnold von Hürnen" und „Pitter, borchgref zu Oden-
kirchen".
Diese 175^2 Morgen Land bildeten das Areal des Hofes Moders- oder
Moesdorp. Die Gebäude, nämlich Haus, Hof und Ansiedel mit Graben,
Weiern und der anhaftenden Gerechtigkeit am Höngener Wald, gaben
Johann und Odilia ebenfalls 1455 dem Heinrich von Baesweiler und Heinrich
von Nothberg für sieben oberländische Gulden in Erbpacht, unter der Be-
dingung jedoch, dass sie abstehen müssten, wenn der Herr zur Warden
die zum Hofe gehörigen, in Erbpacht gegebenen Ländereien einlösen würde *.
Der Syllabus lässt Johann 1478 zu Köln sterben und bei den Domini-
kanern daselbst begraben werden. Sein ältester gleichnamiger Sohn war
schon früher aus dem Leben geschieden. Derselbe war zweimal verhei-
ratet. Seine erste Frau hiess Kunigunde von Birgel. Sie hatte die Güter
Opei, Mach, Macheren und Avenues in die Ehe gebracht, welche nach
Johanns Tode in den Besitz des Johann Hurt von Schöneck übergehen
sollten. So setzte der Schwiegervater Engelbert Nyt von Birgel am
12. Februar 1472 fest; damals waren also nicht bloss die beiden Kinder
aus dieser Ehe sondern auch die Mutter schon gestorben. Die zweite
Frau Johanns war Sibilla Steckt Mit dieser hatte er ebenfalls zwei
Söhne, die bei seinem Tode als Unmündige zurückblieben: Johann von
Mirlar, Herr zu Mylendunck und Graft von Mylendunck. Bis zur Mündig-
keitserkläning wurden die Besitzungen gemeinschaftlich verwaltet. Nach
der „Deduktion" nahmen die Brüder vom Stifte U. L. F. in Aachen ein
Kapital auf und verpfändeten bis zur Abtragung desselben „haus und herr-
schaft Schönau samt zugehörigen gutem und höfen zu Schönau und
Richterich, wie auch anklebenden land und leuten, hoheit und herrlich-
keiten*'. (1488.) In demselben Jahre wurde zur Teilung geschritten, bei
der Johann Mylendunck, Graft Schönau erhielt.
b) Graft von Mylendunck, Herr zu Meiderich und Schönau, Amtmann
zu Blankenstein, Drost zu Orsoy (1488 — 1519) ^ Er hiess Graft (Gratho)
nach seinem Grossvater Graft Stecke von Meiderich. Während seiner
Minderjährigkeit hatte die Mutter die Verwaltung in Schönau geführt, Vor-
mund war der Burggraf zu Odenkircheu gewesen. 1491 war die Mutter
tot. Das besagen folgende Stellen aus dem in letzterm Jahre aufgezeichneten
Schönauer Latenweistume.
„Item haben ferner diese vorgeschriebenen lehenleutcn und lassen
sämtlich gesprochen, wie dass ihnen kündig und wol indenklich ist, dass
die frau von Milendonck Wilhelmen OfFermans gut in der herrlichkeit
M von Fürth, Beiträge I, 2, S. 94.
') Beiträge zur Geschichte von Eschweiler I, S. 382.
^) Zeitschrift des Aachener Geschieh ts- Vereins VIII, S. 214.
— 65 —
Schönauen gelegen inner diesen nechst zehen jähren fürnahm um grossen
briichten willen, so erfallen waren, so dass die jouffer von der Heiden auch
darin griffe und meinte, solches solte der frauen von Milendonck seliger
nicht gebüren, und forderte auch dieselbigen brächten, vermeinend, dass
solche brüchten ihr zustehen und an sie gebessert werden solten; und da
ist der burggrave von Odekirchen als Vormünder der frauen von Milen-
donck kinder kommen und unterwiese Jolian von Schönraed, herru zur
Heiden, der Sachen halber, welcher Johan . . ihm darauf antwortete, was
darinnen geschehen, wäre ausser seinem wissen, man solt das wieder in
die statt stellen, da es aus genomen wäre, welches da zur band geschähe.
Und Johan von Himbach, Peter Nack schultheiss, Laurens von Richtergen,
Andries up den zehenhof und Palm von Richtergen oflfenbarlich bekent und
gesprochen haben, dass ihnen kundig und wissend wäre und darüber und
angewesen seien und ihre gewöhnliche Urkunde gebür und reclit empfangen
liaben. Und haben mitgesprochen dieselbige letztgenänte, dass Johan von
Schönraede seliger ein gelach geschenket hat diesen Johan von HimbacJi.
Peter Nack, Johan von Steinhausen und Dederich Kemmerlink, dass sie
ihrer frauen von Milendonck wollen anbringen, dass sie ihm die brüchten,
so da gefallen, wolle schenken; er wolt das an sie und ihre kinder ver-
dienen und sich so freundlich fort mit ihr halten, dass solcher zweitracht
nicht mehr not sein solle. Item diese sämtliche lehenleuten und lassen
haben auch bekant und, ermahnt, gesprochen: dass sie wissen kündig und
wahr sein und sie gesehen haben, dass einer genant Johan Mutzschen seine
brüchten gebessert hat an die frau zu Milendonck seliger, des herrn Graft
ihres herrn mutter. Item ist ihnen auch kundig, dass nach der vorgesetzten
zeit einer genant Nellis, der auch gebrüchtet hatte, seine brüchten abge-
tragen hat mit einem gelach an der frauen von Milendonck diener; welche
diese, Nellis und Johan Mutzschen, dieses wahr zu sein und also an die
frauen von Milendonck gethan, beide zusammen mündlich bekant und
gesprochen haben."
Nachdem Graft Herr zu Schönau geworden war, bemühte er sich
zunächst um die Instandsetzung des Hauses, dessen Turm er im Jahre
1488 herstellen und verzieren Hess. Dann suchte er seine Herrenrechte
festzustellen und gegen die Eingriffe der Heidener zu sichern. Zu diesem
Zwecke liess er 1491 die Herrschaft „begleiten**, d. h. die Grenzen der-
selben feststellen und zugleich die Laten über seine Rechte befragen. Er
hatte dazu auch die Frau zur Heiden, Maria von Merode, Witwe des eben
erwähnten Johann von Schönrat, einladen lassen, war jedoch abschlägig
beschieden worden. Das Weistum, aus dem auch die damals zwischen
Heiden und Schönau schwebenden Fragen sich ergeben, hat folgenden
Wortlaut \
*) leb gebe dasselbe unter Ausschluss der Stellen, welche frilher bereits verwertet
worden sind und füge die entsprechenden Aussagen des älteren, bei Qu ix, Schönuu S. 3 ff.
abgedruckten Weistums in Klammer bei.
— 66 —
„Im namen des Herrn. Amen. Übermitz dieses offenbaren Instruments
füge ... zu wissen, dass in dem . . 1491 . . auf samstag den 19. martii . .
in meines offenbaren notarii und hierunter beschriebener . . zeugen gegen-
wart und beiwesen der strenge und fromme herr Graft von Milendonck,
herr zu Meiderich etc. in seiner eigenen person erschienen und gestalten
in dem gewöhnlichen gerichtshaus zu Schönauen bei Aachen gelegen
Itttticher Stifts hat lassen rufen und durch seinen schultheiss von Schönauen
alle und jegliche seine lehenleuten und lassen zu der herrlichkeit von
Schönauen gehörend — diese untenbeschriebenen dingen zu vollbringen —
versamlen, und als sie versamlet und alsämtlich erschienen waren zwei
mit namen Johan Nack und Bartholomäs Heufts besonders lassen ab-
fragen und auf ihre eiden ermahnen die aufrichtige Wahrheit zu sagen,
wie sie ihre botschaft verrichtet, so ihn^ an die jouffer zur Heiden zu
thuen und deroselben ihre antwort zu bringen befohlen. Als haben
dieselbe letztgenänte zwei gesprochen und geantwortet: Wir sind zur
Heiden kommen und haben zu der jouffer von der Heiden aldo gesprochen
durch mund eines genant Everhard Düycker also: Liebe jouffer, unser herr
von Milendonck herr Graft hat uns zu euch gesant und lassen sagen, er
wolle morgen zwischen zwei und drei uhren nachmittag mit seinen lehen-
leuten und lassen die gerechtigkeit zu Schönauen begleiten, obs euch beliebt,
dass ihr alsdan dabei kommt oder jemanden schicket von euretwegen? So
hat dieselbe jouffer uns zur antwort geben: das beizukommen oder zu
schicken ist mir nit vonnöten; will herr Graft da ichtwas lassen begleiten,
das mag er thuen. Und dass wir also unsere botschaft gethan und der-
selben jouffer antwort gehört haben, behalten und nehmen wir bei unseren
eiden so wir gethan haben, und bezeugen das mit den ehrbai'en und frommen
männern Henrich van Schlickum und Meuter, die darüber und angewesen
sind und das gesehen und gehört haben. Welches dieselbige letztbenänte
zwei männer auf statt und in versamlung der lehenleuten und lassen . . .
bekänt und ausgesprochen . . . wahrhaftig, wie jetzt erzählt wird, geschehen
zu sein.
Und zuletzt hat derselb herr Graft, da er diese botschaft und antwort
änderst nicht vernomen, ferner begehret und geheischen, dieselbige lehen-
leuten und lassen alsämtlich durch seinen schultheiss befragt und ermahnt
zu werden auf ihren eiden ... die Wahrheit zu sagen und von allen . . .
punkten und geschichten der aufrichtigen Wahrheit zeugnus von sich
zu geben.
Item so hat derselb schultheiss . . . diese lehenleuten und lassen
besonders die ältesten als Servas Biermans, Gerhart Maergoitz, Laurens
van ßichtergen, Andries op den zehenhof, Gotard Nack, Palm van Richtergen,
Simon Schubbe und fort die sämtliche lehenleute . . . auf ihre eiden ermahnt
und gefragt, zu sagen und zeugnus zu geben, was ihnen kundig von dem
*) Lies: ihnen.
— 67 —
Grönendal: wozu lehengehörig sei und wer die zu strafen hat, welche
auf den lehengütem brüchten? Und alda haben diese . . . geantwortet,
dass der Grönendal von ihren gedenken her und auch so sie von ihren eiteren
haben sagen hören allezeit zu Schönauen lehengehörig gewesen, und ferner
ihnen änderst nicht kundig ist . . . dan dass der herr von Schönauen die
soll angreifen und strafen, welclie auf den lehengüteren von dem Grönendal
gebrüchtet hatten. Und haben auch gesprochen, dass ihnen nicht gedenkt
noch kundig ist, dass jemand anders einige, so alda mögten gebrüchtet
haben, hat angegriffen oder gestraft, noch auch nie haben sagen hören,
dass jemand anders dan der herr von Schönau alda einige gerechtigkeit
geübt hat. Und haben ferner gesagt, dass sie . . . gesehen und gehört
haben, dass Eeinard Büdden und Arnold Kücks offenbarlich gesprochen
haben, dass sie gesehen haben und wissen wahr zu sein, dass ein man
genant Godart Wolhart, so um schuld willen nirgens bleiben durfte, darum
dass er unbeschwert und unbekümmert bliebe', geführt ward auf den
Grönendal und blieb alda wohnen und starb alda.
Item hat auch dieser schultheiss dieselbige . . . gefragt . . . was
ihnen darob kundig sei: wan ein lehnman oder lass des herrn von Schönauen
oder sonsten jemand fremdes missethete binnen der herrlichkeit oder lehen-
gütem zu Schönauen gehörend, wem die besseren ^ solten und wer die
anzugreifen oder zu strafen hätte? Haben dieselbige . . . geantwortet . . .
dass sie von ihren eiteren nicht haben hören sagen noch ihnen in ihrem
gedenken fürkomen noch kundig ist, dan dass der herr von Schönauen
alsolche missetheter angreifen und strafen solle und die, welche verbrüchtet
hätten, dem herrn von Schönauen ihre brüchten bessern und demselben
die abtragen sollen und änderst nirgend.*'
[Das ältere Weistum weist die Bestrafung vcm Verbrechen dem
„lantheren**, d. i. dem Herzog von Jülich zu. „Item ouch helt men dat
toe Schonouwen ind is ouch geleeft, dat ein misdedich man zo den hirz
gevangen wart, hadde einen kelk gestoelen ind wart zo Schonouwen geleit,
die gebürde deme hogerichte zo; die dief wart dem lanthern van den
gueden zo ScJionouwen gelevert op des hern straess ind liess dem lanthern
mit ime vort gewerden.*']
Der folgende Abschnitt unseres Weistums erzählt die oben aus der
älteren Urkunde bereits mitgeteilte Geschichte von dem am Hirz durch
die Heidener abgefangenen aber auf das Verlangen Gerards von Roermond
wieder freigegebenen Manne mit dem Zusätze: „und darnacher derselb
herr Gerard den zeitlichen vogt zur Heiden, Otto von Vorst, ergriffen und
finge in der herrlichkeit von Schönauen und wolt ihn darum, dass er
diesen man aus der herrlichkeit von Schönauen zur Heiden geführt und
seine gerechtigkeit merklich geletzet ^ hatte, am leib gestrafet haben, wan
') d. b. damit weder seine Person noch seine Habe gericbtlich angegriffen werde.
•) genugthiien.
') verletzt
— 68 ~
er der freunde nicht genossen". Das kräftige Vorgehen Gerards hat auch
wohl zu dem im älteren Weistume erwähnten Vergleiche der beiden Herren
über die Gerechtsame des Schönauers geführt.
„Und dieselbige . . . haben ihr lebenlang nie gesehen noch vernommen
dass ein lehenman oder lass zu Schönauen von einigen^ herren von der
Heiden gefangen, noch von ihren eiteren gehört dass solches geschehen
sei; die von der Heiden haben solchen gefangenen frei los ledig müssen
erlassen und wiederum lieberen, da sie ihn gefangen hatten.**
Nun folgt die Erzählung von den drei Männern, welche die Heidener
auf dem Cortenbacher Hofe ergriffen hatten. Dann fährt das Weistum fort:
„Und hat ferner der schultheiss dieselbige . . . gefragt . . ., wie solches
von alters gehalten ist, als ob ein missetheter gefunden oder bekomen
würde auf den lehengüteren von Schönauen, wer die zu strafen gehabt hat
bis auf diese zeit zu? Haben diese lehenleute und lassen geantwortet und
gesprochen, wie dass sie von ihren voreiteren haben hören sagen und ihnen
auch kundig ist, wie dass ein missethetisch weib zu Schönauen im thorn
gefönglich gesessen hat und von dannen ist ausgeführt und gerichtet und
begraben worden auf statt und end, noch heutiges tags Leisgens ^ grab
genant. Und in ihrem gedenken gesehen haben . . ., wie dass einer genant
Nikolas von dem Hirsch feur angestochen und das haus zum hirsch ein-
gebrant, ward darum gefangen und in den thorn zu Schönauen geworfen,
und starb daselbst und ward von dannen ausgeführt und in einer seeg-
kuhlen^ begraben; und davon wurde niemalen betröhung klag noch wider-
sprechung gehört noch vernomen; mithin haben dieselbigen . . . gesprochen,
dass ihnen nicht kundig ist, dass solche missethetern zu bestrafen anderen
gehört hat oder haben soll." [Das ältere Weistum sagt: „Item wer't ouch
Sache, dat ein misdedich man of wyf gevangen wurde op die guede zo
Schonouen, die under die erde geburde zo richten, die sal der her van
Schonouen op syne erde doin graven ind richten."]
Es folgen die drei auf die Frau von Mylendunck sich beziehenden,
oben bereits abgedruckten Abschnitte. Danach heisst es:
„Ferner haben auch . . . Servas Biermans und eine sichere frau
genant Catharina Leisten, darum berufen, gefragt und ermahnt, gesprochen
und ihnen kundig und wahr zu sein gezeigt, wie dass auf eine zeit ungefehr
vier, fünf oder sechs und vierzig jähre* dieser vorgeschriebenen frauen
mutter, auch Catharina Leisten genant, für den alten Godart Nack zur
selbiger zeit schultheiss zu Schönauen gesetzt, vom junker von Mylendonck
. . . beklagt und mit recht '^ angesprochen ward, um willen sie ihrem
bruder genant Schuive etliche Sachen enttragen hatte, und an selbigen
^) irgend einem.
*) Lieschen.
^ Sägegrube.
*) Also zur Zeit Jobanns von Scbönau.
*) vor Gericht.
— 69 —
schultheiss solches abtragen und besseren musste mit 15 marken, da dieser
Servas Biermans über und an war von gerichts wegen."
Der nächste Absatz handelt von der uns schon bekannten Berechtigung
der Schönauer zur Schweinemast im Gemeindebusch. Daran schliesst sich
die Frage über die Zwangmühle.
„Item Servas Biermans, Laurens van Richtergen und Andries up dem
zehenhof haben auch bekant und gesprochen, dass sie gehört haben, dass
Johan Vrösch, auch lehenman und lass zu Schönauen offenbarlich gesprochen
hat . . . dass er gesehen hat und weiss wahr zu sein, wie dass einem
lehenman und lass von Schönauen auf eine zeit^ ein pferd ist genomen
gewesen vom müUer von der Heiden um des gemahls willen, und doch
derselbe müller das pferd hat müssen dem lass wieder lieberen und besseren.
Item diese lehenleuten und lassen . . . darüber . . . ermahnt und befragt,
haben geantwortet und gesprochen, dass sie nicht getrungen sind mit dem
gemahl zu einer besonderen mühl; dann sie ihr körn mögen mahlen lassen,
wo ihnen das am allerbest gelegen ist; doch haben sie gesagt, wie dass
sie gehört haben von dem junker von Mylendonck seliger, dass er sprach:
Es wäre wohl freundlich und gefueglich, dass sie bei den nach baren ^ zur
mühle führen, sofern man ihnen da thete als auf anderen enden, denn sie
wären sonst nirgends verbündet^ noch schuldig zu mahlen. ** [Das ältere
Weistum sagt: „Item ouch en plag der loess vurzyden nit zo der Heiden
zo malen um einche gedwange wille van den lanthern, dan hei selfs doin
wolde*, wen dar gein mullener der loessen nialderen holen of der heren
stroess* ind werden gedrongen zo der Heiden.**]
„Ferner hat dieser schultheiss alle diese lehenleuten . . . ermahnt und
. . . gefragt, wenn und ob sie jemands schätz gegeben oder sonsten dienst-
pflichtig jemals gewesen oder zu gebot oder verbot ermahnt, ersucht oder
gefolgt oder gestanden seien? Haben dieselbe . . . geantwortet und gesprochen,
dass sie von ihren voreiteren niemalen vernomen noch sie selbsten in ihrem
leben gesehen noch gehört haben, dass sie der" lanther jemals getrungen
habe mit dienst, wachen oder andersten als ^ mit anderen desselbigen herrn
untersassen, oder sonsten jemand anders dan ihr herr von Schönauen sie
zu dienst gebot verbot oder von alsolchen lehengüteren zu Schönauen
gehörend schätz zu geben getrungen hat, wie ihnen das von ihren voreiteren
gelehrt ist und sie dessen unterrichtet gesprochen haben, und nicht änderst
seie bis zu diesen tag zu, ausgenomen das gesprochene, davon nun Zwie-
tracht ist entstanden, antreffend das gelt von den seh weinen wie obgemelt."
[Das ältere Weistum klagt jedoch über Dienstforderungen seitens des Herrn
*) einmal.
*) Den Pfarrgenossen. Heiden sowohl wie Schönau gehörten zum Kirchspiel Kiehtericb.
') verbunden, verpflichtet.
*) Der Landherr zwang ihn nicht, wenn der Latc es nicht freiwülig that.
^) So Qnix. Ich möchte lesen: nu darf . . . op der heren stroess.
*) wie.
— 70 —
von der Heiden. „Item noch hat der lanther die loessen zo Schonouen in
der breden (?) doin gebyden zo Horbach zo wachen ob lyf ind guet, dat
nit me geleeft en wart. Item oiich hat der lanther die loessen gedrongen
zo graven gelich synen verbonden lüden, ind die van deine gebode nit
gehalden en hedden, die hedde hei willen penden ind un^ verbieden, dat
sie der gemeinden nit gemessen en sulden, des en is den loessen nit me
vurgelacht, ind hat an Godart* gesonnen, dat hei ime penden geve van
den, die des gebots nit gehorsam geweist en waren; of ime das nit en
geschege^, he solde die op die stons* doin penden.**]
Die beiden folgenden Abschnitte handeln von den Frondiensten auf
Schönau. Der erste ist fast wörtlich dem älteren Weistume entnommen
und bereits oben mitgeteilt; der andere lautet: „Ferner auch schuldig sind,
die ausbenänte benden zu mähen, wan ihre herrschaft selbe gemähet will
haben, und ihnen von jedem morgen nicht mehr dan eine halbe mark
aachisch gelts gebühret und den frauen die kost; wan die herrschaft das
nicht geben wolte, so soll jede arbeiterin oder Wärterin nicht mehr haben,
dan 2 buschen vorgeschriebenen gelts.** Das ältere Weistum setzt — nach
Quix — eine ganze Mark Mähelohn für den Morgen fest und macht das
Verabreichen der Kost davon abhängig, ob die Heri'schaft auf Schönau
wohnt, sonst bekommt jede „wirkersse** ^ IV2 Schilling.
„Und wan ihrer — lehenleuten oder lassen — einige verunrechtet würde
ist er's schuldig an seine herrschaft zu Schönauen zu bringen, die ihn als-
dan verantworten durch schrift oder änderst.** [„Item ouch en haven die
lassen nie gesien, of ire einich verunrecht wurde, das soulden sy an ire
herschaf bringen, ind ire herschaf S(mlde sy verantwerden ind darom schriven
ind iren properen^ bode Ionen ind darom senden; so haven die vurfaren
allewege gedain, ind of men das nit en dede, dat wer unrecht.*']
Folgende Vroegen des älteren Weistums (aus dem Anfange des 15. Jahr-
hunderts) finden sich in dem von 1491 nicht mehr.
1. „In dem irsten haven zween knecht zo Schonouen op dem hove
sich geslagen ; so hat joncher Werner ' synen bode dar gesant op den
hof ind die knecht haven joncher Werner dat moissen richten, das nie me
da geschiet^ en is.**
6. „Item ouch of Schonouen verkocht^ wüi'de, des of Got will nit en
*) ihnen.
') Wahrscheinlich Godart von Rode, Herr von Schönau.
^) wenn das nicht geschehe.
*) von stund an = sofort.
*) Quix liest offenbar unrichtig „wyrdersse".
®) eigenen. Die Stelle besagt, dass die Verteidigung des Hörigen ganz auf kosten
des Herrn erfolgt und gründet auf dem uralten deutschen Rechtsgruudsatz, dass der
Herr seines Dieners „Mundwart" sein soll.
') von Schönrade zur Heiden.
•) geschehen.
®) verkauft.
— 71 —
sali, ind als man dat goet guedinge ind genoech doiii soulde, dat soiildc
meii tegen die heilige soone doin, ind nien Iielt die guede van niemandc,
dan van onsen herrn Gode ind syner liever moder."
8. Aassage des alten SOjfthrigen Mewe, dass der Meveiidrisch zu
Scliönau empfangen werden müsse. Amtmann war Gerard der Schmied,
einer der Laten war Godart Nacken. Die Kinder des Mewe verkauften
ihr Erbe an Thys Unbescheiden und an Hermaii Suyre. Letzterer übertrug
seinen Anteil an seinen Bruder Rosa, ßoss Hess sich nun nicht vor dem
Latenhofe in Schönau sondern in Wilhelmstein mit dem Grundstöcke belehnen,
vielleicht weil Retnard II von Schönau, der älteste Sohn Reinards I, dort Amt-
mann war. Nachher verkaufte Ross das Land an seinen Schwager Mathias,
den Snhn des Schmieds. Da aber meldete sich der erste Verkäufer Herman
Suyre und forderte das Gnindstück zurück, weil Ross dasselbe nicht in Scliönau
empfangen habe, und es „wart yme mit recht zo gewiesen ind der This, Smids
son die moiss dat guet noch eins gelden vor XXXIIII gülden".
9. „Ouch des Vantz beind hat men over hondert ind hundert jair
gehalden van den heirschaf van Sctiononen zo Schonouen zo guede zo
untgueden, zo dienst zo geboede, zo wachen zo brachen gelich eimchen
loesguet zo Schonouen, ind die alderen dat gelert haven, dat op dat guet
gein boede en seulde gain dan der boede van Schonouen'."
10. „Item ouch des Rouwen guet, dat Johan van Roede nu hat, dat
gebeert ouch zo Schonouen zo gueden zo untgueden, zo wachen zo brachen,
zo geboede ind zo dienst, ind ouch plach der aide Rouwe, woenden zo
Aiche, zo Schonouen moissen komen als da gedinge was; des* en wilt dis^
Jannis des dienst vUrschreven egein doin, mer hei hat dat guet unt-
fangen zo Schonouen; als die stat van Aiche vyant hadde, die op die
guede woenden waren vry vür die vyant^."
14. „Jtem ouch die beide vür den Hirz* hat allezyt over hondert
jair ein alt herkomen geweist, dat der hof zo Schonouen ind die laessen
zer Heiden mit^ haben gebruicht und sy' uns gemeinden weder um, ind
um des wille dat iren graven zo is gegraven", so halden sy uns us der
beiden ind Gruwell sint sync schafe darbiunen genumen."
15. „Item noch haven die alderen ons jongeii gelert, dat in Ixi
jaren nie vemomen is en wart, dat men vür ein par capuine ine bezailt
hat gebät dan IX Schillinge, ind wat sy nu me geven, dat en soulde uit
syn ind werden darby veninrecht."
■) d, h. uar der Herr vod Scbönan hat Gerichtsbarkeit Über dieses GuL
') indeasen.
') dieser f
') Wohl weil der Herr von Scbünuu sich ncntral verhielt oder iiuf selten jener
Feinde der Stadt stand.
'') die Bcrgcrhelde im Aachener Bcich.
*) Quis bat onrichtig: njt.
') die Bewohner der Bei^erbeide.
') noch Anlage dea Landgrabensf
— 72 —
17. ^Item ouch vroegt der lantscheffeo, dat egein herschafsguede
kümmeren aoch gedinge haven en süllea dau um des herschafs zins ind
pecht. Der aide loess hat den jongen gelert, dat men op den guede zo
Schonouen kümmeren vastinnen ordel wyseir solen, dat hat van alts alle
wege gedan, wil't dat herschaf over lassen gan, so en kan's der laes nit
gekennen.**
Als Zeugen bei der Aufnahme des Weistums von 1491 dienten
„Arnold Leyendecker capellan ü. L. P. kirchen, priester zu Achen ;
Theis von Limburg, Johan Hessbach, Everard Duycker von Werden." Die
ganze Verhandlung ist oifenbar nur zu dem Zwecke vorgenommen worden,
um dem Graft als Grundlage bei der Beweisführung gegen die Eiugriflfe
der Heidener zu dienen.
1508 reichte Graft bei den Räten des Herzogs von Jülich eine
Klage gegen die Frau von der Heiden ein, worin er dieselbe beschuldigte,
dass sie Brüchten von seinen Untertanen nehme, dieselben gefangen halt«,
mit dem Gemeindebusche nach ihrem Belieben verfahre: was alles gegen
seine von den Voreltern ererbten Gerechtsame in der reichsfreien Herrschaft
Schönau Verstösse, zu welcher Huflf, Grünenthal, Hand, Hirz, Richterich,
Mevenheide und die Einwohner dieser Ortschaften gehörten. Die Klage lautet:
„Veste ind froeme rede ind frunde etc. Dit sint alsulche clage ich
Graft van Myllendonck ritter doin ind legen an juffrauen Marien vamme
Roide, nagelassen widewen wilne Johans van Schoenroide heren zo der
Heiden. Dat dieselve juflfrau Marie in myne hierlicheit Schönawe gedragen
hat mit brüchen van mynen undersaissen zo nemen ind dieselve gefenklich
zo der Heiden zo fueren ind na irme willen in den gemeinen busch zo
handeln wider recht ind alle billigheit. Want ich myne alderen ind furvaderen,
so lange als minschen gedenken is ind langer alzyt alle regalien laissen
und gerichten in der hierlicheit Schönawe, Gott almechtich ind heiligen
ryche underworfen, ind in zobehoeren zo Schönawe up gen Hoiflf, den Gronen-
dal, Hand, Hirtz, Richtergen, Mewenheide ind over die undersaissen darinnen
gehat ind gebruicht haven. Ich hoffen darum ganz ungezwyfelt, myn
gnediger herre ind synre gnaden rede euer liebden willen die juffrauen
Marien um sulchen yre unbillige onerbarenheit darzo halden, dat sy mich
by mynen regalien laissen ind gerichten zo Schonawen wie vursclireven
unverhindert laisse, mit erdeilungen kosten ind schaden, wie billig ind
reicht is, Gegeven den 29. dach januari 1508."
Genau zwei Jahre nachher erhob Graft Klage, dass dieselbe Frau
zur Heiden sich die Gerichtsbarkeit über Grünenthal anmasse und in der
ganzen Herrlichkeit Schönau Brüchten einziehe. Maria von Merode berief
sich für ihr Recht auf das Zeugnis des Heidener Gerichts und suchte die
Erklärungen der Schönauer Lateu durch Berufung auf anders lautende
Aussagen derselben zu entkräften. So Hess sie Geständnisse gerichtlich
bezeugen, welche Schönauer Laten, deren Namen jedoch nicht genannt
werden, vor dem Gerichte zur Bank gemacht haben sollten. Eine Auf-
— 73 —
Zeichnung dieser Aussagen befindet sich im Richtericher Gemeinde- Archiv.
Dieselbe lautet:
„Dit hy na beschreven is alsulche vroege, als wir scheffen ind gericht
von der Bank halden hueden ind van unsen vurvaren alzyt gehoirt haven,
dat sy se ouch also gelialden haven als hy na beschreven volgt.
Item halden wir in unser vroegen, dat die vroege aven lands ind
den Gronendal geit ind dat der Groenendal binnen unser vroegen licht.
Item haven gezuigt die laissen von Schoenauen, dat sy mynen heren
van Guilich als eren lantheren ind ere juffrauen van der Heiden ind
ere erven als pantheren hulde ind eide gedain haven, als undersaissen eren
lantheren schuldig sint zo doin.
Item die laissen van Schoenauen haven gezuigt, dat sy heren Graft
van Mylendonck hulde ind eide gedain haven, syn ärgst zo warnen ind
best vurkeren, als gude leenluide ind laissen schuldich syn zo doin.
Item desselven geliehen haven sy ouch gezuigt, dat sy den vaegt
van Valkenburg ^ ouch also gedain ind geloft haut, den einen als den anderen.
Item noch haven die^elven gezuigt, dat sy neit gesyn en haven in
hoire leiven dagen noch ouch neit en haven hoeren sagen van hoiren
vurfaren, dat einig minsch, fraue of man, van leiven zo doit gewyst sy
zo Schoenauen mit ordel. Dit hat der vaegt vur gericht mit . . .^
verbonden.
Item haven die laissen vurschreven gezuigt, dat sy haven hoeren
sagen, dat ein mau zo Schoenauen sich doit gefallen hat ind dat der halfen
den up die straisse le verde ind laicht eme synen loin op syn lyf, ind dat
do dat gericht van der Bank dar quam ind besach den man, ind do gaf
der her orlof, dat men den man do begroef.
Item Nelis van den Hirz hat gezuigt dat syn vader eins gebruicht
hat ind dat he den heren van der Heiden vur die bruiche gaf 13 Schillinge;
ind zuigten vort, dat der her van Mylendonck den heren van der Heiden
darum schreif, ind dat he den brief in dat fuir warp.
Item hat die aide Kathryn van Schoenauen, Lenart Vroesch ind syn
raoder in desen jaren noch begert ein gebot van des lantheren boede in
der kuchen' zo doin, um schaden wille hon^ geschah van den näheren
an honen "^ leingrunde."
Indessen fruchtete das alles der Frau von Heiden nichts; Graft
erlangte im Jahre 1510 ein obsiegendes Urteil.
^) Wie der Vogt von Falkenburg in diese Vroege kommt, ist mir unklar. Vielleicht
ist einmal ein Mitherr von Schönau Vogt von Falkcnburg gewesen, das sich eine Zeitlang
im Besitze Iteinards I bcfimden hatte.
2) Ein Wort unleserlich.
') So im Original, es wird aber wohl „kirchen" zu lesen sein.
*) ihnen.
*) ihrem.
— 74 —
Dieser Herr von Scliönau nahm am Hofe des Herzogs von Jülich
eine angesehene Stellung ein. Er war herzoglicher Rat und gehörte 1510
zu denjenigen, die den Abten von Deutz und Brauweiler, welche die Burs-
felder Reformation in den Benediktinerklöstern des Herzogtums einführen
sollten, von Seiten des Herzogs beigegeben waren ^
Graft starb unverehelicht. Die Besitzungen kamen an die Söhne
seines Bruders Johann, von denen der älteste, ebenfalls Johann genannt,
bereits 1514 gestorben war. Dadurch kam die Herrschaft Mylendunck an
den ZAveiten, Dieterich, der bei der Teilung des Nachlasses seines Oheims
Craft auch in den Besitz von Schönau gelangte, während Meiderich an den
dritten Bnider, Heinrich fiel. Als auch dieser 1525 kinderlos starb, vereinigte
Dieterich die drei Herrschaften in seiner Hand. Ausserdem war er Amt-
mann von Orsoy, Herr von Pley^ und durch die Heirat mit Agnes (1526)
Burggraf von Drachenfels.
c) Dieterich von Mirlar, Herr zu Schönau (1521 — 1553), hielt
am 13. Januar 1522 feierlichen Gerichtstag daselbst. Er „verurkundete
und verband sich mit goldenen und silbernen Pfenningen an dem gerichte
und sämtlichen umstehenden laessen, lehenleuten und untersassen in gegen-
wart des würdigen und hochgelehrten doctor und herrn Johan Suderman
canonicus und oantor^, herrn Dieterieh von der Reck, canonicus und
proffian U. L. F. kirchen zu Achen*; dan ouch noch her Dieterich
von Segerode, her Wolter von Wylre und her Johan von Edelborn* alle
drei scheffen des königlichen stuls und Stadt Aohen**, endlich Peter
Schrivert, der zu Gladbach Schultheiss war.
Hier Hess Dieterich die Gerechtsame der Herren von Schönau fest-
stellen. Der Eingang des Aktenstückes lautet: ^Kund und offenbar sei
allen . . . wie dass heut . . . in| selbsteigener person komen und erschienen
seie binnen Schönau der ehrenfest und fromme Dieterich von Mirlair, Herr
zu Milendunck als nun der rechte herr alda zu Schönauen vor dem gehegten
gericht und gespannener bank, besitzende von seiner liebden wegen das
gericht der ehrbar Wilhelm von Richtergen als der schultheiss und richter,
foi't die ehrsame und fromme Peter von Schönau, Arnold Koicks, Johan
Naggen, Johan auf dem zehenhof, Peter Schmit vom Hirsch, Simon Palmen,
Gerard Kockelkorn und Heinrich Engels als die geschworen und verord-
*)Ropertz, QueUen und Beiträge S. 294.
*) Zeitschrift des Aachener Geschichts-Vereins Bd. VIII, S. 214.
^ Johann Suderman erhielt am 7. April 1496 durch das Kapitel das Kanonikat Reinaids
von Schönrat; am 7. Dezember 1537 wurde Heinrich von 3Iilendonk sein Nachfolger.
Als Sänger war Suderman der Nachfolger des uns bereits bekannten Walters von Blisia,
der 1512 starb. Craft I verpachtete dem Kanonikus Suderman die Schönauer Weior
1502 auf 6 Jahre für 45 Gulden ä 6 Mark aix jährlich.
»
*) Theodoricns de Reck wurde Kanonikus am 19. October 1512 an Stelle des ver-
storbenen Theodorich von Milendonk, Erzpriester am 4. Juli 1521. Heu seh a. a. 0.
S. 14, 13 '- »•
*) Eilerborn.
— 75 —
nete lassen desselben gerichts um jederman recht und urtel zu geben
wie vor alters. Und hat sofort der Herr von Milendunck als herr von
Schönau durch denselben seinen schultheiss Wilhelm das gericht zusamen
und besonders lassen fragen und niainen auf ihren hulden und eiden, so
sie ihm gethan haben, auch in gleicher weise die lehenleute mit denen
untersassen um von aller hoheit herrliclikeit und gerechtigkeit des herrn
und hauses Schönau, daran in- und zubehörungen, wie sie solches von ihren
eiteren behalten, gesehen und gehöret haben, niemand zu lieb oder zu leid
deswegen anzusehen, die rechte Wahrheit allenthalben zu offenbaren und
solches von sich zu geben. Und begehre te dieses in dieser massen so zu
geschehen, weilen er, der herr vim Milendunck, mit seinem bruder Heudricheu
herren zu Meiderich nun kürzlich geschieden und sie sich zusamen darüber
vertragen hätten, dass er . . . das haus und herrlichkeit Schönau mit allen zuge-
hörigen gerechtigkeiten für sich und seine nachkömlingen erblich behalten
solle. Dahero dass er als der herr nun wüste und mit allem unterschied
als recht belehret würde, wie er und seine nachkomelingen jederman,
grossen kleinen reichen und armen nach altem herkomen thun solte oder
auch zu recht thun schuldig wäre, wie imgleichen auch das gericht,
lassen, lehenleute und untersassen alda ihm und seinen erben hinwiderum
von rechts- und alten herkomens wegen zu thun ptlichtig und schuldig seind,
dabei niemand in seiner zeit oder nach ihm durch seine erben in einigen
theil verkürzet oder über manier deren rechten vor genomen werden
mögte: und darum dessen nichts verhalten bei denen eiden, so sie ihm
als ihrem herrn gethan hätten und er hinwiderum ihnen als seinen unter-
sassen, sie dabei zu beschirmen und hanthaben."
Nun fragte und mahnte der Schultheiss „in statt des herrn als
richter" die Laten als Gerichtsbeisitzer zuerst, dann die Lehenleute und
sämtliche Untersassen ^ Dieselben baten um eine gemeinschaftliche Beratung,
traten ab und erklärten nach ihrem Wiedereintreten: Der selige Graft
habe in vergangenen Jahren ein Instrument über die Schönauer Gerecht-
same anfertigen lassen ; man möge ihnen dieses vorlesen : was sie dann
noch wüssten, würden sie sagen. Als Grundlage diente demnach das
Weistum von 1491 ; dasselbe wurde von Artikel zu Artikel verlesen und
anerkannt, dann das Folgende hinzugesetzt.
Peter von Schönau erklärte, zur Zeit wo er Schultheiss gewesen,
habe der Herr den Jakob Büschgen ergriffen „weilen er getrohet habe
und auch von anderer böser fama war". Derselbe wurde zu Schönau
in den Stock gelegt und blieb darin „wol 28 wochen lang und solte darum
alda gerichtet worden sein, dan durch bitt sein Peters und anderer freunde
wurde er begnadigt und gukle sich ab und thätigte die briichten an der
trauen von Mylendunck und diente ihr darzu eine Zeitlang dafür".
*) Die Fragen waren natürlich vorher entworfen und festgestellt „Pro memoria
actum uf mandach octava cpiphanie 1522.**
— 76 --
Ferner berichtete Peter über zwei Frauen, die sich geschlagen hatten.
Er führte sie vor „seine frau von Mylendunck seliger" und beide bezahlten
ihre Bussen „als der herr von Schönau da war". In diese Sache mischte
sich die Frau von der Heiden; sie liets den Mann des einen Weibes greifen,
ins Gefängnis werfen und forderte von ihm 15 Gulden „solte er loskomen,
ausser die gelacher" \
Endlich erklärte Peter, er und sechs seiner „Stuhlbiüder" ^ hätten
den Inhalt des Dokuments von 1491 vor dem Hauptgerichte zu Jülich —
in dem Prozesse Grafts gegen Maria von Merode — jn allen Artikeln
wahrgehalten; der Herr möge dasselbe nur gut verwahren.
„Danacher hat der schultheiss die lassen gemahnt, wannehe jemand
inländisch oder ausländisch, zu Schönauen an rechten zu thuen hatte, wie
der das eusseren und wie demselben da zu recht geholfen werden solle?
Nach bedenken der lassen haben sie geantwortet: dieselben sollen dem
alten herkomen nach mit recht bei ihnen verfahren; was das gericht weis
ist, mögen sie lehren, was sie nicht weis sind, sollen sie derer parteien
ansprachen und antworten scliriftlich mit zugehörenden rechten annehmen,
sodan selbige in des herren kamer zu Schönauen fortbringen, darauf recht
und urtel da gesinnen, die urtel da einholen und solche dan den parteien
auf deren begehren auf einem gerichtlichen tag bei ihrem gericht eröffnen
lassen, also dass ihnen sofort von dem herrn zu rechten geholfen werde."
Die Laten beriefen sich darauf, dass sie eben am selben Tage noch zwei
Urteile vom Herrn „vorgeholt" und den Parteien eröffnet hätten.
Für die Laten und das Gericht, die kein eigenes Siegel hatten, siegelte
der Vogt zu Mylendunck, Laurenz Beik, zur ferneren Bekräftigung noch
der Sänger und der ProflBan^ „auf bitten und begehren unseres lieben
besonderen und verwanten, des herren von Mylendunck".
Im folgenden Jahre schloss Dieterich den oben mitgeteilten Vertrag
über die Grenzen der Herrschaft und die Gerechtsame der Herren von
Schönau mit Werner von Schönrat zur Heiden.
Dieterich hatte jedoch schon vor dem 13. Januar 1522 seine Joyeuse
entree in Schönau gehalten und den Eid der Unterthanen entgegengenommen.
Im Schönauer Archive findet sich die gleichzeitige Abschrift eines Briefes
aus dem Jahre 1521 vom Tage nach Judica, d. i. Palmsonntag, in welchem
Dieterich das Gericht bei dem „op die groise bruiche" geleisteten Eide
zum genauen Gehorsam gegen seine Befehle mahnt. Das Schreiben gibt uns
auch wünschenswerten Aufschluss über die Weise der Gerichtsverhandlungen,
denn es handelt von einer sogenannten Hauptfahrt, d. i. von einer Befragung
des Jülicher Hauptgerichts zum Zwecke der Belehrung der Schönauer
Laten, welche der Herr zur Heiden verboten hatte. Dieterich schreibt:
^) Gerichtsgebührcn.
*) Die Gerichtsschöffen.
') Erzpriester, der Pfarrer vou Öt. Foilan in Aachen.
— 77 —
^Myne groiss, lief schoultis ind getruwe. So ir mir geschriven hat,
wie etzliche parthien an mynen rechten zo Schönauen zo doin hont etzlichen
gebrechen halven, des denn myn gerichte alda by sich selfs davannen recht
ind oirdel zo geven niet wis en sye, darum sie nae uitgewisdom des gerichts
ind herkomst sich beroefen hant um vurder geleert zo werden, daby den
parthien alles diels recht wederfaren moicht. Da ouch beide parthien um
recht zo erlangen bylage gedain hont, darop ir ind dat gerichte neist
zokomende donersdach zo Guilich erschynen sould, so ich ouch alsdan op
vurgerorte zyt da syn werde, daby ir geleert moicht werden um den
parthien zo rechte zo helfen: So verstau ich, wie der van der Heiden
durch synen vaet ind gerichte raynem gerichte hat lassen bevelen gein
houft oirdel lassen zo holen. Wilch mich ganz ser befremt, so ich dem-
selven heren van der Heiden naberschaft halven alda ändert niet geneicht
sye dan mit fruntschaft ind ouch demselven (in) geinerlei manier onder-
worfen bin." Dieterich befiehlt dann dem Gerichte und den Parteien am
bezeichneten Tage in Jülich zu erscheinen, damit er sie nicht wegen Un-
gehorsams zu bestrafen brauche. Gemäss seinem Eide werde er ihnen
allen Schaden ersetzen, den der Herr von Heiden ihnen deswegen zufügen
möchte.
Nach dem Weistum von 1522 gingen diese Hauptfahrten nicht mehr
wie früher nach Jülich ans Hauptgericht sondern an den Herrn von Schönau.
So schrieben die „gemein laten des gereicht zo Schönau" 1523 an Dieterich:
„Wisset leve jonker, so euer liebden am lesten ein ordel zo Schönauen
mit den vait geschit hat, antreffende Dederich van Reichtergen ^ und syne
mitgedelingen eindeils und Arnold Duitsen anderteils, so dan Dierich van
Reichtergen und syne mitgedelingen in den verluss sind vonden und na
ansprach ordel erkant is worden, so haven Dederich . . . up dat ordel
appellirt in kamergericht^ und hoffen, sie sullen da ein geneitlichcs und
besser ordel erlangen unde begeren von uns gerichten, der halfen besonder,
eine afschrift des ordel zo haven." Das Gericht glaubte jedoch dazu erst
verpflichtet zu sein „wenn gebeidong us deme kamergericht komen over-
mitz des kamerrichters boeden mit dem roden segel"^ Die Appellanten
klagten dagegen über Verzögerung und machten die Schöffen verantwort-
lich für allen Schaden, der ihnen hieraus erwüchse. Darum wendeten sich
die Laten an den Herrn. „Und begeren wir fruntlich von euer liebden
as uns heuft underrichtung zo haven und geleirt zo sein, wat wir hierin
schuldig zo doin weren, of wir in* die afschrift zo eren gesinnen leveren
sulden of wir sie langer an uns behalten sullen."
*) Die von Richterich waren im 16. Jahrhundert Halfen des Zehenthofs und lilngere
Zeit Schnltheissen und Reutmeister von Schönau. Sie beaassen in der Kirche zu Richterich
ein Erbbegräbnis, woran ihre Nachkommen noch im 18. Jahrhundert berechtigt waren.
*) Die Berufungen gingen vom Gericht an den Herrn, von diesem an das Reichs-
kammergericht.
*) Siegel *) ihnen.
— 78 —
Die „Deduktion" nennt unsern Dieterich als denjenigen, deni Karl V.
in der jüliclischen Fehde die Regalien und die Gerichtsbarkeit Schönaus
bestätigt habe. Infolge dieser Bestätigung hat Dieterich auch wohl das
Münzrecht ausgeübt. Quix^ beschreibt eine dieser Münzen. Sie war von
Silber, 2^2 Lot scliwer und zeigte auf der Vorderseite Dieterichs Brust-
bild mit der lateinischen Umschrift: Theoderich, Herr zu Mylendunck und
Schönau, auf der Kehrseite sein Wappen und die Worte: Neue Münze der
Herrschaft Schönau 1542.
Aber die neue Münze verhinderte nicht, dass Geldnot sich auch im
Hause Dieterichs einstellte. Am 2. des Brachmonats 1553 schrieb der
Schultheiss Wilhelm von Richtergen an die Frau von Mylendunck-Drachen-
fels: er könne kein Geld schicken, weil ihm weder der Hälfe Winand noch
der Wirt im Pannhaus ihre Schuld entrichtet hätten „dan sie beklagen
sich alle der theuren zeit und dass keine nahrung ist**. Wenn die Frau
keinen Ausstand geben sondern Pfandschaft für die Beträge oder Umschlag
gethan haben wolle, dann möge sie schreiben. Er mahnt sie selbst aber
auch. „Ferner liebe juflfer, ich schicke euer liebden von dem singer von
Aachen* und noch eine hantschrift von seiner wirden diener, fordert die
renten des altars hart und sehr und lasst den dienst des altars ungethan,
nemlich die sontagsmess, die vor 80 jähren geschehen ist in Zeiten herreu
Wolters von Bilsen sei. und in zeiten D. Sudermans sei., die den altar beide
gehabt haben und allezeit der dienst geschehen und vollbracht ist.**
Dieterich war um diese Zeit schon tot; im genannten Jahre folgte
ihm seine Frau. Ihre Kinder waren: Dieterich II, Herr zu Mylendunck,
Drachenfels und Reuland. Er heiratete 1548 Theodora von Bronckhorst-
Batenburg, Witwe des Franz von Schönrath, Herrn zur Heiden. Infolge
dieser Heirat nahm Dieterich auch letzteren Titel an. 1557, Januar 28.
wird er als Mitglied der Aachener Sternzunft angeführte Als Theodora
1564 starb, suchte Dieterich sich im Besitze der Herrschaft Heiden zu
erhalten. Das gelang ihm aber nicht, der Herzog von Jülich belehnte
vielmehr am 8. Mai genannten Jahres die Brüder Werner und Wilhelm
von dem Bongart mit derselben. Dieterich Hess sich dadurch nicht ab-
schrecken; er brachte die Sache an das Reichskammergericht. Das ergibt
sich aus einem Proteste, den er am 19. Juni 1567 gegen ein Edikt des
Aachener Schöffenstuhles einlegte. Wilhelm von dem Bongart hatte ihn dort
wegen eines in der Stadt gelegenen „aber in alle weg ohne einig mittel
zu und an das haus und herrlichkeit zur Heiden zugeeignet und gehörigen
hauses*** verklagt und das Gericht sich auf die Klage eingelassen. Dieterich
') Schönau S. 20.
*) Damals war Kantor am Münster Johann von Cortenbach, der anfangs September
1655 starb. Hcusch a. a. 0. S. 18 *.
^) Zeitschrift des Aachener Geschichts-Vercins XV, S. 292.
*) Es handelte sich um das in der Bendelstrasse j^elejjene „Haus zur Heiden'*. Das-
selbe befand sich noch 1571 im Besitze der Mylendunck, wie aus folgendem Posten der
— 79 —
erklärte „diese causa emergens sei eine pertinenz und zugehörig stück der
hauptsachen, so an dem hochlöbl. kaiserl. kammergericht noch unerörtert
rechthengig schwebt**.
Der zweite Sohn Dieterichs I war Gothard von Mylendunck, Herr zu
Goer, Fronenbroich und Meil, gestorben 1576. Seine Frau hiess Maria
von Brederode. Er ist mit Dieterich II nach dem Tode des dritten Bruders,
Craft II, Herr zu Schönau gewesen. Von den beiden Töchtern Dieterichs I
heiratete Aluert den Philipp Dieterich von Braunsberg, Herrn zu Burgbrol,
Merxheim und Alken; Elisabeth den Adolf von Wilich, Herrn zu Disfort.
d) Craft II von Mylendunck, Herr zu Meiderich, Soron, Schönau
und Warden (1552 — 1574). Seine Ehe mit Margarethe von Merode zu
Petersheim, welche am 25. Oktober 1575 ihr Testament machte, war
kinderlos; doch hatte Craft zwei uneheliche Kinder: eine Tochter, deren
Aussteuer „heiligspfenningen*' die Neffen Craft III und Baltasar laut dem
Teilungs vertrage von 1591 übernehmen sollten, und einen Sohn, ebenfalls
Graft genannt, dem Margarethe in ihrem letzten Willen eine neue Kleidung
und 25 Thaler vermachte und dessen Kostgeld der Schultheiss zur Warden
halbjährlich mit 8 Philippsthalern bezahlte ^
Am 11. Januar 1553 bezeichnet der Aachener Rat den Craft und
dessen Mutter als Herren zu Schönau, indem er von ihnen fordert, sie
sollten den durch den Juden Alexander geschädigten Webern zu ihrem
Rechte verhelfen. Damals war demnach die Erbteilung zwischen den Brüdern
bereits vollzogen, aber die Mutter führte in Schönau noch die Verwaltung.
1558 am 13. März stellte Craft von Duisburg aus den ehrbaren Clemens
Schmal aus Langenberg als Schulmeister in Richterich an und befahl den
Unterthanen in der ganzen Herrschaft, denselben als solchen anzuerkennen.
Die Berechtigung hierzu hat Craft jedenfalls in dem Umstände gefunden,
dass die Schule im schönauischen Teile Richterichs lag. Leider enthält
die Bestallungsurkunde keinen Hinweis auf die Konfession des Schmal;
mutmasslich gehörte derselbe der calvinischen Richtung an wie die Mylen-
dunck. Wann letztere vom katholischen Glauben abgefallen sind, kann ich
nicht feststellen, wahrscheinlich schon früh. Denn da die Gemeinde zu
Duisburg, wo die Familie wohnte, bereits 1538 sich dem Calvinismus zu-
wandte, darf man annehmen, dass auch die Mylendunck um jene Zeit dem
Glauben ihrer Väter untreu geworden sind. Jedenfalls ist der Abfall der
Gemeinde zu Meiderich im Jahre 1547 nicht ohne Zuthuen der Mylen-
dunck als Herren daselbst erfolgte Dass Crafts Witwe calvinisch war,
Schünancr Rcclmung aus jenem Jahre hervorgeht: „Item hab ich einigemal von meinem
gnädigen herm Schreibens ontfangon, um das kom zu Schönauen zu verkaufen und das einen
kaufman zo verlassen. Hab ich sulch nit zu wegen können brengen, und obgemelte kom
in das kaufhaus gefort und in die 3 wochon alda gelegen. Hab ich das körn nemlich
39 mttd wider uf sacken und in das haus zu dor Heiden ausscbüdden lassen." Das Lager-
geld betrug pro Müd 8 Heller.
0 Rechnung von 1579/80.
*) Ennen, Gesch. der Reformation u. s. w. S. 104.
— 80 —
steht fest; denn nacli ihrem Testamente sollte „herr Johan, der prädikant,
eine ehrliche belohnung" erhalten. Und da sie zu Duisburg an der Seite
ihres Mannes begraben sein wollte^, so ist zu vermuten, dass Graft dem-
selben Bekenntnisse angehörte.
Mit seinen Vermögensverhältnissen hat es nicht gut gestanden. Vom
Kloster St. Maximin in Köln hatte Graft 600 Goldgulden geliehen und da-
gegen 28 Goldgulden sowie 28 Thaler jährliche Rente auf sein Gut Münster-
hausen verschrieben. Er blieb aber die Zinsen schuldig, sodass das Kloster
sich in den Besitz des Pfandes setzen wollte, welches ein Lehen der Abtei
Essen war. Von einem andern Gläubiger hatte er 300 Goldgulden, die nach
seinem Tode auf Anweisung Dieterichs durch den Schultheissen in drei
Jahren bezahlt werden sollten. 1559 „hat Gracht von Milledonk . . . Petro
Brewer zu Sierstorf 12 malter roggen ausm wardenischen erbpfacht auf
ewige widerlös für 200 goltgulden" und „anno 1566 hat selbiger Gracht
.... dem Franken Severins zu Lürrenzich abermalen aus seinen erb-
renten zur Warden auf ewige widerlöse verkauft für 200 Joachimsthaler
5 malter roggen und 5 Joachims-Thaler^*'.
1560 April 1. kauften die Testamentsvollstrecker des Dechanten
ü. L. F. Kirche zu Aachen, Johan PoUart^, für ein Legat desselben zu
gunsten der Hausarmen, welches 392 Goldgulden und 400 Joachimsthaler
betrug, von Graft einen Erbpacht von 14 Aachener Müd Roggen und eine
Erbrente von 20 Thaler. Graft legte Pacht und Rente auf Hof und Gut
zu Schönau mit der Weisung an den Pächter, beides vor allem anderen aus
den Erträgen zu berichtigen. Die Ablösung war vorbehalten.
1563, Mai 3. gestattete Graft „aus sonderlicher gunst und freund-
schaft** seinem Schultheissen Wilhelm von Richtergen, „eine löse und wider-
kauf** der genannten Renten, wobei er sich wiederum die Einlösung vor-
behielt. Das führte später unter Baltasar zum Prozess.
1572 am 12. Juli beorderte Graft den Rentmeister Keinen nach
Petersheim — und zwar sollte er gleich gehen, bevor das Kriegsvolk die
Wege dorthin verlegt habe — um die Rückstände zu erheben, deren er
jetzt „aus ehehaften gründen" bedürfe, und ihm das Geld nach Duisburg
zu schicken. Über die Einkünfte aus Schönau berichtet eine Rechnung
des Rentmeisters Wilhelm von Richtergen. Graft hatte in den Jahren
1554—1560 von Schatz 2164 Gulden 14 Albus, von Geleitgeld der Juden
in Richterich 257 Gulden, vom Juden Alexander 36 Gulden, von Weggeld
240 Gulden und von Accisen 452 Gulden erhalten. Die Ausgabe des
Jahres 1566 betrug 472 Gulden 18 Albus 9 Heller; die Einnahme von
1568: 415 Gulden 10 Heller; im Jahre 1569 belief sich die Einnahme auf
*) Richardson, Gesch. der Merode I, S. 158.
«) von Fürth, Beiträge u. s. w. II, 2, S. 94.
^) Johan PüUart der Jüngere wurde Kanonikus am 3. Oktober 1527, Gehülfe des
Dechanten mit dem Rechte der Nachfolge am 29. März 1537 und Dechant am 6. Mai 1541.
Er starb 1554. Heusch a. a. 0. 15*, 17*.
— Sl —
584 Oiüden II Albus, die Aasgabe dtgef^ii naf tlKl ihildnii 'J'i ADhih
2 Heller. Ans der Rechnung des letztgenannten .TAlirt'N liolm icli fiilKomlo
Posten ans. welche von allgemeinerem Tntvrosfo soin ilflrUiMi,
„Folgents tags ist mein g. hon- auf Schnnanon gi^Htlcn inul >l<>n
abent nncb zu Aich gangen, (laaelb»t in die 4 ditg M dein oiiKllH>'lii>n
heim verblieben, niitlerweil verzert 80 guldon I iilb.
Item bat dasmal mein g. berr eine nnclit in Kriiiolmd ' h-kwomkii mitl
zweimal gebad, vor das bad auf befetcb im gnaden K(<tivbi>n 1 iliilt'i-
2 gülden 4 alb.
Item an wein und Unkosten ins bad IH alb.
Item den badknechten und megdon 12 alb.
Item ist mein g. herr mit dem cngÜHchon xo Hortiirlinl. dio lijid»t'
zo besehen verritten und im CJlntz aliffostamlcn und i'uthlMiiriri* iirnl vnit
dannen 1 äesch weins mit auf Aich genoinon'. Davor lii>/iihll: II (>ii1ilt'ii
20 alb."
Wie wenig hanshälteriRch man verfuhr, i>rt(\\it. Dich aim riilc»iii|i>rii
Zuge. Der Bote Kirdekatz wnrdo cigtiiiM von McIiOmiiii iiitt'li DiiIhIjhk*
geschickt, um dem Herrn zwei Pfujul hlii^lihi'ii|iiilvt<r niid „irii<liii>r (r>"«llt{"ii
frau VII loth klein» gamK" zu briiigitiil
Graft hielt sich zwar me'rüt in DuiHlmrg nut, t\\u>r <>r vi>rtini'UUinHi\rU'
Schdnau nicht. Um 1566 baute er datf'llml «In nniKiit IfniH; aii<')i lltili- i-r
seine Herrenrechte. 1572 ßllte er ei» Urteil /weiter liiRtiiii/ In Hm-itfii
Peter Haupts gegen Peter von Mnulnu^h, woj^'-irn» der l^l/li'n' im' h "■'■iinii-r
appellierte. Eine andere IMhätiirung tu-.'iiu-.r Hi;T\i:hiH\thrV*'U. \ninUti Hm iti
einen Prozess mit Wilhelm v^n Ii'((i;f.irl., Murr» mr II<'i'l''(i,
Craft hatte ein'rn nui!'').'ir-nui':u H'li'irouJ'T ihinU miii-u tiiih't, ilniut
Hattingen. gr*ilen nnd a'if di" '-<i'f/j'lj'ri * flilir'-ti In-"»», Wdt»' Im 'f/nff
seinenwils den David, v^rt Um »'it ili-m itmif. Hi ni'ii i<i in !-■/-.' n*
Turm, hielt si.n xr:J7.\.^.-' :. l'-u M-wi.iU „],»•■/'■ v {■■<■'.'• i' ,• t\.:i.i,*> m. .
an einem S-rr.v.'i; ?--,•:. :, .:. I-r Vi.r- fn- \i'.r* thit /.'in, ■•■y>'if u i.u- ttiw ■
and zrn:^ i\: •-.:. }'. :■■ .- '/■;,',',• cm KI.i;/' ■/'/'■• '•• •> iUtt: r,-,
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— 82 —
Jülich. Graft, sagt er, habe nui* einen Lathof oder eine Latengerichtsbarkeit,
er werde auf dem (Seidener) Vogtgediiig von seinen eigenen Leuten gevrogt,
dass ihm weiter nichts gebüre, als für seine Latgüter Erbung und Gütung
zu thuen, für Ausgang und Eingang, Erbzinsen und Erbpächte mit seinen
Leuten zu dingen, und nun schädige er die Heidener Gerichtsbarkeit, indem
er deren Untergebene greife und in Eisen schlage, Juden und andere
Sektirer geleite, die Schönauer verhetze, dass sie nicht auf der Heidener
Zwangmühle mahlen liessen, ja selbst Falschmünzern Aufenthalt gewähre.
Der Herzog forderte Graft zur Verantwortung auf, der Schönauer
antwortete jedoch nicht sofort und entschuldigte nachher die Verzögerung
damit, dass er sich in ehehaften Geschäften auf Reisen befunden, auch
mit seinen Brüdern die Sache habe besprechen müssen. Dann erklärte er
die Anschuldigung wegen der Bedrückung der Heidener, die Aufhaltung
der Sektirer und Falschmünzer sowie die Behauptung von der Aussage
seiner Laten für unwahr, die Geleitung der Juden und den Schutz der
Schönauer gegen den Heidener Mühlenzwang für sein gutes Eecht. Und
indem er den Spiess umdrehte, warf er seinerseits dem Herrn von Bongart
Bedrückung der Schönauer und Verletzung der schönauischen Gerechtsame vor.
Der Herzog sandte eine Untersuchungskommission, deren Kosten für
Graft der Rentmeister in folgenden Posten verzeichnet:
„Item in februario mein g. herr mit den commissarien und iren dienern
IX tag alhie stille gelegen, gehalten 154 malzeiten, jede ad 4 alb. facit
31 gülden 4 alb.
Item 46 soppen jede ad 2 alb. facit 3 gl. 20 alb.
Item als die commissarien von hinnen geritten, bin ich mit denselben
uf Gtilich geritten und inen daselbst ir geld uberliebert; haben M. Martin
und ich dasmal verzert 11 gl. 10 alb.
Item M. Martin von mir dasmal vor zergelt gefordert 2 gl. 18 alb.
Item dasmal in der commission sach an wein gehabt 35 flaschen,
jeder quart 6 alb., facit 35 gl.
Item dem commissario Reutlin und secretario Pottgiesser vor ire
belonung gegeben 36 goltgulden facit 90 gülden.
Item dem licentiato Reutlin vor Verehrung 20 thaler, facit 43 gl. 8 alb.
Item dem secretario Pottgiesser 10 thaler, facit 21 gl. 13 alb.
Item haben dieselbigen, ehe sie zu Richtergen kamen, auf der reisen
verzert ... 17 thaler 7 alb., facit 38 gl. 8 alb.
Item Kumpstoff gegeben 5 thaler, facit 10 gl. 20 alb."
Aber in Jülich wehte für Graft kein günstiger Wind. Darum reichte
derselbe im Juni 1566 eine Klage gegen von Bongart beim Reichskammer-
gericht ein und verwickelte in dieselbe auch den Herzog, indem er behauptete.
Bongart habe sowohl für sich „als auch von wegen austrücklicher ratifikatiou
und befelch des hochgebornen Wilhelmen, herzog zu Gülch neulicher zeit**
angefangen, sowohl in der Herrschaft Schönau wie auf den umligenden
Gütern „neue unerhörte gebot und verbot zu thun, arresta anzulegen, die
— 83 — '
aDterthanen von seinen, Gräften ires angebomen herrn gehorsam abzutringen,
auch abtrag zu heischen** u. s. w. Unterm 7. Juni bestellte er von Duisburg
aus zu seinen Anwälten in Speier die Advokaten und Prokuratoren Georg
Berlingen und Ludwig Stahel. Wegen dieses Prozesses liess sich Kraft
im Jahre 1569 mehrere Zeugnisse über die Rechte eines Herni von Schönau
durch das Gericht ausstellen, die aber nichts enthalten, was nicht schon
aus den früher besprochenen Weistümem bekannt wäre.
Interessanter ist ein Brief des Schultheissen vom 7. Oktober 1568.
Derselbe berichtet über die Brandschatzung der Stadt Aachen durch den
Prinzen von Uranien und gibt Einzelheiten an, von denen sich sonst nichts
findet; auch spricht er von den Verlusten, die Schönau bei dieser Gelegen-
heit erlitt. Er teilt Graft mit „wie die underthanen zu Schönauen grossen
schaden von dem kriegsfolgh erleden haben, aber die halfwinnersch hat
oberaus grossen schaden erleden an ire beisten *, und alles, was sie im
haus gehat iss ir abgenommen worden . . . Vergangen sondag haben vor
der stat Aichen gehalten tussen * zwei und drei dusent von meines g. f. 1.
reuteren und die geistliche geflode* goder daraus gefordert oder
die perschonen . . . . Iro f. g. haben sich sedigen* lassen mit 40000
goltgulden und darzu weiten sie* iro f. g. geschenkt haben 300 müd roggen/
Nach der Niedei'werfung der niederländischen Aufrührer durch Alba
waren viele derselben in die Aachener Gegend geflohen. Einer, Jacob
Kalf von Mastricht, Bürger von Antwerpen, hatte sich im Grünen thal
niedergelassen und dort länger als ein Jahr bei Dieterich dem Wirten zur
Herberge gelegen, als er am 26. Februar 1571 morgens um 4 Uhr durch
die Befehlshaber des Herrn von der Heiden: Vogt, Gerichtsbote und Burg-
graf aufgehoben und nach Heiden geführt wurde. Bei dieser Gelegenheit
wurden etliche seiner Kisten geplündert, der Stall erbrochen, zwei gute
Hengste mit Sattel und Zeug sowie fünf gute Büchsen weggenommen. Der
Bruder des Schultheissen, Edmund von Kichterich, setzte Graft sofort von
dieser „unerhörten und schädlichen handlung** in Kenntnis. Der Gefangene,
berichtet er, solle durch einige, welche in jüngster Zeit justizirt und hin-
gerichtet worden, wegen verübter unredlicher Stücke verklagt sein. Da
beide, der Mann wie die Frau, guten Geschlechts und wohlbefreundet seien,
werde letztere wohl alle Mittel aufbieten, um ihren Mann zu befreien. „Darauf
sie vielleicht auch wol alsbald (dan Bungart sich allerlei indmcht von euer
gnaden befurchten wird) solle gehört werden. Dan so gelt vorhanden, mocht
er wol, ob er schon anders verdient, im beutel gehenkt werden.*' Eine
böse Bemerkung aus der Feder eines Mannes, dessen Bruder Schultheiss
war! Zum Schlüsse fordert Edmund den Graft auf, diesem Eingriffe des
') Vieh.
•) zwischen.
«) geflüchtete.
*) sättigen = befriodicrcn.
•) Der Aachener Rat.
— 84 —
Heideners entgegenzutreten: „want so ime dis nachgelassen und zu gut bleiben
würde, wird unser* und aller euer gnaden armer underthanen alhie, so
sich ime jemals im geringsten widersetzet haben, ubele gew . . .* werden,**
Am 1. Februar 1572 ernannte Graft von Duisburg aus den Stefan
von Richterich, der ihm ebenso wie sein Vater und Ahnherr treu gedient,
zum Schultheissen in Schönau mit 50 Thaler Gehalt, den Qerichtseinkünften,
den Erträgen des Schultheissenamtes und dem zehnten Pfennig aus den
fallenden Brüchten.
Nach dem Tode Craft's gingen die beiden überlebenden Brüder mit
dessen Witwe einen Vertrag ein. Sie hielten denselben jedocli nicht, noch
zahlten sie das festgesetzte Wittum. Dafür schloss Margarethe beide von
ihrem Testamente aus, gab aber den Kindern derselben wie auch denen
ihrer Schwägerin Elisabeth von Wylich je einen goldenen Ring mit einem
Totenkopf als Andenken ^.
e) Dieterich von Mylendunck, Herr zu Mylendunck, Drachenfels,
Reuland, und Gothard von Mylendunck, Herr zu Goer, Fronenbroich
und Meil werden als die Erben der „Meidericher Güter", d. h. der Besitzungen
Grafts II bezeichnet. Am 8. August 1574 empfing Gothard den Eid der
Schönauer, jedenfalls auch für seinen Bruder, denn in den folgenden Jahren
treten beide als Herren von Schönau auf. Eine Rechnung verzeichnet die
Kosten der Huldigungsfeier: 4^» Gulden! Dafür erhielten die Unterthanen
ein Ohm Bier „und etlich brot und keis darzo**.
Während der Monate Juni, Juli und September war Gothard im Gornelius-
bade zu Aachen mit der „ Taghaltung ** seiner Schwägerin von Meiderich
beschäftigt; die Kosten bezahlte der Schultheiss mit 60 Thaler ad 52 alb.
und 6 alb. So viel kostete ein Vertrag, der wie die Witwe klagt, doch
nicht gehalten wurde.
In demselben Jahre beauftragte Dieterich den Richter zu Meiderich,
Herman Krain, von den Stiftern Essen und Werden die Höfe Münster-
hausen und Hesingen zu erheben, so wie „bruder Graft und weiland her
vater Dieterich sie inne gehabt**. Zur Erhebung Münsterhausens ist es
damals noch nicht gekommen, denn am 3. Dezember 1575 forderte die
erwählte Äbtissin von Essen, Elisabeth Gräfin von Manderscheid-Blanken-
heim Dieterich auf, das Gut durch Rückzahlung des Kapitals nebst Zinsen
zu befreien und es in gehöriger Form durch Empfang des Lehenbriefs und
Ausstellung der Reversale zu Lehen zu nehmen, damit sie nicht genötigt
werde, auf grund des Lehnrechts gegen ihn vorzugehen. Das Reversal
Dieterichs datirt denn auch von 1575. Nachdem er gestorben war, richtete
dieselbe eine gleiche Aufforderung am 22. Mai 1576 an seinen Sohn Johann.
Die Brüder leisteten auch Zahlungen an das Kloster St. Maxirain
„uf die resterende Pensionen**. Eine solche von hundert Thaler findet sich
in der Schultheissenrechnung von Warden.
*) Der Richterich. *) Das Wort ist zerstört. •) Richardson, Geschichte der
Merode I, S. 158.
— 85 —
Der Streit mit dem Herrn von Heiden, den die Brüder von Graft
geerbt hatten, wurde unter ihnen nicht nur nicht beigelegt, sondern ent-
brannte noch ärger. Die Heftigkeit, mit welcher Wilhelm von Bongart
gegen die Mylendunck vorging, ist gewiss grösstenteils hervorgerufen
worden durch die Bemühungen Dieterichs die Herrschaft Heiden an sich
zu reissen; Bemühungen, die Wilhelm trotz seinem unbestreitbaren Recht
einen Prozess am Reichskammergericht aufhalsten. Doch ist es sehr zu
bedauern, dass er sich durch Bestreben, auch seinerseits Thatsachen für
seine Gerichtsbarkeit in Schönau aufweisen zu können, zu Grausamkeiten
gegen die wirklich „armen** Unterthanen hinreissen liess, die doch am
Streite der Herren keine Schuld trugen. Es war eben die alte Geschichte:
plectuntur Achivi! Ein Beispiel zur Erläuterung der damaligen Zustände.
Zwei Weiber gerieten in Streit und zerzausten sich „tapfer**. Als einige
Zeit nachher der Mann der einen im Wirtshause sitzt, tritt die andere
herein, beschimpft ihn und sticht dann den auf sie eindringenden mit einem
Messer in Brust und Beine. Die Messerheldin war übrigens schon wegen
ihrer Frevelthaten aus dem Reich Aachen verkürt, d. h. verbannt. Der
Schultheiss verhaftete sie und brachte sie auf das Haus Schönau, wo sie
gefangen blieb, obwohl ihr Bruder sich zur Stellung einer Sicherheit erbot
und die Jüiicher Räte die Brüder Mylendunck mehrfach aufforderten, sie
gegen eine solche zu entlassen. Nun liess Wilhelm den Halfen von Schönau,
der mit der Sache gar nichts zu thun hatte, eines Sonntags nach der
Messe festnehmen und hielt ihn in Heiden gefangen. Dieterich schickte
den Edmund von Richterich, der ihm die Kunde brachte, nach Köln zum
Licentiaten Salzfas, um sich dort Rat zu holen. Dann gab es ein endloses
Hin- und Herschreiben zwischen Jülich, Schönau und Heiden, Befehle der
Jülicher Räte, ja des Herzogs selbst zu gunsten der Gefangenen, aber die
Herren kümmerten sich nicht darum. Bongart liess dem Notar, der ihm
ein solches herzogliches Edikt überbrachte, durch den Burggrafen sagen,
er werde es mit dem Halfen genau so machen wie die Mylendunck mit der
Nes^; komme diese los, sei es mit oder ohne Sicherheit, dann auch jener.
Am 25. August 1575 beauftragte der Herzog seinen Vogt in Eschweiler,
die Cautionen in Empfang zu nehmen, welche Wilhelm von Bongart einer-
seits, die Brüder von Mylendunck andrerseits wegen der Gefangenen „ausser-
halb irem gebeide^ zu thun geneigt**. Aber die Freilassung erfolgte
trotzdem nicht. Noch im folgenden Jahre erging ein neuer Befehl des
Herzogs an Dieterich, und weil derselbe „dem ungeachtet bei seinem unbilligen
furnemen** beharrte, die Aufforderung an Bougart „des Mylendunck auf-
kümsten, gulten, zins, pensioneu, renten, pechten und andere guter**, soweit
er daran kommen könne, mit Beschlag zu belegen.
Bald darauf ist Dieterich gestorben, und Gothard war alleiniger Herr
zu Schönau. Es finden sich noch einige Briefe von ihm vor, die nicht ohne
*) Agnes.
«) Gebiet.
— 86 —
Interesse sind. Am 2. Juli 1570 verbürgte er sich dem Erzbischofe
Salentin von Köln fiir eine Summe von tausend Goldgulden zu gunsten des
aus der Haft entlassenen Mtinzmeisters Peter Bossenhofen. „Nachdem der
hochwirdig fürst und her, her Salentin erweite zu erzbischofen zu Coeln
und churfürsten, herzogen zu Westphalen und Engeren, myn gnedigster her,
Peteren Bossenhofen raünzmeisteren zu Thoirn seiner eingezogener haftong
alhie zom Bruel on einige verletzong seiner ehren und guten leumden
gnedigst erledigt, so haben dessen fruntschaft^ aus eigener freimuetiger
beweguug zu underthenigster dankperlicher erkentlichkeit irer churfürstUchen
gnaden tausend goltgulden oder der wert darvon zu schenken zugesagt
und verheischen, welche obberürte summe gelts ich Goedthart, her von
Millendunck und zu Goer als rechter und warer selbstprinzipal uf und
über mich genomen gleich meine eigene erkentliche schult uf von heut
dri gahr ihrer cf. g. on einige exception, hinderung oder mangel onfelbarlich
zu erlegen . . . Geben zom Bruel den zweiten tag julii anno 1570/
1572, April 9. meldet er von Fronenbroch aus der „durchlauchtigsten
hochgeporenen fürstin und frauen Amelia, pfalzgräfin bei Bhein und chur-
fürstin herzogin in Bayern, geb. gräfln zu Neuenahr und Lymburg", er
habe von ihrem Abgesandten, Herrn Wilhelm von Schonnenperg die Briefe,
ein „vessgen gesalzten wilbräts** und die Anweisung auf 200 Thaler für
den Schönenberg empfangen. Der Herr erhielt das Geld aber nicht; in
spätem Briefen klagt er, er habe die 200 Thaler sehr gut zum Ankauf
von Zeltern für seine gnädige Frau vei-wonden können, wenn er sie gehabt
hätte. Auch beschwert er sich darüber, dass Gothard im Trunk ihn mit aller-
lei Schmähreden übel angefahren habe. Gegen diese Anschuldigung verteidigt
sich Mylendunck mit der boshaften Bemerkung, er habe dem Herrn nur aus
Freundschaft die Wahrheit gesagt.
Einen Blick in sein Familienleben gewährt ein Brief an seine Frau
in Fronenbroch ohne Datum, aber jedenfalls nach dem Tode Grafts n
geschrieben, da es sich um dessen Gut Soiron handelt. „Ich mag eur liebden
gute zeitong nit unangezeigt lassen, wie unser Hergot mir einen bequemen*
man zugeschickt hat, alle dinge zu Soron glimpflich zu erforschen. Er
ist erwünscht herzo und ein man, der dem evangelio ganz ergeben.
Er hat schon vernomen, wie der zehend zo Soron dem hern halb zukumt
und zom geringsten sexich malter spelzen ausbringt, davon nit ein körn
in den rechen Schäften befunden. Ob nun mein swager von Willich mitler-
weil zu euer liebden queme, so wult ime hie von nichts sagen.** Das Ver-
hältnis zu seiner Frau scheint recht gut gewesen zu sein. Er spricht
mehrere Male sein Verlangen nach ihr aus und beteuert, er wäre gern herüber-
gekommen um sie zu begrüssen, wenn er auch gleich wieder aus folgender
Ursache nach Meil hätte gehen müssen. „Dan der pastor daselbsten dem
cüster ein kind nach altem herkomen getauft und unbedechtlich on einigen
*) Freunde.
*) tüchtig, brauchbar.
— 87 —
argwon, wie mir angelangt', gesprochen: ich teufe das kind in nomine
pater et Alias et spiritus sanctus, wuchs nit am sinn und Wirklichkeit
sonder in der latinischer Ordnung gefeit, wilch versprechong * der pastor
nit gestendig. Also ist das lam peflfgen her Lambert zo dem cüster komen
und gesagt: euer kind ist ein heid in der kirchen gebracht und widerom
herausgetragen, dan der pastor hat es nit getauft. Do hat der cüster
begert, deweil es noch heidnisch und nit christisch were, das er her
Lambeit es taufen wul, wuchs dat peflfgen ungiltig gethon, dan es ime
gezimt het, den cüster in dem zo ermanen und abzohalten, ich gesweige,
das er die widertaufung getan haben sol. Wilchs ein sulch geschrei
allenthalben gemacht, das ich ein mirkliches darum geben wul, das es nit
geschehen were, dan ich in sulchen feilen alzeit mer ... ^ als ein anderer
sal leiden müssen.** Gothard sendete mit dem Briefe seiner Frau eine
Dose Ingwer und „appelen von arany enschalen " ^, gegen Pfingstabend wrd
Vestgen nach Fronenbroch kommen und ein Kalb, einen Hammel und ein
Lamm bringen. „Ich werde alle möglichkeit thun um jonge hoener zo
bekomen**. Auch bittet er die Gräfin Isenburg und seine Schwägerin gut
zu bewirten. „Ich hab dem jeger zwelf daler gethon um euer liebden zo
befriedigen**, doch mit dem Bedeuten, er habe dero geschrieben „wohin
sie dieselben von meinetwegen keren sol**.
Gothard ist vor 1579 gestorben, denn in diesem Jahre findet eine
erste Erbteilung unter seinen Kindern statt. Diese hiessen : Agnes, Elisabeth,
Herman Dieterich, Gothard, Graft, Baltasar.
Agnes heiratete am 15. Juni 1590* den Grafen von Hörn. Sie erhielt
zur Aussteuer u. a. auch den „An wachs zu Poll**, worauf später die von
Blanche Anspruch erhoben. Im Jahre 1592 schreibt sie an den Bruder
Herman Dietrich, ihr Mann wünsche, Dierich solle so lange bei Meister
Philips bleiben, bis er (Herman) wieder ins Feld rücke; sie wolle, dass
der Magister den Dierich alles lehre, was er kann, und 1596 teilt sie dem-
selben mit, sie habe schwer an Stein gelitten und werde mit Hermans Frau
nach Spa gehen. Es sei nicht wahr, dass sie ihrßn Schwager mit Hermans
Gütern bereichern wolle, sie und ihr Mann dächten nicht daran. Man rede
davon, dass der Gouverneur von Limburg Viliar (eine Besitzung des
Herman) kaufen wolle.
Gothard erhielt bei der Teilung von 1579 die Herrschaft Soiron; er
starb ohne Erben. Ob der eben genannte Dierich sein unehelicher Sohn
war? Am 13. Juni 1587 dankt Herman Dieterich seiner Mohn von Goer
für ihr Beileid beim Tode des Bruders Gothard. Der mehrfach erwähnte
^) mitgeteilt.
*) Irrtum, lapsus linguae.
^) Die Stelle ist unleserlich. Die Verantwortung für den unwissenden Pfarrer fiel
auf den Patron zurück, der als Calviner in besonders unangenehmer Lage war.
*) Orangenschalen.
*) Datum der Heiratsverschreibung.
/
— 88 —
Erbvergleich wurde am 6. Juli 1579 geschlossen. Derselbe ist unterzeichnet
von Herraan Dieterich, Wilhelm von Braunsberg, Dieterich von Wylich
und Dieterich von Mylendunck^, dann noch von Agnes und Elisabeth von
Mylendunck. Nach einem notariellen Auszug vom 11. August 1611 bestimmte
der Vertrag: Da genannte Herren als nächste Verwandte und Freunde
aus erheblichen Ursachen nicht für ratsam befinden, dass die Brüder in
gemeinsamem Besitze der elterlichen Güter bleiben, so haben sie mit Ein-
willigung des ältesten Sohnes Herman Dieterich zwischen ihm und seinen
Brüdern also geteilt.
Herman Dieterich erhält das Haus Goer mit der hohen und niedern
Gerichtsbarkeit, mit Büschen, Wäldern, Feldern, Heiden, Fischteichen,
Mühlen, Ackerland, Höfen, Benden, Weiden, Baumgärten, Zinsen, Pachten;
sodann Neer, Eoggel, Buggenheim; die Herrlichkeit PoU und Panhedell
mit Mühlen und allen Gütern; den Hof Hastenbaur im Amt Montfort
gelegen; die Hoheit und Herrschaft Meil samt der Pleien und das Gut zu
Suillen mit allen Einkünften, Abnutzungen und Pertinentien.
Dagegen erhalten die drei anderen Brüder Gothard, Graft und Baltasar
die vier Herrschaften Fronenbroch, Soiron, Schönau und die halbe Ward
mit dem Hofe Niedermerz, die Rupperger Höfe mit allem Ackerland unter
Wachtendunk gelegen, die Schwalmer Höfe zu Wanlo, alle den Herrlich-
keiten und Gütern anklebende Gerechtigkeiten, Holzwachs, Wälder, Felder
Heiden, Ackerländereien, Baumgärten, Weiden, Benden und alle anderen
Pertinentien.
Gothard starb 1587 und Baltasar, der jüngste der Brüder, wurde
1590 münüg. Nun schlössen die drei überlebenden einen neuen Vertrag
über des Verstorbenen Erbschaft, aus dem wir noch einige Punkte des
früheren Vergleiches kennen lernen, die im vorstehenden Auszuge nicht
enthalten sind.
„Als und nachdem vor etlichen verflossenen jaren zwischen denen
edlen und wolgeporen herren Wilhelmen von Braunsperg, hern zu Borg-
brol . . ., Dederichen hern zu Milenduuck und Drachenfels gotsieliger gedacht
und Dederich von Wylich, hern zu Dysfort als negst gesipten angeporn
verwanten und vormundern dero auch edlen und wolgeporen hern Gräften,
Godharten gotsaliger und Baltazam geprüderen heren von Mylendunck,
herrn zo Fronenbroch, Zouron, Schonawen und zur Warden eines- und des-
gleichen edlen und wolgeporen herrn Herman Diederichen hern von Mylen-
dunck, hern zu Goer und *Meil anderteils eine erbliche immerwerende
fruntliche bruderliche erbscheidung und vergleichung dero elterlicher nach-
verlassenschaft halber beramt aufgericht inge williget auf- und angenomen
worden, darinnen under anderen deutlich begrifl'en und vermeldet, dass
obgemelter her zu Goer und seine erben gesagten dreien hern geprüderen
^) Ältester des oben besprochenen Dieterich von Mylendunck-Drachenfels. Er starb
1584; sein Bruder Jobann folgte ihm in der Herrschaft Mylendunck. (Syllabus.)
— 89 —
zu Fronenbroch, Zooron und Schonauen und ire erben alle und jeglichs
jars aus seinem zugeteilten erbpatrimonial kindsgeteils eine namhaftige
somma von pfennongen erstatten und zalbar machen solle: und dan volgents
darnacher angedeuter Goddart her zu Zouron, der zweiten broder, in den
Hern mit dot abgescheiden, dohin sein anererbet erbpatrimonial kindgeteils
auf seine vurschreven . , . drei geprüdern ... in der proprietet ererbet
und gleichwol er, Herman Diederich, vorgesetzte somma von pfennongen
... zu verrichten schuldig geplieben ... so haben sich desfals heute
oftgemelte drei hern fruntlich lieblich und bruderlich under einanderen
vereinbaret vergleichen und verdragen, dass vorbestimte . . . somma von
pfennongen . . . soll vor zalbar gemacht abgeschaft und hiemit gedodet
und gedempt sein und pleiben. Dagegen sich dickgemelter her von Goer
vor sich, seine erben und nachkomen . . . aller und jeglicher zum dritten
teil an der herschaft Zouron anererbter und zugefalner gerechtigkeit ganz
und zumal hiemit begeben und entschlagen und dieselbe auf beide seine
geliepten brodern transportirt übergeben und uberdragen hat . . . Was
aber durch die drei vorbenente hern . . . allenthalben beiderseits bis anhero
genossen und empfangen, soll imgleichen hiemit abgeschaft gedodet und
gedempt sein und pleiben. Des sollen mehrgedachte zwei hern Graft und
Baltazar gehalten und verbonden sein, die naturliche dochter des abgestorben
hern oheimen Gräften heren zo Meiderich . . . ires zugedingten und ver-
sprochen heiligs pfennong halber allein zu contentiren und zu befredigen;
dagegen soll denen vurschreven zweien hern geprüderen auch allein die
bis anhero in der herschaft Zouron erfallen . . . gülden, Zinsen, renten,
pachten . . allein competiren . . . Actum auf dem schlos Milendunck am
26 julii stilo reformato . . . 1591.
H' Dether von Milendonck h. z. G. mpp. Krafft her von Milendonck.
Balthasar her von Milendonck. Johans her zo Milendonck.**
Die „somma von pfennongen**, welche Herman Dieterich seinen Brüdern
hätte auszahlen sollen, bestand aus 262 Thaler 18 Stüber jährliche Zinsen
oder 5252 Thaler Kapital; aus einer jährlichen Rente von 100 Goldgulden
wegen dt^r Pleyen, und aus einer einmaligen Zahlung von 400 Thaler wegen
der Mobilien des Hauses Goer. Weil Herman seinen beiden Brüdern die
Herrschaft Soiron ganz überliess, verzichteten diese auf das bare Geld und
übernahmen noch die Aussteuer ihrer unehelichen Base.
Die Vormundschaft hatten die Herren von Braunsborg und von Wylich
geführt. Letzterer lag im Oktober 1584 acht Tage im Aachener Gornelius-
bade zur Herberge um mit dem Maier von Soiron sowie den Schultheissen
von Schönau und zur W'arden Rechnung zu halten. Er „verzehrte** 25
Aachener Thaler ad 26 Mark und 10 Albus und „vertrank** 19 Gulden
10 Albus. Für die Pferde, die in der Herberge zum Klotz standen, wurden
3 Gulden 12 Albus bezahlt. Den ganzen Betrag sollte der Schultheiss
von Schönau in die nächste Rechnung bringen.
— 90 —
Im August desselben Jahres hatte Gothard bei Paulus Garzweiler in
Aachen 31 Aachener Thaler 12 Albus verzehrt, die ebenfalls aus den
Schönauer Einkünften bezahlt werden mussten.
Der Herr von Braunsberg bezog aus Meiderich Jahrgelder, wahr-
scheinlich als Mitgift seiner Frau. In den Rechnungen des Wardener Schult-
heissen, Simon Nobis von Linnich, aus den TO®*" und 80®*" Jahren, welche
teilweise noch von Gothard unterschrieben sind, findet sich der Posten:
„Zu zalung der Pensionen, so dem hern zu Burgbroel zu maii aus den ver-
lassenen güteren des hern zo Meiderich selig gefallen, laut der quitanz
geliebert 100 bescheiden goltgulden ad 9 gl. 2 alb. Noch 20 aide engeletten
ad 6 gl. 4 alb., darzu 8 aide richsdaler ad 11 m." Herman Dieterich,
gewöhnlich Herman Dieter genannt, Herr zu Goer, Pesch, Meil, Poll,
Panhedel, Viliar, Andrimont und Brunau hat zwar mit Schönau weiter
nichts zu thun, aber seine Geschicke sind der Aufzeichnung wohl wert.
Um jedoch die Geschichte Schönaus nicht zu lange zu unterbrechen, ver-
Aveisen wir die Darstellung seines bewegten Lebens in den Anhang. Bei
der Erbteilung zwischen seinen beiden jungem Brüdern wurde
f) Baltasar von Mylendunck Herr zu Hüls, Warden und Schönau
(1590 — 1629). Er empfing die Huldigung in letzterer Herrschaft „ad instar
maiorum" im Jahre 1590. Die Rentraeisterrechnung sagt: Item bei Gillissen
im beer verzert worden, als min her zu Schönau gehult worden: 22 gl.**
Sein Bruder Graft, der 1617 starb, ist jedoch Mitherr gewesen, wie aus
manchen Thatsachen hervorgeht.
1589 befand sich Baltasar im Corneliusbade zu Aachen. Die Rechnung
bietet einiges Interessante. „Den 4. februarii iss mein her Baltasar von
Milendonk sein edel leifden heir ankomen des soterdach zo morgen und
strack gebat und in't bat ein kan wins und ein pot beers. Noch 1 molzit
vor min her und 2 molzit vor die knecht. Des noemidachs, do der Schröder *
hei was, des heren van Fronenbroch sein koller zo schneiden 5 pot beers.
In't bat vor mein her 3 pot beers, in't bat vor Hansen und die zwei anderen
9 pot beers. Des sondachs zo midach 2 molziten vor menher und 1 molzit
vor Hansen. Dinstach als mein her van Sorron quam, strack gebat und
2 pot beers gehat. In't bat 2 pot beers und Hansen 3 pot beers. Goes-
tach zo morgen 1 kann wins in't bat vor mein her und die zop vor
Hansen 4 stüber. Noch des nomidachs 3 pot beers. Des ofens * 2 molziten
vor mein her und 2 kannen wins die kann 7V2 nierk." Mit Ausschluss des
Hafers für die Pferde, den der Schönauer Schultheiss lieferte, betrug die
Wochenzeche 13 Thaler IV2 M.
1594 hatte Baltasar mit seinem Bruder Craft das „putzbat** bei dem-
selben Wirte 80 Tage lang inne; das kostete täglich einen Thaler. In
dieser Zeit nahmen die Brüder mit ihrem Rentmeister Vietwigh und mehreren
*) Schneider.
') abends.
— 91 —
adligen Herren 341 Herrenmalzeiten 4 10, die Knechte 230 Dienennahlzeiten
i 6 Buschen ein. Auch ein Soldat, Derich van Ham, badete daselbst auf
Kosten Baltasars.
Der in der ersten Rechnung genannte Herr von Soiron war Graft III.
Die Herrschaft wai- ihm nach dem Tode des älteren Bruders Gothard
zugefallen; er verkaufte dieselbe bereits im Jahre 1591 an den kölnischen
Hofrat Carl Billeus und bevollmächtigte Baltasar, das Gut dem Käufer
vor dem Limburger Lehenhofe zu übertragen.
Beide Brüder waren stetig in Geldnot. 1591 lieh Baltasar von dem
Wirte im Comeliusbad, Simon Hausen, 100 Thaler; bis zum Jahre 1604
war er demselben an geliehenem Gelde, Logis, Kost, Wein und Badegeld
988 Thaler 24 Mark 8 Buschen schuldig; 1605 versetzte er der Witwe
desselben, der er noch 483 Thaler schuldete, eine Jahrrente von 19 Fass
oder Summer Roggen, 7 Kapaunen und 7 Schillingen, wodurch die Zinsen
von 250 Thaler gedeckt werden sollten. Den Rest versprach er zu zahlen
oder in ähnlicher Weise zu sichern.
1612 hatte Baltasar dem Peter Startz, Wirt in der Windmühle früher
Zum Goldenen Verken in Aachen 2 Morgen Ackerland ^von den elf morgen
in der delle im Richterger feld" für 145 Aachener Thaler k 26 Mark ver-
setzt; aber schon 1615 war er demselben 1027« Thaler für Fleisch und
122 Taler für 348 Quart Wein schuldig, den Graft für sich und eine Juffer
Peil hatte holen lassen. Der Wein von dem das Quart 9 Mark kostete,
war in fünf Monaten verbraucht worden. Folgen dieser Misswirtschaft waren
fortwährende Verpfändungen und Verkäufe von Renten und Ländereien,
deren sich aus dem Schönauer Archive allein fast ein Dutzend für die
Jahre 1605 — 1619 nachweisen lassen. Auch die Schwalmer Höfe sind
damals an einen Junker Bruin verkauft worden.
Das edle Haus Mylendunck war in argem Niedergange. Darunter
litten auch die armen Unterthanen. Um die drängenden Gläubiger zu
befriedigen und an Geld zu kommen, missbrauchte Baltasar seine Gewalt
selbst in unmenschlicher Weise. Einige Beispiele:
1593 schlugen sich im Wirtshause an die Kreuzer Erk Nacken und
Clas von der Wehe aus dem Aachener Reich. Dabei nannte des Nacken
Weib den Clas einen Dieb, der ihr eine Kuh gestohlen habe, worauf Clas
mit einer gemeinen Beschimpfung antwortete. Der anwesende Schultheiss
Hess „um seines gepietenden herrn interesse willen** die Sreitenden bis zum
Austrag der Sache in Eisen legen. Er fand, dass der Vorwurf des Dieb-
stahls unbegründet sei, und da beide Parteien für ihr Erscheinen vor
Gericht Bürgen stellten, entliess er die Gefangenen. Drei Monate nachher
erschien Dries Ortmans, der Wirt an die Kreuzer, vor den Schöffen und
erklärte, es seien bei Verhandlung dieser Sache in seinem Hause vor und nach
33 Thaler 21 Albus verzehrt worden, wovon die Compromissarien dem Clas
ein Drittel, der Ehefrau Nacken zwei Drittel auferlegt hätten. Weil aber
— 92 —
Nacken nur 10 Thaler bezahlt habe, fordere er Exekution für den Rest.
Das Gericlit sprach dieselbe zugleich für die entstehenden Kosten aus.
Man pfändete darauf dem Nacken acht alte Tonnen, zwei Brandröster,
einen hölzernen Trichter, ein Spannbrett, eine Braugaflfel, eine Pinte Heu
„die doch gemessen werden soll** und dergleichen mehr; alles zusammen
wurde auf 26^2 Thaler angeschlagen. „Darauf die exekution beschehen.
Und seind dieses tages uncösten mit den gerichtskösten gerechnet ad
8 thaler 20^4 mark**. Die Ohrfeige kostete demnach dem Nacken fast
45 Thaler. Man denke sich diese Summe bei dem damaligen Geldwerte:
das war nicht mehr Justiz sondern Schinderei. (Forteeteang folgt.)
Kleinere Mitteilungen.
1. Aktenstücke ans dem Aachener Stadtarchiv.
(1795—1805.)
Im 3. Jahrgang S. 65 ff. dieser MitteiluDgen hat 0. Wacker eme Abhandlong
über „Die Bevölkerung Aachens seit dem Ausgange des vorigen Jahrhunderts*^ veröffent-
licht. Er hat darin durch Feststellung des Verhältnisses der Gesamtbevölkerung zur Geburten-
zahl, die uns überliefert ist, erstere für das Jahr 1781 auf 21 000 Einwohner berechnet.
Die erste amtliche Volkszählung bringt er für das Jahr 1799. Sie wurde von der fran-
zösischen Zentralverwaltung vorgenommen und ergab 28 699 Einwohner. Nachfolgende
Statistik, die nicht nur über die Bevölkerung der Stadt, sondern auch des Reiches Aachen,
sowie über den Viehbestand in beiden, Aufschluss giebt, stammt aus dem März des Jahres
1 795 und liefert einen schätzenswerten Beitrag zur Bevölkerungs- und Wirtschaftsgeschichte
dieser Stadt und ihres ehemaligen Gebietes.
Stadt Aachen . .
Würseler Quartier
Weidener „
Haarener „
Berger „
Sörser „
Vaolscr „
Orsbachcr „
Glockenklang „
AachenerHeide -
Menschen
23418
2684
1719
1203
}
913
474
303
393
402
31504
Pferde
Kühe
152
372
192
397
82
349
86
290
171
513
91
202
58
123
74
280
68
195
974
2 721
Rinder
6
46
89
66
193
32
23
15
54
524
Nicht uninteressant dürfte vielleicht nachfolgende Probe des amtlichen Schrift-
wechsels aus der Zeit der Fremdherrschaft sein. In der Heftigkeit und Schärfe ihrer
Ausdrucksweise spiegelt sie so recht den erregten Charakter der damaligen, durch
Tbikanen aller Art gequälten und durch beständige Anspannung aller Kräfte bis zur
Erschöpfung in Anspruch genommenen Beamtenwelt wieder.
Freiheit. Gleichheit. Verbrüderung.
Aachen, den 11. Prairial 3. Jahr der Republik. (30. Mai 1795.)
Die Gülich-Aachensche Bezirksverwaltung an die Munizipalität zu Aachen.
Mitbürger!
Unterm 7. dieses ist euch eine Requisition zugegangen, vermög welcher ihr auf
der Stelle acht doppelspännige Karrigen aufl>ieten und unfehlbar unter Straf militärischer
— 93 —
Exekution bieher einschicken solltet; dieser unserer Aufforderung seid ihr mit sträflicher
Verachtung begegnet, massen bis heute nur eine erschienen ist. — Wenn wir nun der-
gleichen Saumseligkeit, wodurch der Dienst der Bepublik nicht allein, sondern auch alle
gute Einwohner, die noch etwas Fourage haben, leiden müssen, nicht zusehen wollen
noch können, so fordern wir euch nochmals, und zwar zum letzten Mal hiemit auf, die
annoch rückständige Karrigen inner 24 Stunden nach Erhalt dieses um so gewisser bic-
hin zu stellen, als gar keine Entschuldigungen angenommen, und ihr im Ausbleibungsfalle
gefänglich eingezogen und auf Wasser und Brod, bis dahin diese Bequisition befolget
sein wird, eingefordert werden sollet.
Heil und Verbrüderung.
Jungbluth, Präsident.
Merckelbach, Secretarius.
Darauf erfolgte nachstehende, abschriftlich erhaltene Antwort:
Aachen, den IS. Prairial 3. Jahr der französischen Bepublik. (1. Juni 1795.)
Da wir den Ausdruck oder vielmehr die Drohung von Einkerkerung auf Wasser
und Brod ersahen, glaubten wir uns auf einen Augenblick in den Zeiten des Despotismus
zurück, wo zufolg Erzählung unserer Nachbaren im Julicher Lande der despostische
Vogt seine Unterthanen nach seinen Gefallen, wenn sie seine Küche nicht sattsam spickten,
drohete und drückte, denn wir als freie Bürger kannten und ertrugen solches nicht und
wollen es auch jetzt nicht ertragen. Kerker auf Wasser und Brot ist Dieben und fraude-
leusen Banqueroutieren, nicht aber Munizipalen, die ihre Pflichten erfüllen, geeignet.
Übrigens scheint Eure Drohung nicht aus dem schätzbaren Werke les droits de Thomme,
noch aus den Qesäzen der französischen Bepublik, sondern aus der Geschichte eines
türkischen Bassa, oder welches auch der Fall sein dörfte, eines Bobespierres en mignature
hergeleitet zu sein«
Da nun das Begimeut Bobespierres en grand ein Ende genomen, so leben wir der
Hoffnung, auch jenes des Bobespierres en mignature erlöschen und nur das Gesäz einer
aufgeklärten und Despotism verabscheuenden Nation herschen zu sehen. Auf dieses
Gesäz berufen wir uns, nach diesem wollen wir behandelt und gestraft sein, wenn wir
nota bene gefehlt haben und mutwilliger Saumseligkeit oder Nichtbefolgung Eurer uns
im Namen des Gesäzes aufgetragenen Bequisitionen überführt sein werden; weilen wir
aber überzeugt sind, in betref der zu stellenden fraglichen Karren mehr als unsere
Schuldigkeit . . . gethan zu haben ... so werden wir nicht ermangeln, uns über diese
niederträchtige Behandlung gehörigen Orts zu beklagen. Wir wollen uns indessen der-
gleichen Drohungen wohl ausdrücklich verbeten und glauben, dass sich jede konstituirte
Gewalt durch arbitraire und despotische Behandlung selbst entehrt, ebenso steht selbige
unter der Zentralverwaltung. Wir vermuten aber, dass solche sich deswegen nicht von
dieser als Schlaven behandeln und bedrohen lassen wird, besonders wenn sie ihrer Pflicht
Genüge geleistet zu haben glaubt, und wir als Munizipalität von Aachen sind in Bück-
sicht der Distriktsverwaltung völlig gleicher Meinung.
Heil und Verbrüderung.
J. C. Bock, Präsident. Startz, Mpal. Vietoris, Mpal.
J. P. Kolb, Mpal. (Munizipal). Pelser, Mpal. Houbben, Mpal.
Dauzenberg, Commissaire de Baumhauer, Mpal.
Police et Mpal. Burenkoven, Mpal.
Decker, Mpal. Pcuschgens, Mpal.
Das von Quix herausgegebene „Wochenblatt für Aachen und Umgegend** berichtet
nach den Notizen eines Augenzeugen in Nr. 137 vom 12. Dezember 1837: „Am 80. Dezem-
ber (1794) fand hier das Fest über die Eroberung Hollands statt . . . (Folgt Beschrei-
bung.) Als die Musik zur Strophe kam Porissent les tyrans, perisse leor memoire stieg
— 94 —
der Präsident (der Zentralverwaltung) von dem Altar mit einer brennenden Fackel in
der Rechten und zündete einen von der Munizipalität angerichteten Scheiterhaufen von
aus den öffentlichen Gebäuden und den Hänsern der Emigrirteu genommenen Feudalzeichen,
pergamentnen Denkmälern, Adelsdiplomen und Urkunden an . . .*'^)
In Nr. 22 vom 20. Februar 1839 desselben Wochenblattes lesen wir: „Am 28. Februar
1795 wurde hier ein grosses Btirgerfest gefeiert über die Fortschritte der französischen
Armee, bei welcher Feierlichkeit wieder ein Scheiterhaufen angezündet wurde, auf welchem
Zeichen der vormaligen Feodalität, Pergaraente-Adelsurkunden und dergl. gehäuft lagen,
die mitverbrannten . . .*'^ Nach diesen dem Geist der Revolution dargebrachten Brand-
opfem beschloss die Zentralverwaltung der Länder zwischen Maas und Rhein, die in Aachen
ihren Sitz hatte, am 5. April 1795 die Aufhebung aller Vorrechte des Adels und der
Geistlichkeit; diese beiden Stände sollten fortan alle Staatslasten tragen wie der dritte
Stand. Über die Art und Weise, wie man der Adels- und Lehnbriefe habhaft geworden
war, belehrt uns folgendes Aktenstück vom 9. Februar 1795.
Liberty, £lgalitd, Fratemitä.
Administration-centrale du pays d'entre Meuse et Rhin. Extrait du procös- verbal
des deliberations de l'administration-centrale du pays d^entre la Meuse et le Rhin, cn la
seance publique du 21 pluviose 8. ann6e republicaine, ä laquelle ont assist^s les citoyens
Simeon vice-president, Goldbek, Vossen, Petitbois, Schmit, Kempis, Jacobi, Clermont, Huberty
et Decamp, Substitut de Tagent national.
L^administration-centrale sur la proposition d*uu de ses membres oui le Substitut
de Tagent national a arret^ et arrete.
Art. 1.
La mnnicipalit^ d^Aix fera faire des visites domiciliares receuillir tous les signes
feodeaux ou parchemins et letres de noblesse qui pourraient encore exister dans la
commune d'Aix et les fera trausporter au comit^ de surveillance.
Art. 2.
A ce sujet eile s'ajoindra 2 membres du comitö de surveillance.
Art. 8.
Elle rendra compte sous trois jours a Padministration-centrale du resultat de ses
recherches.
Art. 4.
Copic de la presente sera envoy('*e a la municipaliU^ d*Aix et au comitö de sur-
veillance.
Sign6 au registre Simeon vice-president etc. et scell<5 du scelle de Padministration-
centrale.
,a' I . o u j 1 ^ Sinsteden, secretaire,
(Siegel in Schwarzdruck.) ^ . ,. .
General-adjomt.
*) Clemens Theodor Porthoa, Politiacho Zustünde and Personen in Dontachland zur Zeit
der französischen Ilorrschafb S. 142.
*) Vergl. 3. Jahrgiuifi; S. ßl ff. dieser Mitteilungen: ^Eln ropublikanisohes Siegesfest in Aachen."
(C. Wacker.) — Eine handschriftliche Chronik des hiesigen Archivs, die die Jahre 1776—17^7 umfasst,
aber leider nur lückenhaft erhalten ist, bringt tiber die Vorgüng« am 2H. Februar 1795 folgende Xotie:
„Februar 28, ist in den eroberten Län<ler zwisohen Maas und Rhein ein BUrgerfest gehalten worden,
welches hier auf folgende Art gehalten wurde. Morgens 1> Ubr begaben sich alle flewalt*»n mit ihren
Fahnen nach dem RtMlontcnsaal, der Sitz der Zentralverwaltung, allwo von dem Präsident eine Rede
von den Fortachritten der republikanischen Wnlfen, von den Siegen in Holland, von den Nutzen und
Vorteil, den wir davon hoffen könnton, gehalten worden; alsdann ging der Zug unter Lautung aller
Glocken über den Kapuzinergraben, durch Kleinmarschierstrass nach dem Markt, wo der Vaterlands-
altar errichtet war. Die Knaben von 8 bis 12 Jahren trugen eine Fahne mit der Inschrift „Hoffnung
des Vaterlandes", die Jünglinge eine Fahne mit der Inschrift „Stütze der Freiheit", die Ackerslente
mit der Inschritt. „NUhrvater des Staates", die Bürger und Burtscheider mit der Inschrift „alle Menschen
sind frei gelmren." Damach folgten die Stadt musikanten, verschiedene Departements, die militairiBohe
Musik, di«' Zentral Verwaltung und dor Stnb. .\ls der Zug allda ankamon, erstieg Bürger Vossen die
Bühne, hielt eine lange Rede von Vertilgung der Tyrannen, von Süssigkeit der Freilieit, von Nach-
— 95 —
Durch Dekret rom 5. Oktober 1793 fahrte der franzSsische NationalkonTent den
Beyolntioiis-Kalender ein, der wohl deshalb, weil er auf , philosophischen Prinxipien*
beruhte, so Tortrefflich ereeignet war, in Tielen Köpfen eine gründliche Verwiming anzu-
richten, flin Ton Napoleon erwirktes Senatsdekret vom 9. September 1805 schaffte die.$es
Monstrum Ton Zeitrechnung aus der Welt. Er verdiente sich dadurch besonders den
Dank aller Historiker, die auf dem Gebiet der Chronologie durch ganz merkwürdige
Leistungen des menschlichen Scharfsinns ohnehin mehr als nötig geplagt werden. Das
freudige Ereignis der Wiedereinführung des altgewohnten Gregorianischen Kalenders
wurde den Aachenern am 19. Dezember 1805 durch folgendes ^AtIs* bekannt gegeben.
Pour r^gulariser le passage du calendrier actuel a celui gr§gorien, qui doit ^tre
suiTi k dater du premier janrier 1806, correspondant au 11 niTöse an 14, les registres,
jotumaux, sommiers, livres de recette et de depense, au lieu d'^tre arr^t<^s le 30 de co
mois, ne le seront qu'au 10 nivöse; de mani^re que les ^tats du mois de frimaire courant
eomprendront 40 jours d*exercice. Tous les bordercaux et objets de eomptabilit^ seront
6ta.blis d*apr^ cette base.
Aix-Ia-Chapelle, le 28 frimaire an 14.
Le conseiller dVut, p«^fet du d<^partement de la Roor.
Laumond.
Aachen, W, BntmM^.
2. Veranstaltiuig von Maskenbällen bei festlichen (xelegenheiten
im vorigen Jahrhundert
unter den festlichen Veranstaltungen im Jahre 1748 zu Ehren der aus Anlass des
Friedenskongresses versammelten Gesandten erw&hnt der Chronist Janssen (bei von Fürth,
Beiträge und Material zur Geschichte der Aachener Patrizier-Familien Band III, S. 161)
auch eines Maskenballes mit den Worten ,Am 16^"" 7^^ wirdt aufin Stadthaus ball masqu6
gehalten**. Es scheint hiemach, dass Maskenbälle bei ausserge wohnlichen Gelegenheiten
einen Teil der festlichen Veranstaltungen bildeten, denn auch bei Anwesenheit des Prinzen
und der Prinzessin von Oranien hierselbst im Jahre 1776 wurde dem Robert Brammertz
erlaubt, seinen Saal zu diesem Zwecke herzugeben. Es ergiebt sich dieses aus einer
Niederschrift in dem auf dem Stadtarchiv beruhenden „ProtokoUum Maioriae extraordi-
narium 1748—1785", die also lautet: Jovis, 27. Junii 1776. Referirte wohlregierender
herr burgermeister freyherr von Wylre, daß gestern gegen abend der majoriae secretarius
Schultz von wegen hcrm vogtmajom freyhcrm von Geyr zu ihm gekommen und, nach
geschehener vertragmäßiger Verkündigung, daß auf heut zum ehrengeleit der dahior
eintreffenden prinz und prinzessin von Oranien durchlauchten eine pfälzische corapagnie
grenadier zur Stadt einrücken würde, das ansuchen getban hatte, daß die herren burger-
meister dem Robert Brammertz dahier erlauben möchten, wegen solcher eintreffung morgen
den 28. dieses abends auf seinem saal einen bal masqu^ zu halten: worauf dann
folgende erlaubniß ertbeilet worden : Auf durch den majoriae sceretarium Schultz nahmena
des herm vogtmajom freyherm von Geyr bey woblregicreuden hcrm burgcnneistcrn
geschehenes belangen, gestalten morgen den 28. dieses am abend auf des Robert Brammertz
saal einen masquirten bal zu halten, als wird dem besagten Brammertz hiemit erlaubt,
darzu seinen saal herzuleihen.
Signatunu Ex mandato
J. Couven, secrotarius.
lasa ein Teil der Kontribution, und darnach warde vom Präsident der Zentralverwaltung ein Sobeiter-
hänfen angezündet, worauf etliche Adols-Urkundeu verbrandt wnnlen, und so wurden diese Narrheiten
beschloiiseu. Die umliogüuden Ortoru mussten hieher boriohteu, aufweiche Art sie dieses gehalten htttten."
— 96 —
3. Zur Geschichte des Kreuzherren-Klosters.
In der Zeitschrift „De Maasgouw'' finden wir in Nr. 3, Jahrg. XVIII, in einem
Aufsatze von Dr. Doppler über das vormalige Krenzherreu- Kloster zu Maastricht auf
zwei Mitglieder der hiesigen Kreuzherren bezügliche Notizen, die hier folgen, weil die
Zeitschrift weniger bekannt sein dürfte und unsere Kenntnis bezüglich der hiesigen
Kanonie der Kreuzherren eine geringe ist. „Michael van Testelt (van Thestel) was de
eerste prior van het klooster; zijn eerste medehelpers waren: Servatius van Hasselt,
Martinus van Leyden, Hendrik van Alost; deze laatste ging later uaar het klooster te Aken.
Johannes Clocker, geboren te Aken, trad aldaar in het klooster zijner orde; hij
werd prior te Maastricht; deze waardlgheid legde hlj na eenige jaren neder, verstigde
zieh daarua wederom in het klooster te Aken, alwaar hij nog lange jaren supprior was.
4. Anordnung einer Prozession durch den Rat.
Die nachstehende „Verkundung einer gemeiner proceßion nfif st. Bochi * tagh anno
löaS*^, die „am sondach den 7 dag Augusti** erfolgte, und deren Urschrift sich im hiesigen
Stadtarchiv in den Akten „Prozessionen" befindet, ist von besonderem Interesse um des-
willen, als die weltliche Behörde, der Rat, die Veranlassung zu derselben gab.
Her pastoir wilt dem gemeinen folk verkundigen und ansagen, wie ein ersam rath
dieser stat zu Ehren des Almechtigen, auch zu aifwendung Gottes zoms für rathsam und
gut bedacht, dat mau nechst künftig dinxtag oever acht dag, nemlich uff sanct Rochi
dag eine gemeine prozession mit innerlichen treuweu hertzen und demuttiger furbit mit
der gantzer cleriseien halten sali, dar zo einen jgligen fleissig ermanen, gegen gemelt«n
dag mit bichten und untfangung des hogwerttigen heiligen sacramentz sich zu bereitten
und innichen für zu nemmen und zu dein.
•) Vgl. auch über die Prozession am St. Rochi Tag, Nopp, Aacher Chronick, Ausg. von 1Ö43, S. 8b.
5. Fleischverkauf in der Fastenzeit
Die „Revidirte Ordnung über Haltung der Sonn- und reyer-Tägen** vom 18. Juni
1731 bestimmte in Nr. 6 bezüglich des Fleischverkaufs: Die fleischheuer, wie imgleichen
die tripiers oder penserien verkäuffer, sollen auff allen geraeinen sonn- und feyer-tägen
allein biß 8 uhreu vormittags, absolute aber länger nicht in denen öffentlichen fleisch-
hallen feyl haben mögen, in ihren privat häußeren jedoch das fleisch zu vcrdebitircn, solle
ihnen nicht benommen seyn, sondern freystehen; als viel aber die hohe festtägen und vor-
nembste festivitäten betrifft, als nemblich Ostern, Pfingsten, Heilig-Sacraments-Dag, Mariä-
Himmelfahrts-Dag, Allerheiligen, Christag und Liechtmeß-Tag sollen die fleischheuere und
tripiers auff diesen tagen ganz und gar nicht, sondern nur allein auff dieser festivitäten
abeuden oder vigilien öffentlich feyl haben und verkauffen mögen; inmassen dan auch
auff denen fasttägen und wan man sich deß fleischspeisens enthaltet, wie weniger nicht
in der viertzig tägiger fastenzeit, ihnen ein solches allerdings verbotten seyn solle. Diese,
das Gewerbe der Fleischer schwer schädigende Bestimmung veranlasste die Greven und Vor-
steher ihrer Zunft dieserhalb vorstellig zu werden, worauf die Herren Beamten am
11. Februar 1750 (Beamten-Protokolle Bd. L) beschl(>ssen : Auf anstehung hiesiger Griefen
und Vorstehern der fleischheuerzunft haben herren Burgermeistern und Beambten zu-
gestanden, daß wehrender dieser faste nszeit die beyde fleischhallen des Montags, Diens-
tags, Donnerstags und Samstags morgens bis 11 Uhren sollen eröffnet und das fleisch
öffentlich verkauft werden mögen, übrigen tagen aber nicht.
Aachen. M, Schollen,
Dbixk von Hkumann Kaatxek in Aachek.
Jährlich 8 Nnminern Ko mm issiona -Verlag
i. 1 Bogeu Royal Oktav. ^"
„ . , , , Cremer'schen Buchhftndlnntr
Preis des Jahrgangs ^^ ,„1,^
4 Hark. in Aachen.
Mitteilungen des Vereins für Kunde der Aachener Vorzeit.
Im Auftrage des Vereins herausgegeben von H. SobSOOk.
Nr. 7/8. Neunter Jahrgang. 1896.
Inhalt; H. J. Gross, Sehänan (Fortsetzung). — J. Fey, Der Maler Johann Adam Ebcrle. --
Bericht über das Vereinsjabr 1895—1896.
Schönau.
Von H. J. Gross. (Fortsetzung,)
Die „gepietenden herren" entblödeten sich nicht grade heraus zu sagen,
wozQ ihr ^Interesse" verwendet werde. Man lese folgenden Fall, Dam
von Souren aus Laurensberg im Aachener Reich heiratete ein Heidener
Mädchen und Hess sich in Kichterich nieder. Unter dem Vorgeben, er
habe seine Schwägerin geschlagen, einen Schöffen gestochen und Klagen,
die nach Scliönau geliörten, vor das Heidener Oericht gebracht, Hess
Baltasar den Dam am 20. April 1598 „abends zwischen tag und nacht"
durch drei Diener „Conrad der ein röhr, Tilman der einen halben spiess
und Apfeldorn der ein röhr und einen dolch trug", in seinem Hause greifen,
nach Schönau bringen und dort in den Turm werfen. Als der Verhaftete
nach Zeugen rief, wurde er mit Schlägen bedroht. Andern Tags ging die
Frau mit einigen Verwandten aufs Schloss um die Ursache zu erfragen.
Baltasar brachte die obigen Anklagen mit der Erklärung vor, sein Gericht
werde sich mit der Sache befassen. Für die sofortige Freilassung forderte
er 126 Goldgulden, eine Summe, welche die Familie weder aufbringen
konnte noch wollte. Nun liess Baltasar den Dam in den Stock legen und
zwar, obwohl derselbe auf die Arme gestellt war, mit den Beinen, so dass
der Unglückliche mit dem Haupte zur Erde hing und wegen der Enge
der Löcher vor Schmerzen jämmerlich schrie. Das vermochte die Frau
nicht anzuhören, sie unterhandelte mit dem edlen Herrn bis auf 64 Thaler,
welche nächsten August an den yimon im Corneliusbad gezahlt werden
— 98 —
mussten! Mit dem, was sie den „armen Unterthanen*' höchst unedlerweise
auspressten, berichtigten diese edle Herren ihre Wirtshausschulden! Dam
erhielt jedoch die Freiheit nicht eher, bis sein Bruder sich für die 64 Thaler
vor dem Aachener Schöffengerichte verbürgt hatte. Bezeichnend für die
Stimmung des Volkes ist folgender Zwischenfall. Die Schönauer Laten
weigerten sich über die Angelegenheit des Dam zu erkennen, weil es sich
um die Rechte des Herrn zur Heiden handle. Wenn sie dem an seine
Gerechtigkeit tasteten, sagten sie, so werde er sie verderben. Baltasar
liess sie durch seinen Fiskal Stückger fragen, ob er sie denn nicht auch
verderben könne? Auf die frivole Frage gaben die Laten die verzweifelte
Antwort: wenn sie durchaus zu gründe gerichtet werden sollten, wäre es
gleichgültig, durch wen.
Das Verhältnis zwischen dem Herrn zur Heiden und den Mylendunck
war demnach noch immer sehr gespannt. Bongart fand bald Gelegenheit
gegen die Brüder aufzutreten. Wir wissen, dass Graft 11 eine Rente von
14 Müdd Roggen und 20 Joachimsthaler auf das Schönauer Hofgut gelegt,
dann aber dem Schultheissen Wilhelm von Richterich gestattet hatte, die-
selbe zu eigenen gunsten anzukaufen. Vom Jahre 1586 würde nun die
Geld- und vom Jahre 1589 ab auch die Kornrente nicht mehr gezahlt,
weil Richterich so viel eingenommen habej dass damit das Kapital bereits
abgetragen sei. Edmund von Richterich, der Rechtsnachfolger des Wilhelm,
schloss mit Baltasar über die Zahlung einen Vertrag ab, den jedoch Graft III
als Mitherr nicht anerkannte, und nun belangte Edmund die Brüder vor
dem Schönauer Gericht. Dieses schloss sich der Auffassung seiner Herren
an, dass die Erben Richterich nach der Reichsordnung „über haben
und also hauptsomma und pension sich selber quitirt habend" Edmund
brachte nun die Sache vor das Hauptgericht zu Jülich. Hier mischte sich
Bongart ein. Er bezeichnete den Baltasar als einen Anstifter von Neuerungen
und Turbirungen, gegen welche selbst dessen eigener Schultheiss mit den
Schöffen protestire. Baltasar erkenne des Herzogs von Jülich Oberhoheit
nicht an, er bedrohe Vogt und Gericht des Ländchens zur Heiden u. s. w.
Dagegen erklärte Mylendunck, er handle nur wie seine Vorfahren, er habe
Schönau von der Sonne empfangen, die Schöffen nicht eingesetzt sondern
vorgefunden „als aus ihren scheffencompen und kisten erhellt" ; des Fürsten
zu Jülich Steuer lasse er fleissig einsammeln und an ihren Ort abführen;
er betrachte sich auch als Unterthan des Fürsten „in erwegung bei mir
Selbsten, ich nit unerweislich verschiedene guter in fürstlicher gnaden
fürstentum Jülich liegen habe, deren ich mich um Schönaus willen ungerne
entblösen solte". Das Gericht zu Jülich hat jedoch den Herrn von Schönau
am 27. Oktober 1604 „ad barbam condemnirt", und als Baltasar nach
Düsseldorf appellirte, geschah ihm dasselbe. Nun ging die Sache an das
Reichskammergericht und dort erkannte man die Reichsunmittelbarkeit
*) Die Reichsordnung: g^estattete nur 5®/o Zinsen ; was darüber hinaus eingenommen
wurde, sollte als Amortisation des Kapitals gelten.
— 99 —
Scbönaus trotz allen Einreden des Herrn von Bongart und des Heraogs
an (1609). Die Folge war, dass Riehterich im folgenden Jahre seine
Klage gegen Baltasar in Speier erhob. 1596 hatten Oaft und Baltasar
gemeinschaftlieh den Hof zu SchöDan verpachtet. Der Prozess mit Kiehterich,
den Graft veranlasste weil er dem Vertrage seines Bruders mit Edmund
nicht beistimmte und der durch die Wendung, welche er in folge der Ein-
mischung Bongarts und des Herzogs nahm, sich zu einer Lebensfrage ffir
den Besitzer von Schönau gestaltete, scheint Baltasar auf den Gedanken
gebracht zu haben es sei billig, dass Graft die Suppe, die er eingebrockt,
allein ausesse. Es ist ein Vertrag zwischen den Brüdern aus dem Jahre
1606 vorhanden, wonach Baltasar Fronenbroch und Graft Schönau haben
solle mit Ausnahme jedoch der Krimioalgerichtsbarkeit, welche sich jeder
in seiner frühem Herrschaft vorbehielt. Dieses Abkommen ist jedoch nicht
zur Ausfuhrung gelangt.
Ahnlich wie in Schönau erging es dem Baltasar in seiner Halbherr-
schaft zur Warden. Hier hatte sein Oheim Graft II dem Wilhelm Keinen
die Rentmeisterstelle auf so lange zugesagt, bis dieser oder seine Erben
wegen aller ihnen zustehenden Forderungen befriedigt seien. Infolge dessen
wurde der Schwiegersohn des Keinen, Simon Nobis, danach dessen Sohn
Wilhelm mit seinem Schwager Lersmacher Rentmeister. Wahrscheinlich ist
auch in diesem Falle Baltasar der Ansicht gewesen, die Erben , hätten
über, demnach hauptsomma und pension sich selber quitirt**, denn er ent-
setzte 1609 den Nobis der Rentraeisterei. Darauf klagten die Erben Keinen
in Jülich ^weil ihnen in administration des schultheissenamtes zur Warden
ohne befugte ursach und bevor ihnen ihrer schadloshaltung halber genüg-
same Satisfaktion beschehen indracht gethan werden wolle**. Die jülichschen
Kommissare verfugten, dass Kläger in dem Stande, in dem sie vor diesem
gewesen, zu lassen und zu handhaben seien, und das Gericht entschied in
erster und zweiter Instanz zu gunsten der Nobis (1614). Baltasar appellirte
zwar nach Speier, die Nobis störten sich nicht daran und Hessen die ErbpÄchte
zu Warden und Höngen mit Gewalt abführen. Noch einige Jahre später
schrieb der Verwalter an Baltasar, die Nobis Erben spielten den Meister,
weil sie den Schultheissen hinter sich hätten; wenn Mylendunck und Graf
Schwarzenberg — der andere Halbherr — nichts dagegen thäten, würde
die Jurisdiktion hoch geschmälert werden.
Derselbe Brief enthält die Hinweisung auf eine Exekution, die von
Jülich aus in der Warden zu gunsten eines Lambert von Volkershoven
befohlen worden war. Zur Zeit des jülichschen Erbfolgekrieges hatte eine
der streitenden Parteien den Wardenern eine Brandschatzung auferlegt.
Lambert war damals Statthalter der Herrlichkeit Berg^ Er hatte den
Hausleuten den Brandbrief erst einen Tag vor Ablauf der festgesetzten
Frist vorgelegt. Während nun der Bote nach Jülich ging um die Schätzung
zu erlegen, geschah der Brand, der gerade die Besitzung des nachlässigen
*) Laurenzberg bei Aldenhoven.
— 100 —
Statthalters traf. Weil Lambert demnach durch eigene Schuld ins Unglück
gekommen war, wollten die Einwohner ihn nicht entschädigen und protestierten
gegen die angedrohte Exekution. Auch wendeten sie ein, Volkershoven
sei exemt, wenn ein anderes Hausmannsgut in Flammen aufgegangen wäre,
hätte dieser Hof auch nichts gegeben.
Noch ein anderes Schreiben, Wardener Verhältnisse betreffend, liegt
vor. Absender ist Henricus Vichenius, einer der mylendunckschen Sach-
walter. Er schreibt: „Wegen reparation des Kackschen^ zu Warden wird
der Palander rentmeister den greven zu Schwarzenberg um beilage
ansprechen . . . Der rentmeister hojBft, ire gnaden werden gelt oder holz
darzu bewilligen . . . Der Palander schultheiss Petrus Palant hat die vroege
I von der Warden hinter sich und ist im jair nicht eins überkommen *', des-
halb das herrengeding ad conservandam iurisdictionem bis dahin hat müssen
anstehen bleiben . . . Habe von Leuffgens verstanden, dass euer gnaden
etliche sumberen korns erblich zu verlassen gemeint; wan dan e. g. auf
jederen morgen nur ein oder zwei albus pfenningsgelt sich vorbehalten, so
pliebe die Jurisdiktion ungeschwecht*."
In der Herrschaft Hüls* sah es nicht besser aus. 1603 bekundete
Baltasar, er habe „in unsern sonderbaren anliegen" aufgenommen 1. von
Heinrich von Brück 600 Thaler Mörsischer oder Crefelder Währung, wofür
das Pachtgeld von 12 Morgen — 2. von Burkart Kreins 300 Thaler, wofür
der Pacht von 6 Morgen — 3. von Wilhelm Müller „unserm gewesenen
diener** 300 Thaler, wofür der Pacht von 5^4 Morgen Land verschrieben
worden sei. Alle diese Forderungen brachte der Schultheiss Arnold Strumig
an sich und da Baltasar nicht, wie er versprochen, das Kapital im Jahre
1608 abtragen konnte, gab Arnold noch 800 Thaler dazu und erhielt 28
Morgen Hülser Erbland in Pfandschaft und Erbpacht. Das Land war in
ganzen, halben und viertel Morgen an Einwohner von Hüls verpachtet (1614).
1622 klagt eine Frau, dass Baltasar ihr 500 Thaler an Zinsen schulde;
sie beantragte Beschlagnahme aller Hülser Einkünfte. Einem Lenzen waren
für 650 Thaler 5V2 Morgen Ackerland verpfändet, die er weiter vergeben
oder gerichtlich verkaufen lassen wollte, wenn Mylendunck das Geld nicht
zurückzahle. Baltasar konnte sich mit Recht in einem Briefe an den
Gubernator, worin er um Aufschub einer Exekution bat, einen „armen**
Verwandten des Hauses Mors nennen.
Dazu litt er häufig an Gicht und Wechselfieber. 1616 und 1625
haben ihn diese Krankheiten arg mitgenommen. In letzterm Jahre schreibt
er an seine Tochter Marie: „ich fahe an in dem gemach mit einem stecken
zu gehen," und vom Wechselfieber: „der allmechtige getreue Gott wolle
*) Kax = Pranger.
') nicht einmal hergekommen.
*) Nicht ohne Salz ist die Begründung dieses Rates: „Cavendum est a rusticis,
quaemnt quae sua sunt ut a subiectione des markgelts et aliis consuetis ac debitis oneribus,
quae pluris successu teraporis aestimanda quam prctium, exiraantnr.
*) Hüls bei Crefeld.
— 101 —
mich davon erledigen, wan es sein göttlicher willo und mich sftlig ist»"
Baltasar führte gern erbauliche Reden. Als ihm der Bote Drischgcu mit-
teilte, dass auf Ostertag die Mauer an der Tränke in Schönau eingestUrRt
sei, schrieb er: „Ich hette wol mehr glucks bedurft; aber man muss allos
mit geduld von Gottes hand annehmen/ Weniger erbaulich war sein
Lebenswandel,
Nach einem Schönauer Stammbaum war Baltasar mit einer von Ilornt
verheiratet gewesen. Aus dieser Ehe stammte eine Tochter, Agnes, wohrho
den Johann von Kessel, Witwer von Helene Speo, ehelichte. Den HelraiH-
vertrag, der vom 27. März 1618 datirt, haben wir bereits mitgeteilt. Im
folgenden Jahre bestellte Baltasar seinen Schwiegersohn als Vortreter, um
alle im Lande von Kessel aus der Neuenarer Erbschaft fallenden (4ebUren
zum dritten Teile zu erheben, da er selbst wegen „loibsHchwachfieit,
weitentsessenheit und anderer ungelegenheit** das nicht könne. Die Kinder
des Johann und der Agnes waren Baltasar und Adolf v(m KcHseJ.
Nach dem Tode seiner Frau Hess sich Baltasar von Mylendunck mit
der Tochter des Rentmeisters von Fronenbrocli, Helene Brauhoff', ein. Hie
gebar ihm drei Kinder: Amandus, den spatem Herrn von Hchönau, Anna
Maria, welche am 21. Oktober liS'M in Hörstgen mit Adolf von HillenH-
berg getraut wurde, und Agnes.
1629 war Baltasar zum Tode erkrankt Auf dem Htxjrbebett^^ hei-
ratete er, jedenfalls um die Kinder zu legitimieren, die Brauhoff, ^Auf
Begehren Amandi von Mylendunck" ernchienen am 6. März „neuen kalen-
ders* vor dem Notar Pin Herman vom Hirtz genant von der Landwkron,
Johan Jakob und I*>ak von Streithagen zu Ursfeld*, Mathia?* Brtill, Handel»-
mann der Stadt Aa^rhen, Quirin Becker, Johan und l>;mmen OrtinAfw,
Untersass»^n der Herrlichkeit S^honau und erklarten: heut/* vorrnittÄg»
habe der Herr Balta>ar von Myl^r.dunck die „f^hr- und tutreridreiche* Krao
Hilleken Brauh'^ff zu »einer eh^-li^hen Hi'j-ifrau getra'jt und zwar nf'U^n
sie, «la beide der ref-niiierten KfV.in j^. ar.:.'^J,">r^^:n. dur^rh ein^rn I'r4dikant>rn
zusanin^en ge^o'^on w<^r«jf:n. Die Ze.^'-^a l-;k;r.den ^V-r Har,'J!jr*g */ei'
gew' L^t z\ L-i'-er;. r.^'h denn \V'.K:'\.rr./j: \W.*'^.-^r ^*/h \mi ^r^'J*H a*if-
richte:- d. z:^:://, '].-:-> **^.k-" l^S- ^ \:A -j v-i v(;r-*;i'.!^ **',<rr,':e. '\m f]*-;/^
nectes r.l: •] irr-:'?. .:./ *'%*.vr r-- :/^:. :,.: : l. :,/.':. '.:A fr-: ^'/-f./i/ ;, v^ri,' h
bf^ii.-- s.* ' 't ! ■^"--r *-' ^ **-' *■'■• \ > • - ! '^ " ->. ► '. •' ' '•• 'i'-'f^'' *'; '.^ti
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ilari -f -•.:.' z r r<:. '■ /: -: . :.'.*\-:.'
— 102 —
gesetzt, die beiden Töchter sollten je 6000 Gulden erhalten. Ein Codizill
bestimmte noch, dass Schönau an eine der Töchter fallen solle, wenn
Amandas ohne eheliche Nachkommen sterbe.
Nach dem Tode des Vaters ging Agnes zu ihrem Vetter Baltasar
Brauhoflf, dessen „rechte möhn" ihre Mutter war und heiratete denselben
1630. Bevor sie nach Rees kam, wo Brauhoff in Garnison lag, hatte sie
sich eine Zeitlang zu Neukirchen in der Grafschaft Mors aufgehalten, von
wo sie folgenden Losschein mitnahm.
„Ehmwürdige wolgelehrte herren und vielgeliebte brüder in Christo.
Demnach vorweiserin dieses, Jungfrau Agnes von Mylendonck, aus geheimen
sonderbaren Ursachen, inmassen e. e. von erstgedachter person münd- und
gründlich zu vernehmen, eine Zeitlang sich bei uns aufgehalten, auch für-
habens gewesen, mit ihrem cognato Baltasar Brauhoff genant, so jetzo in
der herren staden diensten zu Rees liegt, assentientibus parentibus ehelich
copuliren zu lassen, worinnen nechst reifer rathschlagung mit schrift- und
rechtsverständigen leuteu rebus sie stantibus dis orts were wilfahrt worden ;
dieweil aber Unsicherheit halben anhero zu kommen sponsus unrathsam zu
sein erachtet: so wird gemelte Jungfrau verursachet ihren weg nach Rees
zu nehmen und daselbst nuptiarum consummationem gebürlichen zu gesinnen,
wie auch um deswillen gegenwertige attestatio von mir begeret, so ich
dergestalt nicht weigeren können. Zuversichtlich mich verlassend, e. e.
werden diesem allem glauben zustellen und in diesem casu matrimonial!
also prozediren, damit laesa conscientia befriediget, ärgernus abgethan und
grösser übel verhütet werde. Hiermit e. e. samtlich und sonders in den
schütz des Allmächtigen empfolen. Actum Neukirchen in der grafschaft
Morsch den 25. junii 1630. E. E. dienstwilliger mitbruder Fridericus
Casimirus Sohnius minister verb. div. mp."
Agnes starb bald nach ihrem Manne. Sie hinterliess zwei Kinder,
deren sich ihr Schwager Adolf von Hillensberg annahm. Der Knabe starb
und wurde zu Warden begraben, die Tochter Anna Maria Brauhoff heiratete
den Wilhelm de Blanche.
g) Amandus von Mylendunck, Herr zu Schönau, Hüls und Warden
(1629 — 1674), ein wahrer „Johann ohne Land". Noch am Sterbetage seines
Vaters nalun Amandus unter Beobachtung aller Förmlichkeiten Besitz von
Schönau, wobei ihm die Herren Johann von Keverberg-Meven, Herman
von Hirtz und Baltasar von Streithagen als Zeugen dienten. Aber während
er sich in Fronenbroch befand, wohin er die Leiche seines Vaters zu
Grabe geleitet hatte, nahm sein Vetter Adolf, ein Sohn Herman Dieterichs,
der Präsident des Reichskammergerichts, der von Baltasar zum Testaments-
exekutor ernannt worden war, Schönau mit bewaffneter Hand ein und
zwang selbst die Mutter sowie die Schwestern des Amandus ihm den Treu-
eid zu leisten. Den Grund, mit welchem der „president**, wie er gewöhn-
lich in den Akten genannt wird, die Gewaltthat rechtfertigte, kann man
sich leicht denken: er bestritt die Ehe des Baltasar mit der Brauhoff und
— 103 —
damit die Legitimität und Rechtsfolge ihrer Kinder. Es kam natürlich
zum Prozesse zwischen ihm und Amandus, aber der Präsident hielt sich
his zum Jahre 1634 im Besitze von Warden nebst dem Hofe und Zehnten von
Niedermerz und bis zu seinem 1642 erfolgten Tode im Besitze von Schönau.
1635 verpachteten Amandus und Anna Maria den Hof zu Niedermerz
für einen trockenen Weinkauf von 50 Thaler und einen jährlichen Pacht
von 55 Malter Roggen, 5 Malter Weizen und Spelz, 12 Malter Hafer,
2 Verken, einen fetten Hammel, endlich 12 Pfund Zucker, ein Pfund Ingwer
und ein Pfund Pfeffer zum Neujahr. Wegen der Benden und Weiden
sollte der Pächter 17 Goldgulden, dem Domkapitel in Köln musste er jähr-
lich 12 Gulden zahlen. Die Gerechtigkeit auf dem Propsteier Wald
genossen Herrschaft und Pächter je zur Hälfte; dafür pflanzte letzterer
iährlich zwei Apfel- und zwei Birnbäume in den Baumgarten.
1636 heiratete Anna Maria von Mylendunck den Adolf von Hillens-
berg^ Nun hatte Amandus einen Schwager aber auch einen Dränger
mehr. Nach dem Testamente des Vaters hätte er den Schwestern je 6000
Gulden auszahlen müssen, und beide sprachen ihn „durch gute leute*' oft
um diese Sunmie an. Aber woher sollte Amandus „der immer im elend
lebte**, das Geld nehmen? Er vertröstete die Schwestern auf den Zeit-
punkt, wo er im Besitze von Schönau sein werde. Damit waren die Damen
jedoch nicht zufrieden. Wenn er ihnen kein Geld geben könne, Hessen
sie ihm durch den Vetter von Fronenbroch sagen, so möge er die Güter
mit ihnen teilen. Sie setzten auch wirklich am Hauptgericht zu Jülich
durch, dass ihnen Warden zugesprochen wurde. Weil jedoch „ter Warden
nu nit als de hoigheit in resto was", nahmen Hillensberg und seine Frau
nach dem Tode des Präsidenten Schönau ein, und Amandus hatte abermals
das Nachsehen. Als die Hillensberg auf das Haus kamen — am 20. Aug.
1642 — fanden sie „zur weit Gottes keinen beweis alda und wussten
selber auch nichts von schönauer recht und gerechtigkeit**, so dass sie
sich mit Zeugenaussagen behelfen mussten. Erst 1659 erfuhren sie, dass
der Präsident sämtliche Briefe und Urkunden, die Schönau betrafen, in
das Aachener Kapuzinerkloster hatte schaffen lassen. Das war ihnen um
so härter, als sie sich vielen Bedrängungen von selten des Herrn zur
Heiden ausgesetzt sahen. Otto von dem Bongart, der 1632 auf Wilhelm
gefolgt war, dachte, weil der Präsident und die Mylendunck zu Speier
prozedierten „were es zu rechter zeit alle schönauer gerechtigkeit an sich
zu zeighen*, die wiel ihm bewust, dass der President nichts darin thete
und ihm Schönau wolte verkaufen". In die Fussstapfen Ottos trat dessen
Witwe. „Die wiel nu aber die jetzige witwe von der Heiden mit alle ge-
walt boussen einiges recht mit gewerter band keine attentaten, so grob
sie sein, understehet * . . . und sobald als sie von der Heiden etwas ver-
') Die Hillensberg, deren Wappen zwei senkrechte Pfähle mit aufgelegtem Tumier-
kragen zeigt, waren Bürger der Stadt Eees. Daher mag es kommen, dass ein Zeuge aus-
sagt, dieselben seien gar keine adelige, sondern eine einfache bürgerliche Familie jener
Stadt. *) Ziehen. ') unterlässt.
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nehmen kunnen, dass einige uf schonauer underthanen zu pretendiren
haben, zeichen sie dieselben an sich und fallen mit gewalt uf schonauer
gut und doen die exekution . . . und alle schonauer underthanen wieders
bedreuet, mich in keinerlei manieren zo obedeiren ^ oder sie wolte dieselbe
im thorn werfen und dapfer briichten geben lassen, also dass nicht ein
einziger underthan alhier darf komen, welcher mich kundschaft darf geben
von allen die attentaten, die sie geübt hat. . . . Noch zu gedenken, dass
die von der Heiden mit gewalt die schonauer underthanen in hessische
und lotaringische beschwerlichen kriegszeiten nacher der Heiden gezwungen
zu "vyachen und das Haus Schonau desolat gelassen, und wir uns mit
fremde leut haben müssen verdedigen mit Unkosten und uns in das userste *
ruin zu bringen . . . Und so halt als es ihr ins haupt komt und einiche
attentaten anfangt, als dan doet sie es mit ein par hondert baurn mit ge-
wapfenter haut/ So klagt Hillensberg.
Amandus machte schliesslich gute Miene zum bösen Spiel. Er er-
klärte sich damit einverstanden, dass die Schwestern Schönau und Warden
so lange abnutzen sollten, bis sie ihr Kapital und die Zinsen von 1629
ab erhalten hätten und dass auch die Mutter ihren Unterhalt von dort
beziehe. Er hielt sich auch selbst einige Jahre, „in fried und einigkeit**
zu Schönau auf. Da spielte Max, der Sohn Grafts III, Herr zu Pronen-
broch und Hörstgen, den Störenfried. Er beredete den Amandus zu dem-
selben Tausche, der einst zwischen ihren Vätern geplant gewesen aber
nicht zur Ausführung gekommen war. Amandus sollte Fronenbroch, Max
Schönau haben. Der Vertrag wurde 1663 unter Vermittelung des Predigers
ter Herbrüggen auf 6 Jahre „und so fort" abgeschlossen; Zeugen waren
die Prediger Petrus Taschenmacher, pastor de Vierlinxbeck und Arnoldus
Loitink, ecclesiae repellentis in comitate Morsensi pastor. In demselben
Jahre hatten die Eheleute Hillensberg den Hof zu Schönau von neuem
auf zwölf Jahre verpachtet.
Amandus, der eine Zeitlang Gast des Fronenbrochers gewesen war,
erschien 1664 auf Schönau, erklärte sich für den alleinigen Herrn, ver-
kaufte und versetzte Ländereien und Pachte. Das setzte wiederum einen
Prozess mit Hillensberg ab. Das Verfahren des Amandus stand in Wider-
spruch mit einer Vereinbarung zwischen ihm und Adolf, wonach keiner
von beiden das Recht haben solle „haus und gerech tigkeit, garden, weieren,
benden den putzdriesch genant, jungenbusch plattenweier genant, weid den
pesch samt den camerhof in welcher besirk das haus Schönau gelegen
ist, capuin und erbpfachten zu verkaufen, versetzen, vertauschen in keiner-
lei manieren, wie es namen haben möchte oder kunte, sondern sal nun bis
zu ewigen dagen blieben an denjenigen, die von hern Baltasars von
Mylendunck lief gesprossen sein".
Mit Berufung auf diesen Vertrag und das Testament Baltasars hielt
Hillensberg am Besitze Schönaus fest. Da versuchte Max stärkere
*) gehorchen. *) äusserste.
— 105 —
Mittel. Im Dezember 1664 erschien er mit einem Haufen Reiter vor dem
Schlosse und begehrte Einlass. Als ihm derselbe verweigert wurde, drohte
er, er werde bald wiederkommen, die Trompete im Dorfe blasen und den
Hillensberg, wenn er ihn erwische so traktieren, dass der Rücken dem
Bauche gleich und gemäss wäre und das Gehirn an den Wänden kleben bleibe.
Auch die Heidener beteiligten sich an der Hetze. Als Philipp Adolf
von Kessel mit den Windhunden auf den Schönauer Acker ging, begegnete
ihm der Sekretär von der Heiden. Derselbe schoss auf die Windhunde
und rief seinen Leuten zu „selten den schelmen greifen". Andein Tags
zog er mit dem ganzen Heidener Jagdtrosse und einem Haufen bewaffneter
Schützen vor Schönau, jagte ringsum, liess „dem herrn zum speit" * das
Hörn blasen und schrie: „Wo bleiben nun die fauligen vom haus Schönau?
Ich will sie noch ehender kriegen als der teufel, dan sie sind nicht alle-
zeit auf dem haus."
Aber auch durch diese Roheiten, welche für den Verfall der guten
Sitten unseres edlen deutschen Volkes in der Zeit nach dem dreissigjährigen
Kriege bezeichnend sind, liess sich Hillensberg nicht einschüchtern. Er
wahrte die Rechte Schönaus gegen die Heidener, versetzte auch wohl
Schönauer Ländereien, wenn er Geld nötig hatte, — so 1659 drei Morgen
aus dem Hirzerfeld an die Laurensberger Kirchmeister für 200 Thaler, —
bemühte sich aber auch redlich die Verhältnisse und zwar zunächst die
Wardener zu ordnen. 1641 legte er die 1000 Thaler an Peter Herl ab.
Die Erben Heinen hatten nun noch 300 Thaler, 50 Doppeldukaten und
250 schwere Thaler zu fordern. Ihr Recht auf die entsprechenden Renten
erwarb Hillensberg ebenfalls, und die fürstlichen Kommissare Johann von
luden und Peter Ritz erklärten 1648, dass er dabei zu raanuteniren sei.
Die Kommissionskosten in der Wardener Angelegenheit beliefen sich auf
nicht weniger als 1220 Thaler 3 Schillinge.
Am 2. September 1667 erlöste ihn der Tod von aller Sorge. Er
wurde in Warden begraben. Seine Witwe setzte den Kampf gegen die
Frau zur Heiden wacker fort, unterstützt durch Baltasar von Kessel, der
als Statthalter des Gerichts die Geschäfte führte.
Mittlerweile kam Araandus zur Einsicht, dass sein Vetter Max ihn
arg hintergangen habe. Es stellte sich heraus, dass dessen Güter Fronen-
broch und Hörstgen derart überschuldet waren, dass allein der Abt von
Kamp 20000 Thaler daran zu fordern hatte. Dann aber liess Max den
armen Amandus in einer schweren Krankheit trotz allen Bitten ohne jede
Unterstützung. Darum widerrief Amandus am 29. Oktober 1670 vor dem
Notar Collen in Aachen den Vertrag von 1663. Am 7. Juli 1671 erstritt
er sodann ein obsiegendes Urteil gegen die Eheleute Hillensberg; sie
wurden angewiesen dem Amandus Haus und Herrlichkeit Schönau abzu-
treten. Warden und Merz waren demselben schon 1668 zugesprochen
worden. Aber auch dieser Sieg hatte für Amandus keine Bedeutung.
*) Spott, Verdruss, Aerger.
— 106 —
Max hielt am Vertrage von 1663 fest und betrachtete das Urteil als zu
seinen Gunsten gesprochen. Am 14. August 1671 rückte er mit Heidener
Schützen vor Schönau und nahm das Haus ein. Die Witwe Hillensberg-
rief zwar während des Einbruchs „sie wolle ihren bruder, herrn Amandus
von Mylendunck, gutwillig einlassen, der Max hette alda nichts zu
schaffen", aber die Einsicht kam zu spät. Die Einbrecher hausten wüst.
Vieles wurde zerschlagen und verbrannt, den Rest behielt Max. Er Hess
das Haus zerfallen, hieb das Gebüsch, selbst die Obstbäume nieder und
verbrannte oder verkaufte das Holz. Die Witwe Hillensberg schrieb an
den Bruder des Max — Dezember 1. ohne Jahr — : „Es gehet alhier
wunderlich zu; das land bleibt ungebaut, und als sie haben angefangen
zu dreschen hab ich von den fruchten und auch biesten protestirt, und
stossen sich nit an protest und faren immer fort mastbiesten abzuthun;
meinen vorrath ist vorerst gessen, das dienstvolk laufet mir alle tag an
die Ohren und ich kann sie leider Gott nit helfen; es werden kein kohlen
geholt; es wird hier viel ding vertestuiret ^, welches am Haus wieder
aufzurichten sehr schedlich^ ist.**
Amandus verpföndete am 22. August 1671 Haus und Herrlichkeit
Schönau durch Akt des Notars Johann von Trier an den Gubernator der
Festung Rheinberg und dessen Frau Gertrud von Bronckhorst für 6000
Reichsthaler, die er nach seinem Ausdruck „zur abstattung meiner Schuldig-
keit, vornehmlich meiner Schwester sodan den nichten Blanche^ und nötige
eigene Verpflegung" * geliehen hatte. Wir sehen, dass er sich der Schwester
wieder näherte. Die völlige Aussöhnung ergiebt sich aus dem Testaments-
konzept von 1673, worin Amandus „zu ziemlichem alter gekommen" zu-
nächst alle Verträge widerruft, die er mit seinem Vetter Max gemacht hatte,
dann seine Schwester Anna Maria zur Universalerbin einsetzt, endlich die
Enkel seiner Schwester Agnes der Witwe Hillensberg substituiert. Das
Testament, welches er „krank zwar an leib aber an verstand ganz unge-
schwächt" 1674 in Aachen vor Notar und Zeugen verfasste, gibt ausser-
dem den Grund des Widerrufes jenes Vertrages an: „weil seine vetteren
Goddart und Max ihn mit glatten worten dazu gebracht** aber ihrerseits
die Bedingungen nicht gehalten hätten.
Aus demselben Jahre, Juli 2., stammt eine Urkunde, worin Amandus
den Jesuiten zu Jülich den Ueberrest des Hofes und den Zehnten zu
Niedermerz gerichtlich verschreibt „zu erhebung 400 pattakons". Er ver-
spricht seine Nichte Anna Maria de Blanche, welche vor einigen Jahren
durch das Düsseldorfer Hofgericht in den Zehnten eingesetzt worden war,
aus andern Gütern zu entschädigen.
*) mutwilUg verdorben. *) kostspielig.
^) den Rechtsnachfolgern seiner Schwester Agnes.
*) lieber des Amandus Verhältnisse und die der Witwe HiUensberg schreibt der
Ltitticher Kanonikus Gerard von Kessel am 24. Februar 1673: „der goeder her Amandus
is binnen Aakon in siechte kleider en siecht onderhalt, syn snster is op Ursveit uyt mit-
leiden angenomen, so lang als dat sal duyren.*^
— 107 —
Endlich gab dem Violgeplagten das Eeichskammergericht auch gegen
den Max Recht. Am 7./ 17. Juli 1674 erfolgte der Spruch, dass es Max
„nicht geziemet noch geburt habe haus und herrlichkeit Schönau einzuneh-
men sondern daran zu viel und unrecht gethan**. Auf dieses Urteil hin ver-
pfändete Andreas von Hillensberg zu Ürsfeld, der Bruder des verstorbenen
Adolf, für 200 Thaler „gewisses silberwerk und klenodien'' bei der Witwe
Puissont zu Aachen und übergab das Geld dem Amandus und der Anna
Maria gegen Verpföndung des Neuen Bends zu Schönau. Sollte sich die
Einräumung des Hauses Schönau verzögern, so dürfe Andreas die Pfand-
schillinge einlösen, welche Buirette auf Warden vorgeschossen hatte und
an dessen Stelle treten. Warden war also auch verpfändet.
Auch vom Siege über Max hatte Amandus keinen Vorteil; er starb
noch in demselben Jahre.
Andreas hatte klug gehandelt, als er sich für seine 200 Thaler eine
zweite Sicherheit stellen liess. Kaum hatte Amandus die Augen ge-
schlossen, da „erschien
h. Maximilian, Freiherr von Mylendunck, Schönau, Pronenbroch,
Hörstgen, Herr zu Hüls und zur Warden etc. nach absterben des herrn
Amandi . . . und ergriff besitz von dem hause und der herrschaft Schönau
ubermitz deroselben unterthanen von Gott dem allmächtigen und dem h.
element der sonnen, wie sich gebürt". Mit Auflegung der linken Hand
in die Seite warf er einen goldenen und einen silbernen Pfennig unter die
Unterthanen und empfing dann deren Eid. „So geschehen Schönau vor
der brügge in gegenwart des pastors zu Berg, Johan Baptista Bex und
Thomas Kütgens sazellan^"
Die Witwe Hillensberg flüchtete wieder nach Ürsfeld zu ihrem
Schwager. Sie konnte ihr Recht am Reichskaramergericht nicht mehr
geltend machen „weil inzwischen die verhergung der Stadt Speyer durch
französische truppen und die verstörung des reichskammergerichts vor-
gefallen ist". In ihrem Testamente, datiert Ürsfeld 15. Juni 1676, setzte
sie den Sohn ihrer Nichte, Isak Lambert von Blanche, zum Universalerben
der ganzen Hinterlassenschaft mit Einschluss von Schönau unter der Be-
dingung ein, dass dessen Mutter, Anna Maria von Brauhoff, Witwe de
Blanche, die Nutzniessung auf Lebenszeit habe und jede seiner Schwestern
1600 Reichsthaler erhalte, wenn sie standesgemäss heirate.
Max von Mylendunck behielt unterdessen bis zu seinem Tode, der
im Jahre 1692 erfolgte, die Herrschaft Schönau. Er war zwar ein
Usurpator wie Adolf, aber er verteidigte die Gerechtsame Schönaus mit
grösserer Entschiedenheit gegen die Uebergriffe der Heidener. Im Jahre
1679 legte er dem Horbacher Gerichte drei Originalurkunden vor: Die
Anerkennung der Schönauer Gerichtsbarkeit* durch Godart von der Heiden
von 1373, das Urteil des Jülicher Hauptgerichtes von 1510 und die Ver-
einbarung zwischen Dieterich von Mylendunck und Werner von Schönrade
*) Qu ix, Schönau S. 1, Anm.
— 108 —
von 1523. Das Gericht erkannte dieselben als echt und richtig an und
versprach, daraufhin zwischen der Frau von Heiden und Max behufs fried-
licher Beilegung aller Streitigkeiten vermitteln zu wollen.
Durch den Tod seines Bruders Gothard war Max 1683 in den vollen
Besitz von Fronenbroch und Hörstgen gelangt. Ausser diesen beiden
waren noch andere und zwar uneheliche Kinder von Graft HI vorhanden.
Baltasar erklärte 1616, dass seine Vormünder den Rindsbrucker Hof in
das Grundbuch des Scholasters vom Stifte Essen auf seinen Namen hätten
eintragen lassen. Da aber der Hof bei der Teilung seinem Bruder Graft
zugefallen sei und dieser ihn gebeten habe, denselben auf den Namen
eines der mit Margarethe von Eitelbeck gezeugten Kinder eintragen zu
lassen, so wolle er, dass sein (Baltasars) Name im Buche gestrichen und
an dessen Stelle Adolf, der natürliche Sohn des Graft, angeschrieben werde.
Das Leben des Max war auch nicht ohne Tadel. Er lebte lange
Zeit in wilder Ehe mit einer „adeligen juflFer Tegelen vom Bungart nechst
Issum". Seine beiden Töchter waren schon „zu mannbaren jähren" ge-
kommen, als Max die Tegelen vor einem „statischen prediger" zu Vaels
heiratete. Bevor es zu dieser Eheschliessung kam, war eine andere ver-
sucht worden, die nach einer im Jahre 1737 abgegebenen Erklärung der
Antoinette von Blanche folgenden Verlauf genommen haben soll. Max
liebte es nach der Gewohnheit des damaligen Landadels jener Gegend in
den Kneipen herumzusitzen und mit Leuten des niedrigsten Standes Bier
und Branntwein zu trinken. Zur Zeit als seine Tochter Margarethe
Elisabeth etwa 24, die andere, Anna Maria 20 Jahre alt war, kam Max
eines Tages ganz betrunken nach Hause und stürzte auf der Fallbrücke
zusammen. Man trug ihn für tot ins Haus und legte ihn auf ein Bett im
Saale. Die Töchter schickten den Diener Marschall sofort nach Aachen
zu dem reformierten Prediger Wenninger, damit dieser noch die Trauung
vornehme. Als der Bote mit der Nachricht zurückkehrte, der Prediger sei
abwesend, warf sich die älteste Tochter auf ein Pferd und holte den
katholischen Pfarrer von Laurensberg. Der legte die Hand des Max in
die Hand der Tegelen und fragte ihn wiederholt, ob er die Margarethe
Tegelen zu seiner Hausfrau nehme. Es erfolgte jedoch von selten des
bewusstlosen Max keine Antwort „weder mit zeichen weder mit drücken
w^eniger mit werten". Als Max wieder zu Kräften und Gesundheit ge-
kommen war und von dieser sonderbaren Trauung hörte, beteuerte er
öflFentlich, er wisse von keiner Heirat und drohte, er werde dem Pfarrer
von Berg „denselben weil er rothe hären hatte rothkopf nennend" tot-
schiessen, wenn er sich unterstehe, diese Eheschliessung in seine Bücher
einzutragen. Die Zeugin wusste das alles so genau, weil sie damals mit
ihrer Mutter auf dem Vorhofe zu Schönau gewohnt und dem geschilderten
Auftritte neben Philipp Gentis, Fettmenger, Bemelman und zwei mylen-
dunckschen Advokaten, Richterich und Defoure, im Säle zugesehen hatte.
Der damalige Herr zu Crsfeld, Charles de St. Remy, belangte die
— 109 —
Töchter des Max wegen Verleumdung. Nachher geriet er mit dem Vater
in Streit über einen Schönauer Bend. Während Max 1687 sich in Frohnen-
broch befand, kam St. Remy nach Schonau um sein Recht geltend zu
machen, wurde aber dort von den Mädchen „mit harten Scheltwörtern
affrontirt", dann auf deren Anstiften von den Leuten und Bedienten der-
selben „mit schlagen übel traktirt, gestossen, geschossen, verwunt, endlich
in den weier geworfen**. Mitleidige zogen ihn heraus und trugen ihn in
das Haus an die Kreuzer, wo er „erlabt und wieder zu recht gebracht"
wurde. Hierauf machten sich die Mädchen mit Sack und Pack nach
Fronenbroch, auch der Pächter zog ab und das Gut blieb öde liegen. Die
Witwe von Blanche, „welche dermalen zu Schönau aufm vorhof und im thurm
sich elendiglich aufgehalten", Hess die Ländereien 1689 bauen; als aber
die Frucht reif war, erschien St. Remy und nahm auf grund eines Erkennt-
nisses des Heidener Gerichts die Hälfte der Ernte weg als Entschädigung
für die erlittenen Beleidigungen, die andere Hälfte holte Max. Im
folgenden Jahre versuchte Frau von Blanche noch einmal ihr Glück.
Aber nun kam Max mit holländischen Reitern, trieb sie vom Hause ab
und nahm alles Getreide an sich. Anfangs Dezember starb der Usurpator
zu Schönau ; gleich nach seinem Tode zog Isak Lambert von Blanche, der
Sohn der Witwe, dort ein.
4. Die Herren von Schönau aus der Familie von Blanche.
Die älteste Nachricht, welche sich über dieses Geschlecht im Schönauer
Archive vorfindet, stammt aus dem Jahre 1545. Am 3. Juni gab Karl V.
seinem lieben Getreuen, Ritter Stefan von Blanche, ein Schreiben, welches
den Lehenhof von Brabant aufforderte, demselben in seiner Angelegenheit
zu helfen.
Stefans Sohn Johann (I) heiratete Maria von Radelo, die in einem
andern Stammbaume von Renesse genannt wird; nach ihr nannten sich
später die Schönauer de Blanche de Radelo. Beide sollen in der Kirche
zu Limburg begraben sein. Von ihnen stammte Johann (II), Kapitän in
kaiserlichen Diensten, verheiratet mit Anna von Hillensberg von Driesch.
Ihre Söhne waren Wilhelm, Gatte der Anna Maria (von) Brauhoff, der
Stammvater der Linie Blanche-Schönau und Johann (III), vermählt mit
A. M. von Hirtz-Landskron ^
Anna Maria (von) Brauhoff war nach dem frühen Tode ihrer Eltern
bei den Eheleuten Adolf von Hillensberg erzogen worden. Dieselben
scheinen ihr auch bei ihrer Verheiratung den Niedermerzer Zehnten an-
gewiesen zu haben. Nachdem Amandus von Mylendunck den Prozess
gegen Hillensberg gewonnen hatte, zog er auch diesen Zehnten wieder an
sich. Da er jedoch der Anna Maria die Aussteuer ihrer Mutter mit 6000
Gulden nicht auszahlen konnte, liess sich ihr Gatte Wilhelm von Blanche
vom Düsseldorfer Hofgericht in denselben einsetzen. Durch das Testament
*) üeber ihn und die Töchter siehe unten Beilage II.
- 110 —
der Hillensberg, welche die Patin der Frau von Blanche gewesen zu sein
scheint, erhielt letztere das Nutzniessungs- und ihr Sohn Isak Lambert
das Eigentumsrecht auf Scliönau, wo die Blanche in Erwartung besserer
Zeiten wenn auch in grosser Not wohnen blieb. Ihr Häuschen war so
gebrechlich, dass es trotz seinen Stützen zusammenstürzte und von Max
dem Eindringling verbrannt wurde, worauf die Witwe sich in einen Turm
zurückzog. Auch von hier durch Max vertrieben, ging sie nach Hase-
wald. Ausser Isak Lambert (geb. zu Warden am 13. Januar 1660) hatten
die Eheleute Wilhelm de Blanche noch folgende Kinder: Antoinette, geb. am
15. März 1661, Anna Maria, Sibilla Agnes, um 1690 verheiratet mit Adolf
Schardinell, Helene Eebekka, Christine. Christine und Anna Maria werden
in einem Briefe von 1694 der Antoinette als abschreckende Beispiele vor-
gehalten. „Euer masseur Christina hat sich also mit dem Rösgen ver-
gangen und ihrer adlicher familien ein solche schand angethan.* Sie
hatte nämlich den Rösgen oder Rosen, einen Nadel macher in Aachen ge-
heiratet. Von ihrem Sohn Heinrich, „von" Rosen heisst es, er habe in
äusserster Armut gelebt und in der kaiserlichen Miliz Kadetsdienste an-
nehmen müssen. Von den 1600 Thalern, welche die Witwe Hillensberg
seiner Mutter im Testamente ausgesetzt hatte, erhielt Heinrich trotz allen
Bemühungen nichts, weil die Ehe nicht standesgemäss war. Von der
Anna Maria schreibt der Briefsteller: „Spigelt euch an euer masseur
Marie**. Sie war mit einem gewissen Karl Hecker in die Ehe getreten;
ihren Söhnen Karl und Johann waren wenigstens einige Morgen Land im
Schönauer Feld eingeräumt worden.
Nach dem Tode des Max Hess die älteste Tochter durch Wolter
Engelbert von Wyenhorst unter den gewöhnlichen Formalitäten von Schönau
Besitz ergreifen. Aber in der darauf folgenden Nacht (13. Dezember
1692) rückte
a. Isak Lambert de Blanche von Hasewald her, wo er sich bei
seiner Mutter aufgehalten hatte, mit seinem Schwager Caille und einem
Haufen Bewaffneter in Schönau ein, trieb den jungen Herrn Gentis aus
Aachen, der die Leiche des Max nach Fronenbroch bringen sollte, mit
Ohrfeigen aus dem Hause, jagte die Diener und den Fuhrmann vom Hofe,
liess den Sarg in den Vorhof bringen und dort im Regen stehen, und
nahm am 15. Dezember „morgens 9 uhr mit allen solemni täten und
und ceremonien** Besitz von Haus und Herrlichkeit. Er fand das Haus
verfallen und alles in übelem Zustande. Die Einziehenden brachten auch
nichts mit um dem Elende steuern zu können, die Familie befand sich in
trostlosen Verhältnissen. Aus dem Jahre 1690 findet sich eine Ver-
schreibung über 200 Thaler, welche die Witwe Blanche dem Dietrich
Holz in Aachen schuldete, der sie ihr „in ihren höchsten nöthen*' vorge-
streckt hatte. Als Sicherheit war dem Holz das Manngut auf dem Prop-
steier Wald gestellt worden. Ausserdem hatte Holz in den Jahren 1685
bis 1688 für 141 Aachener Gulden Roggen geliefert. Isak Lambert be-
— 111 —
kennt, dass der Herr Georg Ulrich Wenning ihm „für rechnung des ehr-
würdigen consistorii der refprmirten gemeinde von Vaels** fünf Reichsthaler
gegeben habe.
Trotz der Ungunst der Umstände trat von Blanche in die Ehe. Er
heiratete am 22. April 1694 Isabella von Kessel, Tochter Baltasars und
der Margarethe von Broch, Enkelin Johanns und der Agnes von Mylen-
dunck. Isabella hatte noch drei Geschwister: Johann Wilhelm, Anna
Maria, verheiratet mit Bemard Hammes und Elisabeth, welche am
15. Februar 1751 zur Äbtissin von St. Jörisbusch gewählt wurde.
Die Braut war katholisch und im dritten Grade mit Isak Lambert
blutsverwandt, die Ehe demnach ungültig. Am 7. Juli 1695 dispensierte
der Fürstbischof von Lüttich von den Ehehindernissen und erteilte die
Erlaubnis ohne Aufrufe zu contrahieren — unter gewissen Bedingungen,
welche dem Pfarrer mitgeteilt waren. Eine derselben ist jedenfalls die
katholische Kindererziehung gewesen, denn alle Kinder Isak Lamberts,
der selbst ein ziemlich zorniger Kalvinist war, gehörten der katholischen
Religion an. Wahrscheinlich ist damals auch Isaks Schwester Antoinette
zur Kirche zurückgekehrt.
Die jungen Eheleute erfreuten sich nicht lange des ungestörten Be-
sitzes von Schönau. Die älteste Tochter des Max, Elisabeth Margarethe
hatte den Gothard Graft von Mylendunck, brandenburgischen Offizier,
zur Ehe genommen. Im Mai 1696 zog Graft mit einem Haufen Branden-
burger, deren Regiment damals unter dem General von Heiden zum
Schutze der Stadt gegen die Franzosen in Aachen lag, in Schönau ein,
sperrte Isak Lambert mit Mutter, Frau, Schwester und einem Söhnchen
in eine kleine Kammer, führte alles Vieh und Getreide, sämtliche Geräte
und Möbel fort, untersuchte die Gefangenen „bis auf ihre leiberen", stiess
sie dann vor das Thor und blieb bis halben August auf Schönau. Als
von Blanche sich in diesem Monat „mit hülf und beistand etlicher seiner
verwanten, guten freunden und herren" wieder in Besitz setzte, fand er
das Haus „verwüstet, fast zerbrochen und über einen Haufen gerissen",
auch nur mit 2 alten Pferden, 4 schlechten Kühen und 3 Faselschweinen
versehen. Weil er gewarnt worden war, Mylendunck würde ihn abermals
tiberfallen, nahm er einen Pförtner an und hielt anfangs 20, dann 12, zu-
letzt 6 Wächter. Unter letzteren befanden sich ein von Ottegraven, von
Richterich, M. Hammes. Dieser Hammes war ein Verwandter des Bernard,
des Schwagers von Blanche. Bernard äussert sich in einem Briefe aus
Gent höchst erbittert über die Gewaltthat und die Urheberin derselben.
Mit Leid habe er vernommen, so schreibt er, dass die H. . . . von Mylen-
dunck^ auf Schönau gekommen sei, wenn er da wäre, wollte er sie abjagen
und totschlagen sowie alle „die euer edel liebden frau mutter und süster
gallig getraktert" *. Blanche müsse eine andere Manier anfangen, es sei
') Elisabeth Margarethe ist gemeüit.
«) Behandelt.
— 112 —
ja doch kein Eecht mehr auf der Welt. Wenn Blanche ihn ^van dann" '
habe, wolle er sein Leben für ihn lassen; das thue er aber nur um dem
Schwager zu dienen, nicht um „fressen und saufen* wie viele Leute
meinen. Er sei eben von einem achttägigen Streifzuge zurückgekommen,
aber er habe keine Euhe, könne nicht mehr schlafen. — Es war dem
rauhen Kriegsmanne ernst mit seinen Reden; noch viel später rühmt Isak
Lambert bei einer Teilung, dass Schwager Hammes ihm sehr gut sei.
Die „andere Manier" hatte Blanche angewendet, aber die Mylendunck,
welche mit Gewalt nicht durchgedrungen waren, suchten ihrerseits nun
auch auf andere Manier zum Ziele zu gelangen. Sie bestritten das Recht
der Blanche auf Schönau, indem sie die Ehe seines Grossvaters Baltasar
Brauhoff mit der Agnes von Mylendunck angriffen und somit dessen Nach-
kommen als erbunfähige Bastarde darstellten. Der hierüber sich ent-
spinnende Prozess dauerte bis 1720, wo das Endurteil zu gunsten Isak
Lamberts gesprochen wurde. Das kostete dem armen Blanche wiederum
viel Geld, er suchte es sich zu verschaffen so gut es ging auf glimpfliche
und unglimpfliche Weise. 1702 borgte er von Adolf von Ottegraven und
dessen Frau Anna Nestelinx 75 Reichsthaler; 1704 hinderte er die Zehnt-
gänger des Aachener Kapitels an der Erhebung des Zehnten im Schönauer
Felde, wobei er sich der Aeusserung bediente, man müsse es den „mort-
gens^ pfaffen wie dem pastor von Würselen" machen, den die Holländer
nach Mastricht abgeführt hatten und sie ins Gefängnis werfen. Das
Kapitel meinte in seiner Klageschrift an den Kurfürsten, das Vorgehen
und Schimpfen des Blanche entspringe einem „unkatholischen eifer".
1714 befand sich Isak in einer „dispeterliche deilung". Hammes
zahlte damals auf das den Blanche zustehende Drittel vom Hause an die
Kreuzer, das sich auf 750 Pattakons belief, 495 Pattakons^ ab. Das
waren jedoch alles Tropfen auf einen heissen Stein; die Familie befand
sich immer in gedrückten Verhältnissen und häufig in bitterster Not.
Blanche hatte sechs Kinder: vier Söhne und zwei Töchter. Die
Mutter starb 1711, als das jüngste Kind 3 Jahre alt war. Die älteste
Tochter Anna Maria Elisabeth war im Kloster zu Lankwarden erzogen
worden; von dort schreibt sie am 13. Juni 1712: „papa wollet doch so
gütig sein und helfen mir, dass alles mag bekommen, was von nöthen hab,
dan ich bin ietzund ganz resolvirt, den geistlichen stand anzutreten."
Laut Zeugnis der Buschgreven aus demselben Jahr erhielt sie pro dote
eine Belehnung auf dem Höngener Busch „ad sieben hau"; sie legte am
14. Oktober 1714 Profess ab.
Von den beiden jüngsten Kindern sagt Blanche in einem Briefe an
den Freiherrn von Reuschenberg zu Berensberg, er habe durch einen
Expressen vernehmen müssen, dass sein Töchterchen gestorben und sein
Söhnchen Wilhelm sehr krank sei (1714). Wilhelm blieb aber am Leben.
») nötig.
*) mort dien, die bekannte Verwtlnschunj!^.
•) Der Pattakon war etwas mehr als 4 Gulden.
— 113 —
Der älteste Sohn Johann Gottfried studierte 1709 in Aachen. Er
schrieb an den Vater: „Habe auch viele Sachen zum studieren notwendich,
viele bücher so ich am notwendigsten müsse haben. Es mangelt mir auch
an schuh, hossen^ und hemden, durch die schuh hangen mir die zähen,
durch die hossen die verssen u. s. w.*' Gottfried wurde 1717 für gross-
jährig erklärt und ging nach Wetzlar um den Prozess gegen die Mylen-
dunck energischer zu betreiben.
Der zweite Sohn, Adolf Werner, welcher die Schule bei den Patres
in Kempen besuchte, „lief dort so nackig herum, dass eure masseur sich
seiner hat müssen schämen" schreibt Antoiuette an den Johann Gottfried.
Der jüngste Sohn, Gerard Wilhelm, lebte mit der Grossmutter und
der Tante in Aachen. Er „könnte die zweite Schule besuchen, wenn er
Kleider hätte **. Sein Entlassungszeugnis aus der Schule „im Umgang** ^
lautet: „Pax Christi. Memoriale. Dass der söhn des wohledlen herrn de
Blanche vom jähr 1717 und zwar von monat januario bishero bei mich
ensunterschreibenen zur schulle gegangen und von selbiger zeit das schull-
geld annoch hinderständig und bishero unbezahlt verblieben, solches wird
hiermit bescheiniget. Aachen den 20. 7bris ao. 1720. Joannes Holzapfel,
rector scholae in ambitu." Und am Rande: „Monatlich 12 merk.*'
Antoiuette forderte ihren ältesten Neffen auf für seine Brüder zu
sorgen. „Papa helft euch nit, der sorget für nemant als für sigh.** Un-
recht hat die alte Dame ihrem Bruder mit diesem Urteile nicht zugefügt.
Isak Lambert verbrauchte von 1708 — 1712 allein beim Wirte am Hirtz
nicht weniger als 425 Aachener Thaler an Bier und Branntwein. Er Hess
die Getränke teils nach Schönau bringen, teils verzehrte er dieselben in
der Schenke. Dort stand die Rechnung des „gepietenden herrn** an der
Thüre und am Mantelbrett angeschrieben.
1720 liess sich Blanche von Bürgermeister, Schöffen und Rat der
Stadt Aachen bescheinigen, dass er „mit seiner verwitibten frau mutter,
Schwester und mutterlosen kinderen nunmehro vor vielen jähren aus ihrem
haus Schonau ausgesetzet worden und sich also in der statt Aachen mit
hinterlassung aller lebensmitteln retiriren müssen, alwo er sich mit seiner
familie in einem gemietheten hinterbauchen ^ in aller suchen höchster be-
dürftigkeit aufgehalten und in einem so miserabeln stand ist, dass woferne
ihnen die liebe deren mitleidenden freunden oder eine baldige abführung
seiner bei dem allerhöchsten kaiserlichen kammergericht obschwebenden
Sache nicht alsobald zu hülfe komme, er mit den seinigen in kurzer frist
den bettelstab von thür zu thtir zu führen unvermeidlich gezwungen ist**.
Noch im selben Jahre erfolgte der erbetene Spruch gegen die Mylen-
duncker. Die Hoffnung Isaks, dass seine Mutter ihn und ihre Enkel noch
auf Schönau sehen werde, ging in Erfüllung. Aber in welchem Zustande
') Strümpfe.
■) Domschule.
") kleiner Hinterbau.
— 114 —
war das Haus! Ein Gutachten gibt Auskunft. „Am grossen Laienturra
sind acht neue schild höchst nötig, die zwei seitentürrachen haben auch
höchst nötig mit neuen laien in etwa versehen zu werden. Das gebühn^
im türm ist an vielen stellen durchfaulet, baussen dem türm und oben die
saalkammer ist der kandel* zerbrochen, die gebühner ausgefaulet; das
tach oberhalb der saalkammer zu repariren, die andere seit des tachs der
neue bau zu repariren ; das pflasterwerk ^ der obern turnkammer schier all
abgefallen; der gang zum süller oberhalb die saalkammer muss gebühnt
werden; auf der saalkammer sind drei trofen ausgefallen; das pflasterwerk
von der saalkammer in stand zu setzen; . . . das zimmer auf dem neuen
bau, alwo das gepflaster teils los teils abgefallen ist; noch auf dem saal
müssen sein sieben glasvensteren, so der wind hat ausgeworfen, jede 3^2
fuss lang ^/4 breit" u. s. w. Die Werkverständigen schlugen die Kosten
der notwendigsten Reparaturen auf 6366 Gulden oder 707 Reichsthaler an.
Isak Lambert erlebte die Wiederherstellung nicht mehr. Er war
„in kaiserlichen diensten kreuzweis dufch einen fuss geschossen** und da-
her „ziemlich impotent**. In der letzten Woche des Dezember 1722 führte
ihn der Tod in das Land, wo er die Füsse nicht mehr nötig hatte.
b. Johann Gottfried, Werner Adolf, Gerard Wilhelm von
Blanche de Radelo, Herren zu Schönau.
Der bedeutendste aber auch selbstbewussteste * unter den drei Söhnen
Isak Lamberts war der erstgenannte, der auch seine Brüder lange über-
lebte. Jedoch die Geldverlegenheit, welche bei den Besitzern der Herr-
schaft seit geraumer Zeit chronisch geworden war, konnte er trotz aller
Gewandtheit nicht beseitigen. Um Geld zu beschaffen und Schulden zn
bezahlen, wendeten die Brüder zunächst das gewöhnliche Hausmittel an:
sie versetzten Ländereien. 1725 erhielt Leonard Lörs aus Aachen 4
Morgen im Hirtzerfeld wegen einer Schuld von 360 Thaler ad 80 Kölner
Albus ^, welche von versessener Hausmiete, Bier, Kost und vorgestrecktem
Gelde herrührte und von der Frau Grossmutter, dem Vater und der Tante
gemacht war. Im folgenden Jahre erhielt derselbe einen Morgen für 90
Reichsthaler, welche die Brüder zur Fortsetzung ihrer Rechtshändel ver-
wendeten; 1728 zwei Morgen für 150, 1739 fünf Morgen für 450 Reichs-
thaler, wovon 280 Thaler für die Ausrüstung des Gerard Wilhelm ver-
wendet wurden, der in kaiserlichen Kriegsdiensten als Fähnrich angenommen
worden war, während der Rest zur Deckung einer Schuld an geliehenem
Gelde und Verzehr diente. 1759 löste Johann Gottfried das Land ein.
') Dielung.
■) Dachrinne.
*) Phesterwerk.
*) Er liess sich 1720, zur Zeit wo die Familie in grosser Not war, bei dem
Aachener Goldschmied Johan von Hauselt ein Siegel schneiden, das 30 ftulden aix kostete.
*) 80 Kölner Albus sind gleich 54 Aachener Mark ; es handelt sich also um Reichs-
thaler.
— 115 —
1727 nahmen die Blanche von den Erben von Schrick im Morkhoff^
100 Louisdor zu 4^/o auf, wofür sie Schönau und alle ihre Güter als
Unterpfand stellen mussten. Zum Neubau des Hauses liehen sie sodann
1731 durch den Lütticher Advokaten Jamar de Libois von einem Herrn
de Wampe tausend und im folgenden Jahre noch 1500 Thaler unter der
Bedingung, dass die Verschreibungen vor dem Schönauer Gericht auf
Haus und Herrlichkeit eingetragen wurden. Das geschah aber nicht,
wenigstens konnte Jamar keinen Einblick in die Protokollbücher erlangen.
Darüber sprach sich der heissblütige Wallone in der ehrenrührigsten Weise
aus; aber Gottfried liess ihn durch sein Gericht „propter atrocissimas
iniurias** zu einer Ehrenentschädigung sowie zu einer entsprechenden Geld-
strafe verurteilen. Eine Berufung an den Kaiser hatte für Jamar keinen
Erfolg.
Auch Johann Gottfried wendete sich an das Oberhaupt des Reiches
und zwar mit derselben Bitte wie sein Vorfahr Gerard von Schönau. Er
setzte die Rechts- und Gerichtsverhältnisse der Herrschaft auseinander,
wies darauf hin, dass dieselbe erst 1720 seinem Vater wieder zugesprochen
worden sei und ersuchte schliesslich den Kaiser: ihn den Bittsteller „samt
weib, kindern, brüdern, erben, nachkömlingen, anverwanten, dienern, zu-
getanen, hausgesind und brodgenossen mit aller ihrer leib, hab und
güteren, wie auch das immediat haus herrschaft und sonnenlehen Schönau
samt zugehörigen dorfschaften, weilern, höfen, Wohnungen, häusern und so
geist — allodial — als lehengütern, eingesessenen, leheuleuten, larssen,
erbpächteren und fort sämtlichen unterthanen, auch Statthalter, schultheiss,
scheffen, gerichtschreiber, prokuratoren und boten, imgleichen aller hoheit
und herrlichkeit, ober- und niedergerichten, regalien, herren- und lehen-
kammer, Jagdgerechtigkeit, gebot und verbot, geleit, accinsen und weg-
geldern, erbhuldigung, Schätzung, frohnen, wachten und diensten, Privilegien,
freiheiten, benefizien, immunitäten, exemtionen, gewohnheiten, recht und
gerech tigkeiten, renten, erbpfächten, Zinsen und einkommen hinfürter ewig-
lich in dero kaiserlicher und des heiligen römischen reichs sonderbaren
vorspruch, schütz, schirm und protektion und allerhöchst deroselben und
des heiligen reichs adlers salvam guerdiam auf und anzunehmen" auch
ihm, Gottfried von Blanche, zu gestatten, die von Schönau veräusserten
Parzellen, Renten und Erbzinsen gegen Erlegung des empfangenen quanti
an sich zu ziehen und den betreifenden die Appellation von Schönau zu
verbieten.
Zur Wiedererlangung der Parzellen, Renten und Erbziusen bediente
sich Gottfried mit Vorliebe der sogenannten Reduktionsrechnung. Er sah
die alten Verschreibungen sorgfältig nach, berechnete die Einkünfte der
Gläubiger und klagte auf Ersatz alles dessen, was über die reichsgesetz-
lich erlaubten 5 ^/o hinausging. Von den Rechtsnachfolgern eines Gläubigers,
') Der Morkhof-Mohrenkopf lag in der Pontstrasse zu Aachen an der nördlichen
Ecke der jetzigen Friesenstrasse.
— 116 -
dem Baltasar von Mylendunck 1601 einen Erbpacht von 13^2 Fass Roggen
und 5^2 Kapaun für 200 Thaler versetzt hatte, forderte Blanche 1743
nicht weniger als 1552V2 Fass und 632V2 Kapaun als ,,zu viel genossen^
zurück; der Kirche zu Laurensberg rechnete er vor, dass sie ihm 700
Thaler zu erstatten habe und so in zahlreichen Fällen. Wenn er dann
auch diese Summen nicht erhielt, so nahm er doch wenigstens das Land,
die Renten und Erbpächte wieder an sich.
Uebrigens besass dieser Herr von Blanche ein solches Bewusstsein
von seiner Herrlichkeit, dass selbst ein grosser Potentat damit hätte aus-
kommen können. Zunächst gaben ihm die Herren von Heiden, von Bongart
und besonders von Leerode, überreiche Gelegenheit zu Protesten gegen die
„Violation schönauischer Jurisdiktion**. Coomans, den von Leerode zu
seinem Vogteiverwalter ernannt hatte, erliess viele „libellen" gegen- die
Schönauer, worunter Dekrete, Vorladungen und sonstige Schriftstücke des
Heidener Gerichts zu verstehen sind. Johann Gottfried Hess seinerseits
ein Dekret an die Kirche zu Richterich, die er im Selbstgefühle auch
wohl die „Unsere** nennt, anheften worin er solche „libellen" schimpflich
zu verbrennen befiehlt. Das störte aber Coomans nicht; mehrere Jahre
nachher noch meinte Werner Adolf, dessen Insinuationen verdienten, „per
camificem^ verbrannt zu werdend
Die Hahnenkämpfe um die Jurisdiktion zwischen diesen Centimeter-
Landesherren könnten Lachen erregen, wenn nicht die armen Leute so
schwer darunter hätten leiden müssen. In den fünfziger Jahren erhob
Coomans mehrere Schätzungen, die er durch kurfürstliche Soldaten ein-
treiben liess; er belegte die Schönauer mit Einquartierungen, die es stellen-
weise so wüst trieben, dass ein Pächter mit Weib und Kind davon lief
und die Soldaten „wegen begangenen insolentien und exzessen** zu ihrem
Regimente zurückberufen wurden. Und jeder dieser Soldaten durfte von
den Gequälten täglich ein Kopfstück fordern. Hiergegen hatte von Blanche
keine andere Hülfe für seine Leute, als dass er den Kurfürsten bat, er
möge doch seinen Unterherren „die raubungen und spolien in der unmittel-
baren herrschaft Schönau'' verbieten und nicht dulden, dass kurfüi-stliche
Soldaten dazu missbraucht würden; oder dass er beim Kammergerichte
über die „immerwährenden Verfolgungen, thätlichkeiten, ehrenschändungen
wie auch grausamsten Unterdrückungen der unterthanen" vorstellig wurde.
Sonst aber besass von Blanche ein „landesväterliches Herz". Ein
Schönauer führte vor dem Horbacher Gerichte einen Erbschaftsstreit, der
schon 12 Jahre dauerte. Da gebot Johann Gottfried seinem Fiskal ein-
zuschreiten, weil der Kläger als schönauischer Unterthan durch die
Führung des Prozesses vor einem fremden Gerichte die Jurisdiktion des
Herrn violiere, durch den langwierigen Rechtsstreit ausgemergelt werde
und „unser gnädiger landsherr als ein vater seiner unterthanen solcher
*) durch Henkershand.
— 117 —
unVerantwortlichkeit vorgebogen wissen wilP. Wer denkt da nicht an
des ehrlichen Fluellen Aeusserung: ,er gab so brave Worte zu vernehmen,
wie man sie nur an einem Festtage sehen kannP" Die ärgste Ueber-
treibung dieses „landesherrlichen*' Bewusstseins findet sich im Konzepte
eines Briefes, worin von Blanche um die Hand einer kalvinischen Dame
wirbt. Da legt er sich sogar das Recht des berüchtigten Satzes bei:
Wem das Land dem gehört auch die Religion. Man lese: „Outre cela j'ai
l'honneur de vous dire, qu'etant. immediat de l'empire . . . j'ai le droit et
le pouvoir chez moi de faire precher a la volonte de ma future chere
epouse ! "
Und nun zum Schlüsse eine Verhandlung wegen „Majestätsbeleidigung**
vor dem Schönauer Gericht. Der Halbwinner von Mittel-Üersfeld hatte
im Wirtshause am Hirtz in öffentlicher Gesellschaft dem Gerichtsboten
von Schönau zugerufen: „Du bist ein schelm!" und dann „zu öfterenmalen
der herr und das ganze gericht zu Schönau seind Schelmen!" Statt den
Mann mit einigen handgreiflichen Dankbezeugungen für seine Offenherzig-
keit zu entlassen, nahm der Bote zwei Zeugen, verfasste ein Protokoll
und übergab es dem fiskalischen Anwalt zur weiteren Veranlassung.
Der Anwalt lud den Verbrecher zum ersten — andern — drittenmale.
Als derselbe nicht erschien, wurden die Zeugen verhört und die Sache
dem Gerichte überwiesen. Der Anwalt beantragte „condignam poenam" *.
Die Schöffen, welche nicht blos des Herrn sondern auch die eigene Ehre
zu rächen hatten, konnten dem Antrage nicht sofort entsprechen, weil sie
nicht wussten, welche Strafe denn eigentlich einem so schrecklichen Ver-
brechen angemessen sei. So wurden die Akten dem Lizentiaten beider
Rechte Schlebusch als unparteiischem Rechtsgelehrten übergeben und der
orakelte für zwei Reichsthaler folgendermassen. Die Thatsache der höchst
beleidigenden Reden sei festgestellt und nicht zu leugnen; es handle sich
nur um das Strafmass. Da gingen nun die Rechtsgelehrten auseinander.
Die einen erachteten eine poenam incarcerationis cum pane et aqua*,
andere hingegen poenam relegationis ^, auch sogar einige poenam fustiga-
tionis* der meiste Teil aber praeter publicam recantationem * eine poenam
pecuniariam^ für eine entsprechende Strafe. Letztere dürfte auch hier
Platz greifen. „Weilen aber gleichwolen die vom beklagten im öffentlichen
wirtshause ausgegossene injurie derart ist, wodurch nicht blos der obrig-
keitliche respekt und landesherrliche autorität vilipendirt sondern auch
das gemeine Wohlsein hn höchsten grade lädirt wird, folglich dem injurianten
zu dessen bestmöglichster reuiediirung, andern aber zum abschröckenden
exempel eine zweifache strafe zu injungiren steht", so soll derselbe nach
*) eine angemessene Strafe.
*) Gefängnis bei Wasser und Brot.
') Verbannung.
♦) Prügelstrafe.
*) öffentUcher Widerruf.
•) Geldstrafe.
— 118 —
Mävius, Gailius, Oldendorpius u. m. a. ötfeutlichen Widerruf leisten und
25 Goldgulden bezahlen.
Den Umstand, dass Johann Gottfried in Verteidigung der vielberufenen
schönauischen Jurisdiktion sich am 20. Mai 1722 zu einer Gewaltthat
gegen den Heidener Gerichtsboten hinreissen liess, die er selbst zwar als
Notwehr, die Heidener aber und andere Leute als schnöden Mord bezeich-
neten, haben wir schon erzählt. Es scheint, dass man der Darstellung
Johann Gottfrieds Glauben beimass, denn sowohl der Kaiser wie der Kur-
fürst gaben ihm, letzterer im Jahre 1724, das erbetene freie Geleit. Viel
ruhiger ist er durch den Greuel nicht geworden.
Das Kapitel des Aachener Liebfrauenstifts hatte in Richterich das
Gütchen Tönismist angekauft, welches von Schönau lehenrührig sein sollte,
ohne dasselbe am dortigen Lehenhofe zu erheben. Das war wiederum
eine „violation**. Ausserdem behauptete von Blanche, von dem Zehnten
der Schönauer Länderei gehöre dem Kapitel nur der „knopp" \ Stroh und
Kave dagegen seinem Hofe. Als sich die Herren auf seine Ausführungen
nicht einliessen, nahm er ihnen die Zehntgarben nicht blos von seinem
Acker sondern auch von denjenigen Parzellen weg, die von Schönau ver-
äussert, verpfändet oder in Erbpacht gegeben waren. Das Kapitel kenn-
zeichnet in seiner Beschwerdeschrift an den Kaiser die von Blanche
folgendermassen : „Diese verwegene leute, gegen die sich gewalt mit ge-
walt nicht wohl abwehren lasset, weil sie immerhin mit ihren flinten be-
waffnet und mit argen bösen hunden begleitet umhergehen, der eltester
bruder auch vor einigen jähren den gerichtsboten der gülischer unterherr-
schaft Heiden sogar in seiner amtsverrichtung totgeschossen hat, der-
gestalten dass sie von dasigen bauersleuten um so mehr gescheut und ge-
fürchtet werden, als wegen obangeregter erschiessung die wohlverdiente
straf bis dahin ausgeblieben." Daraufhin erliess Karl VI. am 23. Dezember
1732 einen Befehl an die von Blanche, die in den Jahren 1730 — 1732
geraubten Zehntgarben zu erstatten sowie Schaden und Kosten zu vergüten.
Die Ermordung ihres Gerichtsdieners musste die Herren zur Heiden
zu dem Versuche reizen, Johann Gottfried um seine Gerichtsbarkeit zu
bringen, auf die er wie seine Vorfahren sein Vorgehen stützte. Aber der
Prozess, den sie zu diesem Zwecke anstrengten, endete 1751 mit dem
Spruche des Reichskammergerichts, dass der Vertrag von 1523 massgebend
bleiben solle, wobei den Herren von Blanche freigestellt wurde, den da-
mals nicht näher bezeichneten Schönauer Bezirk im Dorfe Richterich ge-
nauer nachzuweisen ^ (Schiuss tbigt.)
0 Das Korn. Eine Behauptung, die auch sonst vorkommt und im Interesse der
Landwirtschaft begründet erscheint.
^) Vgl. Hansen, Zeitschrift des Aachener Geschieh ts-Vereins VI, S. 91.
— 119 —
Der Maler Johann Adam Eberle.
Von J. Fey.
Der Maler Johann Adam Eberle wurde in Aachen zur Zeit der Fremd-
herrschaft am 27. März 1804 (6. Germinal XU) geboren ^ Der Familien-
name, jetzt hier erloschen, klingt süddeutsch, kam aber in der ersten
Hälfte dieses Jahrhunderts auch sonst in Aachen vor. Als Eltern nennt
die Geburtsurkunde den Messerschmied Philipp Eberle und dessen Ehe-
frau Elisabeth Franzin. Die elterliche Wohnung befand sich rue de Bor-
cette, also in der heutigen Kleinmarschierstrasse oder in der Franzstrasse *.
Schon in früher Jugend zog Eberle mit seinem Vater nach Düsseldorf.
Nagler^ teilt anderen Angaben gegenüber mit, dass Eberle hier nicht zu-
nächst das Gewerbe seines Vaters betrieben habe, sondern weil der Hang
zur Malerei in ihm immer mehr gewachsen, noch vor Cornelius Ankunft
in Düsseldorf von seinem Vater auf die dortige Akademie gebracht worden sei.
Di^ Düsseldorfer Akademie bedurfte damals dringend einer Reform,
und mit ihrer Neu-Organisation war bereits seit dem 1. Oktober 1819
Peter Cornelius beauftragt, der jeSoch durch seine Arbeiten in München
festgehalten wurde und erst im Oktober 1821 nach Düsseldorf kam. Durch
sein Wort und Vorbild begeistert, schloss sich ihm hier sofort eine kleine
Schar von Kunstjüngern an, mit dem Meister fast nur eine Familie bildend.
Unter ihnen befand sich auch Eberle, der, seinem Meister mit inniger
Verehrung ergeben, sich bald als einer der Begabtesten und Tüchtigsten
von ihnen erwies. Aus dieser Zeit stammt sein erstes Gemälde, eine „schön
componirte*** Grablegung Christi, worin sich ein ernstes, tiefes Gemüt und
ein reiches künstlerisches Talent offenbartet
Cornelius verbrachte den Sommer 1822 und 1823 in München. In
den dazwischen liegenden Wintern verweilte er in Düsseldorf, wo das
frühere gemütliche Verhältnis zwischen Meister und Schülern seine Fort-
setzung fand. In dieser Zeit malte Eberle für eine Kirche in Westfalen
ein Altarbild, die hl. Helena mit zwei Passionsengeln ^. Abends wurde
unter des Meisters Leitung nach dem Akt (dem nackten Modell) gezeichnet,
übrigens waren die Verhältnisse der Schüler des Cornelius nicht eben
glänzende. Manchmal hatten die edlen Kunstjünger bei einer Arbeit nur
Wasser und Butterbrod, aber doch waren sie zufrieden und glücklich^.
*) Das Geburtsdatum ist hier zum erstenmale nach der offiziellen Geburtsurkunde
richtig gestellt.
*) Als Zeugen sind in der Geburtsurkunde aufgeführt: Christoph Jansen, Tuch-
fabrikarbeiter, Gerhard Noppeney, ohne Gewerbe. Beide wohnten ebenfalls rue de Borcettc
und waren vermutlich Nachbaren, was zur Ermittelung des Geburtshauses dienen mag.
') Neues allgemeines Künstler-Lexikon Bd. IV, S. 63.
*) Urteil Ton Pecht, Allgemeine deutsche Biographie Bd. V, S. 573.
*) Nag 1er a. a. 0.
•) Förster, Peter von Cornelius. Ein Gedenkbuch. Berlin 1874, Bd. I, S. 296
und Nagle r a. a. 0.
^) Historisch-politische Blätter Bd. LX, S. 19.
— 120 —
Cornelius fülilte bald die Unmöglichkeit, der Düsseldorfer Akademie
vorzustehen und gleichzeitig seine grossartigen Unternehmungen in München
zu einem glücklichen Ende zu führen. Er legte daher mit Ablauf des
Winterseraesters 1824/25 sein Düsseldorfer Amt nieder und siedelte im
Laufe des Sommers 1825 mit seinen besten Schülern endgültig nach
München über, wo er zugleich das gerade damals erledigte wichtige Amt
des Direktors der Kunstakademie erhielt.
Auch Eberle war mit nach München gezogen und half seinem Meister
zunächst an den Arbeiten in der Glyptothek, wo er nach den Kartons
desselben malte. Bald fand er aber auch durch Cornelius Gelegenheit zu
selbständigem Schaffen.
Cornelius war stets bereit, seinen Schülern mit Rat und That zu
helfen; bei vielen von ihnen vertrat er, wie Eberle das immer von seinem
Verhältnis zu ihm sagte, die Stelle des sorgenden Vaters ^ Als solchen
bewährte er sich auch jetzt im Bestreben, seinen Schülern Aufträge zu
verschaffen. König Ludwig kam ihm hierbei bereitwillig entgegen.
„An der Westseite des königlichen Hofgartens war ein neues Gebäude
(der Bazar) aufgeführt und durch einen halboffenen Bogengang mit der
königlichen Residenz in Verbindung gebracht worden. Fortgeführt um
zwei Seiten des königlichen Hofgartens bildeten diese Arkaden einen öffent-
lichen Spaziergang, wie er sich ganz besonders für einen dem öffentlichen
Leben gewidmeten Kunstschmuck eignete. Für die der königlichen Resi-
denz nächsten Arkaden wurden von Cornelius Bilder aus der bayerischen
Geschichte dem König vorgeschlagen, was dieser genehmigtet" Es ent-
standen so neben einer Reihe allegorischer Darstellungen von Regeuten-
tugenden sechzehn grosse historische Freskogemälde, deren eines, die
Erhebung des Herzogs Maximilians I. zum Kurfürsten (25. Februar 1623),
von Eberle entworfen und ausgeführt ist. Dieses Bild gilt als eines der
besten unter den Freskogemälden in den Arkaden ^
Noch vorher vollendete Eberle im Sommer 1827 ein anderes Fresko-
gemälde. Cornelius hatte für seine Schule die Ausschmückung der Decke
des Odeousaales übernommen und mit der Ausführung der drei anzubringenden
Kolossalgemälde (Apollo und die Musen, Apollo unter den Hirten, das
Urteil des Midas) seine Schüler Wilhelm Kaulbach, Eberle und Hermann
Anschütz beauftragt. Eberle hat das zweite dieser Bilder geschaffen.
Die Arbeit war keine leichte. Abgesehen von den grossen Schwierigkeiten,
welche das Bemalen einer Decke mit sich bringt, lag dem Könige die
rasche Beendigung der Arbeit mehr am Herzen, als es die Künstler
wünschen konnten. Häufig erstieg der König die hohen Gerüste im Odeon,
um den Fortgang der begonnenen Werke zu betrachten; auf alle Fälle
>) Historisch-pohtisehe Blätter Bd. LX, S. 43.
*) Förster a. a. 0. S. 393.
^) Die üg^ renreiche Komposition ist abgebildet bei Raczynski, Geschichte der
neueren Deutschen Kunst, Deutsche Ausgabe Bd. n, S. 224.
— 121 —
wollte er den Saal für den Winter in Benutzung nehmen und erklärte
schliesslich, trotzdem Cornelius dringend vor Überstürzung warnte, die
Fresken, wie leid es ihm auch wäre, abschlagen zu lassen, wenn sie
nicht vollendet werden könnten ^ Mit Anstrengung aller Kräfte und unter
dem Beistande von Freunden und Genossen gelang es dann, dem Wunsche
des Königs vollkommen Genüge zu leisten*.
Kaczynski zieht das von Eberle im Odeon gemalte Bild dem daselbst
befindlichen Kaulbachschen Gemälde vor, ohne indessen beide Bilder als
Massstab für das Talent ihrer Schöpfer gelten zu lassend
Zwischen den Tagen angestrengter Arbeit waren unsern Künstlern
Stunden der Erholung und heiterer Lust wohl zu gönnen. So feierten
die Müuchener Akademiker am 3. September 1827 zur Bewillkommnung
der neuangestellten Professoren Schnorr und Hess in Ebenhausen a. d. Isar
ein ländliches Fest. In einem bei diesem Feste gesungenen Liede „Zum
blauen Montag" heisst es unter Anspielung auf die Arbeiten in den Arkaden,
im Odeon und in der Glyptothek:
Ein Freskoleben führen wir
Auch ohne Kalk und Mauer.
In Ebenhausen malen wir
Den blauen Montag blauer!
Fern harrt Apoll und Witteisbach,
Sehnsüchtig sehn die Musen nach,
ülyss' steht auf der Lauer ^.
Ein Fest von höchster Bedeutung brachte das kommende Frühjahr.
Am 6. April 1828, dem 300jährigen Todestage Albrecht Dürers, sollte in
Nürnberg der Grundstein zu dessen Denkmal feierlich gelegt werden. Mit
Cornelius Einwilligung erging von seinen Schülern ein öffentlicher Aufruf
an alle deutschen Künstler, das Fest in Nürnberg zu einem allgemeinen
deutschen Künstlerfest zu gestalten. Der Aufruf hatte Erfolg, und von
allen Seiten strömten die deutschen Künstler nach Nürnberg. Die münchener
Künstler entschlossen sich, zur Verherrlichung des Tages in einer Reihe
von Transparentbildern das Leben Albrecht Dürers zu schildern und zu dem
Ende acht Tage vor dem Feste nach Nürnberg zu kommen. Von diesen
Transparentbildern, sieben an der Zahl, welche in den Spitzbogenfenstern
an der Ostseite des alten Rathaussaales angebracht wurden, malte Eberle
das mittelste. Das Bild stellte, und zwar auf Grund einer Anregung von
Cornelius, welcher auch Raphael bei dem Feste nicht unberücksichtigt
lassen wollte, Albrecht Dürer und Raphael voi*, die sich vor dem Throne
der Kunst die Hand reichen. Hinter Dürer war Kaiser Maximilian,
») Brief an Cornelius vom 30. Juni 1827 bei Förster a. a. 0. S. 398.
«) Daselbst S. 397 ff.
») a. a. 0. S. 224.
*) Förster a. a. 0. S. 391.
— 122 —
Luther, Pirkheiiner und Wohlgemuth, hinter Raphael die Päpste Julius IL
und Leo X., Bramante und Perugino darstellt.
Das Fest verlief in gleich erhebender wie gemütlicher Weise, mit
ernsten Mahnungen und heiteren Wendungen, auch mit EntSchliessungen
zu fernerem Zusammenwirken. Am 10. April — als freilich schon manche
Festgäste, so auch Cornelius, abgereist waren — fand unter dem Vorsitz
von J. D. Passavant eine Versammlung statt, in welcher die Gründung
eines x\llgemeinen deutschen Künstlervereins beraten und beschlossen wurde.
Eberle nahm an dieser Versammlung teil; die Statuten unterschrieb er:
„Ad. Eberle aus Düsseldorf, Maler in München" ^
Im August 1827 machte Eberle die Bekanntschaft seines zwei Monate
älteren, nachmals berühmt gewordenen Kunstgenossen Moritz von Schwind,
welcher aus Wien auf zehn oder zwölf Tage nach München gekommen
war, um die Arbeiten des Cornelius zu besichtigen. Am 27. August war
von Schwind bei Cornelius zum Abendessen eingeladen. „Abends um
8 Uhr*' erzählt von Schwind in einem Briefe an seinen Freund Franz von
Schober „ging ich hin. Er selbst war noch nicht zu Haus. Eberle aber, sein
Schüler, führte mich zu seiner Frau, wo Schnorr, der den Tag vorher
angekommen war, Heinrich Hess, Cornelius Schwester und zwey kleine
Töchter sassen" Nach dem Essen wurden dann verschiedene
Gesundheiten „lebhaft getrunken, ausserdem musste ich mit Eberle Bruder-
schaft trinken, so dass ich einen Schwips hatte und sehr lustig war*'^
Ein fernerer intimer Verkehr zwischen den beiden Malern scheint
trotzdem, auch nachdem von Schwind im Herbst 1828 nach München über-
gesiedelt war, nicht stattgefunden zu haben.
Während des Aufenthalts in München graphierte Eberle auch neun
Umrisszeichnungen in Stein nach den von Cornelius entworfenen und teil-
weise in Deckfarben ausgeführten Zeichnungen zu den (nicht ausgeführten)
Dante-Fresken für die Villa Massimi in Rom. Diese Lithographien zu
Dantes Paradies erschienen 1831 bei Börner in Leipzig mit scharfsinnigen
theologisch-historischen Erklärungen von J. J. J. Döllinger^
Im Sommer 1829 erkaltete das Verhältnis zwischen Cornelius und
König Ludwig. Die von Cornelius gebildete Schule löste sich auf, und
jeder Schüler schlug seinen eigenen Weg ein. Wie auch andere von Cornelius
Schülern wandte Eberle sich nach Rom — er sollte in der ewigen Stadt
ein frühes Grab finden. Die Abreise von München erfolgte wahrscheinlich
am 5. September 1829. Mit Eberle reisten Frau Cornelius und ihre jüngste
Tochter Maria, deren Schutz Cornelius seinem von ihm innig geliebten
Schüler anvertraut hatte; zur Reisegesellschaft gehörte auch die mit der
Familie Cornelius sowohl als mit Eberle befreundete Malerin Emilie Linder
») über das Vorstehende siehe Förster a. a. 0. S. 404 ff., 489 f.
») H. Holland, Moritz von Schwind S. 33 f., 39.
^) Zwei dieser ümrisszeichnungen bei Eaczynski a. a. 0. S. 170 und 171. Die
Corneliusschen Originale erwarb König Johann von Sachsen.
— 123 —
ans Basel. Die ßeise ging über Venedig, Florenz und Assisi^ In Rom
schloss Eberle sich an Overbeck an. Zunächst beschäftigte er sich nun
mit dem Karton zu der dem Leben Michelangelos gewidmeten Loge in der
Münchener Pinakothek, wozu Cornelius die Zeichnung geliefert hatte. Bei
dieser Arbeit kam eine Eberle schon seit langem drückende Schweimut,
der Schmerz darüber, dass das Hervorgebrachte so wenig mit dem Gewollten
übereinstimmen wollte, zum Ausbruch. Unzufrieden mit dem Geleisteten
zerstörte er oft die Arbeit vieler Wochen, damit aber auch sich selbst ^
Aber auch ein anderer schlimmer Gast hielt Einkehr bei unserem
Künstler, die Not. Eberles Verhältnisse scheinen nie besonders glänzende
gewesen zu sein — in Rom wäre die Lage eine verzweifelte geworden,
hätte nicht seine Reisegefährtin Emilie Linder, eine reiche Patriziertochter,
helfend eingegriflfen.
Emilie Linder^ war eine jener edlen Frauengestalten, deren Nähe
schon beglückend wirkt. Von hoher Bildung, ausgestattet mit reichen
künstlerischen Anlagen, besass sie einen edlen uneigennützigen Charakter,
ein Gemüt von seltener Reinheit und Innigkeit. Auch auf sie hätte man
die Worte einer deutschen Dichterin anwenden können:
Und wer sie mag gewahren,
Dem ist ein Glücke nah;
Schon ist ihm widerfahren
Ein Glück, weil er sie sah.
Als sie nach zweijährigem Aufenthalte im Juli 1831 Rom verliess,
ward ihr Scheiden von den deutschen Künstlern schwer empfunden. Der
alte Maler Koch Hess ihr durch Eberle schreiben, wie sehr er bedauere
„die Winterabende nicht wieder wie früher bei ihr zubringen zu können**.
Ein gesegnetes Andenken hinterliess die Künstlerin aber in der deutschen
Künstlerkolonie dadurch, dass sie jüngere Talente unterstützte und durch
Aufträge ermutigte. Auch Eberle kam sie auf solche Weise zu Hülfe, und
man darf wohl sagen, dass durch ihre Güte auf seine letzten Lebensjahre
ein letzter Sonnenschein gefallen ist. Die Briefe, die sie von dem Früh-
vollendeten aufbewahrte — teils während ihrer Anwesenheit in Rom, teils
nach ihrer Abreise aus Italien an sie gerichtet — geben darüber reich-
lichen Aufschluss. Kaum hatte Fräulein Linder Eberles Lage kennen
gelernt, so bestellte sie bei ihm ein Ölgemälde, und voll Rührung
dankte er der freundlichen Dame für „das Vertrauen, das sie einem
Namenlosen durch den ehrenvollen Auftrag** geschenkt habe. Später
erwarb sie auch mehrere Zeichnungen von Eberle gleich dem bestellten
0 Über das Vorstehende Förster a. a. 0. Bd. II, S. 5 und 43.
*) Nagler a. a. 0.
') Über Emilie Linder siehe die beiden Artikel Historisch -politische Blätter
Bd. LIX, S. 718 ff. und 836 flf. Diesen Artikeln ist das Nachstehende teilweise wörtlich
entnommen.
— 124 —
Ölgemälde^ fast ausschliesslich religiöse Gegenstände, darunter auch die
von ihm besonders hochgehaltene und auf ihre Veranlassung in Kupfer
gestochene Zeichnung: Petrus und Paulus auf der Fahrt nach Rom.
Als ihr Eberle diese und eine andere dem alten Testamente entnommene
Zeichnung als „Ertrag seiner Muse seit ihrer Abreise" nach Basel zu-
sandte, begleitete er die Sendung mit den Worten: „Was mich hauptsächlich
zu diesen Gegenständen hinzieht, ist die gesunde Sprache, die ich bemüht
bin in meine Kunst zu übertragen. Deshalb sehen Sie diese Arbeit bloss
als Studium an, die ich für meinen Geschmack noth wendig halte; was
daran noch fehlt, weiss ich sehr gut, ohne aber dem Mangel abhelfen zu
können. Nehmen Sie es deshalb wie es ist, ganz schlecht ist es nicht
und ist in sehr trüber Zeit entstanden und hängt manche Thräne dran,
die wie eine Ader edlen Metalls siebenmal bewährt im irdenen Tiegel
durchhinfliesst. Auch hab ich schon hier einigen Trost, dass ich nicht
ganz vergeblich gearbeitet habe, in dem Urtheil Overbecks, der sie bei
Bunsen sah, was mich nicht wenig freute." Ihre freigebige Fürsorge hörte
nicht auf, ihn der drückendsten Sorgen zu entheben, und Eberle ergeht
sich in Worten voll Dankbarkeit für die fortlaufenden Beweise ihrer Güte,
noch mehr aber für die zarte Weise und die aufrichtigen Worte, womit
sie das alles that.
Auch auf seine religiöse Gesinnung scheint ihr persönlicher Umgang
zu Eom wohlthuend gewirkt zu haben. Die Neigung für mystische Schriften,
die sie durch Baader angeregt in jener Periode nährte, gewann auch bei
ihm Boden, und als kurz nach ihrer Abreise Ernst von Lasaulx nach Eom
kam, freute dies Eberle besonders auch deshalb, weil er mit diesem die
liebgewordene gemüterhebende Beschäftigung wieder fortpflegen konnte.
Er schrieb ihr darüber am 25. September 1831 nach Basel: „Ein alter
Jugendfreund und Landsmann von mir, E. Lasaulx, ist jetzt mein beinahe
ausschliesslicher und täglicher Umgang ... Er wird wohl den Winter
hier zubringen und meine Wohnung mit mir theilen. Er ist, wie Sie
wissen, ein eifriger Anhänger des Schelling und mit der neuern Philosophie,
und was für mich noch mehr Werth hat, mit der Mystik des Mittelalters
sehr vertraut; ich freue mich einigen Ersatz Ihrer Gesellschaft an ihm
gefunden zu haben, wenn ich auch nicht die Hoffnungen, die er auf die
neuere Philosophie setzt, theilen kann ; wenn mich auch die Bekanntschaft
mit derselbigen über manches Vorurtheil aufklärt, so finde ich mich doch
nur mehr und mehr zu dem Einen was Noth ist hingezogen, in der festen
Überzeugung dass nur an der alleinigen Lebensquelle Jesus Christus unser
Durst gestillt werden kann." Über seinen Freund fügt er indess gleich
hinzu: „Lasaulx hat übrigens eine sehr tüchtige christliche Unterlage,
und wenn einmal sein Können mit seinem Wollen und sein Wollen mit
*) Dieses Ölgemälde, von welchem auch Förster (a. a. 0. Bd. II, S. 46) berichtet,
scheint nicht über die ersten Anfänge hinausgekommen zu sein.
— 125 —
seinem Können Hand in Hand geht, dürfen wir gewiss etwas sehr Tüchtiges
von ihm erwarten.**
Lasaulx war es dann auch, welcher der gemeinsamen Freundin die
Trauerpost von dem unerwarteten Hinscheiden Eberles nach Deutschland
berichtete. Eberles Plan war gewesen, noch ein Jahr in Rom zu ver-
bringen, dann wieder nach München und unter die Fittige seines Meisters
Cornelius zurückzukehren und seiner Kunstwanderfahrt ein Ziel zu setzen.
So schrieb er noch selber in einem Briefe vom 7. März 1832 ^ Aber
schon einen Monat später hatte er seine irdische Pilgerfahrt vollendet.
Er erlag einem Magenleiden. Fräulein Linder hatte den Kranken kurz
zuvor noch durch die Zusendung eines Vorschusses erfreut. Unter dem
24. April 1832 meldete nun Lasaulx aus Rom: „Unser Freund Adam Eberle
genas am 15. April* Nachmittags fünf Uhr nach hartem Todeskampf von
der Krankheit dieses Lebens; Charfreitag Morgens haben wir ihn heim-
getragen . . . Drei Tage vor seinem Tode ward ihm noch die grosse
Freude, Ihren letzten Brief und was Ihre Liebe diesem Brief beigelegt,
zu erhalten. Er war Einer der wenigen, die ihre Seele reingewaschen
im Blute des Lammes, welches von der Welt Anfang geopfert worden . . .
Die Lamentationen und das Miserere der göttlichen alten Meister Palestrina
und AUegri, welche Sie unsern Freund gebeten für Sie mitzuhören —
habe ich für Sie beide mitgehört.**
So ruht auch dieser deutsche Maler fern von Vaterstadt und Vater-
land im ewigen Rom auf dem Kirchhof an der Pyramide des Cestius. Unge-
schwächt aber lebte sein Andenken fort in der Erinnerung seiner Freunde.
Hier ist zunächst Eberles Meister Peter von Cornelius zu nennen.
Raczynski, mit Cornelius wohl bekannt, teilt mit, dass dieser Eberle für
einen seiner besten Schüler gehalten und besondere Vorliebe und Sorgfalt
für ihn gehabt habe^ Förster, Eberles Mitschüler bei Cornelius und des
letzteren vertrauter Freund, berichtet wie das Jahr 1832 für Cornelius
sowohl durch den Tod seiner ältesten Tochter, als auch durch das Hin-
scheiden Eberles, der einer seiner liebsten und begabtesten Schüler gewesen,
ein Trauerjahr geworden sei *. Wie sehr aber Cornelius die künstlerische
Begabung Eberles schätzte, zeigt eine Stelle aus einem ein Jahr nach
dessen Tod an König Ludwig gerichteten Briefe, in welchem er diesem
einen jungen Künstler empfahl. „Euer Majestät" schrieb er, „erziehen
jetzt, da er noch jung, genügsam und empfänglich ist, mit wenig Aufwand
von Mitteln einen so bedeutenden Künstler, der sich einst an Kaulbach,
Eberle etc. wird anschliessen dürfen** *.
0 Kurz vorher am 12. Februar 1832 schrieb Cornelius an Emilie Linder: „Von
Kom haben wir fi;ute Nachrichten". Förster a. a. 0. Bd. II, S. 70.
') Hiernach ist die Zeitangabe bei Förster a. a. 0. S. 76 zu berichtigen.
«) a. a. 0. S. 222.
*) a. a. 0. Bd. H, S. 76 f.
») Brief vom 24. April 1883 bei Förster a. a. 0. S. 89.
— 126 —
über das Verhältnis Kaulbachs zu Eberle äussert Raczynski sich
ausführlicher: „Das Andenken Eberles ist auch für Kaulbach ein Gegen-
stand der Verehrung. Dieser ehrenvoll bekannte junge Mann lebte mit
Kaulbach in naher Freundschaft. Beide waren zu gleicher Zeit Cornelius
Schüler gewesen, beide folgten ihm nach München, und der Austausch der
Gedanken und Ratschläge, der zwischen ihnen Statt fand, hat nicht wenig
zur Entwickelung von Kaulbachs Talent beigetragen. Eberles Werke
erregen fortwährend seine Bewunderung und seine Lobsprüche, und der
Tod dieses bedeutenden jungen Mannes ist für ihn ein steter Gegenstand
der Trauert"
Auch Lasaulx hat seinem Jugendfreunde ein immerwährendes Angedenken
bewahrt. Als er im Jahre 1859 fast am Ende seines Lebens seiner Freundin
Emilie Linder sein letztes grösseres Werk „Philosophie der schönen
Künste" widmete, „die gedankenvolle Arbeit vieler Jahre und ein stilistisches
Meisterwerk" ^ unterliess er es nicht in der Zueignung auch des gemein-
samen Freundes Eberle zu gedenken. „Dass ich gerade Ihnen das Buch
zueigne", schreibt er, „werden Sie bei einiger Selbsterforschung natürlich
finden. Ich begegnete Ihnen zum erstenmale vor dreissig Jahren in
München, in einem schönen Kreise befreundeter Männer und Frauen . . .
Der Tod unseres frühreifen Freundes Adam Eberle veranlasste mich dann
Ihnen brieflich näher zu treten; und seitdem waren Sie mir und meiner
Frau und Tochter in frohen und trüben Tagen eine so liebe und wahre
Freundin, dass es mir ein Bedürfniss ist, Ihnen meine Dankbarkeit auch
dadurch zu bezeugen, dass ich gerade dieses Buch dessen Inhalt Ihren
eigenen Studien so nahe liegt, und bei dessen Ausarbeitung ich Ihrer und
unserer andern Freunde, der lebenden und der todten oft gedachte, am
liebsten Ihnen darbringe'."
Eberles (Selbst- ?) Bildnis ist in Raczynskis Geschichte der neueren
deutschen Kunst enthalten*. Es zeigt einen jungen Mann zu Anfang
der zwanziger Jahre, von edlen ernsten Zügen, mit schwachem Bart-
wuchs. Auf den glatten, dichten und lang bis auf den Hals fallenden
Haaren sitzt ein Künstlerbarett.
Über die künstlerische Bedeutung Eberles urteilt ein bekannter Kri-
tiker, der Maler und Kunsthistoriker Fried. Pecht^ dass die Freskogemälde
bei manchen Schönheiten der Komposition wegen der bunten und haltungs-
losen Malerei nicht zu Geltung kommen, dass aber die Kartons und die
mit der Feder gezeichneten Kompositionen als wirklich wertvolle Arbeiten
zu achten sind, welche mit Recht grosse Erwartungen erregten, die
Eberle jedoch bei dem Mangel jeder Technik im Malen und wegen seiner
0 a. a. 0. S. 276 f.
3) Historisch-poUtische Blätter Bd. LIX, S. 739.
') Philosophie der schönen Künste S. 4.
*) Bd. n, S. 223.
*) Allgemeine deutsche Biographie Bd. V, S. 573.
— 12? —
vollkommenen Unkenntnis der Gesetze des Kolorits nie zu erfüllen im
Stande war.
Dass Eberle diese Mängel nur zu sehr selbst empfand, wurde bereits
im Verlaufe der Darstellung angedeutet. Immerhin bleibt bei der Beurteilung
der Eberleschen Fresken zu berücksichtigen, dass es sich um die Arbeiten
eines Dreiundzwanzigjährigen handelt, dann auch, dass seine Mängel der
Schule im allgemeinen anhafteten, welche über Komposition und Form-
gebung das Kolorit oft allzusehr vernachlässigte.
Die von Eberle geschaflFenen Gemälde sind im Vorstehenden aufgeführt
worden. Ihr Verbleib liess sich, soweit sie nicht in Monumentalmalereien
bestehen, nicht ermitteln. Von Eberles Zeichnungen sind sieben durch
Emilie Linder dem Museum ihrer Vaterstadt Basel vermacht worden. Es
sind dies^ folgende Blätter:
1. Landschaft. Links grosse Baumgruppe mit Ausblick auf eine
Kuppelkirche; rechts junger Mann in italienischer Tracht, der ein Eselchen
führt, auf welchem eine Frau und ein nacktes Kind sitzen; zu äusserst
rechts ein junges Mädchen mit einem Korb auf dem Kopf. (Bisterzeichnung;
einzelne Partien erst mit Bleistift angelegt. Jugendarbeit. Von Fräulein
Linder bezeichnet: „Eberle".)
2. Job von seinen Freunden verspottet. (Pause in Bleistift.)
3. Derselbe Gegenstand; Komposition reicher. Oben Gott Vater; zur
Linken der Satan entfliehend ; rechts Engel. (Flotte Bleistiftskizze, bezeichnet
unten links „Ad. Eberle".)
4. Das trauernde Jerusalem. Grosse nicht ganz vollendete Kompo-
sition. (Bleistiftzeichnung, rechte Seite nicht ausgeführt. Bezeichnet:
„Das traurende (sie) Jerusalem — Eberle". Im Bilderatlas zu Raczynskis
Geschichte der neueren deutschen Kunst befindet sich eine Lithographie
dieser Zeichnung von Strixner.)
5. Jesus beruft zwei Jünger. (Sorgfältig ausgeführte Kreidezeichnung.)
6. Die trauernden Juden an den Wassern zu Babylon. Grosse Kompo-
sition. (Kreidezeichnung. Bezeichnet „Eberle". Abgebildet bei Förster,
Denkmale deutscher Kunst*.)
7. Petrus und Paulus auf der Fahrt nach Rom. Die Apostel sitzen
nebeneinander in der Mitte einer dem Ufer zufahrenden Barke. Ein Engel
(der Glaube), welcher den kreuzförmigen Mast umfasst hält, steuert das
Schifflein; ein zweiter am Schnabel sitzender Engel spielt auf der Harfe.
Vorauf schwebt ein Engel, der einen Schild und eine Posaune trägt, über
deren SchallöflFnung ein Stern strahlt — wohl ein Hinweis auf den Glaubens-
mut der Apostel, die im BegriflFe sind, den Heiden das Licht des Evangeliums
*) Nach einer gefälligen Mitteilung des Herrn Konservators Dr. Daniel Burckhardt
in Basel.
*) Der bei Raczynski befindliche Hinweis auf das den gleichen Gegenstand
behandelnde Gemälde Bendemanns im Kölner Museum wurde durch Cornelius veranlasst.
Siehe Riegel, Peter Cornelius, Berlin 1888, S. 335—386.
— 128 —
zu verkünden. Ein dem Nachen folgender Engel mit umgekehrtem Kreuz
und gezücktem Schwert deutet den den Aposteln bevorstehenden Marter-
tod an. Auf dem gebirgigen Ufer ein antiker Tempel. (Sorgsam levirte
Bisterzeichnung, bezeichnet unten rechts: „Eberle". Abgebildet bei Raczynski
a. a. 0. S. 226.)
Die unter 2, 5 und 6 aufgeführten Zeichnungen sind im Saal neuerer
Handzeichnungen ausgestellt und tragen die Nummern 57, 56 und 55.
Vereins angelegenheiten.
Bericht über das Vereinsjahr 1895—1896.
Auch in dem abgelaufeüeu Jahre ist der Verein wieder redlich bemüht gewesen,
der Aufgabe, die er sich bei seiner Gründung gesteUt, nach allen Seiten hin gerecht zu
werden. Zu dem Ende hat er einerseits eine Reihe von wissenschaftUchen Sitzungen und
Ausflügen veranstaltet und anderseits den neunten Jahrgang der Vereinszeitschrift heraus-
gegeben, welcher eine reiche FüUe lokalgeschichtlichen Stoffes in grossem Abhandlungen
und kleinern Mitteilungen den Mitgliedern bietet. Der erste Ausflug, am 4. August 1896,
hatte zum Zielpunkt die im Geulthale gelegene mittelalterliche, heute in arg zerfallenem
Zustande befindliche Burg Schimper. Da die Besichtigung derselben nicht die ganze für den
Ausflug in Aussicht genommene -Zeit in Anspruch nahm, so konnte noch eine lohnende
Pusswanderung nach dem drei Viertel Standen entfernten Altenberg unternommen werden.
In der Gartenveranda des Altenberger Casino hielt Herr Pfarrer Schnock einen längeren
Vortrag über das neutrale Gebiet von Moresnet. Am 4. Oktober veranstaltete der Verein
einen zweiten Ausflug nach der Burgruine Wilhelmstein. Die Innern Bäumlichkeiten wie auch
die äussern Befestigungswerke wurden unter Führung des Herrn Rhoen eingehend besichtigt
In Bardenberg, wo noch eine" kurze Nachsitzung stattfand, hielten Herr Pfarrer Schnock
und Herr Referendar Schollen zu der Geschichte Bardenborgs und der Burg Wilhelmstein
in Beziehung stehende Vorträge. Mit hoher Befriedigung gedenken die Teilnehmer beider
Ausflüge. Die satzungsmässige Hauptversammlung wurde am 11. November im Vereins-
lokal „König von Spanien** unter sehr reger Beteiligung abgehalten. In derselben erstattete
der Vorsitzende, Herr Direktor Dr. Wacker den Jahresbericht, aus dem wir entnehmen,
dass die verhältnissmässig hohe Summe von nahezu 7000 Mark bisher auf die Drucklegung
und Ausstattung des Vereinsorgans — die Autoren haben in dankenswerter Weise ihre
Arbeiten gratis zur Verfügung gestellt — verwandt worden ist, sowie ferner, dass die
Mitgliederzahl sich in der Höhe von 220—230 erhalten hat. Der Schatzmeister des Vereins,
Herr Stadtverordneter Ferdinand Kremer, gab sodann einen Ueberblick über die finanzienen
Verhältnisse und wurde ihm, nachdem die Kasse auf ihre Richtigkeit durch die Herren
Fey und Pschmadt geprüft worden, Entlastung erteilt und der wärmste Dank ausgesprochen.
Es hielten sodann noch längere, höchst anziehende und lehrreiche Vorträge die Herren
Referendar Schollen und Archivar Dr. Brüning. Ersterer hatte sich zum Thema gewählt :
„Die Strafrechtspflege in Aachen zu reichsstädtischer Zeit", letzterer sprach über die
Beziehungen des Prinzen Eugenius zu Aachen. Beide Vorträge fanden die verdiente
Anerkennung und reichen Beifall.
Verlag der Cremer'schen Bnchhandlniig (C. Caziii) in Aachen.
Die Fabel von der ßeslallung Karls des Grossen.
Von TH. LINDNER.
m, 82 S. gr. 80. Preis -4t 1.60.
Dbuck von Hekman.n Kaat)UsR in Aacukm.
ms ¥011
IM AUFTRAG DES VEREINS HERAUSaEQEBEN
HEINRICH SCHNOCK.
ZEHNTER JAHRGANa.
AACHEN.
KoMMissioNS -Verlag dkk (■humhhschhn Buchhandlung (0. Oazin).
1897.
INHÄLT.
Seite
1. Schönau. (Fortsetzung.) Von H. J. Gross 1
2. Schönau. (Schluss.) Von H. J. Gross 17
3. Zum Rastattcr Gesandtenmord. Von W. Brüning •. . 21
4. Ein „Gemeiner Bescheide* des Aachener Schöffenstuhls. Von Franz
Schollen 25
5. Kleinere Mitteilungen:
1. Aus dem Aachener Stadtarchiv. Von W. Brüning 29
2. Eine alte Aachener Geleitstafel. Von FranzSchollen . . . 30
6. Aufzeichnungen eines Haarener Kirchenbuches aus den Kriegsjahren
1792—1795. Von H. Schnock 33
7. Kleinere Mitteilung:
Der Aachener Stadibrand im Jahre 1656. Von H. Schnock. . . 50
8. Zur Geschichte Aachener Maler des 19. Jahrhunderts. Von J. Fej . 53
9. Max von Schenkendorf am Rhein und in Aachen. Von K. Wacker . 92
10. Zur Geschichte des Ortes Schevenhütte. Von A.Bommes . . . . 101
11. Kleinere Mitteilungen:
1. Reihenfolge der Pfarrer in der Gemeinde Haaren bei Aachen.
Von H. Schnock 111
2. Ein Brief E. M. Arndts an den Maler Salm. Von J. Fey . . 112
3. Ein Agent in Aachener Diensten während des Pfälzischen Krieges.
Von M. Schollen 113
4. Lühnungsliste der Soldaten der Reichsstadt Aachen vom 26. April
1657. Von Demselben 113
.'3. Kosten eines Festessens in Aachen im Jahre 1700. Von Demselben. 116
12. Vereinsangelegcnheiteu:
1. Bericht über das Vereinsjahr 1897. Vom Herausgeber. . . 117
2. Verzeichnis der Mitglieder 120
. *•- ^:»^ - ',
Jäbrlich S Numinorn Komm issions -Verlag
A 1 Bogen Royal Oktav. ^^'
Creme r'gcheo Buc.hhandinne
Prei» des Jahrgangs (C.C«iil
4 Uark. in Aaclien.
Mitteilungen des Vereins für Kunde der Aachener Vorzeit.
Im Anftragc Jca Vereins herausgegeben vun H. Schnook.
Zehnter Jahrgang.
Inhalt; H. J. Qross, ScbSoan. (Fortgetziing statt Schloss.)
Schönau.
Von H. J. Gross. ( Fortsetz ung statt Sehlnss.)
Ebenso glücklich waren die Brüder in dem Rechtsstreite gewesen,
den seinerzeit Adolf von Hillensberg gegen den Eindringling Max eiiige-
■ leitet und der 1735 sein Ende erreicht hatte. Die Myleudunck waren zum
Ersätze der Mobilien mit 1000 Gulden, der genossenen Einkünfte mit 390
Thaler fürs Jahr und zur Herausgabe sämtlicher Briefschaften verurteilt
worden. Nun gab es noch eine Möglichkeit die Blanche von Schönau zu
entfernen, wenn nämlich der Rechtshandel, der zwischen Margarethe
Elisabeth von Myleiidnnck und Isak Lambert von Blanche sich entsponnen
hatte, zu Ungunsten der Brüder entschieden würde. Aber auch hier
blieben die Blanche 1759 Sieger. Nun liess sich Johann Gottfried auf
grund eines Exekutionsdekrets an den Kurfürsten von Köln in Fronenbroch
als Herr einsetzen. Die Kosten waren nicht unbedeutend. Die beiden
Kommissare erhielten sofort 300 Tbaler Reisegeld, je acht Thaler Tage-
gelder, der Sekretär vier Thaler, der Prokurator der Blanche ebenfalls
vier Thaler, sodann die Kommissare für Wagen und Diener noch sechs
Thaler täglich. „Kost und drank so über reis als in loco wird sich eben
so viel betragen haben," Hundert Schützen aus Rheinberg, welche die
Kommissare hatten kommen lassen, erhielten vier Louisdor für Bier und
Branntwein. Die Kosten wurden gedeckt aus „des gegners effekten", die
für 1500 Thaler verkauft worden waren.
— 2 —
So hatten die Herren von Blanche alle ihre Widersacher überwunden. —
Da erlitten sie mitten im Siege die entschiedenste Niederlage. Ein Gegner
stand gegen sie auf, dem sie nicht gewachsen waren. Der Kurfürst von
der Pfalz, jedenfalls gereizt durch die Herren zur Heiden, wohl auch
von dem Wunsche beseelt den ewigen Reibereien ein Ende zu machen,
brauchte Gewalt. Er liess die Brüder Johann Gottfried und Adolf Werner
in der Nacht vom 18. auf den 19. Januar 1760 in Schönau aufheben und
nach Jülich bringen, wo sie vier Jahre lang in den Kassematten gefangen
gehalten wurden ^ Schönau soll dabei vollständig ausgeplündert worden
sein; die Brüder schlagen den erlittenen Schaden mit arger Uebertreibung
auf 20000 Thaler an. Anfangs wurden beide in enger Haft gehalten, so
dass sie mit niemand schriftlich oder mündlich verkehren durften, obwohl
das Kammergericht der kurfürstlichen Regierung den Befehl hatte zugehen
lassen die Gefangenen frei zu geben, ihnen Schönau auszuliefern und allen
Schaden zu ersetzen.
Gegen dieses Mandat wendete der Jülich-Bergische Geheime Rat
folgendes ein: die von Blanche hätten sich schon 1731 an den Kaiser um
Schutz ihrer vermeintlichen Reichsfreiheit gewandt^, der Kaiser habe
darauf die ausschreibenden Fürsten des niederrheinisch-westfälischen Kreises
befragt, der Kurfürst eine Beschwerde eingereicht und von Blanche die
Sache ruhen lassen. Die Gefangennahme habe stattfinden müssen, weil
die von Blanche „mit ihrem aus lüderlichem gesindel bestehenden anhange
sich vieler thätlichkeiten, Unordnungen und betrügereien unterzogen haben,
deren einige nach in der peinlichen halsordnung vorgeschriebenen grund-
sätzen zu beurteilen sind** und „einem jeden in dortigen gegenden zur
furcht und schröcken gewesen". Sie hätten sich ferner zu schulden
kommen lassen: 1. Ermordung des Heidener Gerichtsboten durch den
älteren von Blanche; Notwehr sei nicht nachgewiesen; 2. Gefährdung des
Heidener Gebietes, thätliche Misshandlung der Einwohner besondei-s der-
jenigen, die den landesherrlichen Befehlen nachkamen; 3. Bedrohung und
Misshandlung der Heidener Beamten; 4. Erhebung des Schönauer Laten-
gerichts zu einem ordentlichen durch den älteren von Blanche 1751, Be-
schädigung der Leute durch dasselbe; 5. weil das Gericht aus lauter un-
erfahrenen Leuten bestand, habe von Blanche oft genug Richter, Partei,
Anwalt und Gerichtsschreiber gespielt; 6. es sollen dort mehrere falsa
vorgekommen sein; 7. Verhöhnung und Verachtung landesfürstlicher Dekrete;
8. Falschmünzerei durch Ausprägung minderwertiger Vierhellerstücke.
In einem Memoire concernant Temprisonnement des deux fröres barons
de Blanche seigneurs de Schönau sucht Johann Gottfried diese Anschuldi-
gungen zu entkräften. Der Totschlag sei in Notwehr und in Verteidigung
„landesherrlicher Rechte" geschehen; das Recht Münzen zu prägen habe
*) Was Isak Lambert den „mortgens pfaffen" gewünscht hatte, geschah so seinen
Söhnen.
*) Das bezieht sich auf das oben wiedergegebene Schreiben des Johann Gottfried.
— 3 —
der Herr von Schönau laut kaiserlichen Privilegs und nach dem Beispiele
seiner Vorfahren; das kurfürstliche Plakat sei abgenommen worden, weil
unbefugte es angeschlagen hatten; er habe ohne Verletzung der Ehrfurcht
gegen den hohen Fürsten nur sein Recht gegen ihn wie gegen alle anderen
verteidigt. Dann fragt das memoire, warum man, da blos der ältere
Bruder in betracht komme, auch den jüngeren, der mit all diesen Sachen
nichts zu thun habe, in so strenger Haft halte? Das sei nicht Ausübung
der Gerechtigkeit sondern persönliche Rache.
Es handelte sich dem Kurfürsten wirklich um etwas ganz anderes
als um Ausübung der Gerechtigkeit. Er wollte die Unabhängigkeit
Schönaus unterdrücken und darum forderte er als Preis für die Freilassung
Anerkennung seiner Landeshoheit und Leistung des Homagialeides durch
beide Brüder. Das durchschauten auch andere Leute. Bereits 1757
schrieb Graf Waldbot-Bassenheim an von Blanche: man glaube in Wetzlar
„wie ich schon vor vielen jähren gemeldet habe, dass euer hoch wohlgeboren
sich in churschutz ergeben mit vorbehält unterschiedlicher bedingungen''.
Man betrachtete denn auch allgemein die Gefangennahme als Gewaltthat.
Der Prinz von Croy verwendete sich in einem Schreiben aus Aachen,
27. Oktober 1761, bei einem Herrn aus der Umgebung des Kurfürsten für
die Brüder und bemerkt, die Sache mache „beaucoup de bruit**; der
Vogtmajor und die Jülicher seien sehr erbittert über die Gebrüder von
Blanche.
Im Vertrauen auf ihr Recht und auf die Vermittelung ihrer Freunde
hielten die Herren vier Jahre aus; dann unterwarfen sie sich. Am 2. Mai
1764 machte der Kurfürst den Herren zur Heiden Mitteilung davon und
gab beiden Parteien auf sich freundnachbarlich zu vertragen. Aber weder
die Frau des Gerichtsschreibers noch der Pächter auf Haus Heiden wollten
das Mandat annehmen; der mit der Ueberreichung betraute Notar musste
dasselbe am Riegel des Hofthores festbinden.
Am 29. Mai desselben Jahres erliess der Kurfürst den beiden Brüdern
die Kosten des Verfahrens „aus ledigen gnaden", sprach aber auch die
Erwartung aus, dass sie mit Ablegung dos Homagialeides nicht länger
mehr zögern würden. So musste der selbstbewussteste Vertreter der
Reichsfreiheit Schönaus die Selbständigkeit des uralten Allods zu Grabe
tragen! Es war eben ein stärkerer über ihn gekommen, der freilich
dreissig Jahre später von einem noch stärkeren ebenfalls verschlungen
wurde.
Die Feindseligkeit der Herren zur Heiden war durch die Demütigung
der Schönauer noch nicht gedämpft. Wir haben bereits erzählt wie der
Herr von Leerode dieselben auf der Jagd überfallen und misshandeln
Hess. Diese Roheit gab den Brüdern Veranlassung, sich mit der Bitte an
den Kaiser zu wenden, er möge doch das Urteil gegen dieselben zur
Exekution gelangen lassen. In demselben Schreiben klagen sie auch über
die harte Gefangenschaft, aus der sie ganz lahm, steif, kontrakt und mit
— 4 —
ausgefrornen Nägeln an Händen und Füssen entlassen worden seien. So
schlimm war es nun doch nicht. Am 4. Februar 1764 schrieb nämlich
Kanonikus Emonts aus Xanten, er habe sich während des harten Arrestes
nach seinen schwachen Kräften als treuen Freund gezeigt, müsse darum
auch jetzt bei der Entlassung seine Freude über die „annoch ziemlich
frische gesundheit" der Brüder aussprechen. Bei dem üeberfall hatte die
Schwester des Kanonikus Briefschaften „mit glimpf erdapt"; Emonts liess
dieselben zu grösserer Sicherheit auf die Immunität bringen. Auch hatte
dieselbe „mobilien beim verkauf" für Herrn von Blanche reklamiert und
zwar „ein stück ungebleich tuch, sechs pfund flachs, ein spul mit haspel,
ein Spieltisch, acht schildereien, ein menager samt aufhabenden porcelaine,
item sechs porcelaine tellem, das gemalte feuerschirmgen".
Für „die annoch ziemlich frische gesundheit" Johann Gottfrieds
spricht es auch, dass sich derselbe 1765 mit Veronika von Broch zu
Dürwiss verlobte. Zwar bekam die Braut, wie sie sagt durch anonyme
Briefe, einen Widerwillen gegen den Bräutigam. Aber so leicht liess von
Blanche sich nicht abschrecken und am 18. Oktober 1767 führte er nach
Erlangung der Dispens wegen Verwandtschaft seine Erkorene heim.
Die Vergangenheit Johann Gottfrieds bot allerdings Lästerzungen
reichen Stoff. Während er noch in Wetzlar war, hörte Tante Antoinette
von ihm, er habe sich mit einer „kale perschon" verlobt, aber die Tante
glaubte das nicht, denn „her fetter hat allezeit nacher ein riche perschon
getraght". Der Witwe Tornako war dagegen erzählt worden, er habe
eine Gräfin geheiratet; sie hofft er werde nicht so jung in den Ehestand
getreten sein. In späteren Jahren konnte der Freiherr von Reuschenberg
über Gottfrieds Liebesabenteuer „mit den damen zu hurt viel lachen", ein
gnädiges Fräulein Tserclaes kannte und erzählte eines derselben ganz
genau. Und die französischen Lieder, Tingeltangelpoesie der schlimmsten
Sorte, welche von Blanche des Abschreibens für wert hielt, zeigen auch,
dass er in seiner Jugend recht leichtfertig war.
Jedoch gestaltete sich das Verhältnis zu seiner Frau und deren
Familie sehr gut. Gottfrieds Schwiegermutter, Anna Maria geb. von Hor-
rich, hätte ihre letzten Lebenstage gern in einem Frauenkloster zuge-
bracht, doch war der geforderte Preis von 200 Thaler jährlich ihr zu
hoch, von Blanche erbot sich sie für 60 Thaler auf Schönau gut zu ver-
pflegen und er hielt Wort. Auch bei der Dürwisser Teilung ging es ganz
friedlich her. Gottfried erhielt als Anteil 23 Morgen, die zu 2413 Thaler
abgeschätzt wurden. Das Land war kurkölnisches Lehen; von Blanche
erbat unter Zustimmung der Agnaten vom Kurfürsten die Erlaubnis zum
Verkaufe.
Bereits im Jahre 1757 trug sich Gottfried mit dem Gedanken, einen
Schlosskaplan auf Schönau anzustellen. Aber Adolf Werner meinte, dass
es „dermalen nicht convenient seie einen castralcapellan anzunehmen,
massen derselb charaktermässig nicht zu verpflegen wäre, wo wir nur ein
— 5 —
einziges zimmer haben, anbei mit keinem altar und zubehör aufm haus
versehen seind". Den fehlenden Altar beschaffte Gottfried 1768, er Hess
einen solchen anfertigen „der wie eine commode aussieht". Das sonder-
bare Kunstwerk kostete 118 Aachener Gulden. Auch beteiligte er sich
„als Landesherr" öflFentlich an kirchlichen Feierlichkeiten, an Missionen
und Prozessionen. So forderte er seine Unterthanen zur Begleitung der
Laurensberger Gottestracht an Grünenthal und Hand auf: er werde mit
seinem „hoch wohlgeborenen herrn bruder und sonstigen verwanten" auch
mitgehen. Johann Gottfried behielt völlige Geistesfrische bis in seine
letzten Lebensjahre. Ein Aachener Jurist schreibt 1780 an ihn: ich habe
„in ihrer arbeit nur ein par juristische Zusätze gemacht, übrigens alles
unverbesserlich gefunden. Gott gebe mir ein so hohes alter und in dem-
selben so vortreffliche geisteskräfte, als er hochdenselben gibt". Der Lob-
spruch schliesst mit einer sehr prosaischen Bemerkung: „Meine arbeit ist
ein geschäft von zwei stunden, die stunde k sechs gülden, macht 12 gülden
aix." Nach den Resten seiner Schriftstücke im Schönauer Archive zu ur-
teilen war Gottfried der juristische Ratgeber der adeligen Familien der
ganzen Umgegend.
Er behielt aber auch seine Heftigkeit. Werner Adolf spricht einmal
von „schändlichsten reprimandes", denen er sich aussetzen müsse, und
noch 1785 wurde Gottfried in einem Prozesse gegen Graf Proli und Kon-
sorten vom Düsseldorfer Hofrate in eine Brücht von sechs Reichsthaler
genommen „wegen ungeziemenden Schreibens".
Endlich bändigte auch ihn der Tod: er starb am 14. Juni 1789, im
92. Jahre seines Alters an einem Schlaganfalle und wurde in der Pfarr-
kirche zu Laurensberg begraben.
Von seinen Brüdern ist nicht viel zu sagen. Gerard Wilhelm fiel
in Liebe zu einer Magd, mit der er sich beim Pfarrer von Berg zu den
Aufrufen meldete. Darob grosse Entrüstung bei Johann Gottfried. Das
Mädchen musste die Erklärung abgeben, dass sie „die proclaraationes im-
probire, über alle in der weit formiren könnende ansprüchen sich abge-
funden habe, auch auf die person des Gerard Wilhelm von Blanche
renuntiire". Im folgenden Jahre 1739 wurde der unglückliche Liebhaber
in der kaiserlichen Armee untergebracht, weitere Nachrichten über ihn
fand ich nicht.
Werner Adolf scheint um 1767 gestorben zu sein. Er war nach
dem Ausdrucke des memoire „ebenso schwach an Geist wie entfernt von
Bosheit". Auf Schönau spielte er den Hausmeister und Verwalter, während
Gottfried sich meist in Aachen aufhielt. Da ging es denn nicht ab ohne
Verdruss mit den Knechten, von denen in einem Jahre drei „den schelm
abgaben", aber auch nicht ohne Zwist mit Johann Gottfried, der manchmal
mehr Geld forderte, als der „hoch wohlgeborene, hochgeehrteste und viel-
geliebteste herr bruder" beschaflfen konnte und Ausgaben machte, welche
den Beifall Werners nicht fanden. Wurde es ihm zu toll; dann konnte
— 6 —
„der von Bosheit entfernte** auch böse werden. „Wan es immerwährend
also ergehen soll**, schreibt er an Gottfried im Jahre 1759; „wirds wol
am besten sein, dass ein jeder seine halbscheid des pfachts zu sich nehme,
davon ehrlich lebet und fort seine notdurft anschaffet." Dem Vogte Coo-
mans auf Heiden, der ihm durch seine Insinuationen viel Aerger machte
droht er: „Gott gnade seiner haut in flne flnali"; und von der Pächterin
auf Schönau heisst es: „diese unrechtfertigen leute meritiren gar keine
barmherzigkeit".
Das Memoire sagt noch von Werner Adolf, er habe sich nie mit amt-
lichen Sachen befasst. Das Protokollbucli erwähnt ihn auch nur einmal.
Er wurde am 14. Dezember 1730 „in gefolg der in sachen freiherrn von
Blanche contra erbgenamen weiland herrn Mathias Gerard Clotz . . publi-
zirten urteil . . durch die zwei hiezu committirten schöffen in die . . im
Richteriger feld liegende elf morgen vulgo die elf morgen mit umwerfung
des grunds und abschneidung darauf obhandenen kappes würklich . .
morgens zwischen 9 und 10 uhren immittirt".
Johann Gottfried vermachte Schönau seiner Frau Veronika von Broch,
welche nach 1820 starb. Sie hatte die Besitzung an ihren Bruder Karl
Wilhelm, dieser an seinen Verwandten Arnold Carl Maria von Broich ver-
kauft', dessen jüngstem Sohne Karl Freiherrn von Broich, Bürgermeister
von Richterich, der ehemalige Haupthof des pfalzgräflichen AUods Riterca
heute gehört.
Beilage L
Herman Dieter von Mylendunck.
Wir hörten, dass Herman Dieters Vater mit der Pfalzgräfin bei Rhein,
Amalie geborenen Gräfin von Neuenar, in Briefwechsel stand. Die Familien
waren durch die Heirat der Tochter einer Gräfin von Neuenar mit einem
Mylendunck verschwägert; darum erhoben letztere Anspruch auf die Erb-
schaft, als Walburg, Tochter und Erbin des Grafen Wilhelm von Neuenar
kinderlos starb. Graft und seine Brüder wendeten sich damals an den
Kurfürsten Ernst von Köln mit der Bitte, sie als nächste Erben die Erb-
schaft antreten zu lassen und mit den Lehen zu bekleiden. Der Erz-
bischof zögerte indessen, weil der Graf von Sohns auf Grund eines Testa-
mentes der Gräfin Walburg sich ebenfalls als Erbe gemeldet hatte. Da
gingen die Brüder via facti vor und ergriffen im Jahre 1600 realiter et
corporaliter Besitz von dem Neuenarer Zehnten zu Bracht, den der Kur-
fürst hatte mit Beschlag belegen lassen, bis sich herausstellte, wem derselbe
zukomme. 1601 machte der Graf es ebenso. Die Mylendunck bestritten
das Recht desselben zunächst, weil das Testament nicht rechtskräftig
*) von Fürth, Beiträge u. s. w. II, S. 5. 4.
— 7 —
errichtet sei und weil die beiden Abschriften, von denen eine die Herren
Staaten, die andere Prinz Moritz ausgestellt hatten, nicht übereinstimmten,
auch die Erblasserin ohne octroi' über die Güter nicht habe verfügen
können; sodann weil das Testament die Kölner und Jülicher Güter, zu
denen Bracht und Breiel gehörten, dem Grafen Bentheim, nicht aber Sohns
zuwies. So besagt eine Schrift im Schönauer Archiv. Es gab natürlich
wieder Prozess, der noch 1605 zwischen den Brüdern und der Witwe
Solms, geborenen Gräfin Egmont, geführt wurde.
Auch hatte die Rose noch andere Dornen. Die Grafen Wilhelm und
Herman von Neuenar, Vater und Bruder der Walburg, hatten 1551 von
einem Dr. Omphalius 3000 Goldgulden geliehen und demselben die Mörser
Pfandschaft in den Amtern Kessel und Krekenbeck zur Sicherheit gestellt.
Nun griff der Enkel des Omphalius die Brüder Mylendunck an, in deren
Besitz sich die Pfandschaft befinde, und verlangte vor Statthalter, Kanzler
und Vogt des Fürstentums Geldern sein Geld. Und zu guterletzt gerieten
die Brüder selbst in Streit. Der Anwalt Heinrich Sassenfeld schreibt am
24. September 1616 dem Baltasar: „Auch dunkt mich hoghnoedigh zu
sein, dass euer gnaden mein her canzler wolle besuchen und dem gueden
bericht und kleglich zuschreiben den groben missverstand e. g. herren
gebröderen, dass sie e. g. missgunnen dasjenige, etwelk heunen* nicht en
schad, und dass lieber sehen weiten, dass es ein fremder haben solt als
e. g., dieweil Heuls* durchaus keine gemeinschap mit der pantschap en
hat und ein stück von die grafschap van Moers ist, und dass e. g. dasselbe
haben ingehabt bei lebzeiten der gräflne von Moers und er* der sterbfall
gefallen ist, und nach der zeit aus gnad und gunst seiner exzellenz prinz
Moritz, der sich die hogheit und gericht Schwaneck vorbehalten hat . . /
Ein anderes Stück aus der Neuenarer Erbschaft wurde den Brüdern
1612 zu teil. Die Infanten Albert und Isabella erklärten am 4. Juni jenes
Jahres, dass ihre „lieben und getreuen vetteren" Hennan Dieter, Graft und
Baltasar von Mylendunck als nächste Erben weiland ihrer lieben und
getreuen Base Frau Walburg, Gräfin zu Neuenar, Mors etc. vor dem
souveränen Lehenhofe von Brabant empfangen haben „den zoll auf unserm
rivier der Masen zu Adickhoven, Meersen, zu Kathingen über die Brücke,
zu Stocken!, zu Heppenart, zu Foel, zu Geil, zu Buggenem, zu Kessel
und in denen gegenden . . .*^ Bis zur Scheidung und Teilung zwischen
den Brüderen solle Herman Dieter als „Sterbman** im Buche stehen.
Prozesse kosten Geld, darum ist es nicht verwunderlich, dass Her-
man Dieter im Jahre 1600 dem „erenfesten und hochgelehrten Jakob van
Beek, lizentiat der rechten und rathsherr seiner majestät im herzogtum
Geldern" die Summe von 224 Thaler i 30 Stüber Roermonder Währung
*) Bewilligung des Lehnsherren.
*) üinen.
») Hüls.
*) ehe.
— 8 —
schuldete. Wir werden ihn noch über seine zahlreichen Gläubiger klagen
hören. Früher war er freilich in der Lage gewesen, andern Geld leihen
zu können. Am 2. Juni 1585 schrieb Araelia „von Gottes gnaden pfalz-
gräfin bei Rheiil, curfürstin witwe, herzogin in Bayern" an ihren „edlen
und besonders lieben vetter" Herinan Dieter von Vianen aus, sie denke
nicht daran dieses Land zu verlassen, besonders da der Hohe Eat ihr die
Verwaltung des Landes Vianen zugewiesen habe, aber wegen der Brede-
rodischen Geschäfte wolle sie nach Harlem gehen und ihn ihrem Versprechen
gemäss aus der Vianischen Leibzucht oder sonst wegen seiner Voi'schtisse
entschädigen.
Auch mit Ernst von Baiern, Kurfürst von Köln und Fürstbischof von
Lüttich, stand Herman Dieter in Verbindung. In einem Briefe von 1598
dankt der Kurfürst ihm für die Mühe, die er in des Erzbischofs Angelegen-
heiten angewendet habe; er will seinen Bestrebungen, die er zu vergelten
gedenkt, den guten Ausgang zuschreiben. Aus diesem Briefe lernen wir
jedoch auch die traurigen Familienverhältnisse Herman Dieters kennen.
Er lebte nämlich in bitterm Zerwürfnisse mit seiner Frau. Herman Dieter
hatte um 1587 Franziska, Tocliter Heinrichs von Goir, Freiherrn von
Pesch, Herrn zu Bruin, Viliar, Andrimont etc. geheiratet. Heinrich hatte
drei Kinder: Claudius, Herman und Franziska. Noch vor der Heirat war
Claudius, während der Ehe Herman gestorben, sodass alle Güter des Vaters
an Dieters Frau fielen. Sie gebar vier Kinder: Hans Craft, Adolf, Maria
und Walburg. Woher der Streit zwischen den Eheleuten seinen Ursprung
genommen, geht aus den mir vorliegenden Nachrichten nicht hervor, aus
Andeutungen erhellt jedoch, dass die Charaktere nicht zu einander passten.
Dem Dieter wirft der Kurfürst vor, dass er sich sogar in des Fürstbischofs
Gegenwart zu leidenschaftlicher Aufregung habe hinreissen lassen, was
wohl geschehe, wenn der Respekt vor seinem Fürsten ihn nicht zähme?
Damals bestand der Zwiespalt schon längere Zeit, denn Ernst verweist
den Freiherrn auf seine frühem Ermahnungen, bittet ihn abermals um
seiner Kinder und der Wohlfahrt seines Hauses willen sich mit der Frau
doch zu vereinigen, droht aber auch, es würde ihm leid sein, wenn er als
Landesherr gegen Herman einschreiten müsse.
Dieter wies die Ermahnung ziemlich kurz ab. Er sei wegen der
„Übertretung" seiner Fran und weil sie ihn durch ihr böses Geschwätz
in aller Leute Mund gebracht, zum Zorne befugt gewesen; sie wolle sich
scheiden lassen, wenn das mit Gott und Ehre geschehen könne, sei es
auch ihm am liebsten. Er ist der Gereclite, über den der Böse triumphirt;
nur sein Gottvertrauen lasse ihn nicht schwermütig und lebensüberdrüssig
werden — dazu citirt er Ps. 37 — ; er könne nicht nach Lüttich gehen,
wo seine Frau ihr böses Gesinde und „clapperei** um sich habe, er sei
von Natur ein Waidmann und an grosse Arbeit gewöhnt; Gesundheit und
Finanzen erlaubten ihm den Aufenthalt in Städten nicht.
Herman Dieter hat sich in diesen Worten hinreichend gekennzeichnet.
— 9 —
Er erscheint auch nicht liebenswürdiger im Lichte eines Briefes seiner
Schwiegermutter vom 18. Oktober 1595, worin sich diese bitter beklagt,
weil Dieter ihr nicht einmal das gebe, was ihr nach dem Testamente ihres
seligen Mannes zukomme, während sie doch immer Liebe und Güte gegen
ihn gehabt und geübt habe.
Die Heftigkeit Dieters äusserte sich auch in Gewalthandlungen gegen
andere Personen. Im Bruchstücke eines Schreibens warnt ihn jemand vor
seinem Rentmeister, der ihn mit schweren Prozessen bedrohe, weil Dieter
ihn acht Tage lang zu Goer gefangen und ihm Briefschaften weggenommen
habe, die der Rentmeister nicht um 3500 Thaler missen wolle.
Es wäre auffallend, wenn ein Mann wie Herman sich nicht an Fehden
beteiligt hätte. Wir finden ihn denn auch in den Kampf um die Grafschaft
Hörn verwickelt. Hörn war ein Lehen der Grafen von Looz, und nach-
dem diese Grafschaft unter Johann von Arkel an die Lütticher Kirche
gekommen war, ein Lehen des Fürstbischofs von Ltittich. Philipp von
Montmorency, der letzte Lehensträger war 1568 ohne Erben gestorben,
somit Hörn an den Lehensherrn zurückgefallen ^ Reinard von Cercler
behauptete später, er habe die Grafschaft Hörn gekauft und sei vom Kur-
fürsten Ernst als Fürstbischof von Lttttich mit derselben belehnt worden.
Er hatte auch Besitz ergriffen und die Huldigung der Unterthanen ent-
gegengenommen. Das Lütticher Domkapitel verweigerte jedoch seine Zu-
stimmung, es verband sich mit den Herren von der Lipp, Heinrich von
Rauschenberg, Herman Dieter und Graft von Mylendunck, man fiel in die
Grafschaft ein, beraubte die Unterthanen, berannte, beschoss, erstieg das
Schloss, bemächtigte sich aller fahrenden Habe und der Briefschaften und
setzte den Herrn von Rauschenberg als Verwalter ein. Fürstbischof Ernst
vermittelte und Reinard erklärte sich zu einer Verhandlung bereit. Als
er sich zu diesem Zwecke nach Hörn begeben wollte, Hess ihn Rauschen-
berg „wider löblichen teutschen brauch" aufheben, hielt ihn ei'st sechs
Monate auf dem Schlosse Hörn gefangen und brachte ihn dann nach Lüttich,
wo er trotz mehrfachen kurfürstlichen Befehlen erst freigelassen wurde,
nachdem er auf Hörn verzichtet und die Beamten und Unterthanen von
ihrem Eide entbunden hatte, ('ercler klagte darauf in Speier.
Herman Dieters Frau Franziska hatte auch ihre grossen Fehler. Als
einziges Töchterchen einer vornehmen und reichen Familie wohl verzärtelt
und verzogen, mangelte es ihr nicht an Eigensinn und Unvernunft. Herman
erhebt gegen sie Anklage wegen Uebertretung (Ungehorsam) und Verleum-
dung. Die Klage ist begründet. P'ranziska war kränklicii. Zur Wieder-
herstellung ihrer Gesundheit iiatte sie sich in die Behandlung eines Arztes
begeben, der nach Herman ein Landläufer, ohne besondere Kenntnis und
Frömmigkeit, vielmehr nach dem allgemeinen Geschrei und der Frau von
Goer — Hermans Schwiegermutter — eigenem Geständnis ein „Teufels-
*) Villen fagne, Kccherchcs sur la ci-dcvant principautö de LitJge 1, S. 188 ff.
— 10 —
bruder** und ötFeiitlicher Fraueuscliänder war, der eine Juffrau von gutem
Hause durch Schelmerei oder Teufelei verführt hatte, vor dessen Pei'son
und Arznei sich jedes ehrbare Weib mehr als vor der Pest hüten müsse.
Von dem wollte sie nicht ablassen, obwohl Herman ihr freigestellt hatte,
sich den Arzt von Aachen oder sonstwoher kommen zu lassen, wenn ihr
die Lütticher Aerzte nicht genügten, und keine Kosten zu scheuen. Diese
„Widersetzlichkeit** tadelt aucli Kurfürst Ernst, sucht jedoch in der pflicht-
mässigen Sorge um die Gesundheit eine Entschuldigung für dieselbe. Was
das böse Gerede betriflFt, so hatte Franziska allerdings geäussert, sie glaube
mit ihrem Sohne Hans Graft vergiftet zu sein, wisse aber nicht durch
wen. Nachher spitzte sich das Gerücht dahin zu, die Vergiftung sei mittelst
eingemachter Nüsse geschehen, welche ihr Mann ihr nach Lüttich geschickt
hatte. Dieter Hess 1597 darüber ein Zeugenverhör aufnehmen.
Allzu grosse Sorge um die Kinder scheinen beide Eltern nicht etragen
zu haben. Hans Graft ^ schreibt 1597 „de nostre escholle" an seine Mutter
nach Spa und bittet dringend um Antwort auf die vielen Briefe, die er
schon an sie geschrieben. Er empfiehlt sich, seinen Lehrer und dessen
Schwester Marie ihrem Wohlwollen.
Der zweite Sohn Adolf besuchte die Schule des Rektor Brantius in
Wesel und war demselben 59 Thaler und 6 Malter Roggen & 4 Thaler
schuldig geblieben. Von der ganzen Summe berechnete der Rektor Zinsen
bis 1617. Als Brantius im hohen Alter keinen Lebensunterhalt hatte, wies
ihm der Rat zu Wesel 213 Thaler 13 Stüber aus einer Summe an, welche
ein Oheim des Adolf dort hinterlegt hatte, in der Holfnung, dass Adolf
dem Oheim das Geld dankbar erstatten werde.
Franziska war 1605 gestorben, aber mit ihrem Tode hatte das häus-
liche Elend sein Ende nicht erreicht. Hatte Herman Dieter gegen seine
Frau und Schwiegermutter gefehlt, so musste er jetzt bitter durch seine
Kinder büssen.
Die Güter der Mutter vererbten sich auf die Kinder; Herman Dieter,
der nach dem Tode seines Schwagers Herman bereits mit Pesch belehnt
worden war, beanspruchte jedoch, wie es im Lande Lüttich von altersher
üblich war, auch die Nutzniessung aller übrigen Besitzungen. Dagegen
protestirte der älteste Sohn Hans Graft; er verlangte die Herrschaft Pesch
und hetzte auch die Scliwestern auf, dass sie den Vater verlassen sollten.
Am 26. April 1606 erwirkte er sogar von den Lütticher Räten des Kur-
fürsten ein Edikt, wonacli ihm, weil der Vater die Verwaltung schlecht
führe, andere Vormünder in den Herren Graft von Mylendunck, von Bocholt,
Propst zu Hildesheim, und Gerard von Horion zu Glemster gegeben wurden.
Gegen dieses Dekret appellirte Herman Dieter nach Speier.
Nicht weniger machten dem Vater die Töchter zu schaffen, besondei's
Maria, die ältere, welche das heftige und gewaltthätige Wesen des Vaters
^) Er nennt sich „Hansgraue'^.
— 11 —
mit dem Eigensinne der Mutter vereinigte. In einem eigenhändigen „Bericht
und anzeig von der moetwilligen falschen und ungehorsamen Maria, die
sich unwürdig von Mylendunck nennen lest**, beklagt sich Herman Dieter
ganz ergreifend über dieselbe. Maria hielt sich mit ihrer Zofe Henrikast
in Viliar auf, „wo man weder Brücken aufziehen noch Tore bei Nacht
schliessen" konnte und lebte doit „in unziemlicher freiheit und wildem
regimente". Sie lockte ihre Schwester Walburg ebenfalls dorthin. Als
diese sich aber mit dem ungebundenen Leben unzufrieden zeigte, behan-
delte Maria sie auf das schlechteste, „gönnte ihr nicht mehr Essen und
Trinken, weder das Licht der Kerze noch die Hitze des Feuers**, trieb
sie endlich gar aus dem Hause, sodass Walburg bei dem Rentmeister und
Müller sich aufhalten musste, bis der Vater sie nach Goer abholen Hess.
Zwischen den Schwestern war es zu bittern Reden gekommen; sie hatten
sich so gottlose Dinge vorgeworfen, dass Herman Gott bittet, es möge
alles nicht wahr sein, denn das blosse Andenken daran mache sein Herz
trauern und verdorren.
Eine alte Magd Mettel, welche zur Verpflegung der angeblich kranken
Maria nach Viliar geschickt worden war, wurde ebenfalls misshandelt und
mit dem Tode bedroht, bis sie nach Goer zurückkehrte. Das Verbot Her-
man Dieters an den Rentmeister, die Halbwinner, Müller und Pächter,
nicht das geringste an Maria zu liefern oder zu zahlen, brachte das
Mädchen auch nicht zur Vernunft; sie trieb es nur toller und gewalt-
thätiger. Knechten, welche der Vater geschickt, um Briefschaften von
Viliar abzuholen, lauerte sie mit geladener Büchse auf, die Leute zu Viliar
drangsalierte sie auf jegliche Art und machte sie „desparat**. Sie verdarb
das Holz und die Fischweier und schmälerte das Einkommen des Vaters,
welches derselbe so nöthig hatte „um die leider so zahlreichen Gläubiger
zu befriedigen". Ob Herman Dieter bei diesen Klagen auch wohl daran
gedacht hat, dass er selbst durch sein unseliges Beispiel ein gut Teil
Schuld an dieser schlimmen Entwickelung seines Kindes trug?
Hans Graft, der älteste Sohn, war mit Margarethe von Joyeuse ver-
heiratet. 1613 w^urde ihm ein Sohn, Herman Claudius geboren; er selbst
1616 zu Lüttich erschlagen. Der Hauptmörder entkam, wie Craft von
Mylendunck sagt, mit Hülfe der Geistlichkeit; am 27. September sprach
das Lütticher Schöftengericht einen von Sölre in dieser Angelegenheit frei,
wogegen die Mylendunck Berufung einlegten.
Von Adolf, dem zweiten Sohne, dem Präsidenten des Reichskammer-
gerichts und seinen Beziehungen zu Schönau haben wir oben gesprochen.
Nach einer Anmerkung in einer Mylenduncker Geschlechtstafel im
Schönauer Archiv soll Herman Dietrich nach dem Tode seiner ersten Frau
mit Anna von Hemmerich, einer Nonne aus dem Prämonstratenserkloster
Kaisersbusch, zwei Kinder gezeugt und die Anna 1618 vor dem Prädi-
kanten zu Süsteren geheiratet haben. Dieter war „reformirter oder cal-
vinischer religion".
— 12 —
Im September 1619 schreibt Dieter an einen seiner ßentmeister: weil
der Achrokat monsieur de Richterich vorige Woche wegen des Kriegsvolks
nicht habe nach Achen gehen können, werde er diese Woche dorthin
reisen. Man solle zu seiner Notdurft abschicken einen feisten Hammel, 12
oder bei bedarf 24 schöne Karpfen, zwei schöne grosse Käse und des
Herrn jährlichen Unterhalt. Richterich wird auch sonst als Mylendunkscher
Advokat bezeichnet. Die Familie scheint um jene Zeit zwei Sachwalter in
ihrem Solde gehabt zu haben.
1620 war Herman Dieter in Huy gefangen und schwer krank. Seine
Schwiegertochter de Joyeuse, selbst kaum von schwerer Krankheit genesen,
schrieb ihm ins Gefängnis, sie wolle alles für ihn thuen, selbst auf kosten
ihrer Gesundheit. Das ist doch wenigstens ein erfreulicher Zug in Dieters
traurigen Familienverhältnissen. Aber Dieter starb am 19. November 1620
im Kerker und wurde zu Fronenbroch begraben.
Beilage II.
Die Herren von Blanche-Landscron.
Johann II von Blanche, Kapitän in kaiserlichen Diensten, starb 1644
am 25. Dezember im Alter von 52 Jahren und wurde in Rees begraben.
Seine Frau Anna von Hillensberg von Driesch lebte bis zum 4. Oktober 1664.
Sie wurde 64 Jahre alt und fand ihre letzte Ruhestätte zu Friemersheim
in der Grafschaft Moers. Ihre Kinder waren:
1. Johann III, vermählt mit Anna Maria von Hirtz, genannt von der
Landskron.
2. Wilhelm, der Mann der Anna Maria Brauhoff.
3. Maria, sie heiratete den Theodor von Hirtz.
4. Gertrud, ehelichte einen Herrn von Streithagen (Wilhelm von Schaes-
bergP).
5. Rebekka, gestorben am 29. Juli 1667, dreissig Jahre alt.
6. Margarethe, gestorben am 1. September 1668, im Alter von 28 Jahren.
Johann III war ebenfalls Hauptmann und zwar „des löblichen Sparrischen
Regiments ihro römisch-kaiserlichen majestät". Der Grossvater seiner Frau,
Isak von Hirtz, der am 1. September 1623 starb, hatte mit Anna von
Schaesberg (gest. 1627, Oktober 20.) drei Söhne: Herman, Johann (gest.
vor 1659) und Isak (gest. 1624, Oktober 26. im Alter von 24 V2 Jahren).
Ausserdem fünf Töchter: Katharina, verheiratet mit Wilhelm von der Lewen
zum Neuenlmus; Anna, vermählt mit Bernar<i von Randerath; Sibilla, gest.
1646, Juli 7.; Christine und Maria. Als Isak von Hirtz im Jahre 1600
sein Testament machte, waren die drei letzteren noch unverheiratet; die
beiden Söhne Johann und Isak starben ohne Leibeserben,
— 13 —
Herman heiratete Johanna von Eys, genannt Beusdal, die Witwe
Wilhelms von Streithagen auf Ürsfeld, welche am 12. März 1660 starb
und in der Kirche zu Richterich begraben wurde. Sie hatten zwei Kinder:
Anna Maria und Theodor. Die Geschwister heirateten wiederum Geschwister:
Anna Maria unsern Johann IIT, Theodor dessen Schwester Maria de Blanche,
genannt Radelo (1648, Juni 4. zuEees). Theodor starb bereits am 18. März
1649, erst 24 Jahre alt, und wurde in Kommein beerdigt; seine Witwe
gebar am 4. Juli einen Sohn, der Theodor Herman Johann hiess.
Als Johann III ins Feld rücken sollte, übergab er seiner Schwieger-
mutter den oben erwähnten Brief Karls V, worin sein ürgrossvater Stefan
Ritter genannt wird, zur sichern Aufbewahrung; sie sollte denselben ihm
oder seinem Bruder Wilhelm auf Verlangen jederzeit aushändigen. Johanns
Frau „Vorhabens mit ihrem eheherrn in kriegsdiensten mitzuverreisen",
machte am 12. Juli 1659 vor Schultheiss und Schöffen zu Comelimünster
ihr Testament Wenn sie ohne Kinder stirbt, soll ihr Mann 4000 Reichs-
thaler haben „aus deme von ihrem hen*en öhmen sei. Junker von der Lands-
krön zu Biessen ihr vortestamentirten im land von Falkenberg und Ubach
gelegenen sterbfall**, ferner 2000 Thaler „auf die im land von Limburg
gelegenen und von ihrem vater herkomene erbguiter". Wenn jedoch Blanche
eine zweite Ehe mit einer unadeligen Person eingehe, solle ihm nur die
lebenslängliche Nutzniessung zustehen. Der Juffer Antonetta de Blanche ver-
machte sie 1000 Reichsthaler, dem Küchenmeister von Crtimmel die Zinsen
von 1000 Thaler „vor ein par hentschen*', den Rest ihrer Schwägerin,
Witwe von der Landskron, und deren Sohn Hans Herman, wenn er, der
damals 10 Jahre alt war, „mit consent, gutfinden und bewilligung der
mutter und der übrigen verwanten** heiratet. Sterben Mutter und Sohn
ohne Erben, so fällt deren Erbschaft „ihre hochwürden herrn prälaten . . . .^
herren broderen" zur freien Verfügung anheim. Die Kinder der Mohn
Katharina, der Mohn von Randerath, der Mohn Christine Löwens, des
Wilhelm von Schaesberg zu Streithagen erhalten je 25 Gulden; auf dem
Gute Biessen soll jährlich den Armen ein Malter Korn gespendet werden.
Dieses Testament ist nicht zur Ausflihrung gelangt, denn die Testatrix
überlebte ihren Mann und wohl noch manchen der von ihr bedachten.
Wegen der Erbschaft des Johann von Hirtz kam es zum Prozesse zwischen
Johann von Blanche und dessen Schwester Maria als Vertreterin ihres
Sohnes Hans Herman.
1764 nahm Blanche vom Grafen von Berg 2000 Pattakons auf, wofür er
seinen adeligen Hof Biesen im Amte Milien Landes Jülich, sowie seinen
adeligen Hof Klein-Breidenrot im Lande Falkenberg Herrlichkeit Schinnen
zum ünterpfande stellte. Beide Güter gehörten, wie wir gleich sehen
werden, zum Besitze der Landskron. Das Recht der Eheleute Blanche
auf dieselben war damals noch nicht unbestritten, denn der Graf begnügte
*) Die Stelle ist im Original zerfressen. Gemeint ist jedenfaHs der Bruder der Tes-
tirenden, Abt Isak von Hirtz zu Comelimünster.
— 14 —
sich nicht mit dieser Sicherheit für sein Darlehen; Andreas von Hillens-
berg, der Oheim Jolianns, musste mit seinem Hofe Winterberg in der Bank
Milien als Bürge eintreten. Dass die Blanche im thatsächlichen Besitze
waren, geht auch aus dem Umstände hervor, dass Johann im folgenden
Jahre die Zinsen eines Kapitals von 200 Thaler von Biesen aus an Nikolaus
Voetz in Düren zahlt.
Der Zweifel, ob die Blanche Biesen rechtmässig besassen, entsprang
aus dem Testamente des Grossvaters der Anna Maria. Isak von Hirtz
hatte nämlich seinen Töchtern nur eine Aussteuer in Geld gegeben, sämt-
liche Liegenschaften den Söhnen zugewendet und letztere verpflichtet, den
drei damals (1600) noch unverehelichten Schwestern bei einer Standes-
gemässen Heirat soviel auszuzahlen, wie er seinen beiden zu jener Zeit
bereits in den Ehestand getretenen Töchtern zugewiesen hatte. Heirateten
sie aber gegen „ihren adelichen stamm und herkomen", so sollten sie nur
3000 Gulden ä 20 Sttiber brab. erhalten. 1669 lebten von der ganzen
Nachkommenschaft Isaks nur noch Herraan, dessen Tochter Anna Maria
und der Enkel Hans Herman, Dieterich. Es fragte sich nun: ist der Enkel
Hermans der alleinige Erbe der liegenden Güter oder hat Anna Maria
auch ihren Anteil daran? Die Juristenfakultäten zu Köln und Duisburg
entschieden 1669 gegen das Erbrecht der Tochter, sie müsse sich mit dem
ausgesetzten Heiratsgute begnügen, denn Isak habe durch das Testament
eine Erbfolgeordnung in seiner Familie eingesetzt, was den ritterbürtigen
jülichschen Geschlechtern nach cap. 93 der dortigen Landordnung zustehe.
Die Gerichte scheinen anderer Ansicht gewesen zu sein. 1664 gewann
Johann vor dem souveränen Rate von Brabant ein Provisionaldekret aus,
wodurch er „by provisie is geadmitteert totte possessio en gebruyck van
die hellicht der goederen ten processe geruirt*'. Infolge dessen wurde
am 5. Februar 1665 zwischen ihm und seiner Schwester folgender vor-
läufige Vergleich geschlossen. 1. Das Haus und Gut von Weimbs^ mit
seinem Zubehör wird zur Hälfte geteilt, ein Landmesser maclit zwei gleiche
Teile daraus, die Parteien ziehen das Los darüber und jede mag ihre
Hälfte nach Belieben selbst bauen oder verpachten; Renten und andere
Lasten tragen beide zur Hälfte. 2. Gut und Mühle zu Astenet, der Pacht
zu Bombay, in der Gereonstrasse, die Rente von 100 Philippsthaler, der
Pachthof von Klein -Breedenraed werden in den Einkünften zur Hälfte
geteilt, die Lasten zur Hälfte getragen. Der Vertrag gilt aber nuf per
provisie, ohne Präjudiz gegen den noch schwebenden Rechtsstreit. Das
Original trägt die Unterschriften: Maria de Blanche, Witwe von Lands-
kron, Frau zu Weimbs. Johan de Blans zu Biessen. Adolf von Hillens-
berg, Herr zu Schoenhoven und zu Wai-den. Andries von Hillensberg, Herr
zu Crsfeld als . . . Ohmen der Parteien.
Auch im Besitze von Biesen erhielt sich Johann. Am 28. November
*) lü der Pfarre Kettenis bei Eapen.
— 15 -
empfing er vor dem Lehnhofe Milien die Belehnung mit dem adeligen Hause
zum Biesen, dem Hofe Sevenaken nebst der grossen Gansweide und dem
Hofe hinter der Kirche.
Die Höfe Biesen, Weimbs und Bredenrode bildeten den bedeutenderen
Teil der Heiratsgüter Isaks von Hirtz und Annas von Scliaesberg. Der
Heiratsvertrag dieser beiden, datirt Ubich den 26. Juni 1576, enthält
folgende Bestimmungen: Der Bräutigam, Sohn der Witwe Landskron Elisa-
beth (Catharina) geb. von Kleingedank genannt Mommersloch, nimmt Anna
von Schaesberg zu Streithagen, Tochter Wilhelms, dessen Schwiegermutter
Catharina von Panhaus, Witwe des Junkers Peter Spee noch lebt, zur
Ehe. Die Mutter gibt dem Isak eine Jahrrente von 300 Thaler, das Haus
Weimbs im Lande von Limburg gelegen, welches sie noch von allen Lasten
befreien und dessen „widerteilung" sie einkaufen wird, ausserdem Betten,
Ptillen und Hausrat zur Notdurft. Als Sicherheit für die Rente von 300
Thaler erhält der Bräutigam Rentbriefe, welche er so lange behalten darf,
bis die Mutter dieselben mit einem Kapital von 6000 Thaler einlöst, näm-
lich einen Erbrentbrief gegen den Pfalzgraf bei Rhein, lautend auf 200
Goldgulden jährlicher Pension von 4000 Goldgulden, und einen gegen den
Erzbischof von Trier, lautend auf 50 Goldgulden jähi-licher Pension von
1000 Goldgulden. Nach der Mutter Tode ist der Bräutigam einziger Erbe.
Die Braut erhält neben „gebürlicher junferlicher kleidung, ketten und
zierrat, wie iren adelichen stand gepüret**, so lange die Grossmutter lebt
jährlich 100 Thaler. Stirbt letztere, so soll die Braut haben die beiden
Höfe Biesen und Astenet mit den Mühlen, Renten, Zinsen, Gefällen und
Einkünften; den Pacht zu Baisbeck, nämlich 26 Müd Spelz, 25 Kapaune
und das Pfenningsgeld ; den Pacht zu Hoengen; den Zehnten zu Vucht^
und 2^2 Malter Korn auf Hammersteins Zehnten daselbst, alles frei und
ledig mit Ausnahme von vier Paar Korn 2, die der Hof zu Biesen unten-
gilt. Erhält sie diese Güter nicht, so darf sie sich an allen väterlichen
und mütterlichen Erbgütern schadlos halten; tritt sie in den Besitz, so
sind die 100 Thaler Pension getötet und die Braut hat keinerlei Ansprüche
an ihren Bruder Michael. Als Zeugen unterschrieben auf Seiten des Bräu-
tigams: Caspar von Kleingedank genant Mommersloch, Johan Gülicher zu
Eylen, Balduin von Bergh, genant Duiflfendal; auf Seiten der Braut: ihr
Vater Wilhelm von Schaesberg, Junker Eberhard und Friedrich Rhoe,
Junker Diederich von Streithagen, Junker Heinrich von Zeuel.
Johann von Blanche stellte am 6. August 1676 im Lager vor Mastricht
für den Dr. iuris Tobias Wittich eine Vollmacht aus, wodurch er den-
selben zu seinem Sachwalter in seinen manchfachen Angelegenheiten und
Prozessen, besonders gegen den Hofrat Haack ernannte. Wie lange Johann
noch nachher gelebt hat, findet sich nicht angegeben. 1684 jvar er tot.
') Waldfeucht.
') Ein Paar = ein Malter Roggen und ein Malter Weizen.
— le-
in diesem Jahre erklärte seine Witwe vor Notar und Zeugen, dass sie
mit ihrem Schönbruder Andreas von Hillensberg, Herrn zu Ürsfeld, dem
Manne ilirer Stiefschwester Angela von Streithagen, einen Schein vertrag
gemacht, als habe er ihr 7000—8000 Thaler gegeben. Aus Furcht, es
möge daraus Irrsal und Nachteil für die Verwandten entstehen, erklärt sie
den Akt für null und nichtig. Auch „contradicirt, dissolvirt und vernichtet*'
sie einige cartes blanches, die sie ihren Verwandten ausgestellt hatte.
Nach einer Erklärung, welche Anna von Hillensberg, die Witwe
Johanns II von Blanche, Mutter Johanns III und der Maria Hirtz am
2. Mai 1664 vor Notar Belven und Zeugen in Baelen ausgestellt hat, war
es damals mit dem Vermögen der Landskron schlecht bestellt. Junker
Herman hatte seiner Schwiegertochter schriftlich und mündlich vorgerückt,
sie habe keinen Sttiber von ihrem Erbteile erhalten. Das weist die Mutter
entschieden zurück. Wenn sie (Anna) „an wylen ^ haere schoensoone en haere
oudste dochter egeine penningen en hadde gegeven en voorgestreckt, soude
sy (die Tochter) by aventueren hebben moten den beddelsack an die hand
nemmen". Das Geld der Maria sei dazu verwendet worden, die Güter der
Landskron in Ordnung zu bringen, die so corrumpirt, ruinirt, verwüstet
und verschuldet waren, dass sie hätten vergehen müssen; ja wenn sie —
die Mutter — ihre Tochter nicht so kräftig und stetig unterstützt hätte,
würden alle, die den Namen Landskron tragen, keine Ruthe Erbe mehr
besitzen. Das sei landkundig wie auch ihre Bemühungen, die Güter des
Hauses Weimbs wieder zusammenzubringen. Auch könne sie sich nicht
genug über ihren Sohn, den Kapitän de Blanche wundern, der die Be-
sitzungen an Fremde zu bringen und seine Schwester mit ihrem unmündigen
Kinde zu vertreiben und zu verjagen suche. Sie werde derselben aber bei-
stehen, so lange Gott ihr das Leben gönne und zwar um des unmündigen
Kindes willen, das seinen Vater nicht gekannt habe, und weil der Knabe
(Hans Herman) der letzte dös Namens Landskron sei. (Schinss mgt.)
0 weiland.
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Die Aachener Geschichtsforschung.
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Cremer'whenBiiehliftndliuig
A l BoKt'ii Royal Oktav.
Preis dos JaLrKanfEs
4 Jlark. in Aachen,
U".
^:S-.^
Mitteilungen des Vereins für Kunde der Aachener Vorzeit.
Im Auftrage (Ich YeTeinn herausgegeben vun E. Sclinock.
Zehnter Jahrgang.
ohalt: H. J. Oros^, Sehflnau (Sohlnss). — W. BfüLiii),', Zum RastattiT Oesniidtenuiora. —
r. Scbolli-n, Ein „Gemeiner Bescliridt" <tes Aachener SehiüTi'Ustuhlri. — Kleinere MiU
teilnng^a: 1. Aus dem Aaehcner Stadtarchiv. — 2. Eine alte Aaeheuer Qeleitstafel.
Scbönau.
Von H. J. fiross. (Schluasi.)
Das Gut Weimbs, von liem mehrfach die Rede war, musste vor der
Maniikamraer der Aachener Propstei erhoben werden. Vizedoni ■ und Lehen-
leute hatten den Bürgermeister der Stadt Aachen, Josef Bertram von
Wylre, zu gunsten dessen eine Hypothek auf dein Gute lastete, „bis zu
dessen völliger satisfactie" nach den Gebräuchen der Mannkanimer „met
porten, schall ende holtbranden ende andere soleniniteiteii dartoe noodigh"
in den Besitz von Weimbs gesetzt. Maria von Hirtz erschien am 12. De-'
zember 1667 vor dem Leheiihüfe und erklärte, sie habe ihrerseits den
Herrn von Wylre berriedigt und verlange deshalb in den Besitz ihres
Anteils gesetzt zu werden. Auf die Bemerkung des Vizedom, von Wylre
beabsichtige Weimbs zu verkaufen, erwiderte Maria, das möge sie wohl
leiden, sie werde dann das Gut an sich bringen.
Noch liegt eine Urkunde über einen Verkauf vor, den Maria als Vor-
munderin ihres Sohnes in Gegenwart des Isak von Landskron, Abt von
Comelimiinster, als Ohm von väterlicher, und des Christof von Hillensberg
als Vetter von mütterlicher Seite abschloss. Sie tiberliess ,das vom Vater,
Grossvater und Grossnuitter auch herrn Ohmen Johan Hirtz von der Lands-
') Der Stellvertreter des Propstes.
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krön gebürendes Müllengeteil" fiir 700 Thaler und 50 Thaler Verzichts-
pfennig an Franz Brassert und den Aachener Bürgermeibter Johann Wilhelm
von Siegen.
Gertrud, die andere Tochter Johanns II von Blanche, hatte einen
Herrn von Streithagen geheiratet. Sie starb zu Welten im Jahre 1693.
Ihre Güter fielen an ihren Schwiegersohn Lamolye, der in französischen
Diensten stand. Am 3. März genannten Jalires forderte der Hoogh Officier
van Outshora zu Falkenburg den Schöffen der Bank von Heerlen, Boger-
mans, auf, alle in dieser Bank gelegenen Güter des Lamolye mit Beschlag
zu belegen, da „volgens placaet van haer Hoogh Mogenden" die Besitzungen
der in französischen Diensten stehenden einzuziehen seien.
Beilage III.
Bruchstück eines Inventars vom Hause Goer.
Dasselbe stammt wahrscheinlich aas dem Ende des 16. Jahrhunderts. Die mit
Punkten bezeichneten Stellen sind in der Vorlage zerstört.
„Auf heut dato den 9. ju . . . tegenwordichen meiner openbaren not . . . is das haus
Ghoir belangende die mo . . . guderen gevisitirt und inventrisirt in folgenden manieren.
In dem ersten op die kramkamer ein Icrikant mit ein voUbett mit alden groneu siden
gardinen und rabatten onden und boven, darby twe bedden, twe pulven^ vier plumkussen *
mit sardoik* overtogen, ein spanse' decken, ein beddekleid van tirtey*, twe groen decken,
ein aide van ingels* doek, ein siechte. Noch ein groen kleid vur het bedde to spreien*.
Ein groen kleid op't trisor, ein groin kleid op ein tafel, sess küssen ten beiden syden van
groenen doek, dry sluitende (?) stoel mit groen doek bekleid. Ein trisor mit ein taferei.
Ein tafel gruen geverft. Ein korfstoel. Twe aide lang kisten. Twe kopercn brantroisteu,
einer gebrochen; ein schup, ein tang, ein afgesetten blasbalk.
Op die salkamer. Ein lerikant mit ein voUbed mit vranien netwerk' behangen
und mit rabatten onden und boven, mit saien gardinen half geschlossen. Twe bedde, twe
pulven, dry sardoekskussen, ein spansche decken van den motten durchfreden, dry roede
sarzen, ein nuwe. Ein aide blau syen decken mit Witten loufwerk, twe groin kleiden, ein
op't büffet, dat ander op die tafel. Ein alden kleiderkast, twe brantroesten, einer gebrochen,
ein tang, ein schup, ein blasbalk, ein holtern stoel onbeklcid.
Op die drie bedde kamer. Ein jeden lerikant mit ein vollbett, mit wit netwerk
und rabatten onden und boven, mit alden witten linen gardinen, twe bedden, twe pulven,
dry kusseu mit sardoek overtogen und ein küssen mit ein driltiek, ein bedkleid van tirtey,
ein spansche decken mit groenen stripen^ ein büffet, ein tafel mit ein groen kleid, twe
koperen brantroesten, ein tang ein schup, ein heiteren onbekleiden stoel.
Op't garderobe. Ein liedekant* mit siechten linen behangsei, dat rabat mit
stripen overwirkt, twe küssen van driltieken, dat bed beert Lisken *®; ein rode decken mit
groenen stripen, ein tafel mit ein groen decken. Ein heimelike stoel. . . .
Die kuekenkamer . . . liedekant mit einen bed und twe witte sarzen, ein mit
grauen stripen . . . bed mit ein klein betgen, ein tafelken, twe yseren brantroisteu, ein
schup, ein tang.
») Federkissen. •) Sartuch. ■) spanisch. ■*) grobes Tuch. ») englisch. «) ausbroiten. ^ Posamentir-
arbeit. *) Strcilcu. *; Dasselbe wie lerikuut — Bettstatt. •<>) Elise.
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Op den thoeren kameren^ Ein liedekant mit ein vollbed, ein bed, ein hoift-
pnlven, twe kussens mit doek overtogen, ein aide bankwerksdecken. Ein witte gestripte
kolt mit wollen gevoirt*, ein büffet, ein tafelken, twe aide rode seel . . ., twe ysere
brantroisten, ein blasbalk.
In den stoeven. Ein nittreckende tafel* mit ein alt groen kleid. Ein klein
schinktafelken, twe yscren brantroisten, ein schup, ein tang. Ein koperen yysell mit ein
yseren stoeter*.
In den sael. Einen kleiderkast. Ein büffet, twe nittreckende tafeln. Einen
kleiderkast, darin bevonden twe groen tafelkleider mit twe groen dagelix kleider op die
tafelen, das ein verschlissen, das andere ziemlich goet, ein groen kleid op^t büffet. Ein
ganz groen doek, VI neuer kuesbladen und ein stuck um einen stoel to bekleiden, twe
aide groen seien behangsei um einen schorstein^ Ein leder koler mit flnwel^ besät, ein
wit gestript kennifas' wambis®, ein par witte hoesen mit etzlichen alden verschlissen
wambissen und overtuich tot haesen. Noch ein swarte decken, ein tafel kleid swart und
ein swart tresor kleid, ein alt ysem, dair man kolen in staekt^ twe kopern brantroisten,
twe taugen, ein schnp. Einen stoel mit linen bekleit. Ein dosyn'° scabellen**.
In die groete kamer. Ein liedekant mit ein vollbed mit alden syen behangsei,
half roid half gel *' die gardinen desglichen, twe bedden, twe pulven, twe plumkussen mit
sardoek overtogen, ein roiden nuwcn decken und ein rode decken mit groenen stripen,
noch ein witte versseten, ein trisor, ein tafel mit ein roid kleid. Ein groet rontspiegel,
twe brantroister.
Die stoefkamer. Ein ledekant mit einem vollbed mit alden s warten linen behengscl
und swarten gardinen. Twe bedde goet van vedereu aver die tiekeu ^\ nit to goet, noch
twe hoiftpulven, ein aide spanische decken, blau sarz, twe küssen mit sardoek overtogen.
In't kamerken beneben die stoefkamer. Ein tafeigen mit ein bufetgen. . . .
In die thoerkamer . . . mit ein vollbed mit groenen en . . . dinen" und mit net-
wcrk behangen alt und versleten, twe bedden und twe pulven, einen mit einen linen tiek,
twe küssen tesamen niet van den besten, und ein küssen op^t vollbed. Ein roide sarz
op't bed, euch ein roid op't vollbed. Ein trisser mit ein tafclken. Ein korfstoel, twe
yseren brantroister, ein tang.
Die kamer boven die stoef. Ein ledikant mit ein vollbed. Twe bedden niet
van den besten mit einem pulven, noch ein geplayde " heutzpulve, twe küssen, ein bank-
werk und ein roide decken, beide versleten und gaterlch. Ein boeffet mit twe aide sitten.
Ein overhemelt tresorken. ,
Op des keisers kamer. Ein klein bed mit ein sardoex küssen mit ein kale
gruen decken. Ein klein tAfelken, twe ysere brantroister.
Op de mechd** kamer. Ein bedstat mit ein vollbed. Ein sardoeks bed mit
noch ein driltiekenbed mit einem pulve. Noch twe klein linen bedgens um in tumel-
kisten" to legen.
Op des smieds kamer. Ein bedstat mit ein bed mit wenich federen, ein hoift-
pulve mit vloicken*' mit ein aide witte sarz mit roiden stripen.
Op de capelle kamer. Ein ledekentgen mit ein vollbed. Ein klein bed, ein
pulve, ein küssen mit ein roide dünne sarz. Ein tafelken mit twe schrägen.
Thenenwerk** die kueken angaende. V aide groetsten schottelen mit die
mylendoncse wapen, 12 naest die groetste schottelen, beteikent mit dieselfste wapen, 10
schottelen ein wenig kleiner, beteikent mit denselfsten wapen, van denwelken vier af
geloufen syn; sess schottelen wat kleiner, beteikend als boven, darvan twe afgeloupen,
») Tbunnkammer. ') gefüttert. *) Ausziehtisch. *) kupferner Mörser mit eisernem Stösser.
*) Kamin. •) Sammt. ') ein graues besseres Leinen. •; Wams. •; steckt oder stocht? •*) Dutüend.
") Sehern«»!. Fussbnnk? **) gelb. ^^) Überzog. ^*) wolil: mit grünen und rotben Gardinen. '*) g*«flifkt.
»•) Magdekammer. ") Grosse Kisten, die am Tage als Bänke, in der Nacht als Betten benntJtt wurden.
"> Wollabmile, Flocken. •») Zinngeräte.
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die anderen vier dnen versleten, 9 schottelen wat kleiner \ van den weilken drie afgeloupen,
en die anderen duen gesleten. 10 groite banketschottelen * darvan ein afgeloupen, 9 banket
schottelen ein wenig kleiner \ 7 banketschottelen ein wenig kleiner als die vurgenanten \
noch 6 banket schottelen derselver groeteu^; noch 2 klein banket schottelen sonder wapen.
Drie groete mostarzschottelen ^ eilf mostarzschottelen ' ; noch 4 mostarzschottelen*; twelf
goede telluiren*, 16 telluiren ^ 18 telluiren niet geteikent, darvan ein afgelopen en die
anderen duen. Noch 14 telluiren^, gehecl* versleten. 6 oirkompkens ^ darvan drie afge-
loupen. Noch 5 oirkompkens niet van den beisten, somniige mit den brederodse, ouch mit
onbekante wapenen geteikent sommige niet geteikent.
Theinewerk* angaende die kameren en botteleie. Sess lampetten mit
beckens, onder welken drie ganz goet syn, ende die anderen zementlich, daronder twe
geteikent. Ein wynpypken geteikent mit mylendoncse en brederodse wapen. Drie half
pypkannen, vae den weilken ein geteikent. Twe siechte wynkannen, geteikent mit die
mylendoncse wapen. Ein slechfc halfkan mit die brederodse wapen. Ein halfkan mit
ruiten. Ein groite bierkruick, sonder derselven ein mit noch ein, die kleiner ist. Dry
bierpotten sonders derselven vur die dinars, die twe afgeloupen. . . . saltvater, 3 gebrokenen
saltvater. Eine mostarzpot, vier groiter pispotten, eilf klein pispotten, daronder twe, die
nit doegen, 13 kopcren leuchters groct und klein, under weilke vier nit en doegen. Ein
koperen kuelvat® gaterich. Twe koperen kafhoekens. Twe koperen lampetten mit beckens.
Belangend die kueken en't kuehuis^ V groite ketelen, daronder einen goet,
4 kleinen ketelen gelayt und gaterich. Einen goeden schinkenketel. Einen doirslach
versleten, twe koperen degcls® ondugend*. Twe versleten bratpanen. Twe bratspieten.
Einen appelroester. Einen hangenden roester mit twe anderen gebroken ruestei^s. Twe
brantisers, twe brantroesters. Ein tang, twe quaede *® pannen, twe kuwe ketels ", der eine
goet, der andere oudugend. Ein beiketelken. Einen dnvoet.
Angaende den linenw . . ,** Dagelix linenwerk tot den huis . . . twe par
slaplaken van twe bauen breit, flassendoek duen versleten. Noch twe par ein wenig fyner
niet so breit, ouch versleten, wilche twe pair in die beiste cedel geschreven syn. Noch
drie par van flössen doek und twe doex breide, semelich duen. Noch ein par van sulker
breiden gaterich *^. Noch 10 par van finen flessen doek gestülpte slaplaken zemtlich goet.
Noch 4^2 par van bastarts doek gestülpt redelik goet. Noch 2^» par nuwe van bastarts
doek ouch gestülpt. Noch teendehalf par flessen doek geheel gesleten und ouch mit
gaterich. Noch 4 par kloeten van bastarts doek gesleten und ouch mit gaterich. 7
breide oirkussen tieken van flessen doek, onder die welken drie gaterich, die anderen guet.
Noch eilf gesoumte kleine oirkussen tieken van smalen doek ganz und goet. Noch drie
oirkussen tieken duen und boven getent. Noch twe oirkussen tieken van flessen doek
geheel gesleten.
Tafelwerk. Ein lanc tafellaken gebilt mit den staeP^ van den rosenkranz ganz
und goet, welches in die beiste cedel geschreven ist. Noch ein . . . laken van denselven
stael und grauer**. Noch ein wat'® korter und geheel gesleten, ouch mit den stael van
den rosenkranz gebilt. Noch drie tafellaken ein blant korter duen gesleten, ouch mit den
stael van den rosenkranz. Noch twe tafellaken breider und korter duen — mit demselben
Muster — . Noch twe goede tafellaken mit den stael van dobbel venetsch. Noch vier
tafellaken wat grauer aver semtlich goet, gebilt mit den stael van den stricken mit dem
kraus darum. Noch 4 gesleten und lockerige dagelixste tafellaken mit den stael van
paveien ", noch drie desgelichen van dobbel veuetien. Noch V trisorlaken van verschiedenen
») Zusatz; betelkent mit die Mylondoncse und Brederodse wapen. *) Zusatz: beteikent mit die
Brederodse wapen. ') Zusatz: geteikent mit die mylendoncse wapen. *) gänzlich. *•) Zinngeräte,
*) KUlilfass. ') Kuhstall. *) Tiegel. ») untauglich. '<>^ schlecht. Das oben gebrauchte Wort ^sloht*
ist in der alten Bedeutung von schlicht, einfach zu lassen. **) Kuhkessel. ") Leiueruseug. ") durch-
löchert. ") Muster. *») gröber. »^) etwas. ") Pavia, vielleicht eine Darstellung der berühmten Schlacht
zwischen Karl V. und Franz I.
— 21 —
staelgen, dat eiu korter als das andere, auch vcrslcten und lockerich. Eiu dosin * servettcn
mit drie schietdwelen* mit den stael van stricken, tamelik guct. Vort X serveten korter
und dueu gesleten, geweven mit den stael van dobbel venetscb. Noch drie dosinen ser-
veten sementlich goet, het stael van stricken, welke Itgen van Fronenbroick mitgebracht
. . . grover werken slaplaken vor het gesin* sementlich goet. . . . Desgelichen aver sehr
gesleten ... 4 par grover kloet. Dar sin noch gehoel versleten tafellaken und euch
versleten linwat, wilches hier nit bygesat aver um der verwarnessen willen pro
memoriali angeteikent.
Van den somerkameren. . . .^ (Ende des Bruchstücks.)
Ende.
Zum Eastatter Gesandtenmord.
Von W. Brtining.
Obwohl man Ende des vorigen Jahrhunderts durch die französische
Revolution an Blutthaten gewöhnt war, so hat doch die Ermordung zweier
französischen Gesandten nach Auflösung des Kongresses in Rastatt (1799)
unmittelbar vor den Thoren dieser Stadt in den weitesten Kreisen Ent-
setzen und Aufsehen erregt. Die völkerrechtliche Bedeutung dieses Ereig-
nisses und das über ihm schwebende Geheimnis lassen auch heute noch
nicht die Forschung zur Ruhe kommen, und die Streitfrage, wem die Schuld
an dem Morde zugewiesen werden muss, entfacht den Kampf der Meinungen
immer von neuem. Sie hat besonders in den lezten Jahrzenten zu viel-
fachen Erörterungen und seltsamen Kombinationen Anlass gegeben.
Der Wiener Historiker J. A. Freiherr von Helfert versuchte, die
österreichische Regierung sowie die kaiserliche Armee von jeder Mitschuld
an dem Attentat des 28. April 1799 zu reinigen und die Urheberschaft
auf französische Schultern zu schieben. (Der Rastadter Gesandtenmord.
Wien 1874.) Er fand in Sybel einen entschiedenen Gegner. (Historische
Zeitschrift, Bd. 32, S. 298 flF.) Nach einer andern, wenig beachteten,
Hypothese soll die That ein Racheakt der Königin Karoline Marie von
Sizilien sein. Als völlig haltlos wird allgemein die von Professor Böhtlingk
in Karlsruhe mit ebenso grosser Ausdauer wie Heftigkeit verfochtene
Behauptung bezeichnet, dass Bonaparte das Verbrechen angestiftet habe.
Die Untersuchungen haben nunmehr durch H. Hüffer einen gewissen
Abschluss gefunden. Nachdem er bereits 1878 und 1879 in dem umfang-
reichen Werk: „Der rastatter Kongress und die zweite Koalition" das
Geheimnis etwas entschleiert hatte, ist er in seiner kürzlich veröffentlichten
kleinen Schrift: „Der Rastatter Gesandtenmord mit bisher ungedruckten
Archivalien etc." nach den beiden bei dem Ereignis in Betracht kommenden
Richtungen zu sicherern Ergebnissen gelangt.
Französische Diplomaten hatten während der Kongressverhandlungen
*) Dutzend. •) twele = Handtuoh. ■) Gesinde.
— 22 —
an süddeutschen Höfen eine aufreizende und an Spionage grenzende Thätig-
keit ausgeübt. Das Offizierkorps im Heere des Erzherzogs Karl, das in
der Nähe von Rastatt stand, war deshalb aufs heftigste gegen sie erbittert.
Noch bevor die Kongressgesandten, in deren Händen die Fäden der ver-
schiedenen Kundschafter zusammenliefen, Rastatt verliessen, war der Krieg
zwischen Osterreich und der Republik wieder ausgebrochen. Im öster-
reichischen Heere erkannte man deshalb Rastatt nicht mehr als neutralen
Ort an. Während einer Krankheit des Erzherzogs Karl schrieb sein Quartier-
meister, General Schmidt, an den Führer der Vorhut einen nicht amt-
lichen Brief, aus dem dieser den Wunsch herauslesen musste, die fran-
zösischen Gesandten bei ihrer Abreise aus Rastatt anzuhalten und ihre
Papiere in Beschlag zu nehmen, um darin die Beweise für unerlaubtes
Spionieren zu suchen. Übereifrige Offiziere legten den Wunsch des
Generals als Befehl aus, ihr Hass gegen die Franzosen verschärfte ihr
Vorgehen, und ihre Leute, Szeklerhusaren, wandelten die Beschlagnahme
des gesandtschaftlichen Archives in eine Ermordung der Gesandten um.
Bonnier und Roberjeot blieben auf der Stelle tot, der dritte, Debry, entkam,
obwohl schwer verletzt, wie durch ein Wunder.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass bei der Urheberschaft und Ausübung
des Mordes noch andere Elemente thätig gewesen sind. Der nächste Ver-
dacht richtet sich gegen die Emigranten, die damals in grosser Anzahl in
den Ortschaften bei Rastatt sassen und durch ihr Wesen allgemeinen Anstoss
erregten. Von blinder Rachsucht gegen die französische Regierung erfüllt
und mehr oder weniger über alle sittlichen Bedenken hinaus, waren sie zu
allem fähig. So hatte noch im Jahre 1798 einer von ihnen, der General
Danican, in einer berüchtigten Flugschrift „Cassandra" zum Morde der
französischen Direktoren aufgefordert. Sie nahmen jede Gelegenheit wahr,
die österreichischen Offiziere und Soldaten gegen die „Königsmörder* auf-
zureizen, und an Mitteln, durch Bestechung gefügige Werkzeuge sich zu
verschaffen, fehlte es ihnen nicht. Sie konnten sich österreichische Uniformen
verschaffen, ja sie waren sogar berechtigt, solche zu tragen, denn eine
beträchtliche Anzahl von ihnen hatte in den kaiserlichen Reiterregimentern
Aufnahme gefunden. Es ist leicht möglich, dass Emigranten in Szekler-
husarenuniform an dem Morde mitgewirkt haben.
Bezüglich der völkerrechtlichen Bedeutung des Mordes stellt Hüffer
fest, dass die österreichische Regierung an der That völlig unschuldig war.
Dadurch erhält sie sofort einen andern Charakter, als man ihr bisher zu-
geschrieben hat.
Der Brief des Generals Schmidt ist ein unvorsichtig abgefasstes Privat-
schreiben, für das die österreichischen Militärbehörden nicht verantwortlich
gemacht werden können. Dem General selbst lag jeder Gedanke an einen
Mord fem und die Behörden haben keinen Befehl dazu erteilt.
Der Mord ist mithin zweifellos das Ergebnis einer Privatrache, eines
fanatischen persönlichen Hasses, in dem sich österreichische Militärs und
— 23 —
Emigranten zusammenfanden, und er gehört als solches nicht dem Gebiet
des Völkerrechtes, sondern des Strafrechtes an.
Dieses Resultat der Hüfferschen Untersuchung ist für die Beurteilung
des Ereignisses ausschlaggebend!
Welche Wut und welchen Kachedurst dasselbe in den französischen
Eegierungskreisen hervorrief, ersieht man aus dem nachfolgenden Zirkular
des Kommissars des vollziehenden Direktoriums der Zentralverwaltung im
Roerdepartement, Dorsch. Da die ein zelnen Vorgänge bei der That nicht
bekannt waren, musste sie allgemein als das gröbste, zu allen Zeiten am
meisten verabscheute Verbrechen gegen den völkerrechtlichen Verkehr
erscheinen. Die öffentliche Meinung war empört, und das französische
Direktorium nützte diese Stimmung gründlich aus. So brachte der
„Gesandtenmord**, der noch mehr ein politischer Fehler als ein Ver-
brechen war, der französischen Regierung einen grossen Vorteil und
führte tausende von Kämpfern unter die Fahnen der „grossen Nation",
die sich wieder einmal als Rächerin des verletzten Menschen- und Völker-
rechtes gerieren durfte.
Libertö. ifcgalitö.
Bureau du commissaire Aix-la-Chapelle, le 21 flor^al
du pouvoir ex6cutif. an 7 de la r6publique frangaise une et indivisible.
Circulaire. (10. Mai 1799).
Le commissaire du directoire ex^cutif, prfes Tadministration centrale
du d6partement de la Roer, aux commissaii'es du directoire ex^cutif prfes
les administrations cantonales.
Un crime sans exemple daus les fastes sanglantes des peuples les plus
feroces a 6t6 commis sur des agens sacr^s aux yeux de toutes les nations.
Les ministres plönipotentiaires de la r^publique frangaise au congrfes
de Rastadt sont tombös sous le fer homicide de ceux-lä mfeme qui devaient
les prot6ger; sous le fer d'un d6tachement de bourreaux autrichiens.
Les cadavres palpitans de Bonnier et de Roberjeot sont restös
d6pouill6s sur le chemin, thöätre de ce massacre; Jean Debry, couvert de
blessures, a öchappe par une espöce de prodige dont il ne peut se rendre"
compte.
Si cet horrible attentat n'avait TEurope entifere pour tömoin la
post6rit6, la race präsente mftme le rel^gueraient au nombre de ces flctions,
invent^es pour 6pouvanter le genre humain. Mais les habitants de Rastadt
ont entendu les cris de victimes; mais ses environs fument encore de leur
sang; mais leurs cadavres, jettös ä la voirie, ont 6t6 vus par de milliers
de citoyens qui ont fait retentir les cieux de leurs cris d'indignation: le
congrfes de Rastadt a tömoignö la sienne, en rendant responsable de ce
massacre, le capitaine qui a eu Tinfömie de s'y prÄter. (Ce monstre se
nomme Barbaczi.)
— 24 —
Quel est le frangais, quel est rhoiiime qui, au recit de cette horreur,
n'en frissonne, ne se sent transport^ de fureur et ne brüle de dösir de la
venger!
. Quelle nation pourrait d^sormais rester unie et traiter avec une horde
de monstres, sortis des for^ts du nord, qui a rompu le pacte des nations ?
elles ne sont plus liöes envers eile: il est de leur intöret, de leur devoir,
de leur honneur de la mettre hors la loi.
L'opinion publique qui s'apuie sur les circonstances qui ont pr6c6d6,
accompagn6 et suivi ce forfait, en attribue Patroce conception et la direction
ä la maison d'Autriche.
Si les nations indign^es langaient sur eile toutes leurs foudres, la
puniraient elles ass6s de cette horrible attentat? c'est dans son sang inipur
quMl doit etre lav^.!
D6jä eile commence ä porter la peine de son crime: le poids de
rindignation de l'Europe pöse sur eile.
D6jä rignominie est imprim^e, incrustr^e sur les fronts de Frangois II,
de Charles son sicaire; — leurs nonis sont gravis, en traits de sang, sur le
poteau de Topinion publique, expos6 aux regards de tous les sifecles! . . .
A Texemple du l^gislateur d'Athfenes qui n'avait point prononc6 de
peine contre le parricide, parce qu'il ne croiait pas qu'il put exister, les
nations dans le code du droit des gens naturel et meme arbitraire non
point pr6vu un crime qu'elles n'ont pas seulement os6 soupgonner.
Quelle en eut dont 6t6 la peine, si elles avaient pu prövoir q'un
jour, au XVin. si^cle, leur attente aurait ete tromp6e ....
On cite comme un attentat au droit des gens, les traitements ä la
turque; .... l'Autriche les a fait oublier!
Citoyens collfegues! Exciter contr'elle les cris d'une juste vengeance,
precurseur de sa destruction! ....
Prociamez dans toute T^tendue de votre canton ce crime atroce; que
l'habitant le raconte ä son voisin, le pere ä ses enfants! ....
Mais ce n'est pas assez que de le publier. Conform^ment aux intentions
de Tadministration centrale qui vient de faire une adresse ä tous les
administr^s de ce d^partement, faites un appel ä la sensibilit6 de tous vos
concitoyens; enflämez le courage des uns; provoquez la genörositö des
autres; rappellez ä tous Tobligation sacr6e, de venger les droits des nations
viol6s. Ce n'est que par ce moyen qu'ils pourront eflfacer la tache d'avoir
jadis 6t6 sous l'influence de cette ex^crable maison dont les projets
d'agrandissement, de spoliation, de pillage, d'assassinats ne sont plus un
Probleme.
OflFrez ä notre bouillante jeunesse Taspect brillant de la carriere des
armes; des avantages de servir sous les drapeaux de la republique, qui
combat pour les droits de Thomme et des nations: eile les admet ä Thonneur
de partager ses lauriers et sa gloire. Rappellez a cet effet Tarrötfe de
— 25 —
radmiuistration centrale qui trace la marche ä suivre pour les euvulements
volontaires.
Invitez toutes les classes des citoyens ä porter leur oflfrande sur
Tautel de la patrie. La plupart des cautons ont 6t6 sensibles ä la voix
de Phonneur, lorsqu'on a fait un appel au peuple frangais, de contribuer
ä punir l'Angleterre; le seraient ils moins, lorsqu'il s'agit de la punition
du crime le plus effroyable. Le canton d'Odenkirchen s'est tout receranient
distingu^ par ses dons patriotiques; que son exemple trouve partout des
iraitateurs! ....
C'est ä vous surtout, citoyens coUegues, qui reprösentez le gouvernement,
si atrocement outrag6 dans les personnes de ses ambassadeurs ; c'est ä
vous, coramissaires du directoire ex6cutif de la grande natiou, ä seconder
de tous vos efforts, ceux des adrainistrations municipales, pour armer les
bras vengeurs qui doivent pulv^riser cet infame gouvernement et offrir
ses ruines, en holocauste, aux manes des Roberjeot et des Bonnier.
Salut et fraternit^,
Dorsch.
Ein „Gemeiner Bescheidt" des Aachener Schöffenstuhls.
Von F. Schollen.
Für die Geschichte des gemeinrechtlichen Civilprozesses ist ein
„Gemeiner Bescheidt" des Aachener SchöflPenstuhls vom 2. Januar 1697,
der im wesentlichen am 2. April 1761 erneuert wurde, nicht ohne Interesse.
Auf der Grundlage des njittelalterlich-kanonischen Prozesses hatte sich der
sogenannte gemeine Prozess seit dem 17. Jahrhundert, insbesondere seit
dem Jüngsten Reichsabschied von 1654 zu einem völlig schriftlichen aus-
gebildet. Der Kläger reiclite dem Gericht schriftlich seine Klage mit den
Klagebehauptungen ein, der Beklagte ebenso seine Klagebeantwortung.
Auf Grund des schriftlichen Materials, der Akten, entschied das Gericht.
Dieser Zeit gehört das Rechtssprichwort an: „Quod non est in actis, non
est in mundo."
Einen Durchbruch durch dieses Princip stellt der genannte Bescheid
dar. Der schriftliche Prozess war für das rechtsuchende Publikum bei
geringfügigem Streitobjekt sehr misslich wegen der langen Dauer und
wegen der Kosten. Nachdem nun schon der Schöffenstuhl am 25. August 1685
für vermögensrechtliche Streitigkeiten unter 50 Thaler eine Vereinfachung
getroffen hatte, bestimmte er am 2. Januar 1697, Sachen unter 20 Thaler
könnten durch mündliche Verhandlung erledigt werden, entweder amicabi-
liter d. h. durch Vergleich, oder, falls es zu diesem nicht komme, durch
Bescheid. Leider fehlt das thatsächliche Material, um einen Vergleich an-
zustellen über die Dauer und den Kostenpunkt dieser Prozesse vor und
— 26 —
nach 1697. Die Hauptgrundsätze jener Anordnung, die wir unten in Abdruck
bringen \ sind folgende:
In geringen Personal-Schuldforderungen und ,,modicis causis, so über
20. dahler aix capitaliter sich nit ertragen" können die Parteien, wenn sie
den schriftlichen Prozess nicht vorziehen, mündlich verhandeln. Sitzungen
sind hierzu anberaumt auf Dienstag und Freitag nachmittags 2 Uhr.
Das Gericht (bestehend aus zwei Mitgliedern des Schöffenstuhls mit dem
Syndikus und dem Gerichtsschreiber) entscheidet auf Grund der mündlichen
Verhandlung (Art. 1). Die Ladung der Partei zur Verhandlung erfolgt
drei Tage vor derselben durch den Gerichtsdiener (Art. 4). Aus ander-
weitigen Nachrichten 2 geht hervor, dass dem Gericht für die Ladungen
zwei Klassen von Personen zur Verfügung standen, die Diener für die
Stadt und die Schultheissen für das Reich Aachen. Dies trägt zum Ver-
ständnis der Anordnung in Art. 5 bei, wonach die jura citationis in
der Stadt 2 Mark, „ausswendig aber 4 raarck" betragen. Die Verhand-
lung selbst findet durch Anwälte statt; mit der Erklärung des Anwalts
des Beklagten auf die Klage wird letztere rechtshängig (Art. 6). Über
die Verhandlung wird ein Protokoll aufgenommen (Art. 7). Erscheint
der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht, so ergeht in
diesem Termin ein Eventual-Bescheid; es erfolgt dann eine neue Ladung
und in dem folgenden Termin ergeht, wenn Beklagter wiederum ausbleibt,
das Läuterungsurteil (Art 8)'. Ist eine Partei mit dem ergangenen Urteil
nicht zufrieden, so muss sie, wenn das Urteil nicht rechtskräftig werden
soll, in der nächsten Sitzung sich darüber zu Protokoll erklären (Art. 9);
nach acht Tagen muss sodann ein Beschwerdeschriftsatz beim Schöffenstuhl
eingereicht sein (Art. 10). Dieser wird der Gegenpartei mitgeteilt, die
ihre Einreden ebenfalls innerhalb acht Tagen an derselben Stelle vorbringen
muss, dies alles sub poena rei judicatae (Art. 11). Am Schöffenstuhl wird
die Sache mit Zuziehung wenigstens dreier neuer Richter zu den beiden
erstinstanziellen Richtern entschieden (Art. 12). Eine Appellation an das
Kammergericht in Speier war in diesem Falle deswegen nicht möglich, weil
diese nur bei einem Streitobjekt nicht unter 300 Reichsgulden gegeben war*.
Diese Bestimmungen sind in gewissem Sinne als Vorläufer des heutigen
Prozesses anzusehen. Auf dem Wege, ein dem deutschen Empfinden ver-
ständliches Gerichtsverfahren zu schaffen, ist die neuere Gesetzgebung
dazu gekommen, nacli dem Vorbild des Code civil an Stelle der Schrift-
*) Dieselbe wurde in der Form der Ratsedikte durch den Druck bekannt gemacht.
Ihr Abdruck rechtfertigt sich dadurch^ dass sie selten geworden zu sein scheint.
*) Vgl. Noppius, Aachener Chronik I, S. 120.
^) Sonst galt nach gemeinem Prozess der Grundsatz, dass sich nur der an seinem
Rechte versäumte, der auf die dritte Vorladung nicht erschien. Vgl. Hillebrand, Deutsche
Rechtssprüchwörter S. 220 ff.
♦) Vgl. Noppius a. a. 0. S. 120. Auch heute ist die Zulässigkeit der Revision
an das Reichsgericht durch einen den Betrag von 1500 Mark übersteigenden Wert des
Streitgegenstandes bedingt. Civilprozessordnung § 508.
— 27 —
lichkeit und der damit Terbaudenen Heimlichkeit die Mündlichkeit und
Öffentlichkeit des Verfahrens einzuführen. Der heutige Prozess ist dem-
entsprechend nicht mehr nach Wahl der Parteien, sondern immer mündlich ^
Das amtsgerichtliche Verfahren, in dem heute die im Gemeinen Bescheid
erwähnten Sachen zu erledigen wären, beruht zudem auf dem Prinzip
möglichster Einfachheit; das Gericht ist nur mit einem Richter besetzt*;
es herrscht kein Anwaltszwang'. Die Einlassungsfrist beim Amtsgericht
beträgt jedoch heute mindestens drei Tage, acht, wenn die Zustellung nicht
im Bezirke des Prozessgerichtes erfolgt^. Ferner treten alle Wirkungen
der Rechtshängigkeit in jedem Prozess mit der Erhebung der Klage ein,
ohne dass es einer Erklärung des Beklagten bedürfte *. Ein Versäumnisurteil
kann heute schon im ersten Termin, zu dem der nicht erschienene Beklagte
orduungsmässig geladen ist, ergehen^. Gegen dasselbe ist aber der Ein-
spruch innerhalb einer Frist von zwei Wochen zulässig ^ Auf ganz anderen
Gesichtspunkten, als denen des Gemeinen Bescheids beruhen die heutigen
Bestimmungen über Berufung und Revision. Doch mag erwähnt werden,
dass auch gegen die amtsgerichtlichen Urteile nur ein Rechtsmittel gegeben
ist, die Berufung an#das Landgericht®.
Gemeiner Bescheidt.
Demnach einem wol-adlichen scheflfen-stuhl verscheidentlich vorgetragen worden,
obwol derselb unterm 25. augusti 1685. zu erspahning grösseren kosten, in personal-
schald-fordcmngs-sachen so über 50. dabl. sich nicht ertragen, zum besten der parthoyen,
und deren proccss schleuniger abhülff, dahin beliebig geschlossen hätte, dass in gemeltcn
Sachen künfiftig de triduo in triduum, und zwarn welters nicht, dann ad dnplicam inclu-
sive gehandlot werden solle, dass damit aber denen paitheyen, so modicum, und weniger
als obgemelte summ der 50. dahler an anderen zu forderen haben, nicht geholffen, billigcrs
aber nichts wäre, dann dass darin besonders, bey diesen beschwärlichen zeiten, und dahe
kleine fordernngen durch mündliches verhör de piano, et sine strepitu iudicij, leicht ab-
gemacht werden könteu, auch versehen würde; als hat ein wol-adliches collegium auss
obgemelten, und anderen erheblichen reden beschlossen, dass künfiftig zweymahl in der
Wochen, benentlich dienstags luid freytags dess nachmittags umb die 2.te stund für zwcycn
herren auss mittel dess collegij, über geringe Sachen, so nicht über 20. dahler aix capi-
taliter sich ertragen, ein mündliches verhör gehalten, und von denenselben die partheyeu
hinc inde, über ihres anbringen, und excipijren so viel nöthig gehört, und amicabiliter, oder
sonst durch bescheidt voneinander gesetzt, auch über solches aUes förmliches prothocoUum
gehalten werden solle, und da nun sich zutragen würde, dass durch solchen bescheidt
ein- oder andere parthey sich beschwerdt zu scyn erachten mögte, solchen fals solle der
beschwerdter partheyeu bevorstehen, in proxima audientia reauditioncm sub poena rei
judicatae zu begehren, und ihre gravamina schrififtlich intra octiduum, dem triumphanti
0 Civilprozessordnung § 119.
*) Gerichts- Verfassungsgesetz § 22.
') Civilprozessordnung § 74.
*) Civilprozessordnung § 459.
*) Civilprozessordnung § 239.
•) Civilprozessordnung § 296.
') Civilprozessordnung §§ 303, 304.
■) Civilprozessordnung §§ 472, 507.
— 28 —
aber darauff seine exceptioucs iutra similem octidui terminum, ad ordioarium judlciale
prothocoUum zu bringen; weichem nechst, et conclusione sie facta, die sach wenigst mit
Zuziehung dreyer anderer herren, so über der Sachen vorhin nit gesessen, noch votirt,
nebenst obgemelten zweyen herren, so den beseheidt ertheilt, con- vel reformatorie erörtert,
und ordentlich publicirt werden solle; ita expediri jussum hac 2. ianuar. 1697. Gab. Messen Dr.
Ordnung, welcher gestalt wöchentlich dess dingstags und freytags das mündliches verhör
in cansis modicis, und personal-schuld-forderungen geschehen solle:
1. Es sollen alle dingst- und freytags dess nachmittags, umb die 2.te stund (diebus
festis exceptis) zwey herren ex collegio cum syndico, et secretario, auff der kammer, vel
alio determinando loco sitzen, gestalt in geringen personal-schuld-forderungen, et modicis
causis, so über 20. dahler aix capitaliter sich nit ertragen, und warin partheyen schrifftlichon
process zu führen nit gemeynt seyn mögten, itztgemelte partheyen mündlich gegeneinander
zu hören, und zu entscheiden;
2. Solle jedem der herren scheffen ein gülden, dann syndico, et secretario pro
prothocollatione auch ein gülden, und zwam von jeder partheyen, si compareant, zur halb-
scheid, änderst dahe beklagter nit erscheinen, und in contumaciam die sach abgehandlct
würde, von dem klägeren abgestattet, dessgleichen procuratori cuilibet pro comparitione
ein gülden, und dem klagenden procuratori für den zettcl, warin die causa dcbendi, und
warumb die citatio beschicht, exprimirt stehen, und dem citirten in copia hinterlassen
werden solle, 3. marck entrichtet, und pro juribus dess bescheidtfe dd. gleichfals ein gülden
nebenst der copeyen vergüthet werden.
3. Procuratores sollen solche iura, wie in ordinarijs causis auch geschieht, versorgen,
und dieselbe wie bräuchlich, cum Substitut© berechnet werden;
4. Sollen partes, so beklagt werden wollen, ad comparendum vor denen beym ver-
hör sitzenden herren drey tag vor dem verhör per ministrum iudicij peremptorie citirt»
5. Vnd den dieneren pro iuribus citationis 2. marck entrichtet werden, wie bräuch-
lich in der Stadt, ausswendig aber 4. marck.
6. Solle kläger in termino erscheinen, und seine klag kurtz-mündlich per procura-
torem vorbringen, der beklagter ebenfals darauff mündlich durch seinen anwalden con-
testeren et causa oretenus^ instructa, beyde herren was rechtens ausssprechen;
7. Was nun geklagt, und excipijrt, solle per dom. syndicum, et secretarium, aut
ejus substitutum mit dem beseheidt prothocoUirt werden;
8. Dahe beklagter aber contumaciter aussbleiben würde, solle in prima audientia
eventualiter bescheidet, und derselb beseheidt praevia insinuatioue in proxima secunda
audientia purificirt werden;
9. Wann partibus auditis beseheidt ergangen, und ein- oder ander theil sich beschwerdt
zu seyn erachten würde, solle dem gravirten theil sich ad prothocoUum darüber zu
erklähren, idque in proxima audientia, sub poena rei judicatae, und reauditionem zu begehren
gestattet seyn;
10. Vnd da nun solches also geschehen, solle gravata pars intra octiduum peremp-
torie, sub poena, wie oben gemelt, seine gravamiua schrifftlich in aller kürtzc gerichtlich
bey allhiesigem wol-adlichen scheifen-stuhl, ad prothocoUum ordinarium;
11. Der ander theil aber post eommunicationem, ebenfals seine cxceptiones, intra
octiduum peremptorie, ad idem prothocoUum vorbringen;
12. Gestalt causa sie instructa fürderlich, und zwarn nebenst denen vorhin ttber-
und angewesenen herren, wenigst durch drey andere herren abgemacht, und erörtert
werde; ita expeditum hac 2. ianuarij 1697.
Gabr. Messen Dr. syndicus et secretar. m. p.
») gleich „nach dem mündlichou Vorbringen".
— 29 —
Kleinere Mitteilungen.
1. Aus dem Aachener Stadtarchiv.
Nachstehende Aktenstücke aus der Zeit der Fremdherrschaft liefern einen weitern
Beitrag zur Bevölkerungsstatistik Aachens und der benachbarten Gebiete (vgl. Nr. 4/6
dieser Mitteilungen, S. 92).
Conscription de 1811.
Extrait du registre des arrßt^s du 8ous-pr6fet de Tarrondissement d'AJx-la-Chapelle.
Du 10 Juillet 1811.
Vü Tarr^t^ de monsieur le prüfet du d6partement, Chevalier de la l^gion d'honneur,
baron de Pempire, en date du jour d'hier, portant r^partition, entre les quatre arron-
dissements du d^partement, des 427 hommes que la Roer doit foumir en conformit6 du
decret du l**" du courant pour son contingent de la reserve de la lev6e de 1811, laquelle
r^partition fixe k cent trente-quatre hommes le contingent de Parrondissement d'Aix-la-
Chapelle.
Vü le tableau g6n6ral de la population de Parrondissement, nous auditeur au con-
seil d'6tat, 80U8-pr6fet de Parrondissement d'Aix-la-Chapelle, arrßtons ce qui suit:
Articie I".
Les cent trente-quatre hommes que Parrondissement doit foumir, en conformit^ de
Parr6t6 de monsieur le pr6fet en date du jour d'hier pour son contingent de la reserve
de la lev^e de 1811, sont repartis entre les cantons, ainsi qu^il est fixe par le tableau
ci-apr6s :
Noms des cantons
Population
Contingent
Aix-la-Chapelle * ....
27,294
18
Borcette ....
21,728
15
Düren ....
20,529
14
Eschweiler .
21,097
14
Froizheim . .
9,748
7
Gemund . . .
11,525
8
Geylenkirchen
15,864
11
Heinsberg .
22,776
15
Linnich . .
16,913
11
Montjoie . .
15,747
11
Sittard . . .
14,814
10
ToUu
x .
198,035
134
A
irtic
le IL
Le präsent sera imprim6 en placard, pour etre transmis A mm. les maires de
Parrondissement, charg^s de le publier et de le faire afficher dans toutes les communes
de leur ressort.
Ampliation en sera adressöe k monsieur le prüfet du d^partement.
Donn^ ä Aix-la-Chapelle en Phötel de la 8ou8-pr6fecture le jour, mois et an
que dessus.
De Lommessem.
Aix-la-Chapelle, imprim^ chez T. Vileckx grand'rue de Cologne Nr. 1005.
•) In dem Protokoll einer Sitzung des Stadtrates vom 17. Juni 1819 wird die Bevölkerung
Aachens in diesem Jahr auf 82000 Seelen angegeben, eine Zahl, die Uaagen, Geschichte Aohens U,
S. 486, schon flir das Jahr 1815 annimmt.
- 30 -
Conscription de 1814.
Extrait da registre des arret^s du prüfet du d^partement de la Roer.
Aix-la-Chapelle, le 27 fövrier 1813.
Vq le s6natas-consulte du 11 janvier 1813, en ce qui concerne la conscription de
la classe de 1814;
Vu le d6crct imperial dtf 20 dn meme mois, qui ordonne la mise en activitö de
140431 conscrits sur les 150 000, dont Pappel a 6t6 autoris6 par le s^natus-consulte;
Vu le chapitre I*"" du titre 1**^ de rinstruction g6n6rale sur ia conscription militaire;
Vu la lettre du 14 f6vrier 1813, par laquelle raonsieur le directeur g^nöral de la
conscription nous annonce que le contingent du d^partement de la Roer pour la lev6e de
1814 est fix6 A deux raille quatre cent un horames;
Vu le tableau de la population g6n6rale du d6partement; ensemble T^tat nnm^rique,
divisö par canton, des conscrits de la classe de 1818, admis k Texception comme attach^
au Service de terre et de mer, et au nombre desquels on doit avoir 6gard, en proc6dant
ä la r^partition du contingent de la classe actuellement appell^e;
Nous prüfet du döpartement de la Roer, membro de la l^gion d'honneur, baron
de Tempire,
Avons arr6t6 et arrfetons ce qui suit:
Art. I**'. La r6partition entre les quatres arrondissements du d^partement, des deux
mille quatre cent un conscrits, que la Roer doit fonrnir pour son contingent de la lev^e
de 1814, est fix6 couform<^ment au tableau ci-apr6s:
Arrondissements
1. _
Aix-la^CbapcUe .
Cologne . . .
Cr6veld . . .
Cl6ves ....
Popu-
lation
g6n6rale
Nombre des conscrits
qoi ont ^t^ except^s
lors de la lev^e de
1818 comme attach^s
au Service des arm^es
de terre ou de mer.
8.
Population r^duite
d*apr^8 les nombres de
conscrits port^s dans
la 8e colonne et qui
doit tervir de base &
la r^partition du
conting^ent.
4.
Observations
6.
198035
163558
158433
111068
47
60
6
12
184499
146278
156 705
107612
Totaux . .
631094
125
595094
2401
Un oonscrit appel^ pour
le contingent de la classe
de 1818 a repr^sentö dans
la population i^n^rale du
d^partement deux cent
quatre-Yingt-huit indivi-
dus: o*est ce rapport qui
a H6 pris pour base de
r^tablissements des nom-
bres qui flgurent k la co-
lonne n** 4.
II. Les sous-pr6fets ^tabliront sans d^lai et feront publier par voie d^impression et
d'ftffiehes la r6partition entre les cantons de leur arrondissement du contingent qui leur
est as8ign6 par Particle pr6c6dent.
III. Le präsent sera imprim^ en placard pour 6tre transmis a mm. les sous-pr^fets
et les maires, A Puffet d^ötre public et affiche dans toutes les communes du d^partement.
II sera en outre ins^rö au recueil des actes de la prölecture.
Donn6 en Phötel de la pr^fecture. les jours, mois et an que dessus.
Ladoucette.
Aix-la-CLapelle, de Pimprimerie de J.-G. Beaufort, imprimeur de la pr6fecture,
rue Saint-Pierre, No. 596.
Aachen. }V, Brüning,
2. Eine alte Aachener Geleitstafel.
Die mittelalterlichen Märkte waren nicht nur Absatzstätten für die Waren der
Kauflt'Ute, sondern Centralstellen für den gesamten kaufmännischen Verkehr. Auf ihnen
— 31 -
wurden namentlich auch die Geschäfte der Kanfleute unter einander geregelt, und die Aus:
gestaltung und Vervollkommnung des Wechsels und Wechselrechts vollzog sich gerade auf
den Märkten.
Lenkt man jedoch seinen Blick auf die grosse Unsicherheit der Strassen im Mittel-
alter, so drängt sich die Frage auf, wie war es möglich, dass die Kanfleute ihre Waren,
die sie, wenn ihnen die Wasserstrassen nicht zur Verfügung standen, alle mittels Axe
transportieren mussten, sicher zu den Märkten hinbrachten? Nicht alle Kaufleute konnten
bewaffnete Knechte zum Schutz ihrer Person und ihrer Waren mit nehmen; viele waren
wehr- und schutzlos. Diesen kam das sichere Geleit zu statten.
Die Erteilung des sicheren Geleits stand ursprünglich nur dem König zu und
bestand in nichts anderem, als in der Zusicherung des Königsschntzes und des damit
verbundenen Friedens für die Zeit der Hin- und Herreise zum bezw. vom Marktorte *.
Das sichere Geleit war mithin zunächst auf die Kaufleute beschränkt und wurde ihnen
persönlich erteilt; später wurde es auf alle Besucher eines Marktes ausgedehnt. Die
bekannte Urkunde von 1166, in der Friedrich I. Aachen zwei Märkte verlieh, bestimmt aus-
drücklich: „omnes quoque ad has nundinas venientes vel inde redeuntes ... in rebus et
personis firmam pacem habeanf* *.
Der Schutz, den der Vergeleitete erhielt, wurde anfangs nur durch die Erteilung
eines Geleitsbriefes ausgedrückt. Als Wahrzeichen führte der Geleitete eine Fahne oder ein
Kreuz oder einen grünen Zweig, wie in der frtlheren Zeit einen geweihten Stab'. Die
Unsicherheit der Strassen führte aber dazu, dass bewaffnete Geleite eingeführt wurden, für die
man gewisse Gebühren entrichtete. Wer Geleitsgeld entrichtete, dem war der Geleitsherr
verantwortlich für einen entstandenen Schaden. So drückt es schon der Sachsenspiegel
aus II, 27 § 2.: „Sveme aver he geleidc gift, die sal in scaden bewaren bynnen sime geleide,
oder he sal ne yme gelden.** Der Missbrauch, der durch Erpressung von Geleitsgelderu
getrieben wurde, führte die erstarkten Städte dazu, das Geleitsrecht an sich zu ziehen;
sie erteilen Geleit und erheben Geleitsgebühr im späteren Mittelalter*. Die Städte stellen
jetzt auch die Grundsätze auf, nach denen Geleit erteilt werden soll. Ausgeschlossen vom
Geleit blieben grundsätzlich alle Verbrecher.
Wann Aachen das Geleitsrecht erworben hat, steht nicht fest. Das Geleit betrefl'ende
Briefe des 14. Jahrhunderts im hiesigen Stadtarchiv beweisen, dass es in dieser Zeit bereits
gehandhabt wurde. Die Grundsätze, nach denen es gehandhabt wurde, stellt die uns
erhaltene Geleitstafel vom 1. Juli 1400 auf, die in Abschrift aus dem Jahre 1658 erhalten ist.
hie nulla fit distinctio
inter peregrinos et Gelaits-taf fei,
subditos '. '
Welcher maissen die bürgermeistcre zer zeit jedermenniglichen geleyde geven sullen,
anno 1400, des ersten dags Julij eyn ersamer raith verdragcn.
Item sali man nyemantz gleidc geven, so die straissen geschint, den kouff-
man off pylgerom gefangen off geschedigt betten sunder des herren off dejhenigs
wülen, des vyant der oder die weren.
Item so die stadt off dat reich van Aioh gebraut, bereufft, die bürger off
underdaenen gefangen off geschediget, und noch nicht gesoent weren, off die der
Stadt und rych van Aich verwyst, saill gein geleide geven werden. Glichfals die
den bürgeren off unterthanen van Aich schuldig, dairaff scheffen oder gebeden
>) Maurer, Geschieht« der Städteverfassang in Deutgchland, Erlangen 1869, T. Bd. S. 884.
■) Qnix, cod. dipl. I, 87; Maurer a. a. O. S. 337, 338.
s) Schröder, Deutsche Reohtsgeschiohte 2. Aufl. Leipzig 1894, S. 577, a. 29.
«) Maurer a. a. O. S. 346 ff.
*) Die Bandnotiz entspringt dem Zweck, zu dem diese Absclirift angefertigt wurde. In den
Streitigkeiten zwischen Aachen und Jülich im 17. und 18. Jahrhundert wurde ein Unterschied in der
Erteilung des Geleits an Fremde und Bürger gemacht. Vgl. Hauptvertrag zwischen Jülich und Aachen
von 1660 Ai-tikel 1, bei von Fürth, Aach. Patr.- Familien Bd, I, S. 216.
— 32 —
ilings bricvc off sunst gnugsam bowys vurgestalt wurden, sali geloid«* (it en werc dan mit
willen des clegers) geweigert werden, beheltlich alzyt der lande und stede van Aich
gewohnheiten, so von alther gehalden.
Item so yemantz gemort, gestolen, off buyssen vietschafft geroufft
oder geschediget hett, dem sali seheffen urtheil und der stede recht van Aich wider-
faren, glichfals den fridbrechern, nachtsberuern ', vcrredern, und frauwen
krechtern etc.
Item off yemants sonder geleyts gesynnen zu Aich queme und beclagt off zuge-
sprochen wurde, dem oder denen sali seheffen urtheil und der stede recht van Aichen
widerfaren.
Dass gegenwertige copey mit deme in sachen der statt Aachen wider herm
herzogen zu Gülch etc. turbatae possessionis anno 1559 den 24. maij und 1562 den
6. maij am kais. camraergericht zu Speyr re- und producirten rotulo coUatiuniret,
und wie solche in desselbigen prima parte lit. A folio 904 befindlich, gleichlautend
übereinstimme, bezeuge mit dieser underschrift. Actum Speyr den 25. octobris
anno 1658.
Johann Adam Niderer not.
imp. cameree lector.
Auf der Rückseite vorstehender Abschrift befindet sich die Notiz:
Gelaits-taffel
welche vor etzlicho hundert jähren bis auf dem jüngsten brand zu auf der herren bürger-
me ister lewen gehangen hat.
Eine nähere Entwickelung des Gelcitsrechts in Aachen zu geben, insbesondere auch
auf die weitere Gestaltung desselben in den langwierigen Streitigkeiten mit Jülich ein-
zugehen, muss einer späteren Darstellung vorbehalten bleiben.
') beruem wohl gleich bemeni = Brennern.
Aachen, F. Schollen.
Verlag der Creraer'schen Buchhandlung (C. Cazin) in Aachen.
BeitPäpe iiod Material m Gescliiclite der üactieoer Patriziep-Familieo.
Von
FREIHERRN HERMANN ARIOVIST VON FÜRTH.
Erster Band. XXIV, 561; Anh. XVI, 81 und 42 S. gr. S^ mit 6 Tafeln. Preis 17 JH
Zweiter Band. IX, 226, 88, 99 und 215 S. gr. 8** mit eiugedr. Wappen und 13
Steintafeln. Preis 14 Ji
Dritter Band. XVI und 645 S. gr. 8« mit 1 Steintafel, Preis 14 Jt
Der erste und dritte Band wurde nach dem Tode des Verfassers im Auftrag der
Stadt Aachen von Geh. Justizrath Professor Dr. H. Loersch in Bonn herausgegeben.
Die Jakobskifclie zu Aachen.
Geschichtliche Nachrichten mit Urkunden
von Dr. 0. DRESEMANN.
124 S. 8". Preis 2 UK
Die Fundstellen rijmisclicr Altertliümer im Regierungsbezirk Aaelien.
Von J. S( HNEIDKR.
22 S. gr. 8** mit Karte. Preis Jt 1.50.
liRLCK VON HfiUMAKX KaAT?ER IN AaCITCS.
Jährlich 8 Nummern Komm issioiis -Verlag
A 1 Bogen Royal Oktav. '•*'
Creme r'seben Bai'hhandlnng
Prei;* des Jahrgangs ^^^ ,„,„
i Hark. in Aachen.
Mitteilungen des Vereins für Kunde der Aachener Vorzeit.
Im Auftrage des Vereina herausgegeben von H. SchDOOk.
Zehnter Jahrgang.
Inhalt: H. Schnock, Aufzeichnungen eines Haare uer Kirche ubncbes aus den Kricgsjahre
1792—1795. — Kleinere Mitteilung: Der Aachener Siadtbrand im Jahre 1656.
Aufzeichnungen eines Haarener Eirchenhuches aus den
Kriegsjahren 1792-1795.
, Von H. Schnock.
Alte Kirchenbücher haben schon häutiger neben dem ihnen eig:entüni-
liehen, urkundlich-genealogisclien Inhalt, inelir nebenbei und zufAllig, wichtige
und interessante Mitteilungen besonders ortsgeschichtlicber Natur der Nach-
welt autbewahrt. Irgend ein fleissiger and kundiger Pfarrherr Jiat die-
selben dem Buche, das ihm in Ertilllung seiner Amtspflichten fast Tag
für Tag unter die Augen kam, in seinen Mussestunden anvertraut. Solcher
Bücher besitzt auch unsere Nachbargemeinde Haaren zwei, deren Einsicht
und Benutzung Herr Bürgermeister Philippy in der bereitwilligsten Weise
gestattet hat, wofür ihm auch an dieser Stelle der gebührende Dank aus-
gesprochen sei. Das älteste Kirchenbuch beginnt seine Aufzeichnungen
über Taufen. Heiraten und Todesfälle mit dem Jahre 1649 und setzt sie
fort bis zum Jahre 1722; hier nimmt das zweite sie auf uod führt sie
weiter bis zum Jahre 1798. Gleich auf der Rückseit« des Titelblattes
des frühestender Kirchenbücher finden sich einige Notizen über die Errichtung
der Pfarre Haaren im Jahre 162;( — Haaren gehörte vordem in kirchlicher
Beziehung zu dem benachbarten Würselen — und über die 6 ersten Pfarrer,
welche dort amtiert haben ; diese Nachrichten dürften von besonderer Wichtig-
keit sein für einen demnächsligen Bearbeiter der Geschichte des Dekanates
— 34 —
Burtscheid^ Von einigem Interesse sind auch einzelne gelegentlich ein-
gestreute Aufzeichnungen über Schenkungen bezw. Anschaffung von metallenen
kirchlichen Gefässen, deren Gewicht und Preis beigefügt ist. Ferner
enthält das Buch drei kurze Berichte, je einen unter den drei Kolonnen
der Taufen, Heiraten und TodesföUe des Jahres 1656 über den grossen
Stadtbrand ^ in Aachen, die, wenn sie auch nichts wesentlich Neues enthalten,
dennoch des Interesses nicht entbehren, weil sie herrühren von dem Pfarrer
Heinrich Brewer aus Haaren, der, ein gebildeter Mann, mit eigenen Augen
diese verheerende Feuersbrunst angesehen hatte. Demselben Pfarrer ver-
danken wir auch ein nach Strassen geordnetes Verzeichnis sämtlicher Häuser,
Familien und Einwohner Haarens und des dazu gehörigen Ortes Verlautenheide
aus dem Jahre 1669. Ursache und Veranlassung zur Herstellung des
Verzeichnisses giebt er selbst in folgenden Worten an: „Anno Christi 1669
die 15 Aprilis auff montag vor osteren habe ich Henricus Brewer Pastor
S. Germani in Haaren die Häuser, familias und sämtliche einwohner meiner
parochien von hauss zu hauss visitirt, notirt und admonirt zu österlicher
Communion in unserer pfarrkirchen". Nach dieser Aufschreibung hatte
Haaren damals 106 und Verlautenheide 40 Häuser, Da die Häuser fast
durchgehends nur von einer Familie bewohnt wurden, so ergiebt sich bei
der Annahme von 6 — 7 Personen in jeder Familie, dass Haaren im Jahre
1669 ungefähr 700 Einwohner hatte, womit auch eine anderwärts ver-
bürgte Nachricht übereinstimmt ^ Die letzten Aufzeichnungen des ältesten
Kirchenbuches datieren vom 1. Februar des Jahres 1722. Eine ganze
Reihe in dem Buche noch vorhandener leerer Blätter hat ein späterer
Pfarrer benutzt um darauf „einige merkwürdige Begebenheiten im fran-
zösischen Revolutionskrieg in annis 1792 — 93 — 94" oder wie er sich an*
einer anderen Stelle ausdrückt „Irruptiones et eflfraenationes Gallorum in
nostris partibus, eorumque probrosa ad lares gallicanos eipulsio**. Ausser
einer mehr der Weltgeschichte angehörenden,, mitunter recht drastischen
Schilderung der Verurteilung und Hinrichtung des unglücklichen fran-
zösischen Königspaares und der weiteren Schicksale des Dauphins von Frank-
reich enthalten die „merkwürdigen Begebenheiten" interessante Einzel-
heiten über alles das, was der Verfasser und seine Pfarrgemeinde Haaren
in jenen Jahren durch Einquartierung, Plünderung und sonstige Kriegs-
drangsale gelitten haben und bilden so, wenn auch nur bezüglich eines ver-
hältnismässig kleinen Distriktes, eine bescheidene Ergänzung dessen, was
über denselben Gegenstand für die Reichsstadt Aachen Milz in den Pro-
grammen des Königlichen Gymnasiums in Aachen für die Jahre 1870/71
und 1871/72 und Pauls in der Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins,
Band X veröffentlicht haben. Der Verfasser hat es nicht für der Mühe wert
*) Die vervoUständigte Reihenfolge der Haarener Pfarrer wird in einer der n&chsten
Nummern folgen.
*) Die drei Berichte siehe unter „Kleinere Mitteilungen'* S. 00.
*) Siehe: Gross, Das Aachener Reich. Aus Aachens Vorzeit, Jahrg. VII, S. 28.
— 35 —
erachtet, seinen Namen der Nachwelt zu tiberlieiTern. Auch ist derselbe
nicht aus dem Totenregister der Pfarre zu ersehen. Vorderhand steht
nur so viel fest, dass er vom Jahre 1772 — 1797 Pfarrer in Haaren ge-
wesen ist. Dies ergiebt sich aus einem Vergleich der Handschrift dieser
Aufzeichnungen mit der seiner Eintragungen in die Tauf-, Heirats- und
Sterberegister der Pfarre. Wir geben dieselben nunmehr in der originellen,
nicht selten von glühendem Patriotismus und starker Entrüstung über das
Gebahren der „Franzmänner" zeugenden Sprach- und Schreibweise wieder:
1792 im November
wurden in Mens * die wenige Kaiserliche Truppen unter dem General Clairfait
von der Volksmenge deren sich nennenden französichen Patrioten überfallen,
und mussten nach tapfere Gegenwehr aus dieser Stadt und aus ganz Braband
Retairiren.
Am 25^" 9**' kamen in Aachen, hier und in diesen gegend an die
üsterichische Husaren, und so nach und nach reuter und füsser.
Am 4*®° December wurde wegen Vielheit der Manschaft bei mir
einquartiret ein Oberliutenant mit einem Knecht vom Jäger Corp: blieb
bis den 6**" dito.
Den 6^**" käme auf dessen platz der obrist von la Tour mit seinem
Adjudant und Knecht, blieb nur bis den 7**"; eodem käme auf dessen stelle
ein ober-prevot mit einem Knecht, blieben bis den 13'*"; am 9**""
käme zu diesen ein Hauptman mit seinem Knecht, blieben auch bis
zum 13'*'° X»'«'.
Keiner hat mir etwas bezahlt, und so eben haben alle andere von
denen oflBciren und Soldaten nichts oder wenig bekommen für speis und
trank der menschen und fourage deren pferden, denn die flüchtlinge waren
an allerti leer, abgemattet, hüngrich und elendig, nahmen für sich und ihre
pferde, was sie nur bekommen konten.
NB. itz gemelter obrist von la Tour, nah mens von Pfortzheim, ein
generöser soldat ist bei Hoengen, da er zuerst die battereien be-
i-^Merz« stiegen, von einem Rotzbub erschossen und zu Aldenhoven be-
graben worden zum grössten lerdwesen seiner heldenmühtigen
Soldaten, sane et mihi mors ejus dolori est.
Den 13**" december, da die franzmänner näher kamen, reterirten die
Kaiserlichen alle bis über die Ruhr und machten jenseits dieses flusses Halt.
*) In der Schlacht bei dem Dorfe Jemappes in der Nähe der Stadt Mons am
6. November 1792 wurden die Oesterreicher von der Revolutionsarmee geschlagen und
mussten infolge dessen die österreichischen Niederlande an Frankreich abtreten.
*) Die hier berührte Begebenheit hat sich im Anschluss an das am 1. März 1793
stattgefundene Gefecht bei Aldenhoven zugetragen. Siehe Annalen Heft XVI, p. 129,
Amn. 2 wo es heisst: Bei der Verfolgung der Franzosen auf Höngen zu fiel unfern
Schieiden (Dörfchen zwischen Aldenhoven und Höngen) der Oberst von den Latour-
Dragonern, der Graf von Pforzenheira. Ein Carmagnole erschoss ihn aus seinem V^ersteck
hinter einem Baume. Ein Lieutenant Rudolph ward schwer verwundet und starb bald
nachher. Beide wurden zu Aldenhoven begraben.
— 36 —
Den 15*®" X^^*" mitten in der nacht kamen zum allgemeinen schrecken
haufenweiss die franzmänner, sub specie Amicitiae, qui erant in cute lupi
rapaces.
Bei mir wurden einquartirt 6 zerlumpte Jäger, wie sie sich nannten,
homines nequissimi. sodan ein Obrist mit einem Knecht item ein Ritmeister
mit einem Knecht, und noch 3 OflScier mit zwei jungen, sive spitzbub.
Diese blieben zweij Tage, bey den ersten und letzteren herrschte die fran-
zösische libert^ et egalitö im höchsten grad. alles im Haus ging über und
drüber, was sie wolten haben, muste gar zur Verschwendung in überfluss
gegeben werden; sie waren Herr und meister im Hause: Tohr und Thür
musten angelweit oifen stehen. Viele hier nicht einquartirte kamen sturm-
weiss hineingefallen, frassen, soffen, spotteten meiner, zückten auf mich die
Palässe, wolten geschaft haben, was ich nicht hatte, sie brachten es dahin,
dass ich kein bier, kein wein und kein brod im Hause hatte. Was bei
diesem greulich Verfahren bei mir und den meinigen für forcht, angst,
Hunger und Kummer gewesen, mach Einjeder, der in seiner seele ein
teutsches gefühle hat, erachten, nebst dies was diese ungeheure raubeten,
zog diese lasterhorde ohne einige Bezahlung ins gülicher Land.
Nach diesen kamen zu mir 3 serganten mit mehreren, blieben eine
nacht, und zwei Tage; sie waren auch nicht gut, doch nicht so böss, wie
die Vorige, gleichwohlen muste ihnen ohnentgeldlich alles geschaffet werden,
was sie verlangten.
Vor dem H. Christfest bliebe ich ein paar tage von einquartirung
frei, indessen entrüstete mich das tag und nacht an der thür anhaltende
Klopfen, Tumultuiren, pulsteren, bedrohen, schelt etc. nach und nach der-
massen, dass in Festo S. Stephani mir eine schwere Krankheit gählings
über den halss käme. Ich bliebe sodan ohne einquartirung deren Soldaten,
aber Doctor, Chyrurgus, apotecker, pastoral und Kirchen-Diensten waren
mir nicht weniger kostspielig.
1793.
Am 20**" Januarius läse ich zuerst die H. mess, so kamen alsobald zu
mir zweij oflScire d'artillerie, und nebst dies wurde die mauer oben der
Thür aufm Kirchhof überstiegen, kamen darzu mit aller gewalt 3 serganten,
blieben bis den 24***° Januar. Vom 28*®" Januar bis den 6*®" Februar wäre
bei mir im Hause ein honneter Canonier officier.
* Niemand von allen hat mir, wie anderen, einen Heller bezahlet.
Ich übergehe die oftermalige zwischenzeitige mir dan und wan zu-
gestossene lästige, schädliche, schröckbahre anfalle und zufalle, auch ist
es zu weitschichtig anzuführen, wie und welcher gestalt diese freigeister
die leute, besonders in denen abgelegen häuseren tribuliret, geplündert,
misshandelet, an freitag und samstag zum fleisch mitessen gezwungen haben :
wie sie Gott, die allerseeligste Jungfrau Maria und liebe Heiligen gelästeret,
die Geistlichkeit geschändet, die kirchen-diensten und alle Christliche an-
dachtsübungen beschimpfet, und gestöret haben. Sie waren fast alle menschen,
— 37 —
ich sage, Unmenschen sine Fide, sine Religione, sine Lege et disciplina,
sine Luce, et Cruce. Durchgehens wäre die lasterrede dieser schand-
Buben; Non est Dens: Si non est Dens, exsibilabant hi Tenebriones, Im-
peratorem, Reges, et Principes auxiliatrices per Universum subjugabiraus,
non erit Papa, neque Ecclesia. si vero Dens est, non triumphabimus.
Prima fronte vociferabantur hi Thrasones unanimiter:
Nous marchir ä cologne, nous jagt die keiserlick Tyran üf dat Rhin.
Mais halt la! an der Ruhr, welchen kleinen fluss die Kaiserliche allent-
halben besezt hielten, hiesse es zu jedermans erstaunen. Non plus ultra patriota!
Hern ohe! arrigite aures, Buccinate gaudium, et gratias, Accolae caris-
simi! vere est Dens verus, atque Mirabilis, qui liberavit nos ab insectis
gallicanis.
Ad intercessionera B*"** Virginis Matris Mariae Dens misericors exaudi-
vit intensissiraas preces populi, longe lateque incessanter clamantis et de-
precantis.
en Blespheme! ecce Athee! vere est Dens verus, deus noster
in Coelo et in Terra.
Kaum wäre Prinz Sachsen Koburg, Kaiserlicher Generalissimus, der
Held, so ewigen Ruhm verdient, bei der Ruhr ankommen, so beorderete er
seine Truppen, über den fluss zu setzen. Glück zu! Vom letzten April in
der Nacht zum ersten merz (?) passirten diese muthvoU die Ruhr, fielen
beherzt über die franzosen her in der gegend Jülich, Düren, und der orten,
Tödteten viele, in specie bei Coslar, und so an mehreren stellen im bezirk
bis Hoengen, alda zogen sich die flüchtige franzmänner zusammen in ihrer
Verschanzung, die Kaiserliche stürmten wie die löwen auf sie loss, be-
stiegen die battereien, hieben viele nieder, und brachten sie zur flucht.
Gegen halb fünf ühr sähe ich diese flüchtlinge theils zu fuss theils
zu pferde in gröster Unordnung, einige ohne schuhe oder strumpfe, andere
ohne rock, oder kamisol, einige ohne Hudt, Viele mit bluetigen köpfen,
oder sonsten verwundet, beij der pastorath vorbeilaufen in solchen mengen
und so zusammen gedrungen, dass die stras selbige schier nicht fassen
konte, sie liefen alle erblasst und sprachloss auf Aachen zu. Dieses währte
also ununterbrochen bis halb neun uhr in der nacht, keinem im dorf wurde
von ihnen etwas genommen, noch einiges leijd zugefügt, aus forcht und
angst, sonderlich wenn die reuhter zwischen denen füsseren einjagten,
burtzelten öfters in gedränge diese über jene her; einjeder trachtete andern
vorzukommen.
Fröhlig und lächerlich wäre dieses anzusehen. Die nun in der spätem
nacht dem Verlofifen schwärm nachkamen, davon drängten sich incirca
400 dahier in die Häuser ein, abgemattet, hüngrich, dürstig, zitternd, und
bebende begehrten sie demütig labung, und nachts-quartier; augenblicklich
waren sie mit sack und pack zum laufen fertig, so ginge die nacht vorbei,
es wäre aber was seltsames, dass in dieser nacht die pastorath von allem
anfall frei belassen wurde.
— 38 —
Änderten morgens, 2^®" Merz gegen 4 Uhr kamen nur wenige Kaiser-
liche scharf-schützen bis an den Knings-berg, alda stelleten sich einige
franzosen zum gegenwehr, machten mit trommelen lärmen; es wurde beider-
seits gegeneinander gefeuret, bald machten die franzmänner den garaus
und lieffen alle auf Aachen zu. am gasthaus wurde Einer erschossen, und
von denen nachbahren in ein garten begraben, annoch wurde einer beijm
stein weg gegen den hundskirchhoff^ erschossen: kurzum: die wenige Scharf-
schützen jagten alle bis in Aachen. Haaren wäre von franzosen ganz leer.
Hier wäre freud undjubel; ich und ei n jeder Track tirte die ermüdete
scharfschtizen nach Vermögen auf das beste.
Diese freud und jubel wurde nun desto grösser, als wir höreten, dass
ebenen morgens um acht uhr von denen hierdurch geloflfenen franzosen kein
mann mehr in der statt wäre; alle wären durch Junckers thor über den
aachener Busch fort und so ferner sporenstreich geloffen. Diese Botschaft
verursachte eine vollkommene freude. allein
diese freude daurte nicht lange, sondern veränderte sich an selbigen
morgen in äusserste gefahr, angst und schröcken. Zwischen 9 und 10 uhr
wäre ein Trup franzosen (man weiss die Zahl deren nicht zu bestimmen,
etliche Tausend waren ihrer, so aus der gegend Geilenkirshen flüchteten)
vor Pont-thor, die verschlossene pfort wurde durch kanonen und sonstige
gewalt eröffenet: die Horde trunge muthvoll zur statt hinein, in meinung,
die übrigen fortgeloffene noch anzutreffen, und so .Vereiniget die statt für
sich zu behaupten. Sie pflanzten ihre stücke auf die wälle, fürnehmlich
an Kölner-thor, um die ankommende Kaiserliche abzuhalten, gegen neun uhr
ritten alhier 15 oder 18 ulanen vorbei, als diese hörten, dass die franzosen
in der statt wären, marschierten diese wenige mit den wenigen scharf-
schütz unerschrocken zur statt, ihnen wurde von den bürgeren S. Adalberts-
Tohr eröffnet, sie marschierten hinein; da sie aber die Strassen Von den
vielen franzosen besetzet fanden, tahten sie einige Schüsse, und macht-en
sich zum Tohr hinaus. Die franzmänner kanonirten mit stück und muss-
queten, sie stolzirten, als wären und blieben sie von aach und dem Reiche
Herr und meister. Wie bei dieser unverrauhten Katastrophe uns und allen
in und ausser der statt ums Herz gewesen, ist leicht zu denken, unsere
wünsche und Hofnung wäre, dass die Kaiserliche kämen, und uns von
dem Ungeziefer befreieten.
Endlich gegen halb ein uhr käme die Kaiserl. arme zu fuss und zu
pferde. es wäre eine lust die unerschrockene, wohlgeordnete, schönste Völker
zu sehen, sie marschierten durch gute anweisung durch den Pass, stellten
sich auf den wingardsberg. Da wäre aber die Stellung nicht vortheilhaftig.
gute weg-erfahrene weiser führten sie hinterwerts auf den Laues-berg:
alda ranchirten sie sich und stürmten den berg hinab zu Pont-thor hinein,
fielen auf low art, die franzosen an, diese widersetzten sich, die Canonen
^) So wurde ein vor Kölnthor an der Wurm gelegenes Landgut genannt.
— 39 —
brauseten, die Musketten donnerten gegeneinander, als wäre der jüngste
tag und unser allen Untergang vorhanden. Die franzosen, zu par getrieben,
postirten sich auf den grossen mark, löseten ihre kanonen alda, wie vorhin
ahn Kölner-tohr, umsonst pur in den wind und reterirten sonach bis an
Jacobs-mittel-pfort; hie fasten sie wieder Posto, wurden aber auch von
dannen vertrieben mit hinterlassung zweien Kanonen, welche denen Aachener
wegen ihrer treugeleisten beihülf zum andenken geschenket werden. Beij
dieser action wurden getödtet 51 franzosen nnd eine französische Dame,
und nur 4 Kaiserliche, die Viere wurden auf dem mtinster-kirchhof be-
graben, nicht aber die franzosen. diese unchristen.
An Jacobsmittelpfort entschiedete sich die streit-scene; die franzosen
tanzten den Kehr-aus, die Ftisser Helfen über hals und köpf, die Reuther
gallopirteu über Holz und stein zur Junkers pfort hinaus bis in den aacher
busch, alda machten sie front, kaum aber kamen ihnen die Kaiserlichen nach,
erschossen auch alda noch einige, alsdan reterirten die franzosen in die
weite fort und die Kaiserliche kamen in triumph zurück.
Nunc erat in pleno Gloria in excelsis.
Bürger-Marchal-de-Camp Dampierre (vulpes sub pelle ovina, et pseudo
Commendant ä aix) wäre schon morgens denen ersten flüchtlingen nachge-
flüchtet und so die barbarische konvents-Komraissarien Camus, Delacroix,
Gossuin, danton, Feres, enarchant, Michel etc., deren einige die schon vor-
hin inventarisirte Kirchen und Klöster-effecten zweij Tage vor der flucht
de novo inventarisiret, und eingepackt zum wegfahren bereit gesetzt hatten,
sed nihil horum: die laster-horde wurde eilfertig und so stark zum flüchten
genöhtiget, dass sie in der statt, wie draussen im reich gegen ihr Vor-
haben ans rauben und plündern nicht gedachten.
SanCtVs DeVs fortls erIpVIt nos De LaqVels
VenantIbVs & a LlngVIs DoLosIs.
Ima et Ilda Martii.
Am 2'®" und 3**" Merz marchierte die Kaiserliche Generalität: Prinz
Coburg, Karl, dermaliger Gouverneur in Braband etc. Clarfait, Würten-
berg etc. über Aldenhoven, Closterode und so ferner auf Mastrich zu,
dahin die derseitige armee im Marsch wäre, alda ankommende, war kein
franzoss mehr vor Mastrich anzutreffen, nach 10 ad 11 Tägigen belägerung
und bombardirung der statt hatte die pansche forcht deren anrückenden
Kaiserlichen sie schon zum Voraus in flucht getrieben: Die Kaiserliche
folgten ihnen, die franzosen rückten über Tongern, postirten sich furtheil-
haftig bei Tongerlau am eisenberg; Hier kam es zur blutigsten schlacht,
dabei die Kaisei-liche den herrlichsten Siege erfochteten.
Es wurden andere seits, nach einer harten gegenwähr, diefranz-
männer aus Lüttig getrieben; sie räumten sohin das Lütticher land, Hol-
land, und die Niederlande, flohen bis auf ihren französischen boden. Durch
Gottes beihülf wäre in Zeit vom ersten- bis den zehnd Merz das antheil
— 40 —
des gülicher Lands, unser aacher Reich, das lüttiger Land, Holland und
Brabant von denen, Heil und Glück, freiheit und gleichheit ausposaunen-
den, Erzfeinden befreiet.
DeVs ter-BonVs,
eXorante B. Maria,
ConserVes Lares nostros ab his Infensis athels et exosis InseCtIs.
1794.
Nachdem der Kayser (welcher in selbst eigen hohen Person die
alliirte ruhmlich kommandiret hatte) die arme verlassen, haben die fran-
zosen die festungen Maintz, Cond6, Valenciennes, Quesnoy wieder erobert
und nach Einnahme der Rhein-festung Fortlouis sind die alliirte per halsum
et Collum bis über die Maas reteriret, haben sich alda verschanzet und
Posto gehalten: Endlich setzten die franzmänner mit Übermacht zwischen
Lüttig über die Maas, und die Kaiserlichen rückten näher und näher auf
unsere gegend zu. Sodann nahm Prinz Coburg in ein rührenden beij seiner
Armee kundgemachten schreiben von seinen Waffenbrüdern abscheid, und
am 28'®° August tibernahm Graf Clarfait den Oberbefehl der Kaiserlichen
Hauptarmee im Hauptquartier zu Fouron le Comte und general Beaulieu
wurde als Generalquartiermeister beij der Armee bekannt gemacht. Am
jten Yber passirte durch Aachen und Haaren mit dem Erzherzogen Carl
Prinz Coburg auf Wien.
Demnach kamen die Kaiserliche näher und näher bis in Aachen,
setzten sich aufm aacher Busch, die franzosen folgten ihnen bis dahin
nach, es wurde gegeneinander kauniret; am 21*®" September flohen die
Kaiserliche ; daher entstünde hier im Dorf wegen ankommenden aus forcht
von aach bis hiehin laufenden Menschen nachmittags gegen 4 Uhr ein
lärm, Heulen, und schröcken bei mir und einenjeden so grässlich als wäre
der jüngste Tag vorhanden. Diese angst wurde aber bald gestillet, weil
noch keine franzosen, wie gesagt wurde, in aachen eingerückt waren.
Am 22*^" T^^** flohen durch unser Dorf die letzte Kaiserliche zu fuss
und zu pferd, nahmen und plünderten alles, was sie bei Tag und nacht
nur aus und in den Hauseren, scheuren, stallen etc. erwischen konnten unter
der aussag: si nos non rapiamus, rapient galli insequentes.
Das Magazin von waserley montur- und Kleyderstück, flinten, säbel,
patrons-taschen etc. von den Kaiserlichen bei mir in saal und sonst im
Haus ad 6 Wochen gewesen, und wodurch ich der Zeit von Einquartirung
ziemlich frei bliebe, war kurz vor obigem auf köln transportiret.
Am 23**" 7^"* kamen die franzmänner in Aachen, den 24**^" zu jeder-
mans grössten schröcken in Haaren und in die gegend, ut Lupi rapaces,
rapiebant plurima et exspoliabant fere omnes, perpaucis in hoc pago, ut et
alibi exceptis.
Am 25'®" fiele eine gantze rotte in meine Pastorath ein, setzten mir
2 Bajonett zum leibe, fielen in Keller und Zimmeren, nur unten zu erde,
— 41 —
hinein, eröffneten und durchwühlten alles, was ihnen zu Händen käme,
nahmen geld, Mobilen, Kleider und sonstiges, was nur zu erhaschen wäre.
Zum grösten glück und zu Verhütung ferner gänzlichen Plünderung rieffe
unser Organist zweij eben vor der Thür anwesende französische officier
in die Pastorath, welche die raubhorde abtrieben, sohin wäre der Verlust
und schade leidentlich.
Gleich darauf polterten ganz ungestüm 4 Tröhende rasende raub-
vögel, welche mit Hülfschreien von der Kirchofs-Thür wurden abgetrieben.
Eben darauf bekäme ich zwei salve-guardes ins hauss, welche auf einem
tag bis zum achten mahl die an der Pastorath raub-wollende Soldaten ab-
hielten und so forthin mein Hauss von oftermaligen anfall treulichst be-
schützten, was diese mir gekostet, haben sie mir vielföltig profitiret, denn
ohne selbe wäre ich gänzlich ausgeplündert worden, am 28*^" 7**'"' musten
diese zweij gute beschützer ungern mich verlassen und zur statt gehen,
allwo sie nicht hoffen kouten das, was sie bei mir bekommen thaten.
An eben diesem 28'^" 7*"®' wurde von Burtscheid das Hauptquartier auf
Haaren verleget mit dem General jourdan noch 7 Generälen, vielen offi-
cieren, vielen Truppen und 400 pferden zum unsäglichen last und schaden
unseres dorfs, denn was hier muste hergegeben und beigeschaffet werden,
dieses kann ich nicht schreiben. Solutio Nulla. Es käme
Zum grösten last und unsäglich unruhe zu mir le primier Represen-
tent de Peuple Gillet mit einem kommissaire, ein secretaire und 5 ad 6
knechten, die occupirten die ganze Pastorath, nur mein Schlafzimmer
bliebe frei, stochen und kochen für Herr und Knecht währete von morgens
bis gantz spät in die nacht, und dieses alles muste meine Haushälterin
thun, dann es wäre bei ihnen kein Koch, wie bei denen anderen Generälen,
dahero konte für mich nichts zur speiss und trank bereitet werden : meine
Köchinn wäre eine schlavin und ich muste oft hunger und durst leiden,
da andere gut assen und tranken, ohne meiner im mindesten zu gedenken —
überdies wäre die Pastorath einer Wachtstub den ganzen tag hindurch
gleich; zum Representant kamen anhaltend officier, kurier, Soldaten, ge-
raeinds-deputirten und supplicanten von allen orten, Städten und Dorfschaften ;
der Hausessteinweg war immer von menschen angefüllet, und dieses con-
tinuirte vom sonn tag den 28^° 7*'®*" bis freitag 3^®" October, da der Re-
presentant mit dem kommissaire zur Armee auf gülich ritten, und eben
diese nacht gegen 12 uhr wäre mein Hauss leer und das Hauptquartier
folgte nach auf Aldenhoven. Von Zahlung geschähe keine meidung, kein
sous wurde mir präsentiret, nichts gar nichts wurde mir bezahlet. Blictri
wäre mein lohn und die befreiung von dem greulichen kostspielig last mein
trost und ein ebener trost meinen parochianen, denn wenn das Haupt-
quartier noch einmal so lang hier verharret hätte, so wäre Haaren auf
einmal ganz erschöpfet werden und nichts mehr für menschen und Viehe
übrig geblieben.
Bei an- und einrückung dieses gewaltigen Hauptquartiers wäre im
— 42 —
Dorf timor et tremor, raera perturbatio et aborainationis desolatio, omuia
susque deque vertebatur. ast ecce! alia ex alia perturbatio: turaultus ex
tumultu: eadem Dominica 28 7^"^*^, finito jam tum primo sacro, komt zu
mir ein französischer unterofficier geloffen, ansagend: eilens sollte die
Kirche geräumt werde, denn gleich kämen die arrestanten hinein. Wir
reterirten, und retteten, was immer möglichst zu retten war. Indessen
war auf einmal die Kirch ganz voll von Gefangenen cujuscunque nationis
et Status; ich im eifer wollte nochmal zur Kirche hinein, da kamen beij
Eröffnung der thür die arrestanten haufenweiss auf mich gestürmt unter
einem greulichen geschreij, dahero muste ich mit schi'ocken abweichen.
Hauss und Kirche waren sonach aus meiner Gewalt, eine unruhe folgte
der andern so ununtterbrochen, dass ich keine H. Mess an diesem sonntag
halten konte, ja auch darzu nicht wusste, ob ich, wenn ich an der Kapeil '
hätte lesen können, hätte lesen dörffen.
Montags expiscirte ich, dass Mess halten gestattet wäre, ich läse
also die H. Mess von montags bis samstags in der Kapel; nach der H. Mess
schenkte mir den Caffe Vetter Johan Boeven, darzu asse ich eine gute
Portion butteramen 2, stärkte mich für den ganzen Tag, um nicht für hunger
und elend niederzufallen, huic obligatus maneo et grates refero.
Nunc revertor ad capitvos in Ecclesiam, quae cum coemiterio speluuca . . .
erat, hi inordinati cujuscunque generis homines mox cantabant, vocifera-
bantur, et ululabant, mox pulsabant Organum, mox campanas. Interim haec
et similia patienter, sane dolenter ferenda erant. aber, ach aber! am sams-
tag den 4**"° S^^*" läuteten diese Horden die Glocken und marschierten nach
Aldenhoven, nun wäre die Kirche leer, aber öd und wüste; und der Kirch-
hof so besudelt, das vast nicht drüber zu gehen wäre. Es wurde ausser
und in der Kirche so viel gereiniget, dass man in die Kirche konte hin-
eingehen. Man fände die Bänke und einen umgeworfen Beichtstuhl merk-
lich zerbrochen und beschädiget, den opferstock eröffnet, und ausgeplündert,
die stragulas altarium" Theils verdorben und zerschnitten, theils mit
einigen Kirchen-büchern und scabellen^ hinweggenommen: Dabei wäre
über dieses der grösste schad: es wäre ein merklicher Vorrath an gelben
und weisen wachs-kerzen (welche wegen unvermuthet schleunigsten Über-
fall keinesw^egs aus der auswendig hangenden Kaste konte salviret werden).
Dieser Kerzen wäre keine einzige mehr vorhanden zum grossen nachtheil
der Kirch, um die mehr, da der Wachs sehr Theuer und ein pfund weissen
wachs 9 gülden^ kostet, am samstag reinigten die Nachbahren die Kirche
in so weit, dass ich am sonntag den 5**"" S^^"" den Gottesdienst darin halten
konte: Hernechst wurde in der Kirche das zerbrochene von Zimmerleuten
*) Gemeint ist die am Eingang des Dorfes gelegene Kapelle zum hl. Valentin.
^) Noch heute im Volksmund für „Butterbrod** gebräuchlich.
^) Altartücher.
*) Lesepult.
*) 2 Mark 25 Pfennig.
— 43 —
repariret, das Verdorbene thunlichst ausgebesseret, die Kirche und der
Kirchhof nach und nach so gereiniget, dass die Kirche einem Gottes-hauss,
und der Kirch-Hof einen Gottes-Acker wieder ähnlich wurde.
Nachsatz. 1794 im August und anfangs September waren die Tag
und nacht hier passirende geist- und weltliche, Herrschaften und andere
flüchtlinge unzehlbar, ja so überhäufet, dass gantze Haushaltungen mit
sack, pack und Hausgereid in Aachen und dahier über naclit zu logiren
keinen platz fanden und auf der strass übernachten musten, aus frankreich,
Braband, dem lüttiger Land, und der gegend waren durchgehens die be^r
trübte, beänstigte flüchtlinge. Das laufen, rennen, fahren mit karossen,
kahren und wagen waren so anhaltend, dass bei deren hören und ansehen
Herz und Muth sinken musste und man vor forcht, angst, wehrauth und mit-
leijden vast ausser sich selbst versetzet wurde. Inzwischen rückten die
franzosen näher und näher, die Kaiserliche reterirten mehr und mehr, da
nahmen die flucht viele, sonderbahr die wohlhabende aus Aachen, Burt-
scheid und dieser gegend und zware zu ihrem doppelten Schaden, dan in
der fremde musten sie verzehren, und zu Haus wurde ihnen vieles ent-
nohmen und zu gründe gerichtet. Aus meiner pfarr flohen 15 Personen,
worunter zwei ganze Haushaltungen Theils in's Bergische, theils ins West-
phälische; davon ist einer in der fremde gestorben; sechs sind noch zu-
rück und 8 sind im Junius 1795 nach Hause kommen frisch und gesund,
ja die fuhrleute so dabei waren, sehr glücklich, indeme sie pferde und
Karrigen unbeschädiget anheim gebracht.
Francorum Progressus, Molitiones, Dispositiones, Centralia,
Tribunalia et alia quaedam hinc inde extracta et
1794 conscripta. 1795.
Als denen franzosen nach fünf ad sechstägigen erstaunlichen Kanon-
nirung Mastrich übergeben, kamen sie am 23^®" 7*'^'^ nach Aachen. Ei-
oberten am 3**" October gülich ohne Bombardement, rückten am 6*^** in
Köln ein, sonach in Bonn, Koblenz, und besetzten dieserseits den Rhein,
darüber die Kaiserliche geflohen waren.
Gleich nach dem Einzug in Aachen ergehet unter ander dieser Befehl
aus dem am 14*®" August 1794 von denen Volksrepräsentanten abgefassten
in 34 articulen bestehenden beschluss.
Die Einwohner der eroberten Länder sollen ihre Waffen innerhalb
24 stunden von bekanntmachung der desfalsigen Verordnung an, in die
Hände des militär kommendanten ablieferen. Wer überwiesen werden
würde, selbige zurückgehalten zu haben, soll der militär-kommission über-
geben und mit dem todt bestraft werden.
Dies scharfe befehl brachte hier und allen orten angst und forcht,
man gäbe die flinten, ich auch die meinige, ab. sonach wurde dahier zum
repräsentant Gillet eine grosse breite Kasse mit degen, pistolen und säbelen
angefüllet, und im saal eröffnet, welche von solcher Kunst und Kostbarkeit,
— 44 —
(lass deren werth vast nicht zu schätzen. Diese, sagte man, wären alle
in Aachen eingeliefert worden; nachhero fuhren, nebst denen diesortigen.
Viele mit Flinten etc. beladene Kahren aus dem jülicher land hierdurch
auf aachen ... ad orcum.
Der hleij vom Tach des Münsters wurde abgenommen, die köstlichen
Pilasteren aufm Hochmünster niedergehauen, die messingen stanquetten und
thüren daselbst niedergerissen und der bleij sambt sieben pilaren ^ und denen
pfeifen des übergrossen ausgebrochenen Orgels auf Paris transportiret.
Diesen folgte bald der vor dem Stadthaus abgenommener Adler, der nieder-
gerissener, kurz vorher neu aufgesezter memorialstein samb der uralten
Postür Caroli Magni nach Paris, unter der Krön im Münster wurde das
Grab eröffnet, nichts aber darin erhaschet.
15*^° October wurde der freiheitsbaum vor dem stadthauss mit grosser
solemnität, vocal und instrumentalmusick, mit jubel. Tanzen und springen
errichtet.
Nach diesem wurde die Central- Verwaltung des Distrikts von Aachen
angeordnet.
Diese aachener generalcentral-verwaltung bestünde aus 12 gliedern,
für die Lande von Aachen. Die Banken Vaels, Holset, Vyllen. Wyttem,
Heyden, Wijlre, für Gülich bis Geilenkirchen, Linnich, Düren, Nideggen,
Haimbach, Monjoye, Kornelimünster und Burtscheid.
Diese Lande wurden in 6 Kantons getheilet nähmlich 1. Aachen samt
dessen Gebiete und Burtscheid; 2. .die Bank Vaels und das Land Heyden,
Wittern, Wijlre; 3. Linnich, Geilenkirchen; 4. Gülich, Düren; 5. Stolberg,
Eöchweiler, Weisweiler; 6. Monjoye und Cornelimünster.
Die Glieder dieser Centralverwaltung seijen folgende : die Bürger
Lambrichs von Cornelimünster, Clermont von Vaels, Wiedenfeld von Burt-
scheid, Adolf Schleicher von Stolberg, Herman Pelzer von Eschweiler,
Crahe von Linnich, Kamphausen von Geilenkirchen, Rudolph Michels von
Gülich, Moeglings alt. von Düren, Orth von Monjoye, Cromm und Vossen
von Aachen. In jedem Kanton soll ein mitglied der Verwaltung residiren^
die übrigen 6 aber zu Aachen ihren sitz haben, wo sie das Verwaltungs-
Direktorium ausmachen. In jeder gemeinde ist ein unter- Verwaltung nieder-
gesetzt, welche aus einem Maire und einer gewissen anzahl beijgeordneten
besteht nach wenig oder viel Bevölkerung derenselben.
National-Domaine d'Aix.
Aachen, Burtscheid, Land Heyden, Cornelimünster, Monjoije, Amter
Eschweiler, Wilhelmstein und schönforst.
Tribunalia zu Aachen.
*) Nicht 7, sondern 39 überaus wertvolle marmorene Säulen haben die Franzosen
auf dem Hochmünster ausbrechen und nebst vielen andern geraubten Kunstgegenständen
nach Paris schaffen lassen. 28 Säulen und 10 Kapitale wurden 1815 nach Aachen
zurückgebracht.
— 45 —
1. Obhuts-Ausschiiss, 2.. Handels-Tribunal. Dabei klaget man die
Wechselsach. 3. Friedensgerichte von Burtscheid und Aachen. Dabei
klaget der, welcher von denen emigrirten, oder auch sonsten zu fordern
hat. 4. Ober-Appellations-Tribunal. 6. Municipalität von Burtscheid und
Aachen. 6. Bezirks-Verwaltung. 7. Central-Verwaltung. 8. Revolutions-
Tribunal: Dieses cessiret.
Die Centraladministratoren niusten in sämtlichen gemeinden einen
general und besondern Etat des sämtlich sich daselbst befindlichen ge-
dreides, der fouragen, des Viehes, der victualien, bergwerke, fabriken,
ui'stoffe und waaren entwerfen. Diese und alles ohne ausnähme wurde
sonach in requisition gesetztet und von allem und allem muste und muss
immerfort beigeschafft geliefert werden gegen Zahlung, ast pro! in per-
paucis Assignatis i. e. Moneta papyracea quae est nullius valoris, est causa
principalis penuriae, caritatis, inopiae, famis, paupertatis et communis ruinae.
Sie musten den Verkauf der Mobilien und Effekten der Emigrirten
bewerkstelligen, die der Republik verfallenen forderungen, welche von
denen schtildneren, deren vormahlig regenten, oder Emigrirten herrühren,
samd den gemeinen Abgaben eintreiben.
sämtliche Pächter der P^migrirten, des Kapitels zu Aachen und anderer
ausgewichenen sint gehalten, unter strafe militärischer Exekution, ihre
pachtbriefe einzubringen, hiehin zu zahlen, und die rückständigen Zehenden
alsogleichan das hiesige stadt-Kornhauss abzuliefern.
Allen Bürgern wird empfohlen, ohne scheu diejenigen zu denunziren,
welche vorgemelte gegenstände, oder auch sonstige Sachen, die den Emi-
grirten zugehöret, verborgen halten, jeder Denuntiant soll ein Drittel des
werths des denunzirten gegenständes zu belohnung erhalten, und in an-
sehung seines namens soll die genaueste Verschwiegenheit beobachtet
werden, in hisce latet anguis proditionis.
In dem Lande von der Maas bis an den Rhein werden fünf und
zwanzig Millionen Kontribution gefordert, die aber hernach durch den Re-
presentant Gillet auf 8 Millionen Livres sint reduciret worden.
Gehalt der glieder von general Verwaltung
ist monatlich 250 liv., und jener der secundair Verwaltungen 200 livres.
Der gehalt der Richter von dem obertribunal ebenfalls 250 liv. und der
Richter von den unter-Tribunälen 200 Livres. Die gehalte der secretäre,
gerichtschreiber, Gummis und anderer bedienten der Verwaltungen und
Tribunale, item die Kanzlei-Auslagen werden von der general Verwaltung
nach ihrem gutachten auszahlt.
Neeuia.
Mars; Libitina; Farnes multiplicat undique Clades
Auxietas, Luctus, Tristitia et clamor inanis.
Vacant opifices, cessant Artifices; otiatur Fabrica cum officina. Com-
mercia tabescunt, Negotia labescunt.
— 46 —
Galli dorainantur; Aurigae vexantur, Latrones furantur. Domus et
horrea, Fora et Granaria, Agri et Prata periclitantur, evacuantur, spoliantur.
Pueri voriferantur, Matres lamentantur, Patres querelantur.
pecora avocantur, pecudes mactantur; pecuniae exiguntur, assignati
distribuuDtur, Capitalia papyro redimuntur.
Divites tremescunt. Mediocres gemescunt Pauperes horrescunt.
Emigratorum Habitacula destruuntur, abscondita produntur, Mobilia
venduntur, cibaria consuniuntur. Vina e cellis extrahuntur; orania susque
deque vertuntur.
Omnes cujuscunque Status et conditionis panera anhelantes, panem
quaerunt, et vix aut ne vix quidem saepe saepius inveniunt.
0 tempora durissima! vivaria rarissima! victualia carissiraa! o cala-
mitas pene extrema! ah! nou ultra manus doraini flagellat Nos precamur:
0 Deus benigne, juste et niisericorsl exaudi nos, salva nos, sine Te peribimus.
Ora pro nobis dulcissima Virgo Maria!
Nullus finis Miseriae, Materiae flnis nullus: arabae singulis diebus
invalescunt; hinc scribendo huc illuc concursavi et concurso.
An das greisliche Elend, so sich ex septembri 1794 ereignet hat,
kan niemand, der mit mir gelebet, und in diesem elend-vollen 1795 fort-
lebet, ohne schauderen gedenken. Die Nachwelt muss darüber starren und
erstaunen.
Greuliche Todes-ängsten, höchste Theurungen, schwäreste Krieges-
lasten, äusserste Armuth, schwarzer Hunger sind Zeugen, welche solche
Epoche unseren nachkömlingen in den jahr-bücheren zum beileijd und mit-
leijden werden auszeichnen.
Über 2 monat ex december 1794 in febr. = 95 anhaltende, nie-
mals so heftig anhaltende Kälte, strengste froste, grimmige winde und
ausserordentlich auf einander backendes Eis bereitete die Werkzeug zu
Vergrösserung des schon überaus hartdrückenden Jammers und Elends bei
denen unnachlassenden, erschröcklich-verderblichen Krieges-trubelen.
Diese Witterung, das menschen, Viehe und geschütz tragendes Eis
eröffnete und bahnte den weg und zugang zu denen sonst wegen denen
wasser-schleussen vast nicht zu erreichenden und schier unüberwindlichen
festungen, dass sie dieselbige, und mit diesen im Februar 1795 Holland
und Seeland einnahmen und eroberten.
Die Abteij Closterode, woraus alle Herren emigriret, ist beinahe tota-
liter ausser stand gesetztet, viele bücher aus ihrer Bibliothek sind in dieser
gegend von denen franzmännern feil gebotten und spotfeil veraliiniret
worden.
Die Abtei Bourtscheid, woraus alle, ausgenommen die alte fr. Priorin,
emigriret, ist durcheinander geschlagen, zum Lazareth gebrauchet, annebst
die schöne Kirche mit dem neuen prächtigen x\ltar und sonstig zu schänden
— 47 —
gemacht worden, die fräulein so um st. Peter und Paul zurück kommen,
haben beijra Herr Pastor einkehren müssen. Die Kanonie deren ßegulir-
herrn* ist ebenfalls inwendig durcheinander geschlagen von kranken, ge-
sunden und waseleij bagase(?) besetztet: in die Kirche sind die Pferde
einstalliret worden; hieraus last sich denken, wie selbe zugerüstet worden.
Die Herren waren eraigriret ausser dem H. Prior Tuves und H. Ollers,
diese musten zum Closter hinaus und halten sich in der Dechani auf: ends
Junius sint die Herren wiederkommen und beij ihren freunden eingekehret.
Auch ist das Kloster deren P. P. Karmeliteren ^ durch einander ge-
schlagen, darin in der Kirchen ein Lazareth. Vier Patres haben ihren
aufenthalt in einem Haus gegen ihrem Kloster über und halten H. Mess
im Kloster S. Leonard.
In der St. Michaelskirche ist das Magazin, im Collegio die Backereij
und mehreres.
Die H. Mess für die Studenten und sonstige Gottes-Dienst wirt in
S. Annae Kirch gehalten. Das wohnhauss und die schuUen sind ganz ver-
wüstet.
Im Marienthal und S. Leonard siehts über die schranken wüste aus.
Die Nonnen sind theils emigriret, theils in der Stadt logiret, in beiden
Klöstern ist das Lazareth.
Augustiner und Dominicaner haben von waserleij belastungen Vieles
erlitten, Vieles, ausser denen Kirchen verdorben. Die Kranke haben in
den Klösteren und die pferde in denen Kreuzgängen vielen unrath gemacht.
Dreij Patres und Brüder sind im Prediger kloster geblieben, die übrigen
sind emigriret und im Junius retournirt, so eben die geflüchtete Patres
Augustiner.
Die Patres Franciscaner haben wegen dem Lazareth mehr gelitten
als die pp. kapuziner* bei jenen ist mehreres verwüstet, als bei diesen,
in beiden klösteren waren mehrere denn die Hälfte emigrirt; sind auch
beiderseits im junius zurückkommen. Ein merklicher Nebenschaden ist
diesen beiden klöstern zugefügt worden: aus dem Hohen Altar deren
pp. kapuzinern haben die franzosen gleich anfangs die schildereij, welche
tausenden werth wäre, hinweggenommen und so eine schilderey aus der
Kirche der pp. Franziskaneren *. Diese beide kostbahrste stücke haben sie
zusammen gerollet und auf Paris geschicket, ad quid perditio haec?
Die übrigen Klöster haben ohne ausnähme ihre lastung, schaden und
beschwärden ertragen, aber nicht so hart und drückend, als die vorge-
melte; diese nach der Ordnung einzuführen, wäre gar zu weitschichtig.
*) Das Regulirherrenkloster befand sich auf der heutigen Alexanderstrasse zwischen
Sandkaul- und Heinzenstrasse. Siehe Greving, Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins
Bd. XIII, S. 1 ff.
') Das Kloster der Karmeliter lag am linken Ufer des die Franzstrasse kreuzenden
Ponellbaches,s. Wacker, Leben und Wirkendes Aachener Geschichtsschreibers Chr. Quix. S.6.
') Siehe Quix, historisch-topogr. Beschreibung der Stadt Aachen. S. 85 ff.
*) Siehe Neu, Zur Geschichte des Franziskanerklosters etc. S. 120.
— 46 —
Galli dominantur; Aurigae vexantur, LatroDes furantur. Domus et
horrea, Fora et Granaria, Agri et Prata periclitantur, evacuantur, spoliantur.
Pueri voriferantur, Matres lamentantur, Patres querelantur.
pecora avocantur, pecudes mactantur; pecuniae exiguntur, assignati
distribuuntur, Capitalia papyro redimuntur.
Divites tremescunt. Mediocres gemescunt. Pauperes horrescunt.
Emigratorum Habitacula destruuntur, abscondita produntur, Mobilia
venduntur, cibaria consumuntur. Vina e cellis extrahuntur; omnia susque
deque vertuntur.
Omnes cujuscunque Status et conditionis panera anhelantes, panem
quaerunt, et vix aut ne vix quidem saepe saepius inveniunt.
0 tempora durissima! vivaria rarissiraa! victualia carissiraa! o cala-
mitas peue extrema! ah! nou ultra manus doraini flagellat Nos precamur:
0 Deus benigne, juste et niisericors! exaudi nos, salva nos, sine Te peribimus.
Ora pro nobis dulcissima Virgo Maria!
Nullus finis Miseriae, Materiae iluis nuUus: ambae singulis diebus
invalescunt; hinc scribendo huc illuc concursavi et concurso.
An das greisliche Elend, so sich ex septembri 1794 ereignet hat,
kan niemand, der mit mir gelebet, und in diesem elend-vollen 1795 fort-
lebet, ohne schauderen gedenken. Die Nachwelt muss darüber starren und
erstaunen.
Greuliche Todes-ängsten, höchste Theurungen, schwäreste Krieges-
lasten, äusserste Amiuth, schwarzer Hunger sind Zeugen, welche solche
Epoche unseren nachkömlingen in den jahr-bücheren zum beileijd und mit-
leijden werden auszeichnen.
über 2 monat ex december 1794 in febr. = 95 anhaltende, nie-
mals so heftig anhaltende Kälte, strengste froste, grimmige winde und
ausserordentlich auf einander backendes Eis bereitete die Werkzeug zu
Vergrösserung des schon überaus hartdrückenden Jammers und Elends bei
denen unnachlassenden, erschröcklich-verderblichen Krieges-trubelen.
Diese Witterung, das menschen, Viehe und geschütz tragendes Eis
eröffnete und bahnte den weg und zugang zu denen sonst wegen denen
wasser-schleussen vast nicht zu erreichenden und schier unüberwindlichen
festungen, dass sie dieselbige, und mit diesen im Februar 1795 Holland
und Seeland einnahmen und eroberten.
Die Abteij Closterode, woraus alle Herren emigriret, ist beinahe tota-
liter ausser stand gesetztet, viele bücher aus ihrer Bibliothek sind in dieser
gegend von denen franzmännern feil gebotten und spotfeil veraliiniret
worden.
Die Abtei Bourtscheid, woraus alle, ausgenommen die alte fr. Priorin,
emigriret, ist durcheinander geschlagen, zum Lazareth gebrauchet, annebst
die schöne Kirche mit dem neuen prächtigen Altar und sonstig zu schänden
— 47 —
gemacht worden, die fräulein so um st. Peter und Paul zurück kommen,
haben beijm Herr Pastor einkehren müssen. Die Kanonie deren Regulir-
herrn* ist ebenfalls inwendig durcheinander geschlagen von kranken, ge-
sunden und waseleij bagase(?) besetztet: in die Kirche sind die Pferde
einstalliret worden; hieraus last sich denken, wie selbe zugerttstet worden.
Die Herren waren emigriret ausser dem H. Prior Tuves und H. Ollers,
diese musten zum Closter hinaus und halten sich in der Dechani auf: ends
Junius sint die Herren wiederkommen und beij ihren freunden eingekehret.
Auch ist das Kloster deren P. P. Karmeliteren * durch einander ge-
schlagen, darin in der Kirchen ein Lazareth. Vier Patres haben ihren
aufenthalt in einem Haus gegen ihrem Kloster über und halten H. Mess
im Kloster S. Leonard.
In der St. Michaelskirche ist das Magazin, im Collegio die Backereij
und mehreres.
Die H. Mess für die Studenten und sonstige Gottes-Dienst wirt in
S. Annae Kirch gehalten. Das wohnhauss und die schullen sind ganz ver-
wüstet.
Im Marien thal und S. Leonard siehts über die schranken wüste aus.
Die Nonnen sind theils emigriret, theils in der Stadt logiret, in beiden
Klöstern ist das Lazareth.
Augustiner und Dominicaner haben von waserleij belastungen Vieles
erlitten, Vieles, ausser denen Kirchen verdorben. Die Kranke haben in
den Klösteren und die pferde in denen Kreuzgängen vielen unrath gemacht.
Dreij Patres und Brüder sind im Prediger kloster geblieben, die übrigen
sind emigriret und im Junius retournirt, so eben die geflüchtete Patres
Augustiner.
Die Patres Franciscaner haben wegen dem Lazareth mehr gelitten
als die pp. kapuziner' bei jenen ist mehreres verwüstet, als bei diesen,
in beiden klösteren waren mehrere denn die Hälfte emigrirt; sind auch
beiderseits im junius zurückkommen. Ein merklicher Nebenschaden ist
diesen beiden klöstern zugefügt worden: aus dem Hohen Altar deren
pp. kapuzinern haben die franzosen gleich anfangs die schildereij, welche
tausenden werth wäre, hinweggenommen und so eine schilderey aus der
Kirche der pp. Franziskaneren ^ Diese beide kostbahrste stücke haben sie
zusammen gerollet und auf Paris geschicket, ad quid perditio haec?
Die übrigen Klöster haben ohne ausnähme ihre lastung, schaden und
beschwärden ertragen, aber nicht so hart und drückend, als die vorge-
melte; diese nach der Ordnung einzuführen, wäre gar zu weitschichtig.
*) Das RcKulirherrcnkloster befand sich auf der heutigen Alexaiiderstrasse zwischeu
Sandkaul- und Heinzenstrasse. Siehe Greving, Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins
Bd. XIII, S. l ff.
•) Das Kloster der Karmeliter lag am linken Ufer des die Franzstrasse kreuzenden
Ponellbaches,s. Wacker, Lebenund Wirkendes Aachener Geschichtsschreibers Ohr. Quix. S.6.
*) Siehe Quix, historisch-topogr. Beschreibung der Stadt Aachen. S. 85 ff.
*) Siehe Neu, Zur Geschichte des Franziskanerklosters etc. S. 120.
— 48 —
Aus dem Sept. 1794 bis Junius 1795 sint unzählbahre kranke und
blessirte vast alltäglich hierdurch auf Aachen gefahren, auch viele zu fuss
dahin gegangen, denn es waren in Aachen sieben Lazareten.
Was unsäglich viele Truppen zu fuss und zu pferde, wägen, kuppel-
pferde, pulver- wägen, bomben, feurschlünde und waserleij kriegserforder-
nissen derzeit hier von Tag zu Tag auf und ab theils passiret, theils ein-
quartiret gewesen, bin ich nicht bestand anzuführen.
Ganze Heerden schaaf und hornvieh sint öfters und vielmals hierdurch
bald auf Aachen, bald ins gülicher Land getrieben worden. Diese Re-
quisition und lieferung continuiret noch immerfort.
Am 4^^" Junius 1795 ist die festung Luxemburg durch kapitulation
an die franzosen übergegangen; von der besatzung auf dem glacis incirca
ad 12000 das Gewähr gestrecket.
Im Junius et Julius passiren und pernoctiren allhier Viele ausge-
wechselte Hessen und Kaiserliche, sagende ihre gefangenschaft seije ihnen
in kummer und elend überaus sauer und hart gefallen. Man siehts an
ihren gesichteren, kleijdungen etc.
In festo S. Johannis Baptistae morgens gegen acht uhr käme hier ein
ungeheuer grosser bei Burtscheid verfertigter, mit gelber Seide überzogener
Luft-Ball, welcher wegen seiner grosse, runde, länge und breite zwischen
der Pastorath und dem gegenüber Hause nicht konte durchbracht werden,
dahero selbiger von sechszehn persohnen, deren jeder ihn mit seileren zogen,
in die Höhe gelassen wurde so lang, bis er wiederum spatium fände, in
der niedern fortbracht zu werden bis zum Rhein und zwar an vielen orten
geradezu durchs feld nicht ohne geringe beschädigung deren lieben ge-
segneten Früchten.
1795 in Junio obiit Ludovicus Carolus, natus 1795 27"* Martii ex
ulcere in poplite febri accedente, Filius unicus Regis 16*^
1795 den 17^*"" May hat Preussen mit der französischen Republik
einen Neutralisations-Traktat geschlossen.
Stetshin werden Heerden re(iuirirter Kühe, Rinder und schaafe ohne
Zahl dahier vorbei getrieben, im Juli 6 Heerden Hornviehe in einer woclie
quod videre summo est dolori, auch fahren hierdurch viele Pontons auf
den Rhein zu.
Den 22'®" Julius hat der König von Spanien mit der französischen
Republique einen friedens-tractat geschlossen: alles kommt ad statum quo,
ausser dem antheil der Insel st. Domingo, so der könig der republik ab-
tritt und überlässt, also hat Spanien an dieser Insel in den Antillen kein
theil mehr.
Anfangs August sint die 7 im October 1794 aufm Hochmunster ab-
gebrochene köstliche Pilaren auf 7 Wagen nach Paris gefahren worden,
ah Coelites!
Am 5 ad 6'*'" 7^'" ist der französische linke Flügel über den Rhein
übergangen und hat am dito 6'®" general Championnet morgens in Dussel-
- 49 —
dorf sein Hauptquartier genommen. Der Uebergang wäre bei Urdingen,
bei Eichelkamp und bey Neus.
Sonach passirten hierdurch innerhalb 4 tagen zeit bei die 600 von
den hartistgepressten fuhrleuten requirirte pferd von jenseit Aachen und
dieser gegend auf den Rhein zu gegen Düsseldorf.
Parochiam meam praeterire nequeo:
Haec, civitati Aquensi proximior, est Lapis utrimque generalis et
augularis primae ac universalis offensionis.
Quaedam, meraoratu digna, et praeter cetera summopere dolenda com-
raiseranter refero.
Vom 23**" September 1794 ist meine Pfarr kein einzig Tag noch
nacht von kriegslasten frei gewesen; bald sint hier ein nacht bald zwo
nacht und einen auch zu Zeit mehrere Tage, jetz füsser, jetz füsser und
reuther, wagenknechte, und waserleij beigehörige, dass zuweilen 20 ad
25 in einem Hause zusammen sint, und sogar nun und dann die Armen
nicht mögen frei bleiben.
Die füsser haben öfter kein fleisch noch brod, dieses muss ihnen
nebst sonstig unentgeldlich gegeben werden. Den reuthern und wagen-
knechten fehlet es oft nebst vorigen zwei Theilen an fourage: allons heist
es beigeschafft. Dies dauert so immerfort bis in den Julius 1795 und ist
davon noch keine befrej^ung zu ersehen.
Bey den requirirten Lieferungen ist Haaren, unangesehen deren Re-
monstration und Suppliquen in keinem Theile verschönet worden: von an-
beginn der Haupt-Central-Verwaltung in Aachen müssen 25 glafteren Holz
wöchentlich von unser dreij Quartiren im Busch auf gßmeinds-kösten verfertiget
und von den gemeinds-fuhrleuten zur statt erga Blictri gefahren werden.
Haaren hat bis Juli 1795 würklich 41 theils Kühe, theils Rinder
einliefern müssen, darzu von wenige schaafe, weilen wenige in der pfaiTe,
also nur achtzehn Stücke gelieferet: iten im Juli achtzehn, also sechs und
dreissig stücke aus nur 8 kleinen Heerden.
Extremum Calamitatis est pluvia super pluviam in junio, julio.
Anna (?) novercavit cuncta inundavit, domos, hortos, prata atque
agros vastavit per fluviam, diluvium, numquam visum ab ullo hie viventium.
Die Bach hat im Julio unten im Dorf, und so circa circum alles und
alles überschwemmt bis zum vierten mul praesertim a 25** ad 27™*"* erat
horrenda eluvies; repetita 2*** Augusti.
Im October habe ich und alle ohne ausnähme schwere Kontribution
per morgen quasi servis 12 gülden zahlen müssen.
Aus unserm Busch werden täglich 18 Kahre brandholz nach aachen via
forti gefoderet. nebst diesem sind aus dem hintersten Busch zu Dürwis
200 Reichsthlr. Kontribution bezahlt, lieverungen werden immerfort er-
zwungen, einquartirungen continuiren von Tag zu Tag ohnunterbrochen,
Jammer und elend, rauben stehlen — führen allenthalben das rüder. 0
abominanda libertas!
— 50 —
1796.
Annus novus, nova miseria, ruinae novae!
Aus dem vodersten sind Januar 500 Reichsthlr. Kontribution sub
nomine eines gezwungenen Aolehens gefoderet und sonach in Aachen bezahlt
worden ohn Nachlass einer busclien.
Im februar hat Haaren (und andere Orten) 1400 pfund Kühe- und rind-
fleisch in natura lieferen oder mit münz Tlieuer bezahlen müssen. Darzu wird
das von dreien Jahren her nicht gefodertes Mehlgeld erpresset, dadurch
alles gänzlich erschöpft und ausgemergelt wird, noch nicht genug: gewinn
und gewerb muss ein merkliches kontribuiren auf dem land und in der
statt, anbei einjeder in der statt von seinem Hauss und Häusern.
Die Nadelfabrique florirte in vorig Jahr nicht, aber die Tuchfabrigs
diese waren vast allenthalben ganz müssig: nun floriret einzig die Tücher-
arbeit, nicht aber die nadelmacherei.
Nicht wenige in meiner pfarr, wie auch anderwerts gehen bettelen,
die vorhin das liebe Brod und noch was darzu zu geniessen hatten. O
kummer, o noth!
Regem Reginam detruncavere Tyranni
Omnem Conventum par quoque poena premet.
In einem sehr alten Buch zu Aachen, die Brüssler Chronik ^ genannt,
stehet folgendes:
Anno millesimo, bis ter Centeno,
Ter quadraginta, et quinquageno.
Bis ter, bis nono, finem tibi Gallia pono.
Wan man wird schreiben die Zahl:
Ein Tausend 1000
Zwei mal dreihundert 600
Drei mahl vierzig 120
Einmal fünfzig 50
Zweimahl drei und zweimahl neun 24
1794
wird Frankreichs Ende sein.
Lary: Fary.
Kleinere Mitteilung.
Der Aachener Stadtbrand im Jahre 1656.
In dem alten Haarener Kirchenbuche, welches die Nachweise über die vom
Jahre 1649 bis zum Jahre 1722 in der dortigen Pfarre vorgekommenen Taufen, Kopulationen
und Sterbe fillle enthält, befinden sich drei kurze Berichte über den grossen Stadtbrand
in Aachen, die, wenn sie auch nichts wesentlich Neues bieten, doch aus mehrfachen
') Ueber dieses Buch habe ich Näheres nicht erfahren küunen.
— 51 —
Gründen der Veröffentlichung wert zu sein scheinen. Dieselben rühren sämtlich von der
Hand des Pfarrers Heinrich Brewer her, der am 14. Februar 1649 in der Nachbargemeinde
Haaren in sein geistliches Amt eingeführt wurde. Derselbe stammt seinen eigenen Angaben
gemäss aus „pauffendorp'*, also aus Puffendorf, einem Pfarrorte im Kreise Geilenkirchen,
war eine Zeitlang Schulrektor und Kaplan in Walhorn und wurde in dem angegebenen Jahre
Pfarrer in Haaren, wo er am 2. Juli 1679 gestorben ist. Der im 11. Jahrgang dieser
Zeitschrift S. 12 und folgende erwähnte, als Geschichtsschreiber und Dichter rühmlichst
bekannte Pfarrer Heinrich Brewer von St. Jakob in Aachen, dürfte wohl ein Neffe des
Haarener Pfarrers gewesen sein, da er mit ihm gleichen Geburtsort, Vor- und Familien-
namen teilte. Ob die beiden auch mit dem um dieselbe Zeit als Pfarrer von St. Peter
in Aachen wirkenden Gerardus Brewer, den Planker* im Anschluss an Quix für einen
geborenen Aachener hält, verwandt gewesen ist, steht nicht fest. Die Mitteilungen des
Pfarrers Brewer von Haaren über den Stadtbrand in Aachen sind schon um deswillen
interessant und bemerkenswert, weil er jedes Mal ausdrücklich hervorhebt, dass er mit
eigenen Augen der verheerenden Feuersbrunst zugeschaut habe. Dieselben bestätigen
bezüglich des Namens des Mannes, bei dem das Feuer ausgebrochen und bezüglich der
Lage seines Hauses die Angaben jener andern gleichzeitigen Chronisten, die vermöge ihrer
gesellschaftlichen Stellung und Bildung das meiste Vertrauen beanspruchen können. Was
zunächst den Namen des Mannes anbelangt, in dessen Hause der Herd des Feuers zu
suchen ist, so war derselbe bekanntlich in den Ratsprotokollen der freien Reichsstadt
Aachen verzeichnet, ist aber nachher durchgestrichen worden. Ob dies geschehen ist,
weil man andeuten wollte, dass der Name des Menschen, der mindestens durch Fahrlässig-
keit so unsägliches Unglück über seine Vaterstadt und seine Mitbürger gebracht, nur
wert sei ewiger Vergessenheit anheimzufallen, oder aber, weil man dadurch einen Unschuldigen
vor Verdächtigungen der Nachwelt möglichst schützen wollte, möge dahin gestellt bleiben;
genug, er ist in den amtlichen Schriftstücken nicht mehr vorhanden. Der zur Zeit des
Brandes in dem unweit entfernten Dominikanerkloster lebende Laienbruder Abraham
Erven* berichtet, dass der Mann „Peter Maw** geheissen habe. In einer handschriftUchen
Aufzeichnung' eines Augenzeugen, die sich auf einem leeren Blatte eines Exemplars
der Chronik von Noppius befindet, wird er ebenfalls „Maw" genannt. Und gleichfalls
nach unserm Chronist Heinrich Brewer führte er den Zunamen „Maw". Demgegenüber
können die Angaben des Meyer*, in seinen um 1751 erschienenen „Achensche Geschichten",
dass er „Johann Mous" geheissen habe um so weniger in die Wagschale fallen, als
denselben ohne Zweifel ein leicht erklärlicher Schreibfehler zu Grunde liegt. Die Nachrichten
der Chronisten über die Lage des verhänguissvollen Hauses in der Jakobstrasse sind fast
alle derart gehalten, dass mau zu der Annahme verleitet werden könnte, es hätten sich
unterhalb der alten St. Jakobs pfarrkirche etwa an das Chor angebaut, noch ein oder
mehrere Häuser befunden. Der Dominikanerbruder Abraham Erven lässt das betreffende
Haus neben der Pfarrkirche St. Jakob, ein Franziskanerchronist '^ in der Nähe
der Jakobskirche; eine Dürener Chronik des dortigen Annuntiatenordens * gegen St.
Jakobs-pfarrkirche über nächst an der Jnnkers pforten, Heinrich Brewer an
St. Jakobs kirchen,^8tracks unter der Kirche und prope templum sancti
Jacobi gelegen sein. Allein wer die Lage der alten St. Jakobskirche noch aus eigener
Anschauung gekannt, weiss, dass dieselbe von allen Seiten frei lag, vom Pfarrkirchhof
umgeben war und für weitere Gebäulichkeiten in ihrer unmittelbaren Nähe keinen Raum
übrig Hess. Es bleibt demnach nichts anderes übrig als die bezüglichen Ausdrücke der
Chronisten etwas weiter aufzufassen und die von Rhoen beigebrachten Belege für die
*) Aoii Aachens Vorzoit Jahrgang II, 8. 3B und 84.
*) Qaix, Das ehemalige Dominikanerkloster etc. S. 39 ff.
*) Rhoen, Der grosse Brand zn Aachen am 2. Mai 1656 S. 11.
*) Meyer, Aohensche Geschichten etc. 8. 652.
■) Neu Pra., Zar Geschichte des Franziskanerklosters etc. 8. 48.
*) Schollen Frz., Zur Geschichte der Annuntiuten in Aa<'lien. Aus Aachens Vorzeit Jahr-
gang yn, 8. 64. ^
— 52 —
Annahme, dass die Feuersbrunst in dem der alten Pfarrkirche südöstlich gegenüber gelegenen
Hause entstanden ist, dessen Stelle das heute mit der Nummer 141 bezeichnete Haus
einnimmt, anzuerkennen.
Die von Pfarrer Heinrich Brewer aus Haaren verfassten Berichte haben folgenden
Wortlaut :
I. Anno Christi 1656 den 2 tag Meij des morgens zwischen acht und 9 uhren ist
in der statt Aach in St. Jakobsstrass an St. Jakobs Kirchen in eines Beckershaass
ein brandt entstanden, welcher innerhalb 20 uhren mehr als derij tausend häusser hat
eingeeschert auch das schone Munster, Rathauss viele Kirchen und closteren. Gott will
sich unserer erbarmen Amen. Ego Henricns Brewer quartus pastor in Haaren incendium
hoc praesens multis horis vidi qui et haec scripsi die 10 May.
II. Anno Christi 1656 den 2 tag Maij in feste S. Athanasii juxta Breviarinm Rom.
seu juxta Colon: Kaleudarium in feste S. Sigismundij ist die Statt Aach abgebrant, der
aufang des feners ist gewest in St. Jakobstrass stracks unter der Kirchen in eines
beckershauss des zunahmens Maw und hatt gewehret biss 4 uhren dess anderen Tags.
Quod vidimus praesentes nostris oculis testamur. 0 deus miserere nostri.
Henricus Brewer von pauffendorp, pastor in Haren mp.
ni. Anno 1656 die secunda May ipso feste sancti Athanasij mane intra horam
octavam es nonam in urbe Aquensi in platea Sancti Jacobi prope templum sancti
Jacobi in domo pistoris cujusdam exortum incendium, combussit spatium viginti horarum
circiter tria milia domorum et amplius: damnum irreparabile est aliqui etiam homines
combusti Inter extinguendam in cellis multa fuerunt adhuc conseniata. Dominus deus
illuminet vultum suum super nos et misereatur nostri. Ego Henricus von pauffendorp
pastor Harensis hoc: incendium praesens aspcxi. Et haec scripsi mp.
Aachen. H. Schnock,
Verlag der Cremersehen Bnehhandinng in Aachen, Kleinmarsehierstr. 3.
Die Fabel von der Bestattung Karls des Grossen.
Von TH. LINDNER.
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ik 1 Bogen Eoyal Oktav. **'"
Cremer'scheu Buchliandliing
Preis des Jahrgangs ,„ („,„
4 Hark. in Aachen.
Mitteilimgen des Vereins für Kunde der Aachener Vorzeit.
Im Auftrage des Vereins heraosgegeben von &. Sobnook.
Xr. 4/8. Zehnter Jahr^an^.
Inhalt: J. Fey, Zur Geschichte Aachener Maler des 19. Jahrhunderts. — K. Wacker,
Hax von Schenkendorf am Bheio nnd in Aachen. — A. Bnmmea, Zur Geschichte des Ortes
Schevenhütte im Landkreise Aachen. — Kleinere Mitteilungen: 1. Keiheofotge der Pfarrer
in der Gemeinde Haaren bei Aachen. — 2. Sin Brief Ernst Horitz Arndts an den Maler
Salm. — 3. Ein Agent in Aachener Diensten während des Pfälzischen Krieges. — 4. Löhnungs-
liste der Soldaten der Beichsetadt Aachen vom 26. April 1657. — 5. Kosten eines Festessens
im Jahre 1700. — Bericht über das Vereinsjahr 1897. — Verzeichnis der Mitglieder.
Zur Geschichte Aachener Maier des 19. Jahrhunderts.
Von J. Foy.
Im Spätsommer 1837 fand in Aachen eine grosse Gemfllde-Aasatellung:
zeitgenÖBßischer Meister statt. Mehr als 200 Bilder waren zur Besichtigung
dargeboten ; die hervorragendsten Düsseldorfer Maler damaliger Zeit, HUbner,
Lessing, Schirmer, Acheobach n. s. w. zählten zu den Ausstellern.
„Wahre Freude muss es erregen", schrieben die hier erscheinenden
Westlichen Blätter für Unterhaltung, Kunst, Litteratur und Leben*, „dass
unter so ausgezeichneten Künstlern sich eine nicht geringe Anzahl von
Aachnern befinden und zwar solche, die der Ausstellung Ehre machen.
Die Gemälde von Rethel, namentlich seine Justiz, zeugen von einer hoch-
poetischen Auffassung und von der grössten Fertigkeit in der Behandlung.
Scheuren hat eine liübsche Flussansicht beigesteuert. Schmid hatte treff-
liche Portraits geliefert. Von Thomas, Baätinä, Chauvin, Götting, Scheins,
Venth ist vieles Gelungene da. Aachen ist demnach, 'nie man sieht, nicht
am schliramsten bei dieser Ausstellung beteiligt, was ein Reiz mehr ist,
ihr recht viele Teilnahme zu verschaffen. Im Ganzen ist des Schönen
so viel versammelt, dass eine vierwöchige Anschauung nicht zu viel
ist, um sich mit demselben genauer bekannt zu machen und alle Einzel-
') Erster Jahrgang Nt. SS vom t. September 1637.
— 54 —
heiten gehörig zu sondern und zu einem recht reinen, bewussten Genüsse
zu gelangen/
In der That wurde im laufenden Jahrhundert eine ganze Reihe hervor-
ragender Maler in Aachen geboren. Neben diesen auch in den weitesten
Kreisen bekannt gewordenen Meistern lebte und wirkte in unserer Vater-
stadt auch eine grosse Anzahl von Künstlern, die, wenn ihren Namen und
ihren Werken auch keine weite Verbreitung ausserhalb der Mauern Aachens
zu teil wurde, dennoch Beachtungswertes geleistet haben. Ihr Angedenken
der Nachwelt zu bewahren, Angaben über ihr Leben und die Art ihres
Schaffens zu geben, dürfte daher an der Neige des Jahrhunderts um so
mehr angebracht sein, als manche der Anzuführenden bescheidenen Sinnes
wenig Sorge um ihre Verewigung getragen haben, und so die Gefahr
droht, dass ihre Namen unverdienter Vergessenheit anheimfallen.
Solchen Erwägungen verdanken die nachfolgenden Zeilen ihr Entstehen.
Es ist in ihnen der Versuch gemacht, auf Grund zuverlässiger, zum Teil
seit Jahren gesammelter Materialien Nachrichten zu geben über alle Maler
und Zeichner unseres Jahrhunderts, welche entweder in Aachen geboren
wurden, oder unsere Vaterstadt zum Sitze ihrer künstlerischen Thätigkeit
gewählt haben. Dass hierbei auch die Mittelmässigkeit nicht übergangen
werden durfte, braucht bei einer lokalgeschichtlichen Arbeit nicht gerecht-
fertigt zu werden. Aus naheliegenden Gründen haben jedoch nur die Künstler
Berücksichtigung gefunden, die nicht mehr unter den Lebenden weilen. Eine
vollständige Aufzählung der Werke der behandelten Maler lag ausserhalb des
Rahmens dieser Arbeit. Es sind jedoch namentlich bei weniger bekannten
Meistern einige Arbeiten zur Kennzeichnung der Kunstrichtung, dann ferner
diejenigen Bilder angegeben, welche sich soweit bekannt in öffentlichen Samm-
lungen und Gebäulichkeiten befinden. Den Daten, welche auf Grund amtlicher
Urkunden festgestellt werden konnten, ist der Vermerk „(off)" beigefügt.
Der Verfasser ist davon überzeugt, dass seine Arbeit der Ergänzung
nicht allein fähig ist, sondern derselben in jeder Hinsicht bedarf; alle dahin-
gehenden Mitteilungen und Belehrungen wird er daher mit Dank annehmend
An die Spitze der in Betracht kommenden Künstler gehört ein Maler,
dessen Schaffen zum Teil noch dem vorigen Jahrhundert angehört und der als
mundartlicher Dichter auch heute noch mit Ehren genannt wird. Es ist dies
1. Johann Ferdinand Jansen.
Jansen wurde am 3. April 1758 (off) in der Pfarrkirche seines Geburts-
orts Weisweiler im Kreise Düren getaufte Nachdem er in seinem Heimatsorte
den ersten Unterricht erhalten, siedelte er mit seinem Vater Heinrich Jansen
>) AUen, die mich bei dieser Arbeit mit Rat und That unterstützt haben, sage ich
auch an dieser SteUe herzlichsten Dank.
') Da es katholische Sitte ist, die Kinder spätestens am dritten Tage nach der
Geburt taufen zu lassen, werden der Geburts- und Tauftag nahe zusammenliegen.
— So-
nach Aachen über, wo er das Jesuiten-Gymnasium absolvirte und sich dann
dem Berufe seines Vaters, der Malerei, widmete. In Aachen heiratete Jansen
die daselbst geborene Theresia Pickenkamp, mit welcher er 25 Jahre in glück-
licher Ehe lebte. Nach ihrem Tode lebte er noch 26 Jahre im Witwerstande
und starb am 6. Januar 1834 (oflf).
Jansen war Geschichts- und Landschaftsmaler. Insbesondere hat er
vielfach nach damaliger Sitte ganze Zimmer mit Landschaften bemalt. Ich
kenne auch vier von ihm im Jahre 1796 in Aquarell gemalte Ansichten von
Aachen und Burtscheid. In unserem Liebfrauenmtinster renovirte er 1824
und 1 825 die aus den dreissiger Jahren des vorigen Jahrhunderts stammen-
den Bemardinischen Deckengemälde im Oktogon des Hochmünsters und
malte selbständig in dem westlichen Gewölbe über dem Krönungsstuhl die
Einweihung des Münsters durch Papst Leo III. im Jahre 805. In der
unteren Ecke dieses Gemäldes hatte Jansen in bescheidener Weise sein
eigenes Bild angebracht. Als in der ersten Hälfte der siebziger Jahre
die ganze Innendekoration unseres Münsters „mit einer unheimlichen Gründ-
lichkeit" vernichtet wurde, ohne dass man vorher auch nur Photographien
der zerstörten Gemalte und Ornamente hätte anfertigen lassen, fand auch
dieses Gemälde und damit das einzige Bildnis Jansens den Untergang^.
Nach Franz Neu^ wäre auch das Gemälde im Franziskus-Altar der
hiesigen Nikolauskirche, welches den hl. Franziskus in Verzückung, gestärkt
von einem Engel, darstellt, von Jansen gemalt worden. Wie jedoch Alfred
von Wolzogen^ und Ernst Förster* angeben, ist dieses Bild ein Werk von
Aloys Cornelius, dem Vater Peters von Cornelius.
Ferdinand Jansen war ein feingebildeter Mann, der, wie sein Enkel,
der verstorbene Limburger Domkapitular Thissen, in einem 1871 in Aachen
gehaltenen Vortrage rühmte, „unseren Aachener Dialekt zur Schriftsprache
erhoben, ohne den in keiner angesehenen Aachener Familie ein Fest gefeiert
wurde, ein echter Volksmann". Bei seinem Tode bekleidete er das Ehren-
amt eines Kirchmeisters der Nikolauspfarre.
Leider beherrschte Jansen den Aachener Dialekt nicht völlig; man
merkt es seinen Gedichten an, dass ihr Verfasser kein geborener Aachener war,
für mundartliche Studien haben dieselben daher so gut wie keinen Wert \
*) C. Rhoen, Jahrgang VIII, S. 122 dieser Zeitschrift. Wie mir die Kinder des Malers
Billotte mitgeteilt haben, hat dieser Tor langen Jahren für einen hohen französischen
Geistlichen, der hier im Bade weilte, Zeichnungen der Deckengemälde des Hochmünsters
angefertigt. Wo dieselben sich befinden, falls sie noch existiren, ist unbekannt.
^ Zur Geschichte des Franziskanerklosters ... in Aachen. Daselbst ISSl, S. 121.
*) Peter von Cornelius. Berlin 1867, S. 7.
*) Peter von Cornelius. Ein Gedenkbuch. Berlin 1874, Bd. I, S. 1.
*) Sammlung verschiedener Gedichte in der Aachener Volkssprache zum Nutzen
des hiesigen Armen Inatitutes herausgegeben von Ferd. Jansen, Maler. 2 Teile. 1815
und 1821. — X. Brammertz, Poetische Muster-Sammlung aus unsern altern und neuern
Dichtern in Aachener und hochdeutscher Mundart. 2. Heft, Aachen 1881, 3. Heft, daselbst
1882. — H. Freimuth, Aachens Dichter und Prosaisten. Aachen 1882, ßd.I, S. 39 und 184.
— 56 —
In das 18. Jahrhundert zurück reicht auch noch das Wirken von
2. Aegidius Johann Peter Joseph Schenren.
Er war in Aachen am 27. März 1774 (off) geboren, verheiratete sich
am 2. Oktober 1805 (off) mit Maria Magdalena Schavoir aus Aachen und
starb daselbst am 7. Juni 1844 (off). Scheuren war Zeichenlehrer der
höheren Töchterschule an St. Leonhard hierselbst und hat sein Andenken
in Aachen durch eine Anzahl teils aquarellirter teils lithographisch ver-
vielfältigter Veduten aus der Stadt und Umgegend gerettet.
Eine von ihm im ersten Bande der „Rheinischen Flora** (Aachen 1825)
wiederholt veröffentlichte Ankündigung hat mehrfaches Interesse und möge
daher hier einen Platz finden.
Im Vertrauen auf die Liebe der Bewohner Aachens für ihre Vaterstadt, wagt
es Unterzeichneter zu unternehmen: Ansichten von den Hauptgebäuden der Stadt,
in getreuen, sauber iUuminirten Lithographien, von welchen die Münster-Kirche
schon fertig ist^, zu einem biUigen Subscriptions-Preis ; das Stück zu 18 Sgr., seinen
Mitbürgern anzubieten: 1) Die Münsterkirche. 2) Das Rathhaus. 3) Das neue
Schauspielhaus. 4) Der neue Mineralbrunnen. 5) Die Feierlichkeit der Monarchen
am 18. Okt. 1818 vor St. Adalbertsthor. Vom Erfolge dieses Unternehmens wird
es abhangen, ob die in jeder Hinsicht reitzenden Umgebungen der Stadt folgen
werden. J. P. Scheuren, Maler, Franzstrasse Nro. 466.
Scheuren war auch Portraitmaler. Ein von ihm 1810 gemaltes Bildnis
des ersten Bischofs. von Aachen, Markus Antonius Berdolet (f 1809), be-
findet sich in unserem Suermondt-Museum. Von Scheuren stammt auch die
Zeichnung zu dem Bilde des Dichters Wilhelm Smets, welches dessen im
Jahre 1824 hier erschienenen Gedichten als Titelbild beigegeben ist und
nach dem Urteile von Leuten, die noch mit Smets verkehrt haben, trotz
seiner frühen Entstehungszeit die Züge auch des gealterten Dichters besser
wiedergibt, als das Relief auf dem Grabdenkmal und die hiemach ange-
fertigten Zeichnungen, in denen Smets kaum zu erkennen sein soll.
Während die beiden vorhergehenden Maler in ihrem stillen, bescheidenen
Schaffen noch an die letzten Zeiten der alten Reichsstadt erinnern, tritt uns
3. Johann Baptist Joseph Bastin6
als Mann einer neuen Zeit und einer neuen Kunstrichtung entgegen, wie
sie sich in Frankreich allerdings schon vor der gi'ossen Revolution, aber
auch während derselben entwickelt hatte.
Bastin6 war ein Brabanter und am 19. März 1783 zu Löwen geboren,
wo sein Vater als Polizei-Kommissar angestellt war. Schon als Kind verriet
er Anlagen zum Zeichnen. Der sonst muntere und rührige Knabe war
ruhig und still geschäftig, wenn er Bleifeder und Papier zur Hand hatte.
^) Ein Exemplar dieser Lithographie befindet sich dahier im Suermondt-MuseunL
— 57 —
Der Vater erkannte die Veranlagung des Sohnes und brachte ihn frühzeitig
auf die von Gitz geleitete Löwener Akademie der schönen Künste, wo er
sich bald durch Fleiss und Leistungen unter seinen Mitschülern auszeichnete.
Im Jahre 1802 erhielt er den ersten Preis im Zeichnen nach Antiken und
im folgenden Jahre den gleichen Preis im Zeichnen nach der Natur. 1804
ging Bastin6 zu seiner weiteren Ausbildung nach Paris zu dem Maler
David, der damals das ganze europäische Kunstleben beeinflusste. Zu
seinen ausgezeichnetsten Mitschülern gehörten hier Gerard und Girodet,
mit welchen er bis zu ihrem Lebensende in enger Freundschaft ver-
bunden blieb.
Nach der Rückkehr in sein Vaterland vermählte Bastin6 sich mit
Theresia van Vlasselaer und zog 1811 nach Aachen, wo er eine Zeichen-
schule gründete. Er hat hierdurch nicht wenig zur Wiederbelebung künst-
lerischer Bestrebungen in unserer Vaterstadt beigetragen, in welcher in
Folge fast zwanzigjähriger Kriegsunruhen das Kunstleben arg damiederlag.
Sein Wirkungskreis erweiterte sich noch, als er 1815 die Stelle des Zeichen-
lehrers am Gymnasium tibernahm, welche er bis zu seinem Lebensende
bekleidet hat. Eine ganze Reihe Maler, auf welche wir noch zurückkommen
müssen, so Götting, Billotte, Schieiden, Venth, Thomas, Chauvin und Kühnen
verdanken Bastin6 die erste Anleitung für ihren Beruf.
Insbesondere hat Bastin6 das grosse Verdienst, das hervorragende
Talent Alfred Rethels, mit dessen Eltern er wohl befreundet war, entdeckt
und dahin gewirkt zu haben, dass derselbe der Düsseldorfer Akademie
anvertraut wurde ^ Wie Raczynski mitteilt, besass Bastin6 eines der ersten
Werke Rethels, eine halbe Figur etwas unter Lebensgrösse, deren Stellung
und Kopf an die Werke Salvator Rosas erinnerten.
Bastinö starb in Aachen am 14. Januar 1844 (oflF). Der Verlust
seiner älteren Tochter und seines Sohnes, eines talentvollen Malers, welche
ihm in der Blüte der Jahre entrissen wurden, hatten in den letzten Lebens-
jahren den Mut des sonst heiteren und lebensfrohen Mannes gebrochen.
Er scheint sich auch mit Todesahnungen getragen zu haben. Zwei Tage
vor seinem Hinscheiden zeichnete er drei Vorlegblätter, wovon das erste
einen entblätterten Baum darstellte, unter welchem auf einer Ruhebank
ein Reisebündel und ein Stab lagen. Auf dem zweiten Blatte befand sich
ein Grabgewölbe mit zerstreuten Gebeinen. Das letzte Blatt stellte ein
bemoostes Kreuz unter einem alten, morschen, entlaubten Baume dar*.
Bastin6 war Geschichts- und Portraitmaler, in den letzten Lebens-
jahren beschäftigte er sich auch mit der Landschaftsmalerei. Noch ein
anderes Talent besass Bastin^: er war auch ein tüchtiger Modellirer und
leistete als solcher nicht Unerhebliches. Sein Portrait ist erhalten auf
^) Baczynski, Geschichte der neueren deutschen Kunst Bd. I, S. 191. Vgl. dazu
Wolfgang Müller, Alfred Bethel S. 4.
') Der für das Vorstehende benutzte Nekrolog von dem GymnasiaUehrer Dr. Joseph
Müller in Nr. 21 der Stadt- Aachener-Zeitung vom 21. Januar 1844 liefert den Beweis,
— 58 —
eiüera Selbstbildnisse Billottes aus dessen jttngeren Jahren, wo er sich dar-
gestellt hat mit einem offenen Skizzenbuche in der Hand, in welches
Bastin^s Bildnis eingezeichnet ist.
In unserem Suermondt-Museum befindet sich von Bastin6 ein grosses
Ölgemälde: die Heimkehr des jungen Tobias (Saal IV, Nr. 329). Leider
hängt dasselbe in einer dunkelen Ecke über einem Schrank, so dass von
einer Besichtigung keine Eede sein kann.
Das hiesige Alexianerkloster besitzt von Bastln^ das nach dem Leben
gemalte Portrait des Kaisers Franz I. von Österreich, ein Geschenk des
Dargestellten ^ Eine kleinere Landschaft und zwei kleine Ölskizzen zu
Geschichtsbildern besitzen die Kinder des Malers Billotte hierselbst.
In den Tagen der tiefsten Erniedrigung Deutschlands, als unsere
alte Kaiserstadt französische Departementsstadt geworden war, ward in
dem ebenfalls von den Franzosen besetzten Rom der deutsche Kunstgeist
neu geboren. Das Neuaufleben der deutschen Malerei ist mit den Namen
Cornelius und Overbeck unzertrennlich verbunden. Der erstere übernahm
im Jahre 1821 die Leitung der Düsseldorfer Kunstakademie, die unter ihm
und später, allerdings mit veränderter Richtung, unter Schadow zu frischem
Leben erblüte.
Der einzige Schüler des Cornelius, der in den Rahmen unserer Ab-
handlung gehört, ist meines Wissens
4. Johann Adam Eberle,
geboren zu Aachen am 27. März 1804 (oflf), gestorben zu Rom am 15. April
1832. Über ihn habe ich ausführlicher im 9. Jahrgange dieser Zeitschrift
gehandelt, es mögen hier einige Nachträge Platz finden.
Ernst Förster, Eberles Mitschüler bei Cornelius, schildert in anschau-
licher Weise den Eindruck, den Eberles Persönlichkeit auf seine Dussel-
welch hoher Achtung Bastinö sich bei dem Lehrkörper des Gymnasiums erfreute. Der
Nekrolog schliesst mit den folgenden auf Bastin^s letzte Zeichnungen bezüglichen Strophen:
Seine Bürde legt er nieder,
Nieder legt er seinen Stab;
Müde sind des Wandrers Glieder,
und ihm öffnet sich ein Grab.
Traurig sah sein Geist die Eichen
Von dem Winterfrost entlaubt,
Doch getrost auch jenes Zeichen,
Das dem Tod die Macht geraubt.
Ahnend schwang schon über Sterne
Sich sein Geist ins Heimatland,
Doch noch einmal führt' er gerne
Ihm die kunstgeübte Hand.
^) Qu ix, Hist.-topogr. Beschreibung der Stadt Aachen. Köln und Aachen 1829, S. 61.
— 59 —
dorfer Studieugenossen machte: „Unvergesslich ist mir der Augenblick,
als wir unter den sogen, jungen Leuten' der Akademie zwei — ich möchte
fast sagen — Knaben sahen, die durch ihre blosse Erscheinung wie durch
ihr liebevolles Arbeiten einen unwiderstehlichen Zauber auf uns ausübten,
und mit denen, wie sie unter sich innig verbunden waren, rasch eine ewige
Freundschaft geschlossen war: Adam Eberle und Wilhelm Kaulbach. Der
erstere, damals mit einer Darstellung der Grablegung Christi in lebens-
grossen Figuren und hierauf mit einer kleineren vom Abschied des Tobias
beschäftigt, ist nach kaum erfolgter Reife seines schönen und edlen Talentes
in ein frühes Grab an der Pyramide des Cestius gelegt worden; der andere
verfolgt noch immer seine glänzende Laufbahn, auf welcher er die höchsten
Ehren neben dem Meister erlangt hat^**
„Eberle**, schliesst Förster den diesem gewidmeten Abschnitt, „war
ein köstlicher Mensch, der ursprünglich hinter einem frischen, unerschöpf-
lichen Humor, stets bereitem Witz und immer heiterer Laune einen heiligen
Ernst verbarg, der sich vornehmlich in seiner Kunstthätigkeit ablagerte.
Liebevoll im Gemüt, rein in seinen Anschauungen war er treu und un-
wandelbar in der Freundschaft und darum von Allen, die ihn kannten,
fest ins Herz geschlossen*.**
Das von Eberle in der Glypthotek nach Cornelius' Karton ausgeführte
Freskogemälde stellt nach Wolzogen' die Geschichte des Oedipus und
seiner Söhne dar.
Cornelius hatte das Amt eines Direktors der Düsseldorfer Kunst-
akademie zu Ostern 1825 niedergelegt und war nach München übergesiedelt.
Bis zur Ankunft des zu seinem Nachfolger ernannten Malers W. von Schadow
stand Professor Mosler der Akademie vor. Unter ihm wurde sie von
6. Friedrich Thomas
besucht. Thomas wurde am 7. März 1806 (off) in Aachen geboren. Sein
Vater war Metzger, und für seinen Beruf war auch der Sohn bestimmt.
Dieser aber hegte den heissen Wunsch ein Maler zu werden. So oft der
Metzgerlehrling Waren austragen musste und dabei an dem „unter den
Bogen** des Kurhauses befindlichen Laden des Kunsthändlers Buffa vorbei-
kam, vergass er Kunden und Geschäft, um stundenlang die ausgelegten
Stiche und Drucke zu besehen. Die Mutter sah nicht ungern die Neigung
ihres Sohnes und sie setzte es durch, dass er die Zeichenschule Bastin6s
besuchen durfte.
1826 finden wir Thomas auf der Akademie in Düsseldorf. Er ver-
wahrte aus diesem Jahre unter Glas und Eahmen eine Zeichnung seines
') Geschichte der deutschen Kunst. Leipzig 1860, 5. Teil, S. 19.
2) A. a. 0. S. 79.
•) A. a, 0. S. 144.
- 60 —
Studiengenossen Sonderland, welche ein Picknick darstellt, an dem unter
Anderen die Professoren Mosler, Wintergerst, Kolbe, Thelott und Schäfer
mit ihren Damen, ferner ausser Thomas von Aachener Malern Jungblut
und der damals bereits nach Düsseldorf verzogene, gleich zu erwähnende
Götting teilnahmen.
Von Düsseldorf ging Thomas nach Italien, wo er drei Jahre blieb
und namentlich längere Zeit in Florenz und Eom verweilte. Die Zeit, in
welche diese Studienreise fiel, lässt sich nicht mehr genau bestimmen. Aus
noch vorhandenen Resten seines Skizzenbuches geht hervor, dass Thomas
sich am 30. Juli 1829 in Foligno und vom 1. bis 3. Oktober 1829 in
Montefalco aufhielt. Das Fragment (36 Blätter) enthält ausser Zeichnungen
nach Fiesole und Raphael (Gruppen aus der „Schule von Athen** und dem
„Burgbrand**) u. s. w. auch landschaftliche und architektonische Skizzen
aus Rom, Ariccia, Foligno und Montefalco, sowie Volkstypen aus Rom etc.
Aus Italien hat Thomas ausser historischen und landschaftlichen Ge-
mälden auch die Kopien der beiden Raphaelschen Bilder mitgebracht,
welche sich jetzt in unserem Suermondt-Museum befinden, es sind dies die
Madonnen del Granduca und della Sedia, beide zu Florenz im Palazzo
Pitti befindlich. Das letztere Bild hat Thomas später noch wiederholt
gemalt.
Nach der Rückkehr aus Italien liess Thomas sich in Aachen nieder,
wo er am 5. Mai 1832 mit Gertrud Körfer die Ehe schloss. Er hat dann
in Aachen eine vielseitige Thätigkeit als Portraitist, Historienmaler und
Landschafter entfaltet. Als Werke von ihm können hier noch erwähnt
werden ein Portrait des Direktors Dr. Kribben im Konferenzzimmer der
Oberrealschule und ein Bild des hl. Alfons im Redemptoristen-Kloster hier-
selbst. Auch hat er die im Münsterchor befindlichen Apostelstatuen und
das in der Mitte des Chores hängende doppelseitige Marienbild polychro-
mirt. Thomas war auch als Nachfolger Scheurens 30 Jahre lang Zeichen-
lehrer an der von Ursuli nerinnen geleiteten höheren Töchterschule von
St. Leonhard in Aachen.
Um ein Bild von seinem gesamten künstlerischen Wirken zu geben,
muss noch angeführt werden, dass Thomas auch radirt hat. Mir sind von
ihm die folgenden Radirungen bekannt.
1. Portrait seines Vaters.
2. Portrait des P. Hasslacher S. J.
3. Portrait des Regierungs-Präsidenten von Reimann zu Aachen.
4." Abbildung des im Münsterchore hängenden Muttergottesbildes
(Vorderseite) ^
5. Der Heiland klopft um Einlass an (Oflfenb. Joh. 3, 20), ein in
gleicher Weise auch von anderen Maleren behandelter Vorwurf.
^) Diese Badirnng ist in Naglers Künstler-Lexikon (XYIII, S. 862) nach Weigels
Kunstkatalog Nr. 14458 b angeführt als „Die unbefleckte Maria auf Wolken und der von
der Schlange umstrickten Mondsichel '^.
— 61 —
6. Pieta (sehr kleines Bildchen).
7. Das Pontthor in Aachen.
8. Das Kloster St. Leonhard in Aachen.
Von den beiden letzten Radirungen sind Exemplare in Saal II des
Suermondt-Museums ausgestellt.
Selbst Besitzer einer grossen Kupferstich-Sammlung galt Thomas auf
diesem Gebiete als tüchtiger Kenner, dessen Rat von Kunstliebhabern häufig
erbeten und immer gern erteilt wurde.
Friedrich Thomas starb zu Aachen am 7. Juni 1879 (off). „Ein
Mann ohne Falsch", schrieb sein vertrauter Freund, der Rektor Andreas
Fey „lebte er schlicht und recht, treu seiner Familie, seiner Kunst und
seinen vielen Freunden; — Feinde hatte er nicht."
Schadow tibernahm die Leitung der Düsseldorfer Akademie im Herbste
des Jahres 1826. Zu seinen ältesten Rheinischen Akademie-Schülern zählt
6. Johann Peter GöttingS
getauft zu Aachen am 9. August 1797 (oflF)? gestorben zu Düsseldorf am
3. Oktober 1855 (off). In Aachen hatte er von Bastine Unterricht im
Zeichnen und Malen und wahrscheinlich auch im Modelliren erhalten. Wenn
Raczynski ^ und nach ihm wohl Nagler ' angeben, Götting habe seine ersten
Künstlerversuche in der Bildhauerei gemacht, so ist diese Angabe nicht
genau. Götting war ursprünglich seinem Hauptberufe nach Maler, wie er
sich in der Urkunde über seine erste am 27. Oktober 1820 (off) zu Aachen
stattgefundene Heirat nennt. Damals wohnte auch Götting noch in Aachen.
Später in der am 22. Februar 1830 (off) in Düsseldorf gethätigten Urkunde
über die Geburt seines Sohnes Gottfried hat er sich Bildhauer genannt.
In dem bei Raczynski* abgedruckten Verzeichnisse der Schüler der Kunst-
akademie im ersten Halbjahr 1834 ist Götting bei denjenigen aufgeführt,
welche sich unter der unmittelbaren Leitung Schadows ausbildeten und
zwar in der Gescliichtsmalerei. Er war Historienmaler religiöser Richtung,
es ist daher fast selbstverständlich, dass wir ihn in dem Kreise finden, dem
auch Deger, die Gebrüder Müller, Ittenbach und Andere mehr angehörten \
Götting hat in den beiden Kunstarten der Malerei und Bildhauerei wenn
auch nicht Hervorragendes, so doch Erfreuliches geleistet.
Sein erstes grosses Gemälde „Christus und Petrus wandeln auf dem
*) Göttings aus AldeDhoven stammeuder Vater schrieb seinen Namen: Godding.
«) A. a. 0. S. 194.
^) Neues aUgemeines Künstler-Lexikon Bd. V, S. 259. Götting wird hier irrtümlich
Johann Peter yon Goetting genannt.
*) A. a. 0. S. 114.
*) H. Finkc, Karl Müller, sein Leben und künstlerisches Schaffen. Köln 1896, S. 17.
- 62 —
Meere", mit welchem er 1834 die Berliner Kunstausstellung beschickte *,
wurde vom Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen angekauft und
erhielt seinen Platz in der St. Moritzkirche zu Halberstadt. „In demselben
Jahre brachte Götting auch eine Veronika mit dem Schweisstuche zur
Ausstellung, ebenfalls ein schönes Bild, wie das Obige in strengem Ernste
und im grossen Kirchenstil behandelt. Im Jahre 1836 malte er den Abschied
Mariens von der Leiche Christi*."
*
Die Ehre, vom vorgenannten Kunstverein erworben zu werden, ward
auch dem Bilde „Der heilige Martinus als Bischof" zu teil, welches als
Altargemälde in die Pfarrkirche zu Treis an der Mosel gestiftet wurde.
Götting war dreimal verheiratet. Sein Sohn zweiter Ehe, Peter Hubert
Gottfried, geboren zu Düsseldorf am 20. Februar 1830 (oflf), gestorben zu
Aachen am 27. Mai 1879 (oflf), war ein tüchtiger Bildhauer, der Schöpfer
der vielen das Äussere unserer Münsterkirche zierenden Statuen und anderer
hervorragender Bildwerke in unserer Vaterstadt.
An Götting lässt sich eine Reihe von Malern anschliessen, die eben-
falls auf der Düsseldorfer Akademie zur Zeit des Direktors Schadow ihre
künstlerische Ausbildung erhielten.
7. J. Jnn^blnt.
Über diesen Maler, der schon als Studiengenosse des Malers Thomas
auf der Düsseldorfer Akademie in der Zeit vor Ankunft des Direktors
Schadow angeführt wurde, berichtet Nagler^: „Jungblut J., Maler aus
Aachen, der sich um 1828 zu Düsseldorf in Schadows Schule bildete. Er
widmete sich dem historischen Fache und auch Bildnisse malt der Künstler.**
Erwähnt finde ich Jungblut noch bei einer Aufzählung Düsseldorfer
Künstler als Geschichtsmaler aus Aachen in dem Werke von C. A. Menzel
„Die Kunstwerke vom Altertum bis auf die Gegenwart"*. Weitere An-
gaben sind hier nicht mitgeteilt.
Ich habe mich vergeblich bemüht, Geburts- und Sterbetag dieses
Künstlers zu ermitteln. Er kann vielleicht mit dem am 28. Oktober 1801
(6. Brumaire X) in Aachen geborenen Peter Cornel Joseph Jungbluth (Sohn
des Knopfmachers Franz Joseph Jungbluth) identisch sein.
8. Johann Wilhelm Marzorati.
Er wurde am 25. März 1795 (oflf) zu Aachen getauft. Der Vater,
Anton Johann Marzorati stammte aus Como in Italien und war als Sprach-
*) In Holzschnitt bei Baczynski a. a. 0. S. 195. Wolfgang Müller, Düssel-
dorfer Künstler aus den letzten 25 Jahren. Leipzig 1854, S. 39 hält dieses Bild für
Göttings beste Arbeit
*) Nagler a. a. 0.
s) Künstler-Lexikon Bd. VI (1838), S. 508.
*) 8. Ausgabe, Trieat 1860, Bd. II, S. 197.
— 63 —
lehrer nach Aachen gekommen, wo er am 19. August 1804 (oflF) verstarb;
die Mutter, Anna Maria Paulina Riem, war in Frankfurt a. M. geboren.
Marzorati hat die Düsseldorfer Akademie besucht und übernahm 1828
die Zeichenlehrer-Stelle an der damaligen höheren Bürgerschule zu Eupen,
wo er auch im Jahre 1830 heiratete. An ihn ist ein im „Echo der Gegen-
wart*** abgedruckter Brief Alfred Kethels vom 4. Juli 1833 gerichtet, in
welchem dieser sein Urteil über einige ihm von Marzorati zur Begutachtung
übersandte landschaftliche Farbskizzen und Zeichnungen abgibt und Vor-
schlage zu kleinen Änderungen in ihnen macht.
Marzorati starb in Eupen am 6. Mai 1870 (off). Die Kinder des
Malers Billotte besitzen von ihm eine Landschaft: Waldige Berggegend
mit See; in einem Nachen der Schiffer und ein Jäger, der im Begriffe ist,
mit seinen Hunden ans Land zu steigen.
9. Eduard Johann Nikolaus Istas
war der Sohn eines Arztes aus Hülchrath im Kreise Grevenbroich, wo er
am 3. Juli 1813 geboren wurde. Er besuchte von 1828 ab drei Jahre
lang die Düsseldorfer Kunstakademie. 1832 ging er nach München, wo
er fünf Jahre verweilte. In dieser Zeit malte er ein Portrait des 1838
gestorbenen berühmten Theologie-Professors Johann Adam Möhler. Nach
der Rückkehr aus München Hess Istas sich in Aachen nieder, wo er zunächst
bis zu seiner Heirat bei seinem geistlichen Bruder wohnte.
Istas war Portraitmaler, beschäftigte sich jedoch auch mit dem Malen
von Kirchenfahnen. Vom 12. April 1848 (off) ab war er 41 Jahre lang
Zeichenlehrer in dem Pensionsinstitut du sacr6 coeur in Blumenthal bei
Vaels; erst das zunehmende Alter zwang ihn zur Niederlegung dieser
Stelle. Er starb in Aachen am 18. Mai 1893 (off).
Zwei Halbgeschwister dieses Malers haben sich neben ihm bis heute
in Aachen in dankbarer Erinnerung erhalten. Es waren dies Johann Hubert
Joseph Istas, geboren zu Hülchrath am 9. August 1807, gestorben hier-
selbst am 26. Mai 1843 (off), ein seeleneifriger, armenfreundlicher Kaplan
an der Pfarrkirche zum hl. Paulus, und Wilhelmina Istas, bekannt unter dem
Klosternamen Mutter Dominika, die Hauptgründerin der Ordensgenossen-
schaft vom armen Kinde Jesu, geboren zu Hülchrath am 14. August 1814,
gestorben in Roermond am 20. Dezember 1893 ^
10. Johann Kaspar Nepomuk Scheuren
wurde am 21. August 1810 (off)^ zu Aachen geboren. Sein Vater, der
oben an zweiter Stelle angeführte Maler Johann Peter Scheuren, erkannte
») Nr. 486 vom 17. Juli 1896.
*) J. J eiler, Die selige Mutter Franziska Schervier. Freiburg i. Br. 1893, S. 59 und
J. Hess, Festschrift zur 600 jährigen Jubelfeier der Dominikaner- und Hauptpfarrkirche
vom hl. Paulus in Aachen. Daselbst 1893, S. 36 und 112.
') Die Angabe bei Müller, Düsseldorfer Künstler S. 363 ist unrichtig.
— 64 —
frühzeitig das bedeutende Talent seines einzigen Sohnes und schickte ihn
1829 zur Ausbildung auf die Akademie nach Düsseldorf. Bereits Raczynski,
der ihn mit Götting und Alfred Rethel bei den unter der unmittelbaren
Leitung Schadows stehenden Akademie-Schülern aufzählt, hat ihm (1836)
einige Seiten seiner Kunstgeschichte gewidmet und ihm grosse Erfolge
vorhergesagt ^ Scheuren hat die hohen Erwartungen, die man schon so
frühe von ihm hegte, nicht getäuscht: er ist einer der hervorragendsten
deutschen Landschaftsmaler, Aquarellisten und Arabeskenzeichner geworden,
der auch mit der Radirnadel Treffliches geschaffen hat. Dabei war er ein
sehr fruchtbarer Künstler; schon 1853 sprach Wolfgang Müller, auf dessen
Charakteristik Scheurens hier verwiesen sei, von der endlosen Menge seiner
Ölbilder ^ Eine Anzahl der bis zum Jahre 1845 geschaffenen Gemälde ist
angegeben in Naglers Künstlerlexikon'.
Scheuren starb zu Düsseldorf am 12. Juni 1887 (off). Sein im Jahre
1835 von C. H. Steffens in Düsseldorf gezeichnetes Portrait verwahrt
unser Suermondt-Museum, in dem sich auch von Scheuren vier kleinere
Landschaften und zwei grosse landschaftliche Zeichnungen, sowie ein im
Jahre 1821, also im elften Lebensjahre, gemaltes Aquarellbildchen, die
hl. Theresia darstellend, befinden.
Werke von Scheuren finden sich ferner in der Nationalgallerie zu
Berlin, in der Neuen Pinakothek zu München und im Wallraf-Richartz-
Museum zu Köln, welches auch eine seiner vortrefflichsten Schöpfungen
besitzt, das aus 26 aquarellirten Blättern in Querfolio bestehende Rhein-
Album. Eine eingehende Erklärung dieses herrlichen Werkes, über das
der ganze poetische Zauber ausgegossen ist, den nur der Rhein mit seinem
Sagenschatze und seiner Fülle landschaftlicher Schönheiten zu bieten vermag,
enthält Niessens Museums-Führer nach des Künstlers eigenen Angaben*.
Scheuren hat es wie wenige verstanden, den unerschöpflichen Reiz
seiner rheinischen Heimat im Bilde zu fesseln, und nicht zuviel verkündet
die an seinem Geburtshause ^ angebrachte Gedenktafel:
*) Bd. I, S. 114 und 255—258. Daselbst auch ein Holzschnitt nach einer Land-
schaft Scheurens.
*) Düsseldorfer Künstler S. 362 flF. Weitere Litteratur in der Zeitschrift des Aachener
Geschichts-Vereins Bd. XVII, S. 278.
») Bd. XV, S. 202.
*) Führer in den geistigen Inhalt der Gemälde-Sammlung des Museums Wallraf-
Richartz in Köln. Nr. 1003—1028. Wann werden wir für unser Suermondt-Museum
einen solchen belehrenden, handlichen Katalog erhalten?
*) Franzstrasse Nr. 16. Die hochselige Kaiserin Augusta gab „bei den langjährigen
Beziehungen des Aachener Künstlers zu Ihrer Majestät und bei dem ehrenvollen Andenken,
welches Allerhöchst dieselbe dem Professor Kaspar Scheuren bewahren", aus freien Stücken
einen Beitrag von 100 Mark zu den Kosten der Gedenktafel. Zeitschrift des Aachener
Geschichts-Vereins Bd. XI, S. 298.
— 65 —
lo diesem Hause wurde geboren
am 21. August 1810
DER MALER CASPAR SCHEÜREN.
Rheinische Natur, Sage und Geschichte
leben in seinen Werken.
Gewidmet vom Aachener Geschichtsverein 1890.
11. Alfred Rethel.
Rethel ist nicht allein der hervorragendste der von uns zu besprechenden
Maler, er ist einer der bedeutendsten deutschen Künstler aller Zeiten. Ich
kann mich hier jedoch um so kürzer fassen, als Auskunft über ihn in jeder
Kunstgeschichte, in jedem Konversations-Lexikon zu finden ist. Zudem
hat sein Freund, der Dichter Wolfgang Müller von Königswinter, nachdem
er ihn bereits in seinem Werke über die Düsseldorfer Künstler behandelt ^
ihm eine ziemlich ausführliche Biographie gewidmet, deren grosser Wert
im Abdruck einer Anzahl gehaltreicher Briefe Rethels besteht*. Weitere
Litteratur ist verzeichnet in der Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins
Band XIT, Seite 340, Band XV, Seite 348, Band XVI, Seite 203, Band
XVm, Seite 395. Die hier 1837 erschienenen „Westlichen Blätter für
Unterhaltung, Kunst, Literatur und Leben" enthalten in Nr. 47 eine
Besprechung des. damals in Aachen ausgestellten Bildes „Die strafende
Gerechtigkeit".
Im 2. Jahrgange, Seite 43, dieser Zeitschrift ist von A. Curtius über
Rethel ein kleiner Artikel veröffentlicht worden, in welchem sich in der
ersten Zeile die unrichtige Angabe findet, dass er ein Schüler von Peter
Cornelius gewesen sei ; die beiden Maler haben sich wahrscheinlich niemals
gesehen.
Ein Gedicht auf Rethels durch den Holzschnitt vervielfältigte Zeich-
nung „Der Tod als Freund" * von unserem Mitbürger Dr. Debey findet sich
in dessen „Büchlein geistlicher Lieder**.
Zur Genealogie Rethels gibt die Urkunde über die am 22. März 1801
(1. Germinal IX oflf) in Aachen geschlossene Ehe seiner Eltern erwünschte
Auskunft. Danach war der Vater Johann Rethel am 27. Oktober 1769
zu Strassburg im Elsass als Sohn der Eheleute Johann Rethel und Maria
Salome Riebel geboren. Die Letztere war damals bereits verstorben.
Alfred Rethels Mutter, Johanna Christina Schneider '^, war geboren
zu Aachen, bei der Eheschliessung 19 Jahre alt und die Tochter des Kauf-
manns Daniel Benjamin Schneider aus Aachen und dessen Ehefrau Maria
>) 8. 64 ff.
') Alfred Rethel, Blätter der Erinnerung von Wolfgang Müller von Königs-
winter. Leipzig: F. A. Brockhaas 1861. 185 S. klein 8^
•) S. 157.
*) Aachen 1861, S. 252.
') Nicht Schneiders wie in Alfred Rethels Qeburtsurkande steht.
— 66 —
Wilhelmina Franziska Kreuder. Ausser dem Vater der Braut fungirten als
Zeugen bei der vor dem Adjoint du maire Cornel Bock vollzogenen Ehe-
schliessung der Präfekt Nikolaus Sebastian Simon, Johann Maurojeni und
der Präfekturrat Johann Friedrich Jacobi, alle aus Aachen.
Alfred Rethel wurde am 15. Mai 1816 (off) auf dem im Stadtkreise
Aachen gelegenen Landhause Diepenbenden geboren. Er erhielt in Aachen
von Bastin6 Unterricht im Zeichnen und kam schon 1829 auf die Düssel-
dorfer Akademie, wo er unter Schadows Leitung studirte. Es klingt wohl
glaublich, dass Rethel hier als das Wunder der Schule galt. Erst sechzehn
Jahre alt stellte er auf der Berliner Kunstausstellung ein Aufsehen erregendes
Ölgemälde aus, die Einzelfigur des hl. Bonifazius. Dem kaum Zwanzig-
jährigen widmete Graf Raczynski in seiner 1836 erschienenen Geschichte
der neueren deutschen Kunst einen Artikel, welchem er zwei Holzschnitte
nach später in Ol ausgeführten Zeichnungen Rethels beigabt
1837 trieb es Rethel aus Düsseldorf fort; er begab sich nach Frankfurt
und schloss sich dort an Philipp Veit an. 1841 erhielten seine Entwürfe
zur Ausschmückung des Aachener Rathaussaales den Preis. Vier von
den acht anzubringenden Gemälden hat er dann in den Jahren 1847 — 51
eigenhändig in Fresko ausgeführt. Die vier anderen Bilder sind nach
Rethels Entwürfen von Joseph Kehren^ gemalt worden. Rethel starb in
geistiger Umnachtung zu Düsseldorf am 1. Dezember 1859.
Es ist bekannt, dass die Ausmalung des Aachener Krönungssaales
mit Freskogemälden mannigfachen Hindernissen begegnete. Der Krönungs-
saal war im Laufe des vorigen Jahrhunderts durch Zwischenwände in
mehrere Räume geteilt worden, deren einer, welcher die ganze nur um
das westliche Gewölbefeld gekürzte nördliche Hälfte des alten Saales ein-
nahm, als Festsaal diente und dementsprechend mit Stuck und Malereien
reich ausgestattet war. Dieser Saal, in welchem am 15. Mai 1815 die
Huldigung der Rheinlande stattfand, sollte um das genannte Gewölbefeld
e^rweitert und durch Rethel von neuem al fresco ausgemalt werden. Kaum
war dieses Projekt aufgetaucht, als von Altertumsfreunden mit Recht ver-
langt wurde, zunächst dem Krönungssaale unter Entfernung aller Zwischen-
wände seine ursprüngliche Gestalt wiederzugeben, was, falls die Zwischen-
wand des Festsaales mit wertvollen Malereien bedeckt worden wäre, für
absehbare Zeiten ausgeschlossen schien. Es entbrannte hierüber ein heftiger
Zeitungskrieg ^; Prof. C. P. Bock in Freiburg legte seine Ansichten in einer
Schrift nieder, die auch heute noch hohen Wert besitzt^. Der Krönungs-
*) Bd. I, S. 191, wo als Rethels Geburtsjahr 1812 angegeben ist; Raczynski ahnte
also nicht einmal, einen wie jungen Künstler er behandelte.
*) Geboren zu Hülchrath am 30. Mai 1817, gestorben zu Düsseldorf am 12. Mai 1880.
') Die Literatur ist teilweise verzeichnet in der Zeitschrift des Aachener Geschichts-
vereins Bd. XVII, S. 308.
*) Das Rathhaus zu Aachen. Schutzschrift für die unverletzte Erhaltung des
deutschen Krönungssaales von Professor C. P. Bock. Aachen, Druck und Verlag von
J. Hensen & Comp. 1843.
— 67 —
saal ist dann in seiner alten Grösse wiederhergestellt worden, die baulichen
Veränderungen hatten jedoch lange Zeit in Anspruch genommen, und erst
im Jalire 1847 konnte Rethel mit der Ausmalung zunächst der öst-
lichen Wandfläche beginnen. Es hatte aber der vollen Verwirklichung
seiner Pläne ein weiteres Hindernis gedroht. Die unverletzte Erhaltung
des Krönungssaales schloss auch die Offenhaltung der in der Südwand
gewesenen Fenster in sich, welche ausser dem Licht, das sie gewährten,
auch den Ausblick auf die Münsterkirche gestatteten, deren vollständige
Vermauerung jedoch durch die anzubringenden Bilder notwendig wurde.
Dieser Teil des Wiederherstellungs-Planes, über welchen der Geraeinderat
noch im Jahre 1848 verhandelte, ist nicht zur Ausführung gelangt, sicher
ist aber, dass Rethel die langjährigen Streitigkeiten, wodurch er die Aus-
führung seiner Arbeiten verzögert und grösstenteils gefährdet sah, schmerz-
lich empfand, und dass ihm das Leben dadurch verbittert wurde.
Man hat die Behauptung aufgestellt, Rethels religiöses Bekenntnis —
er war bekanntlich Protestant — sei auf den Widerstand, den die ihm
übertragene Arbeit fand, nicht ohne Einfluss gewesen ; so Wolfgang Müller ^,
dem hierin ein Artikel über Rethel, der vor einigen Jahren im „Echo der
Gegenwart" erchien ^ in etwa beipflichtet. Beweise für derartige Behaup-
tungen und Vermutungen hat jedoch niemand zu erbringen für nötig erachtet.
Zurückzuführen sind dieselben wohl auf einen Aufsatz des Düsseldorfer
Akademie-Professors Wiegmann in der Beilage zu Nr. 101 der Aachener
Zeitung des Jahres 1847, welcher Andeutungen dieser Art enthielt, die
jedoch der Aachener Arzt und Stadtverordnete Dr. Debey in einer vom
13. April 1847 datirten Flugschrift „Die Erneuerung des Rathhaus-Saales
zu Aachen** entschieden zurückgewiesen hat^
>) A. Rethel S. 92 und 144.
•) Nr. 211 n vom 12. September 1893.
■) In dieser Schrift findet sich S. 10—11 die Angabe, dass die Idee, den Festsaal
des Rathauses mit Fresken auszumalen, ursprünglich von dem hiesigen Kunstliebhaber
und -Sammler G. Schwenger angeregt worden ist. — Bezüglich der Rethel aus konfessio-
neUen Gründen entstandenen Unannehmlichkeiten hat sich auch Peter von Cornelius einmal
geäussert. Hermann Riegel erzählt in seinem Buche „Peter von Cornelius'' (Berlin 1883,
S. 120): „Ich hatte Cornelius die Photographien der Zeichnungen Alfred RethePs zu den
Malereien im Kaisersaale zu Aachen, wovon unlängst die Rede gewesen, geschickt, und er hatte
sie nun angesehen. Er tadelte (am 2. Juni 1865) sie in Bezug auf die Komposition und den
Geist. ,Das ist nicht der grosse Karl !^ sagte er mehrere Male. Dass aus ,konfes8onellen
Gründen*, wie die (von wem?) beigegebene Erläuterung berichtete, zwei Bilder nicht aus-
geführt worden seien, fand er abgeschmackt.^ — Mir scheint hieran nichts abgeschmackt,
wie die unüberlegte Äusseruug von Cornelius, der sicher nicht geduldet hätte, dass irgend
etwas seinen Anschauungen Widersprechendes auf seine Kosten ausgeführt worden wäre.
Aus „konfessioneUen Gründon'' kann aber höchstens die eine, die Frankfurter Synode des
Jahres 794 darstellende Zeichnung nicht zur Ausführung gelangt sein, auf welcher Karls
Anteil an der Ubri Carolini genannten Schrift verherrlicht wird. Karls Anteil an dieser
Schrift gehört aber sicher nicht zu seinen Grossthaten. (Über die betr. Synode und die
libri Carolini siehe Hefele, Conciliengeschichte Bd. III, 2. Aufl., S. 678 und 694. ff.)
— 68 —
Ohne Zweifel hat aber auch Rethels Persönlichkeit und Konfession
bei den erwähnten archäologischen Streitigkeiten keine Rolle gespielt.
Sollte Rethel dies geglaubt haben, so ist zu bedenken, dass er ein miss-
trauischer Mann war, auf dessen spätere Geisteskrankheit eine in den
Kinderjahren erlittene schwere Verletzung am Kopfe, durch die er damals
jahrelang taub war, vielleicht seit langem schon ihre Einflüsse geltend
gemacht hatte.
Als Rethel im Sommer 1848 in unserem Rathaussaale am „Sturz der
Irraensäule** malte, fand in Aachen eine Ausstellung von Bildern älterer
und neuerer Meister statt zum Besten eines katholischen Wohlthätigkeits-
Unternehmens, des St. Vinzenz-Spitals. Zu dem Geschäfts-Ausschusse war
auch Alfred Rethel zugezogen *, ein Beweis sowohl, dass man in ihm nicht
den zu meidenden Andersgläubigen sah, als auch, dass er in Aachen nicht
so vernachlässigt wurde, als er es selbst wohl glaubte und andere glauben
machte. In ähnlicher Weise meinte er früher während seiner Düsseldorfer
Periode von Schadow zurückgesetzt zu werden, während das Gegenteil als
erwiesen gilt.
Werke von Rethel finden sich vor allem in unserem Krönungssaale;
einige Skizzen und Zeichnungen enthält das Suermondt-Museum, welches
auch eine kleine 1839 von August von Nordheim modellirte Büste Rethels
besitzt. Weiterhin sind Werke von Rethel in der National-Gallerie zu
Berlin, im Wallraf-Richartz-Museum zu Köln, im Römer und Städelschen
Kunst-Institut zu Frankfurt a. M. u. s. w. Den künstlerischen Nachlass
Rethels hat im Laufe dieses Jahres das Königl. Kupferstichkabinet zu
Berlin für die Summe von 80000 Mk. erworben ^
An Alfred Rethel schliessen wir an seinen jüngeren Bruder
12. Otto Rethel,
welcher am 26. Dezember 1822 (off)' ebenfalls auf dem Landgute Diepen-
benden geboren wurde und dort seine Kinderjahre verlebte, bis die Eltern
im Jahre 1829 nach Wetter an der Ruhr übersiedelten. Er hatte anfangs
den kaufmännischen Beruf ergriffen, widmete sich aber nachher, spätestens
seit dem Frühjahr 1842, der Malerkunst ^, zu welchem Zwecke er die
Düsseldorfer Akademie besuchte. Hier bildete sich Otto Rethel als Ge-
schichtsmaler aus. Es entstanden in dieser frühesten Periode einige neu-
testamentalische Bilder, wie der Gang nach Em aus und Christus ui\d Judas.
Später, in den fünfziger Jahren, zog Rethel nach Aachen, wo er auch die
Portraitmalerei pflegte*. Zuletzt hatte er seinen Wohnsitz wieder nach
Düsseldorf verlegt. Im Auftrage des Kunstvereins für die Rheinlande und
>) Stadt- Aachener Zeitung, 1848, Beilage zu Nr. 240.
') Echo der Gegenwart Nr. -258 vom 9. April 1897.
^ Die Angabe bei W. Müller, Düsseldorfer Künstler, S. 43, ist unrichtig.
*) W. Müller, A. Rethel S. 100.
*) W. Müller, Düsseldorfer Künstler S. 43.
— 69 —
Westfalen malte er hier für die evangelische Kirche za Oppeln ein Bild
„Christus am Olberg" (1857), und für die evangelische Kirche zu Zippnow
ein Altarbild, den segnenden Christus darstellend (1862). Ein Genre-
gemälde „Der Dorfbriefschreiber" kaufte der genannte Kunstverein zur
Auslosung an (1876).
Otto Rethel starb zu Düsseldorf am 7. April 1892.
13. Johann Baptist Nikolaus Salm
wurde in Köln am 20. September 1809 (oflf) geboren. Er besuchte dort
das Gymnasium und bezog dann, nachdem er bei den Deutzer Pioniren
seiner Militärpflicht als Einjährig-Freiwilliger Genüge geleistet, die Düssel-
dorfer Akademie. Im Jahre 1837 ward er in Aachen bei der damals kom-
binirten höheren Bürger- und Gewerbeschule als Lehrer für Zeichnen und
Modelliren angestellt und er hat diese Stelle, auch nachdem die Schule
später geti*ennt worden und die Neubildungen den Namen wiederholt ge-
wechselt hatten (jetzt Realgymnasium, Oberrealschule und Handwerker-
Fortbildungsschule), bis zu seinem am 12. Juni 1883 (oflf) erfolgten Tode
innegehabt.
Salm hat wenig gemalt, es gibt jedoch von ihm eine Menge litho-
graphisch vervielfältigter Zeichnungen aller Art. Insbesondere hat ihm
die Geschichte unseres Vaterlandes, wie er sie miterlebte und augenschein-
lich mit grossem Anteil verfolgte, Stoflf zu manchen Darstellungen gegeben.
So zeichnete er 1842 ein Gedenkblatt zur Wiederaufnahme des Kölner
Dombaues. 1847 entwarf er ein Bild zu Freiligraths Gedicht „Die Aus-
wanderer", welchem er die Unterschrift „Handel mit Weissen* gab: Aus-
wanderungs-Agenten in Fuchsgestalt verführen deutsche Bauern zum Aus-
wandern. In demselben Jahre entstand ein Blatt: Schleswig und Holstein
fordern Deutschland zur Wahrung ihrer verbrieften Rechte auf. Von 1859
datirt eine Germania, die ein Ungeheuer zertritt, welches ein Spruchband
im Rachen hat mit Napoleons Worten: L'empire c'est la paix. 1864 gab
die schleswig-holsteinische Frage Stoflf zu einem humoristischen Blatte,
welches photographisch vervielfältigt wurde : Österreich und Preussen
prügeln die europäischen Mächte aus dem Gasthof „Zum deutschen Haus*.
Von 1870 ist wiederum eine grosse Germania mit Schild und Fahne auf
einem Drachen.
Als besonders erwähnenswerth muss angeführt werden eine Allegorie
auf den Tod Alfred Rethels, mit welchem Salm befreundet gewesen, und
der in seinem Hause verkehrt hatte. Die schönen Künste, von denen
Malerei, Bildhauerei, Architektur und Poesie sichtbar sind, tragen die
Bahre, auf welcher der entschlafene Künstler ruht, über den ein Friedens-
engel das Bahrtuch deckt. Am Vater Rhein vorbei führt der Trauerzug,
dessen Geleit die Gestalten bilden, welchen Rethels künstlerisches Schaflfen
neues Leben verliehen. Am fernen Horizonte verschwindet die Sonne,
hell aber strahlt Rethels Ruhmesstem um nimmermehr zu erblassen.
— 70 —
Neben solchen lithographirten Blättern, wozu auch noch einzelne
Portrait« zu rechnen sind, entstand eine Menge anderer Zeichnungen, Ent-
würfe zur Ausmalung des Elisenbrimnens mit Bildern aus der Geschichte
Aachens, köstliche Szenen aus dem ^ Eulenspiegel, Karikaturen und der-
gleichen mehr.
Von dem Ernste, mit welchem Salm seine Lehrthätigkeit auflfasste,
zeugt es, dass er nicht nur eine grosse Anzahl von Vorlegblättern ent-
warf, Centauren, griechische Helden, Genien, antike Gruppen und Jagd-
szenen, stilisirte und naturalistisch behandelte Tiere und Tierköpfe u. s. w.,
was wohl seiner ausserordentlichen Kompositionsgabe und seiner Lust am
Komponieren Befriedigung gewährte, sondern auch einen „Elementar-Ünter-
richt im Linearzeichnen** verfasste (Aachen 1868, 16 S. 8^ mit Xu Tafeln
^'iguren).
14. Heinrich Franz Karl Billotte.
Billottes Vater, Claudius Billotte, in Metz um das Jahr 1745 geboren,
ein unternehmender und intelligenter Mann, war nach Aachen übergesiedelt
und hatte hier ein Geschäft gegründet*.
In Aachen hatte Claudius Billotte die 20 Jahre jüngere Bürgers-
tochter Elisabeth Bonn geheiratet, welche ihn am 28. Januar 1801 (off)?
dem ersten Karlstage dieses Jahrhunderts, mit einem Knaben, unserem
Maler, beschenkte. Das Kind sollte bald verwaisen. Am 26. August 1807
(oflf) starb der Vater, den die Mutter nur um einen Monat überlebte; sie
verschied am 26. September 1807 (off).
Der elternlose Knabe fand nun Aufnahme bei den Brüdern seiner
Mutter, nicht unbegtiterten und geachteten Zuckerbäckern. Ihr Handwerk
erlernte auch Franz Billotte und betrieb es noch, als er am 15. April
1 826 (off) die in Hodimont geborene Johanna Theresia Dechamps heiratete.
Der Tod, der so unerbittlich das Jugendleben Billottes getrübt hatte, raubte
ihm auch bald die Gattin, welche am 24. April 1829 (off) verschied.
Nach dem Tode seiner Frau hing Billotte das Handwerk an den
Nagel. Als er am 4. Juli 1836 (off) zur zweiten Ehe mit Maria Gertrud
Coonen aus Sittard schritt, war aus dem Konditor ein Maler geworden.
*) Es ist TOD ihm aus der Zeit um die Wende des Jahrhunderts, als man in Aachen
noch nach reichsstädtischcr Münze rechnete, ein in deutscher und französischer Sprache
gedruckter Geschäftsanzeige-Brief vorhanden, dessen Wiedergabe bei der Seltenheit der-
artiger Geschäfts-Empfehlungen aus jeuer Zeit nicht unangebracht erscheint. „Unter-
schriebener Krämer hat ein Magazin Pariser Tapeten, velutirt, gemahlt, und andere,
Supporten, Lambrien, Enkadrements, von 22 Mark bis 14 Schill, das Stück Aachener Geld;
er backet auch Bisquiten, Macronen aller Art, allerhand trockene und weiche Confitüren,
gemeiner und feiner Dragee, gemeiner und feiner Chokolad, Chokolad-Desaert, Gersten-
zucker in Teuten, er drucket en taille douce für die Kauflente und andere, er gravirt in
Holz, macht die Wappen für auf die Tücher, alles an einen billigen Preis. AUen Personen,
welche ihn mit ihrer Gunst beehren wollen, verspricht er schleunige Bedienung. C. Billotte,
in Marsicherstrasse Nr. 1214 in Aachen." Die Schreibweise „Marsicherstrasse** beruht ofiTen-
bar auf einem Druckfehler.
— 71 —
Schon in den Enabenjahren war Zeichnen seine liebste Beschäftigung
gewesen; jeden freien Augenblick seiner Lehr- und Gesellenzeit hatte er
seiner geliebten Kunst gewidmet, manche Nacht ihr geopfert. Er besuchte
Bastin6s Zeichenschule und ward von diesem in dem Vorhaben, sich der
Malerei zu widmen, bestärkt. In Bastinö hatte Billotte nicht allein einen
tüchtigen Lehrer im Zeichnen und Malen, er übte sich unter seiner Leitung
auch im Modelliren. Noch besitzen seine Nachkommen eine von ihm nach
der Totenmaske modellirte Büste der schönen, im August 1831 hierselbst
verstorbenen Gemahlin des Regierungsrats Krüger. Billotte hat die Ver-
blichene, welche ein Alter von nur 21 Jahren erreichte, in idealer Auf-
fassung als Schlummernde dargestellt.
Den Schluss von Billottes künstlerischer Ausbildung machte der Besuch
der Düsseldorfer Kunstakademie. Aus dieser Zeit stammt das im hiesigen
Suermondt-Museum befindliche, vielleicht durch Grillparzers Sappho* ver-
anlasste Gemälde „Die Dichterin Sappho stürzt sich ins Meer**, ein Bild
nach Gegenstand und Ausführung ganz der sauberen aber kraftlosen, süss-
liehen Manier der damaligen Düsseldorfer Schule entsprechend*.
In Aachen widmete Billotte sich vornehmlich der Portraitmalerei und
hat hierin Tüchtiges geleistet. So besitzt die Pastorat von St. Peter
hierselbst von ihm das Portrait des 1872 verstorbenen Oberpfarrers und
Stadtdechanten Dilschneider; ein anderes Bild desselben hat er wie auch
sonstige Portraits und Darstellungen zum Zwecke lithographischer Verviel-
fältigung auf Stein gezeichnet^. Billotte hat aber auch die Landschafts-
malerei und das Stillleben gepflegt und namentlich in letzterem Genre
schöne Blumen- und Fruchtstücke geschaffen. Als Bilderkopierer und
Restaurator suchte er seinesgleichen. Alte Schüler des Realgymnasiums
werden es auch nicht ohne Interesse vernehmen, dass die Schulfahne mit
dem Bilde Karls des Grossen ein Werk Billottes ist.
Im späteren Alter liebte Billotte es, kleinere Bilder mit religiösen
Darstellungen in der Art altdeutscher Meister zu malen; als Achtzigjähriger
hat er noch das kleine Altarbild für die Maria vom guten Rat-Kapelle in
der St. Peterskirche hierselbst ausgeführt. So blieb er thätig bis an das
Ende seines Lebens, welchem ein sanfter Tod am 25. April 1892 (oflF) ein
Ziel setzte.
Der alte Billotte war ein schöner, ehrwürdiger Mann. Langes Silber-
haar umrahmte seine edlen Züge; bis in das höchste Alter bewahrte er
*) Dieses 1818 erschienene Trauerspiel wurde in unserem am 15. Mai 1825 eröffneten
Theater zuerst am 26. Juli 1825 aufgeführt. In der Titelrolle trat Sophia Schröder auf,
welche diese Rollo auch bei der Erstaufführung im Wiener Burgthoater gegeben hatte.
*) Die Besichtigung auch dieses Bildes ist fast unmöglich gemacht. Es hängt
zwischen zwei Fenstern hinter einem BildergesteU.
') Eine Lithographie Billottes nach dem Gemälde von üonthorst im Hochaltar der
St. Michaelskirche hierselbst erwähnt Käntzeler, Aunalen des bist. Vereins für den Nieder-
rhein, Heft 17, S. 41.
— 72 —
gerade Haltung und leichten, elastischen Gang. Die Hälfte seines langen
Lebens hatte er in der Peterspfarre gewohnt, in deren Pfarrkirche er
täglich die hl. Messe besuchte. So war er eine in seinem Stadtviertel
allgemein bekannte aber auch beliebte Persönlichkeit geworden, deren Hin-
scheiden allenthalben betrauert wurde.
Totenzettel sind häufig unzuverlässige Geschichtsquellen, was er aber
von Billotte meldet, entspricht der Wahrheit: „Sein ganzes Leben war
geteilt zwischen Gott, dem er in der Einfalt seines Herzens und mit tief
gläubiger Gesinnung diente, und den Seinigen, denen er als Muster der
Bescheidenheit, Friedensliebe und treuer Pflichterfüllung voranleuchtete."
15. Ludwig Scheins.
Dieser treffliche Landschafter wurde zu Aachen am 14. September 1808
(oflf) geboren, er nahm seinen Wohnsitz in Düsseldorf, wo er auch die Akademie
besucht hatte und starb daselbst am 23. Oktober 1879 (oflf). Schon Naglers
Künstler-Lexikon erwähnt seiner rühmend ' : „Scheins ist schon seit mehreren
Jahren durch Werke bekannt, welche ihm unter den tüchtigsten Meistern
seines Faches eine Stelle sichern. Es oflfenbart sich darin ein glücklicher
Farbensinn und ein genaues Studium der Natur in ihren mannigfaltigen For-
men und Erscheinungen. Von besonderer Schönheit sind immer seine Bäume,
so wie denn Scheins überhaupt einer der tüchtigsten Baumzeichner ist.
Seine selbstständigsten Arbeiten datiren ohngeföhr von 1836. Es sind dies
landschaftliche Bilder mit Figuren, Thieren und Architektur. Seine Wald-
plätze, Sumpf- und Waldgegenden sind öfter mit Jägern, Hunden und
jagdbaren Thieren belebt, auf Triften und Haiden erscheinen Schafheerden,
auf andern Gründen Arbeiter in verschiedenen Beschäftigungen u. s. w.
Einige Bilder dieses Künstlers führen uns an friedliche Kirchhöfe, an Ruinen,
und an ländliche Gebäude, an Seen und Flüssen. Scheins ist ein talentvoller
Künstler, und immer glücklich in der Wahl seiner Gegenstände. Im Jahre
1840 war er einer derjenigen Maler, die auf der Kunstausstellung zu Ant-
werpen die für Auswärtige bestimmte Verdienstmedaille erhielten".
Auch Wolfgang Müller, welcher Scheins zu den landschaftlichen
Stimmungsmalern der Düsseldorfer Schule zählt, nennt ihn einen guten
Waldmaler. „Freie Waldplätze, Sumpf- und Moorgegenden, Haiden, Strauch-
und Hochwald weiss er in verschiedenen Beleuchtungen und meistens in
melancholischen Stimmungen in anziehender Weise wiederzugeben. Seine
Bilder haben zwar häufig eine ziemliche Ähnlichkeit untereinander, aber
sie interessiren doch gewöhnlich, obgleich sich in ihnen eine gewisse
Schwermut der Auffassung kundgibt*."
In der städtischen Gemälde-Sammlung zu Düsseldorf befindet sich
von Scheins eine Winterlandschaft.
») Bd. XV (1845), S. 171.
*) Düsseldorfer Künstler S. 356.
— 73 —
16. Lambert Hastenrath.
Hastenrath wurde am 21. Februar 1815 (off) zu Ratheim im Kreise
Heinsberg geboren. Er erhielt seine künstlerische Ausbildung auf der
Düsseldorfer Kunstakademie und liess sich dann in Aachen nieder; später
verzog er in die Schwesterstadt Burtscheid, wo er am 2. Mai 1882 (off)
gestorben ist.
Hastenrath hat fast ausschliesslich Portraits gemalt, Landschafts-
und Genregemälde von ihm kommen nur ganz vereinzelt vor. Er war
ein tüchtiger Meister in seinem Fache, dessen Werke auf vielen Herr-
schaftssitzen Westdeutschlands bis nach Belgien und England hin an-
zutreffen sind. In öffentlichen Sammlungen werden sich Bilder von ihm
nicht finden, doch sind manche seiner Gemälde in der früheren Jacobischen
Permanenten Gemäldeausstellung bierselbst der öffentlichen Besichtigung
zugänglich gewesen.
Hastenrath malte in Öl und Aquarell, mit besonderer Vorliebe zeichnete
er aber auch Portraits mit bunter Kreide (falschlich oft Pastell genannt)
und er hatte es hierin zu grosser Meisterschaft gebracht. Es gibt auch
nach seinen Zeichnungen lithographisch vervielfältigte Bildnisse.
17. Johann Michael Theodor Maassen.
Dieser tüchtige Künstler erblickte das Licht der Welt in Aachen am
1. Februar 1817 (off)*. Maassen kam sehr früh auf die Düsseldorfer Kunst-
akademie. Raczynski* führt ihn unter denjenigen Schülern an, welche im
ersten Halbjahr 1834 unter Leitung von Karl Sohn studierten. Für ein
bestimmtes Kunstfach hatte Maassen sich damals noch nicht entschieden.
Als Raczynski vier Jahre später, am 20. April 1838, Düsseldorf
wieder besuchte, sah er von unserem Künstler ein „ausserordentlich fleissig
ausgeführtes Bild": Ein Mönch und ein Pilger in einer Landschaft'.
Aus dem folgenden Jahre ist der Artikel über Maassen in Naglers
Künstler-Lexikon * :
„Er lebt gegenwärtig in Düsseldorf als ausübender Künstler. Man
hat Historien- und Genrestücke von seiner Hand, und einige dieser Bilder
sind in J. Scottis Schrift: Der Kunstschule zu Düsseldorf Leistungen in
den Jahren 1837 und 1888 S. 29 verzeichnet. Seine Gemälde werden mit
Beifall aufgenommen, da sich in ihnen ein tüchtiger Künstler offenbart.
Der Rheinisch-Westfälische Kunstverein hat einige käuflich an sich gebracht,
und von da aus kamen sie durch Verlosung in verschiedene Hände.*
Wolfgang Müller, der sein Buch über die Düsseldorfer Künstler im
*) In der Geburtsnrkande ist als Gebortshaus angegeben „CöUenstr. Nr. 1050'^,
jetzt Kleinkölnstrasse Nr. 14.
*) Geschichte der neueren deutschen Kunst Bd. I, S. 117.
^) A. a. 0. Bd. III, S. 400.
*) Bd. Vm (1889), S. 152.
— 74 -
Jahre 1858 vollendete, führt Maassen unter denjenigen Malern auf, deren
Arbeiten aus dem religiösen Geiste der Meister des Apollinarisberges her-
vorgegangen sind ^ Sonstige Angaben über ihn bringt er nicht.
Über weitere Schöpfungen Maassens bis zum Jahre 1860 kann ich keine
Angaben machen. Aus dem genannten Jahre gibt es jedoch eine Beschrei-
bung eines Maassenschen Gemäldes, die ich vollständig mitteile, weil sie
keinen Geringeren zum Verfasser hat, als Adalbert Stifter ^ welcher das
beschriebene Bild auf der Ausstellung des Linzer Kunstvereins sah:
„Der Klosterorganist von Maassen Theodor in Düsseldorf erscheint
uns so schön, wie es Weniges in unserer Zeit und in der Kunst überhaupt
gibt. Ohne die geringste Sucht nach Virtuosentum oder Anwendung ein-
zelner Kunststückchen hat der Maler eine technische Wirkung hervor-
gebracht, die erstaunlich ist. Noch höher aber steht die künstlerische.
Wir befinden uns auf dem Musikchor einer Kirche, ziemlich weit zurück,
da wir den grösseren Teil des Chors und die Gewölbung und die Fenster
der Kirche erblicken können. Der Chor ist im Helldunkel, die Kirche
durch die Fenster klar erleuchtet. An der Orgel sitzt ein Mönch und
spielt. Von der Andacht und seinem Spiele ergriffen, zeigt er uns ein von
seitwärts erblicktes, erhobenes Antlitz. Ein Kirchenförst, der in einem
Seitenstuhle sass und in einem grossen Buche las, lässt das Buch sinken
und blickt auf ihn. Ein junger Mönch an der Chorthür, halb stehend und
halb auf einem Stuhle knieend, stützt sein gesenktes Haupt mit der Hand.
Ein Ministrant an der Chorbrüstung sollte aus einem Buche beten, er blickt
aber seitwärts auf den Orgelspieler. Neben ihm ein Mönch mit der Kapuze
über dem Haupte ist in tiefer Andacht versunken. Aus der Tiefe der
Kirche steigt Weihrauch empor. Aus dieser schwachen Beschreibung möge
man die Vergeistigung dieses Bildes entnehmen. Aber nur der wirkliche
Anblick bringt sie erst ins rechte Bewusstsein. Wie gleich bewunderungs-
würdig ist das Aufhorchen des Greises und des Knaben, und doch wie
verschieden! Hier das milde des Greises, der viel gesehen und gelitten,
dort das frische des Knaben, vor dem erst die Zukunftswelt liegt. Im
jungen Mönche sind Gefühle der Wehmut, in dem älteren mit der Kapuze
ist die gewohnte Andacht, die durch die Orgel gesteigert ist, aber er lebt
der Andacht, nicht den Tönen. Zu dieser geistigen Durchbildung gesellt
sich eine Technik des Vortrags, die kaum freier und vollendeter sein
könnte. Jeder Gegenstand, von der Orgel bis zum letzten Bücherdeckel
herab, stellt sich wirklich und körperlich dar, er steht, liegt, lehnt frei,
und zeigt nur sich, nicht Farben. Zugleich ist eine Ruhe und künstlerische
Anordnung aller Dinge vorhanden, die vom Gefühle eines Meisters spricht,
dem Bilde einen grossartigen Ernst, und dem Beschauer einen völligen
Abschluss in seinem Gemüte gibt.**
') S. 54 f.
*) Vermischte Schriften, herausgegeben von Johannes Aprent, Bd. 1, S. 278.
— 75 —
Über die Lebensverhältnisse Maassens, der mir als biederes, freund-
liches, gutgelauntes altes Herrchen geschildert wird, gibt der Totenzettel
Auskunft, den ich wegen seines wannen Tones und seines von vertrauter
Bekanntschaft mit dem Verstorbenen zeugenden Inhalts gern wörtlich
wiedergebe :
„Er lebte seit 1851 mit Elisabeth geb. Trimborn, die ihm im Jahre
1877 in die Ewigkeit vorangegangen ist, in glücklicher Ehe. Er besuchte
frühzeitig die Akademie zu Düsseldorf, wo er sich mit grossem Fleisse
seinem Berufe als Maler widmete, und er hat sich in dieser Kunst durch
ernstes Streben und Schaffen, das vom Geiste der Wahrheit und Rein-
Tieit getragen war, ein bleibendes ehrenvolles Andenken erworben.
Mit dem lebendigen Glauben an die heiligen Religionswahrheiten
verband er einen bescheidenen und gottesfürchtigen Lebenswandel, einen
biederen Sinn und eine kindliche Herzensgüte; wie sein Leben erbaulich
war, so auch die Vorbereitung auf die Heimkehr zu seinem Erlöser, indem
er die Leiden seiner Krankheit mit christlicher Geduld ertrug und mit
grossem Tröste seinem Heilande entgegen sah, in dessen Hände er ver-
trauensvoll seine gläubige Seele empfahl; wohl vorbereitet durch den erbau-
lichen Empfang der heil. Sakramente der röm.-katholischen Kirche, ist er
zu Düsseldorf am 27. Mai 1886 (oflf) unter dem Gebete der Seinigen fromm
und ergeben im Herrn entschlafen.
Segnen wir das Andenken des lieben Dahingeschiedenen und beten
wir besonders beim heiligen Messopfer für seine gläubige Seele, damit sie
durch Jesus Christus zur ewigen Seligkeit gelangen möge.**
18. Aloys Hubert Michael VenthS
geboren zu Aachen am 21. Juni 1809 (oflF), daselbst gestorben am 22. Juli
1868 (oflf), war ein Schüler Bastin^s und hat später die Düsseldorfer Aka-
demie besucht, wo man grosse Erwartungen von ihm hegte. Er lebte in
Aachen und war Geschichts- und Portraitmaler, mir sind jedoch nur wenige
seiner Werke bekannt. Im hiesigen Suermondt-Museum befindet sich von
seiner Hand das im Jahre 1839 geraalt« kleine Bildnis des hiesigen Stifts-
propstes Classen. Herr Stadtrentmeister Zarth besitzt von Venth eine
kleine Winterlandschaft, die Aussicht aus dem Atelierfenster des Künstlers
darstellend: im Vorder- und Mittelgrunde ein Hof und Gebäulichkeiten, im
Hintergrunde der Salvator- und Lousberg, alles mit tiefem Schnee bedeckt.
Zwei von Venth auf Seide gemalte, sogenannte Schwenkfahnen mit
den Figuren der Gottesmutter und des hl. Aloysius besass das Kaiser-
Karls-Gymnasium hierselbst. Eine dritte derartige Fahne mit dem Bilde
des hl. Petms, welche der St. Petersverein in Aachen besass, war ausge-
zeichnet durch einen besonders schönen Arabeskenrand. Als ihr Stoff Ende
^) Naglor nennt ihn irrtümlich Alexander Venth (Kttustler-Lexikon Bd. XX,
(1850), S. 73).
— 76 —
der siebziger Jahre durch den vielen Gebrauch schadhaft geworden war,
wurde durch den Maler Billotte eine Copie hergestellt. Jetzt sind der-
artige Fahnen, welche nicht selten hohen Kunstwert besassen, meist durch
geschmacklose fabrikmässig hergestellte Samtfahnen mit steifen Stickereien
nach unkünstlerischen Vorlagen verdrängt worden.
19. Angnst Adolf Chauvin ^
Die Wiege dieses bedeutenden Künstlers stand in Lüttich, wo er am
25. Oktober 1810 geboren wurde ^ Aber schon in seinem sechsten Lebens-
jahre kam Chauvin nach Aachen, wo seinem Vater eine staatliche Stelle als
Verwaltungsbeamter übertragen war. Er besuchte hier nach der Elementar-
schule das Gymnasium und die Gewerbeschule; an letzterer Anstalt wurde er
auch sogleich als HülfslehVer verwendet. In Gemeinschaft mit Alfred Rethel
erlernte er bei Bastinß die Anfangsgründe im Zeichnen und Malen, wurde
aber dann Architekt^ blieb 4 — 5 Jahre ausübender Maurermeister und hatte
als solcher eine ziemlich ausgebreitete Beschäftigung. Inzwischen fand er
kein Genügen darin und es handelte sich bei ihm nur darum, wo und auf
welche Weise er am sichersten seine Liebe zur Malerei würde befriedigen
können.
Damals hatte das nahe Düsseldorf mit der Schadowschen Malerschule
bereits einen grossen Ruf gewonnen, und was Chauvin davon gehört und
gesehen, zog ihn mehr an, als Antwerpen und Brüssel. Er ging im Jahre
1831 nach Düsseldorf.
Schadow nahm den 21jährigen Jüngling, als er sein Anliegen vor-
brachte mit sehr bedenklicher Miene auf und stellte ihm die Schwierigkeit
seines Unternehmens eindringlich vor, bei der fortgesetzten festen Willens-
äusserung Chauvins entschloss er sich aber doch dazu, ihn einen Versuch
machen zu lassen. Chauvin musste eine Zeichnung machen nach dem Abguss
eines antiken Kopfes, und so befriedigend fiel diese aus, dass fortan Schadow
des eifrigen Jüngers sich mit besonderer Liebe annahm, und dass Chauvins
Vater sich mit dem Wagstück des Sohnes aussöhnte. Freilich hatte dieser
noch mit anderen Hindernissen zu kämpfen, als mit etwaiger Ungunst der
Kunst; er war sehr beschränkt in seinen Subsistenzmitteln, so dass er u. A.
genötigt war, sein Zimmer, ja eine Zeit lang sogar sein Bett, mit einem
andern armen Teufel zu teilen.
Das alles hinderte ihn aber nicht, eifrig der Kunst zu leben, und so
gelangte er denn auch bald an eine Erwerbsquelle, aus der er Befriedigung
seiner bescheidenen Ansprüche schöpfte: er wurde Zeichenlehrer des Prinzen
von Wied und blieb in dieser Stellung, die ihn immer auf mehrere Monate
im Jahr von Düsseldorf entfernt hielt, bis zum Jahre 1841.
^) Nach dem Aufsatze Ton £rnst Förster in Westermaims Jahrbuch der iUustirten
deutschen Monatshefte, Bd. XVII (Braunschweig 1865), S. 657, dem ein Portrait Chauvins
beigegeben ist.
^) Müller, Düsseldorfer Künstler S. 41 gibt irrtümlich an, Chauvin sei im Jahre
1818 zu Aachen geboren.
— 77 —
Talent nnd Fleiss hatten ihm bald eine achtenswerte Stellung ver-
schafft, die Offenheit, Festigkeit und Zuverlässigkeit seines Charakters ihm
bald mehr als einen guten Freund gewonnen. Mit Rethel war er von
früher her schon bekannt; von den anderen Kunst genossen war es vor-
nehmlich Christian Köhler, der Maler alttestamentalischer Fraueugestalten,
zu dem er in das innigste Freundschaftsverhältnis trat. Wohl auf seine
Veranlassung geschah es, dass dieser mit Schadow und noch 14 andern
Düsseldorfer Malern eine Reise nach Belgien unternahm, wobei Chauvin
das Amt des Führers übernahm. Es war dies die erste grössere deutsche
Ktinstlerfahrt nach Belgien, durch welche ein Verhältnis zwischen den beider-
seitigen Künstlern angeknüpft wurde, wenn auch die Teilnahme der Deutschen
vornehmlich von den Werken der altflandrischen Meister in Gent, Antwerpen
und Brügge in Anspruch genommen wurde.
August Chauvin hatte indessen mit einem , Abschied des Tobias*
seinen Eintritt in die eigentliche Künstlerlaufbahn bezeichnet. Er Hess
diesem Bilde ein zweites folgen mit einem Falkenjungen in mittelalterlicher
Tracht, der so allgemein gefiel, dass er alsbald in verschiedenen Variationen
von Anderen wiederholt wurde. Nun malte er in kurzer Zeit „Das Gebet
Mosis*, eine „Ruhe auf der Flucht"*, „Die Baumläufer**, ein heiteres und
sehr gefälliges Konversationsbild, den „Schutzengel**, „Hagar in der Wüste**
u. m. a., Gemälde, die sämtlich in Privatbesitz übergegangen sind.
Chauvin hatte sich so eingelebt in Deutschland, dass er bereits anfing,
sich ganz als Deutscher zu fühlen, als er plötzlich den Ruf bekam, an der
Kunstakademie seiner Vaterstadt eine Lehrerstelle zu übernehmen. Wie
schwer es ihm auch wurde, aus dem Kreis der Freunde und einem reichen,
vielbewegten Künstlerleben zu scheiden und einzutreten in eine Stellung,
in der ein grosser Teil seiner Zeit einer nicht künstlerischen Thätig-
keit gewidmet sein musste, und wo er für diese weder auf besondere Teil-
nahme, noch auf eine der Düsseldorfer ähnliche Genossenschaft rechnen
konnte, so tiberwog doch der Gedanke an einen ehrenvollen Wirkungskreis
mit festgegründeter Existenz um so mehr jedes Bedenken, als ihm damit
die Aussicht sich eröfi'nete, die Ergebnisse seiner Studien der deutschen
Kunst, der er sich mit ganzer Seele gewidmet hatte, auch in seine Heimat
übertragen zu können. Im Jahre 1841 zog er mit seiner jungen Frau,
einer geborenen Koblenzerin, nach Ltittich, wo er bei einem glücklichen
Familienleben eine immer weiter ausgedehnte Thätigkeit fand.
Von den Gemälden Chauvins hat vornehmlich eines vom Jahre 1849
eine grosse Verbreitung durch Nachbildung in Kupferstich, Lithographie
und Photographie gefunden: eine „Flucht nach Aegypten**, wo die heilige
Familie in einer Barke sitzt, und ihre Fahrt von einem Engel beschützt
wird. In der Werkstatt des Künstlers sah Ernst Förster (1865) ein ange-
fangenes Pendant dazu: eine „Ruhe auf der Flucht", ferner „Die Anbetung
der Könige", „Die drei Marien am Grabe Christi** und Carton und Farben-
skizze zu einem grösseren Gemälde „Die Bekehrung des Saulus**.
— 78 —
Im Besitze der Stadt Lüttich befinden sieh von Chauvin vier Gemälde:
Die letzte Sitzung der Bürgermeister Beeckmann und Lamelle im Rathause zu
Lüttich (1631), Judas Iscariot (Mattb. 27), ein Portrait des Bürgermeisters
Jamme (1830 — 1838) und ein grosses Geschichtsbild : „Der heilige Bischof
Lambert von Lüttich wirft Pippin von Heristal während eines Gastmahles
sein unsittliches Leben vor." Es verdient erwähnt zu werden, dass Cor-
nelius, der weder für die Bestrebungen der Düsseldorfer Schule, noch für
die Leistungen der belgischen Maler sehr eingenommen war, über dieses
Gemälde Chauvins sich gegen ihn wie gegen Andere mit grosser Aner-
kennung ausgesprochen hat. —
Ernst Förster entwirft von unserem Künstler folgende Charakter-
schilderung :
„Chauvin wurde in Düsseldorf von seinen Kunstgenossen nur ,der
Franzos' genannt. Er hat sich aber sowohl in seinem künstlerischen
Thun, als in seiner allgemeinen Denk- und Handelsweise deutsch und
Deutschen freundlich erwiesen. Unablässig war und ist er bemüht, der
deutschen Kunst, vornehmlich den Arbeiten der Düsseldorfer Schule, Ein-
gang und Anerkennung in Belgien zu verschaffen. In trauter Verbindung
ist er mit seinen alten Freunden geblieben und namentlich hat Köhler zu
wiederholten Malen in seinem Hause ausgedehnte Gastfreundschaft genossen.
Chauvin ist eine stramme, nervige Natur, obschon nicht ohne Spuren
einer anstrengenden Thätigkeit; frisch aber und elastisch, wo es Neues
aufzunehmen, Gutes und Nützliches zu schaffen gibt. Feurig in der Rede
und beredt im Vortrag, voll Phantasie und glücklicher, treffender Einfälle,
und unterstützt von einem nicht leicht wankenden Humor, ist sein Auf-
treten stets erfolgreich. Er ist ein treflücher, und bei seinem Reichtum
von Lebenserfahrungen unerschöpflicher Erzähler und darum überall will-
kommener Gesellschafter. Er verbindet auf die erfreulichste Weise deutsche
Gemütlichkeit mit französischer Lebendigkeit und Leichtigkeit, und wenn
bei beiner öffentlichen Thätigkeit die letzteren Eigenschaften mehr zu Tage
treten, so wird der Deutsche den eigenen Grundcharakterzug vornehmlich
in seinem Familienleben ausgeprägt finden.
Geist, Talent, Kenntnisse und Thätigkeit haben ihm sowohl die Achtung
seiner Mitbürger, als auch das Vertrauen der Regierung gewonnen, die ihn
häufig zu Kommissionen beruft oder mit Reisen beauftragt; erst im Jahre
1868 wurde er mit Direktor Alvin nach München geschickt, um Bericht
über die dortige Ausstellung der baierischen Zeichnungsschulen zu erstatten ^
Es liegt in den lokalen Verhältnissen, dass die Akademie zu Lüttich
besondere Rücksicht auf die Industrie und die Gewerke nehmen muss. Chauvin
lässt es sich sehr angelegen sein, nicht nur die besten Methoden des unter-
') Er erschien unter dem Titel: Expositions des travaux graphiques et plastiquea
exöcut^es dans les ^coles de Bavi^re, de France, et du royaume de Württemberg, rapport
adress6 ä M. Vandenpereboom, ministre de rinterieur par M. Alvin et M. Chauvin.
BruxeUes 1S63.
— 79 —
richts im Zeichnen, Modelliren und Malen zu ernuttehu sondern auch den
Geschmack der Schüler nach den besten Mustern zu bilden und die Kenntnis
der verschiedenen Stilarten ihnen beizubringen. Überhaupt logt er einen
grossen Wert auf wissenschaftlichen Unterricht» wohl wissend, dass Kennt-
nisse und Bildung dem Handwerker wie dem Künstler eine ehrenhaftere,
freiere Stellung in der Gesellschaft und einen grösseren Wirkungskreis
sichern. Wie er sich in seiner Vaterstadt einen dauernden Ruhm untl ein
dankbares Andenken gegründet, so ist ihm auch die Anerkennung seiner
Verdienste in weitere Kreise gesichert, und sowie viele deutsche Künstler
ihn zu ihren Freunden zählen, so wird die deutsche Kunst in ihm den
Verwandten erkennen und ehren."
Kommen wir noch kurz zurück auf Chauvins äussern Lobensgang.
Im Jahre 1856 wurde Chauvin interimistischer Direktor der Lütticher
Kunstakademie, 1858 übernahm er dieses Amt definitiv und er hat es bis
zum Jahre 1880 verwaltet, wo er mit dem Titel eines Khrendirektor» in
den verdienten Ruhestand trat. An Anerkennung seiner Verdienste hatte
es ihm auch sonst nicht gefehlt; er war Ritter des Leopold-Ordens (seit
dem 8. Oktober 1861) und korrespondirendes Mitglied der Königlichen
Akademie in Brüssel. Als er aber am 29. Mai 1884 das Zeitliche gesegnet
hatte, gestaltete sich die Begräbnisfeier nochmals zu einer grossartigen
Ehrung des verstorbenen Meisters. Alle staatlichen und städtischen (>ivil-
und Militärbehörden nahmen an derselben teil; (yhauvins NachfolgiT in der
Leitung der Akademie, Direktor Drion, schilderte in einer Rede den Lebens-
lauf des Verblichenen und hob seine grosse Bedeutung für die Kntwicke-
lung der belgischen Kunst hervor, das schönste Lob aber ward dem ver-
storbenen Künstler und Lehrer damals wie auch später bei dor Feier des
fünfzigjährigen Bestehens der Lütticher Kunstakademie aus dom Munde
seiner ehemaligen Schüler: dass er sie wie seine Kinder geliebt habe und
dass es sein unablässiges Bestreben gewesen sei, sie den Höhen der Kunst
zuzuführen ^
20. Lambert ClemenH Jakob Hewer.
Er wurde am 29. Mai 1820 (off)* zu Aachen geboren, war seit 1837
in Düsseldorf Schüler von Karl Sohn, bis er 1841 nach Paris ging, wo er
zunächst in das Atelier vim Paul Ddaroche trat, dann unter Ary ScheflTer
Copien nach alten Meistern ausführt*' und sirh <lom Kinfliisie der lebenden
französischen Maler hingab. 1847 kehrte er nach l>tj>-^i*ldorf zurück, wo
er, mit Ausnahme tr^ringer durch R^^is^'n verursachUrr (Jnterbn*chungen,
bis zu seinem Tode lebte. Wegen «einer hervorragenden Leistungen hatte
') Nekrol'^ unfl Hf-Tifhi über di« \jf'it'h*u{*-\f,r mit den Juden de» lürnktorn Vr'u/h
und dea Bildhaaerrf Achill** ('hainaw; in d^r Lriiti'her /jt-iuiui: ,f.a M*'»J4*'' St. W4 and
131 vom 30. Mai aud 2. Jiiüi ISH4. h. JVbeur, Ia- cinquantenaire de V'Aiiu\kmu: d*^«
beanxHtrU 1837— IS89. N^uvenir Amu <i*-ve. Li^jre \HH'a, p, 20.
*) Die Aüt:<i^f^ U;i W. Müller, l;tj-<(* Idorf«r Knti*U"f *;. 1V*J j*t nunnhüy;.
— 80 —
er den Professor -Titel erhalten. Er starb zu Bonn am 2. September
1884 (ofl).
Bewers Gemälde behandeln vorzugsweise romantische Gegenstände,
bei denen malerisch bunte Trachten, prächtige Stoffe und Geräte Gelegen-
heit zu malerischen Zusammenstellungen bietend „Die Zusammenstellung
ist weniger Komposition als Arrangement, aber trotzdem anmutig, hübsch
und massvoll. Ohne Zweifel kann man die Individualitäten tiefer und ent-
schiedener wünschen, sie zeigen indes feine und reine Formen und einen
ansprechenden Ausdruck; besonders lobenswert sind auch die Licht- und
Farben-Effekte. So eignen sich diese Bilder trefflich für den modernen
Salon." Dieses Urteil Wolfgang Müllers* über zwei Gemälde Bewers
(Tasso am Hofe zu Ferrara und der Sängerkrieg auf der Wartburg) mag
auch von seinen übrigen Werken gelten.
Bewer war auch Bildnismaler, und hier wird ihm ebenfalls Geschmack
und Eleganz nachgerühmt'.
Im Museum Wallraf-Richartz zu Köln findet sich von Bewer ein
grosses Ölgemälde: Judith mit dem Haupte des Holofernes. Die Düssel-
dorfer städtische Gemälde-Sammlung besitzt das Bild: Herodias' Tochter
empföngt das Haupt Johannes des Täufers, welches Bild der Kunstverein
für die Rheinlande und Westfalen dorthin gestiftet hat. Für diesen Verein
hat Bewer auch drei der im Eathaussaale zu Münster befindlichen Portrait-
bilder gemalt, darstellend den Minister von Fürstenberg, Freiherrn von
Stein und Clemens August von Droste-Vischering.
21. Leonhard Rausch.
Dieser Künstler wurde zu Jülich am 5. Februar 1813 (off) geboren
und starb zu Düsseldorf am 19. April 1895. Wolfgang Müller* zählt ihn
zu der Klasse naturalistischer Landschaftsmaler, welche ihre Motive meistens
in der Schweiz und in Tyrol holten, und er rühmt von ihm, dass seine
Bilder sich durch Fleiss und Naturtreue auszeichnen.
Ich erwähne ihn hier als Schöpfer von neuen hübschen, in Stahl
gestochenen Blättern mit Ansichten aus Aachen und seiner Umgebung
(ungefähr 18 — 20 cm breit, 15 — 16 cm hoch), aufweichen ein ausgeführtes
Mittelbild von darauf bezüglichen Randzeichnungen umgeben ist.
Diese Bilder sind:
1. Der Dom, im Rand Wolf, Artischocke, Evangelienstuhl, Kaiser-
stuhl, Kronleuchter und die hierunter befindliche Denkplatte.
2. Das Rathaus (vor der Restauration), im Rand die gothische Fassade.
*) Nach Ni essen, Führer in den geistigen Inhalt des Museums Wallraf-Richartz
in Köln.
') Düsseldorfer Künstler S. 159.
^ Niessen a. a. 0.
*) Düsseldorfer Künstler S. 347.
— 81 —
3. Der Elisenbrunnen, im Rand die Therme und die Büste der Königin
Elisabeth, Wappen u. s. w. (1842).
4. Das Theater, im Rand das Innere (1842).
5. Der Lousberg, im Rand die Salvatorkirche, die Sage von der Ent-
stehung des Lousbergs (Teufel und Bauernweib) und Ansicht von
Aachen (1842).
6. Burtscheid, im Rand der Viadukt, die Michaels- und Abtei-Kirche,
der Kurgarten (1843).
7. Frankenburg, im Rand die Schlossthürme, Sage vom Ring der
Fastrada (1842).
8. Drimbom, im Rand die im Wäldchen befindlichen Altertümer u. s. w.
(1842).
9. Emmaburg, im Rand die Sage von Eginhard und Emma (1842).
Mit Leonhard Rausch schliesst die Reihe der in Betracht kommenden
mir bekannten Maler, welche die Düsseldorfer Akademie besucht haben.
Im Anschlüsse an den eben genannten Maler folgen noch drei Künstler,
von denen ebenfalls Ansichten aus Aachen vorhanden sind\ Es sind dies:
22. Thomas Cranz,
Zeichner im architektonischen und landschaftlichen Fache, gebürtig aus
Neisse in Schlesien, seit längerer Zeit abwechselnd in Köln und Aachen
sich aufhaltend. Nach ihm wurden u. A. lithographirt:
Aachen und seine Umgebungen. Nach der Natur gezeichnet von Cranz.
Lithographirt bei A. Senefelder in Paris, herausgegeben in 6 Heften (zu 6 Blättern)
bei J. La Kuelle Sohn. Qu. 4^*
Er ist am 24. Juni 1853 im Bürger-Hospital zu Köln gestorben,
67 Jahre alt. In der amtlichen Eintragung ist sein Name mit K geschrieben.
Dieser Mann war als Zeichner nicht ohne Geschicklichkeit; auch mit der
Malerei hat er sich befasst.
23. Anton Wfinsch,
geboren zu Godesberg bei Bonn im Jahre 1800, hatte sich anfangs für die
Malerei bestimmt, der er jedoch entsagte, um sich der Lithographie zu
widmen. In Gemeinschaft mit F. A. Mottu errichtete er 1817 in Köln
eine lithographische Anstalt, für welche er mit angestrengtem Fleisse
gewirkt hat. Eine nicht unbeträchtliche Anzahl zum Teil sehr lobens-
*) Die Angaben über diese drei Künstler sind Merlos Werk über die Kölnischen
Künster (neu bearbeitet und erweitert von Firmenich-Richartz und Keussen, Düssel-
dorf 1895) wörtlich entnommen.
*) Angektlndigt in der Beilage zu Nr. 124 der Rheinischen Flora Bd. I (1825) das
Heft zu 1 Rtblr.
— 82 —
werter Blätter, welche er auf Stein gezeichnet hat, sichern ihm ein ehren-
volles Andenken in der Künstlergeschichte Kölns. Schon in seinem 33.
Lebensjahre wurde er durch Schwindsucht am 25. Januar 1833 dem
Irdischen entrissen.
Man hat u. A. von ihm ein Blatt: Frankenberg. Lith: v: Wünsch. Qu. 8^.
24. Anton Ditzler (Dietzler),
geboren zu Koblenz, Sohn des Landschaftsmalers Jakob Ditzler, widmete
sich ebenfalls diesem Fache und hat sich besonders durch eine Folge von
kleinen Panoramen der wichtigsten Städte und einiger durch Naturschönheit
oder geschichtliche Denkwürdigkeit berühmter Punkte aus der ßheingegend
und Belgien vorteilhaft bekannt gemacht; sie wurden, im Auftrage des
unternehmenden Kölner Buch- und Kunsthändlers F. C. Eisen und zum
Zwecke der Vervielfilltigung durch Kupferstich von Ditzler an Ort und
Stelle nach der Natur aufgenommen, zuerst gezeichnet und dann nach
einem gleichförmigen, sehr beschränkten Massstabe, genau mit dem Um-
__ ••
fange der Kupferstiche in schmal gr. Qu. Folio übereinstimmend, in Ölfarbe
ausgeführt, und zwar mit solcher Treue und Sauberkeit, dass man diesen
fleissigen Arbeiten, für das, was sie sein sollen, eine gerechte lobende
Anerkennung nicht wird versagen dürfen. Sie wurden von schweizer
Künstlern in Aquatinta-Manier gestochen und zwar die Ansicht von Aachen
durch den Kupferstecher Ruff.
Mitten in einem strebsamen und sehr thätigen Wirken starb Ditzler
zu Köln am 27. April 1845, erst dreissig Jahre alt.
Noch verdient erwähnt zu werden, dass Ditzler eine ungemeine
Geschicklichkeit im Copiren der Werke anderer, auch alter Meister besass.
Es gibt in dieser Art Arbeiten von ihm, die in der That zur Täuschung
geeignet waren.
Wir haben jetzt noch die Berufsmaler zu behandeln, welche ausser-
halb Düsseldorfs ihre künstlerische Ausbildung erhielten.
25. Ludwig Schleiden.
Dieser Künstler wurde am 4. Dezember 1802 geboren ^ Seine Eltern
stammten aus Aachen; hier und in dem nicht weit entfernten holländischen
Städtchen Sittard bei Verwandten seiner Mutter hat er auch seine Kinder-
jahre verlebt.
„In frühester Jugend widmete er sich mit vielem Talent und bestem
Erfolge der Malerkunst und ward von den Freunden dieser schönen Kunst
viel gesucht und gerühmt 2. " Er hatte in Aachen, wie fast alle seine dortigen
*) Nach dem Totenzettel, auf dem der Geburtsort nicht angegeben ist. In die
Geburtsregister der Stadt Aachen ist Schleideus Geburt nicht eingetragen.
«) Totenzettel.
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Kunstgenüssen jener Zeit, im Zeichnen und Malen Unterricht von Bastinß
erhalten und sich dann zu seiner weiteren Ausbildung nach Paris gewandt;
welchem Meister er sich dort angeschlossen, konnte jedoch nicht ermittelt
werden. Nach der Rückkehr von Paris Hess Schieiden sich in Aachen
nieder. Er war Portrait- und Geschichtsmaler. Es gibt von ihm ein
Gemälde, welches den Tod des Grafen Wilhelm IV. von Jülich, der bei
dem Überfalle Aachens in der Nacht vom 16. zum 17. März 1278 erschlagen
ward, zum Gegenstand hat. Wo dieses Bild sich jetzt befindet, ist mir
nicht bekannt.
Schieiden war der vertraute Freund des Malers Billotte, mit dem er
seine täglichen Spaziergänge machte. Der Totenzettel rühmt ihn als ehren-
haften, pflichttreuen und opferwilligen Mann, ein Lob in das die, welche
ihn noch gekannt haben, einstimmen. Er war nicht verheiratet und starb
zu Aachen am 7. September 1862 (oflf)-
26. Karl Schmid.
In der Einleitung des vorliegenden Aufsatzes lernten wir diesen Maler
schon als Schöpfer trefflicher, in einer hiesigen Gemälde-Ausstellung des
Jahres 1837 befindlicher Portraits kennen. Genaueres habe ich jedoch
über seine Lebensumstände nicht erfahren können.
Eaczynski, welcher ihn den Bildnis-Malern der Berliner Schule zuzählt,
hat über ihn den folgenden Vermerk*:
Schmidt Karl; jetzt (1839) ungefähr 34 Jahre alt Er ist aus Berlin, und
lebt seit mehreren Jahren in Aachen. Er ist als Portraitmaler sehr ausgezeichnet.
Das Bild des Obersten von Schepeler ist eines der ähnlichsten und besten, die ich
von ihm gesehen habe.
Nagler * hat aus Unkenntnis der französischen Übersetzung des Wortes
Aachen unserem Maler die beiden nachstehenden, einander unmittelbar
folgenden Artikel gewidmet, die sich vielleicht ergänzen:
Schmidt oder Schmid Carl, Maler, bildete sich um 1820 auf der Akademie
in Berlin, lieferte aber schon zu dieser Zeit schätzbare Werke. Diese bestehen in
Bildnissen, so wie in Copien nach historischen und landschaftlichen Originalgemälden
berühmter Meister. Später begab sich der Künstler nach Frankreich, zunächst nach
Paris, wo er mehrere Portraite, auch historische Darstellungen und Genrebilder
malte und BeifaU erntete. Nach einiger Zeit scheint er sich zu AiX'la-Ohapelle
niedergelassen zu haben.
Schmidt oder Schmid Carl, Maler zu Aachen, erhielt daselbst den ersten
Unterricht im Zeichnen, und begab sich dann zur weiteren Ausbildung nach Berlin,
wo er an der Akademie der Ktlnste seine Studien fortsetzte. Er studirte auch die
Kunstschätze der k. Gallerie und copirte mehrere Werke derselben, besonders im
historischen Fache, da er selbst der Historienmalerei sich widmete. Die Werke
dieser Art gehören aber zu den selteneren, da der Künstler meistens Bildnisse
malte, Brustbilder und ganze Figuren, teilweise in Lebensgrösse. Überdies hat man
*) Geschichte der neueren deutschen Kunst, Bd. III, S. 133.
») Künstler-Lexikon Bd. XV (1845), S. 293.
— 84 -
auch einige Genrebilder von der Hand dieses Meisters. Ira Jahre 1841 copirte er
die Bildnisse Napoleons und der Kaiserin Josephine, welche der König von Pr«»ussen
der Stadt Aachen geschenkt hatte ^ Schmidt ist Professor der Zeichenkunst in Aachen.
Im Aachener Adressbuch von 1845 (die darauf folgenden Jahrgänge
standen mir nicht zur Verfügung) wird Schmid, welcher den Professor-
Titel führte, noch als Portraitmaler aufgeführt; in den fünfziger Jahren
soll er nach Manchester verzogen und dort gestorben sein.
27. Peter Ludwig Kühnen.
Vaterstadt dieses Malers ist Aachen, wo er am 14. Februar 1812
(oflf) geboren wurde. Seine grossen Anlagen zur Zeichenkunst zeigten sich
sehr frühe, so dass er, mit 13 Jahren verwaist, durch die Stadtverwaltung
die nötige Beihülfe erhielt, um sich als Lithograph ausbilden zu können.
Als solcher arbeitete er bei der hiesigen Firma La Ruelle & Co., die ihn
durch überaus günstige Bedingungen an ihr Haus band. Kühnen strebte
jedoch weiter. Seine freien Stunden benutzte er unter Bastin^s Leitung
zu Übungen in der Malerkunst. Zunächst malte er Wappen und Miniatur-
bilder, und die grosse Genauigkeit, welche er bei diesen Arbeiten anwandte,
verschaffte ihm bald einen weiten Ruf. Namentlich als Portrait-Miniatur-
maler leistete er Tüchtiges und er kam hierdurch in Beziehungen, welche
ihn veranlassten, sich in Belgien niederzulassen. Der Herzog Prosper von
Aremberg beauftragte ihn Mitte der dreissiger Jahre die Bildnisse seiner
Söhne zu malen. Durch diese Bilder wurde er in den Kreisen belgischer
Kunstliebhaber bekannt und von diesen aufgefordert, Brüssel zu seinem
Wohnorte zu wählen. Kühnen kam ihrem Wunsche im Jahre 1836 nach,
war jedoch kaum nach Brüssel gezogen, als ihn in Folge des bei seiner
Kunstgattung notwendigen fortwährenden Gebrauchs der Lupe eine Augen-
krankheit befiel, die ihn, auch nachdem er wiederhergestellt war, zwang,
dieser Art der Kunstthätigkeit zu entsagen.
Kühnen widmete sich nun der Landschaftsmalerei und hierin fand
er erst seinen wahren Beruf. Seine Fortschritte waren ausserordentlich
und stärkten seinen immer wachsenden Ruf. Im Jahre 1842 erkannten
ihm die Preisrichter des Brüsseler Salon die silberne Medaille zu; drei
Jahre später erhielt er die goldene Medaille. Im Jahre 1846 stellte er
in Paris aus und trug den höchsten Ehrenpreis davon. Mit demselben
Glücke stellte er in der Folge auf verschiedenen Ausstellungen Europas
und Amerikas aus.
Einen besonderen Verehrer seiner Kunst hatte Kühnen in dem Könige
der Belgier Leopold L, der ihn auch für seine Tochter Charlotte, die nach-
malige unglückliche Kaiserin von Mexiko, als Lehrer im Zeichnenund Malen
^) Diese Angabe ist anrichtig. Die beiden Bilder sind ein der Stadt von Napoleon
gemachtes Qeschenk. ISIS Hess Friedrich Wilhelm III. sie nach Berlin überführen,
Friedrich Wilhelm IV. gab sie im Dezember 1840 nach Anfertigung einer Copie der Stadt
zurück. (Pick, Aus Aachens Vergaugeuhcit. Aachen 1895, S. 522 f.)
— 85 —
wählte. Es zeugt von der Anhänglichkeit, welche die Kaiserin ihrem ehe-
maligen Lehrer bewahrt hatte, dass ihm auf ihre Veranlassung Kaiser
Max um Neujahr 1865 den Orden Unserer Lieben Frau von Guadalupe ver-
lieh. Das Ritterkreuz des Belgischen Leopoldsordens hatte Kühnen schon
am 10. Oktober 1856 erhalten.
Nicht allein als Landschaftsmaler hat Kühnen Hervorragendes ge-
leistet, er schuf auch treffliche Zeichnungen und Eadirungen, die von den
Liebhabern sehr gesucht werden.
Kühnen starb zu Brüssel am 22. November 1877.
Landschaften von ihm befinden sich in der Mus6^ moderne zu Brüssel
und in unserem Suermondt-Museum (Flusslandschaft, im Treppenhaus Nr. 278).
Wie Kühnen war auch seine Gemahlin
28. Fran Anna Barbara Josephina Hnbertina Knhnen,
geb. Beckers
eine tüchtige Landschaftsmalerin. Sie wurde geboren zu Aachen am
23. November 1807 (oflf) und starb zu Brüssel am 9. Mai 1867 im 84. Jahre
einer glücklichen Ehe.
29. Georg van Haanen
wurde am 23. August 1807 (off) in Utrecht geboren, den Abend seines
Lebens verlebte er in Burtscheid, wo er am 17. Juli 1879 (off) gestorben
ist. Weitere Lebensnachrichten über ihn kann ich nicht geben.
Nagler^ bringt über einen Maler C. van Haanen die folgende Notiz:
„C. van Haanen, ein jetzt lebender Maler zu Utrecht, dessen Landschafts-
bilder mit Achtung genannt werden müssen. Seiner wird im Kunstblatt
1835 Nr. 75 erwähnt, und da heisst es, dass sich seine Werke an jene
Schoteis verdienstlich anreihen.**
Auch Raczynski berichtet von einem Maler van Haanen in Utrecht,
dessen Werke er auf einer Reise durch Holland im April 1838 kennen
lernte. „Kirchen von Innen, gotische Bogen-Gänge, dies sind die Gegen-
stände, die er am häufigsten behandelt. Seine Arbeiten werden geschätzt** ^
Ob sich die Angaben dieser beiden Schriftsteller auf unseren Maler
beziehen, oder vielleicht auf seinen Vater, welcher den Vornamen Casparis
führte, kann ich nicht entscheiden. Ich habe die Stelle aus Nagler her-
gesetzt, weil sich unrichtige Vornamen auch sonst in seinem Künstler-
Lexikon finden.
Von unserem Maler Georg van Haanen befanden sich fünf kleinere
Ölgemälde in der Sammlung des Dr. Portz, welche im August 1880 hier-
selbst versteigert wurde.
Es waren dies zwei Waldlandschaften, eine Mondscheinlandschaft, ein
») Künstler Lexikon Bd. V (1837), S. 478.
*) Geschichte der neueren Kunst Bd. III, S. 459 und 465.
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brennendes Dorf an einem Flusse bei Mondbeleuchtung und ein Genre-
geraälde: Ein Kind droht einem Hunde, der aus dem Küchenschranke ein
Stück Fleisch gestohlen hat.
30. Franz Ewerbeck ^
Ewerbeck wurde geboren am 15. April 1839 zu Brake bei Lemg-o
in Lippe-Detmold. Nach bestandener Abgangs-Prüfung am Gymnasium zu
Lemgo besuchte er von 1857 — 61 das Polytechnikum zu Hannover und
die Bauakademie zu Berlin. Im Anschlüsse daran unternahm er seine
erste und für sein ganzes späteres Leben bedeutungsvolle Studienreise
durch Frankreich, das nördliche Spanien, Nord- und Mittelitalien und Süd-
deutschland und trat dann nach seiner Rückkehr auf Hases Bureau in
Hannover ein. Bis Herbst 1863 finden wir ihn mit Unterbrechungen dort
thätig, während er durch Fortsetzung seiner Studien auf dem Polytech-
nikum zu Hannover sowie durch zeitweiligen Besuch der Kunstakademie
zu Nürnberg und mehrere Studienreisen durch Süddeutschland und West-
falen seinen künstlerischen Gesichtskreis beständig zu erweitern strebte.
Schon jetzt errang er sich durch Veröffentlichung der auf seinen Reisen
gesammelten Skizzen (1864 bei Schmorl und von Seefeld, Hannover), die
vermöge der genialen Darstellung grosses Aufsehen erregten und besonders
in den Kreisen der Hannoverschen Schule begeisterte Anerkennung fanden,
einen ehrenvollen Namen.
Nach kurzer Thätigkeit beim Bau des Königl. Schlosses Marienburg
übernahm Ewerbeck sodann im April 1864 die Bearbeitung der Pläne für
die Hochbauten der Bahn Almelo-Salzbergen und der nicht zur Ausführung
gelangten Strecke Harlingen-Heerenveen. Daran schlössen sich in den
nun folgenden Jahren Entwurf und Ausführung der Bahnhöfe zu Bentheim
und Gildehaus. Neben dieser Thätigkeit ward ihm vielfach Gelegenheit,
in grösseren und kleineren Privatbauten verschiedenster Stilforraen sein
vielseitiges Talent zu schulen.
Im Februar 1867 wandte sich Ewerbeck wieder nach Hannover, um
auf dem Bureau der dortigen Eisenbahn-Direktion ausser Entwürfen zu
Empfangs- und Dienstgebäuden für Hannover die Hochbauten der Süd-
Harzbahn zu bearbeiten. Nach IV2 Jahren bot sich ihm eine vorteilhafte
Stellung in Osnabrück bei der Paris-Hamburger Bahn unter dem Ober-
baurat Funk, in der er bis zum Jahre 1870 verblieb. In diesem Jahre
folgte er dem ehrenvollen Rufe an die neuerrichtete Königl. Technische
Hochschule zu Aachen, wo er als Lehrer der Architektur bis zu seinem
Lebensende eine fruchtbringende und vielseitige Wirksamkeit entfaltet hat.
*) Aus dem Nekrolog in der deutschen Bauzeitung, 23. Jahrgang, Berlin 1889, S. 830.
Ein in den Mitteilungen des K. K. Oestorr. Museums für Kunst und Industrie. N. F.
Jahrgang IV, S. 444 enthaltener Nekrolog ist notirt in der Zeitschrift des Aachener Ge-
schichtsvereins Bd. XII, S. 340.
— 87 —
Auch in Aachen fand Ewerbeck neben seinem Lehramte Müsse zu
einer rastlosen privaten Thätigkeit; viele Entwürfe und Bauausführungen
entstanden, unter denen als Hauptwerk die künstlerische Gestaltung des
neuen chemischen Laboratoriums der Technischen Hochschule zu Aachen
hervorzuheben ist. Grosse Erfolge erzielte er ausserdem durch Bearbeitung
zahlreicher Entwürfe und Wettbewerbungen, unter denen mehrere den
ersten Preis davontrugen. U. a. sind hier zu erwähnen die mit dem ersten
Preise gekrönten Entwürfe zum Bahnhofe der Aachen-Jülicher Bahn und
zum Bau eines Atriums für den Dom zu Aachen, dessen künstlerische Aus-
gestaltung zu seinen Lieblingsplänen gehörte. Der hochbedeutende Ent-
wurf zur Wiederherstellung der Kathausthürme in Aachen, der durch einen
unglücklichen Formfehler gegen das Programm von der Preisbewerbung
ausgeschlossen werden musste, brachte ihm nicht geringeren Ruhm ein.
Als eine mit besonderem Reiz ausgestattete Arbeit der letzten Jahre ist
der gleichfalls durch eine Wettbewerbung veranlasste Entwurf für den
Kölner Volksgarten zu nennen.
In den weitesten Kreisen machte sich Ewerbeck bekannt durch seine
zahlreichen und vorzüglichen Veröffentlichungen. Hier, vor allem in der
unübertrefflichen Darstellung dessen was er erdacht oder auf seinen vielen
Reisen geschaut, ist auch wohl der Schwerpunkt seiner künstlerischen
Lebensthätigkeit zu suchen. Seine köstlichen, mit vollendeter Meister-
schaft hingeworfenen Aquarelle und die prächtigen Aufnahmen, besonders
farbiger Dekorationen sind wohl nur engern Kreisen bekannt geworden,
ihretwegen verdient er aber voll und ganz einen Platz in der Reihe
Aachener Maler. Um so weitere Verbreitung fanden seine architektonischen
Reiseskizzen — so das schon erwähnte Erstlingswerk, sowie insbesondere
die Hauptarbeit der letzten Jahre, die Renaissance in Belgien und Holland,
ausserdem zahlreiche grössere und kleinere Aufsätze und Darstellungen in
den verschiedensten Zeitschriften, in denen er mit besonderer Vorliebe
Gegenstände der Dekoration und des Kunstgewerbes alter und neuer Zeit
behandelte. Sein letztes Werk, eine Auswahl eigener Entwürfe (Berlin
bei Ciaessen) förderte er noch bis zu seinen letzten Tagen mit unermüd-
lichem Eifer.
In der Fülle der Schaffenskraft erlag Ewerbeck, nach kaum voll-
endetem 50. Lebensjahre einer schweren Nervenkrankheit, die ihn infolge
von Überanstrengung, mitten in der Bearbeitung der im Februar 1888
ausgeschriebenen Preisaufgabe zu einem Gesellschaftshaus christlicher Kauf-
leute in Breslau, befallen hatte. In wunderbarer Weise war ihm auch
während seines länger als ein Jahr währenden Leidens der wunderbare
Schaffenstrieb erhalten geblieben; es war als ob beim Hinsiechen seiner
körperlichen Kräfte die Energie seines Geistes fort und fort sich gesteigert
hätte. Noch wenige Wochen vor seinem Ende unternahm der todkranke
Mann eine Reise nach Brüssel, um dort Studien zu machen und Geschäfte
für seine Bauausführungen abzuschliesseu. Eine Brustfellentzündung, die
— 88 —
er sich hierbei zuzog, brachte den völlig abgezehrten Körper zu Falle.
Widerstrebend, fast bis zur letzten Stunde rastlos schaffend, rang sich der
feurige Geist endlich los von seiner kraftlosen irdischen Hülle und nach
hartem Kampfe entriss ihn der erlösende Tod seiner Familie und seinen
zahlreichen Freunden. Ewerbeck starb zu Aachen am 16. Juni 1889 (off)-
Ein echter Künstler, ein pflichttreuer, von seinen Schülern begeistert ver-
ehrter Lehrer, ein edler, liebenswürdiger Mensch ist in ihm zu Grabe
getragen worden.
Zwei Aquarelle Ewerbecks befinden sich unter Glas und Rahmen ira
Kupferstich-Kabinet unseres Suermondt-Museums. Sie stellen dar ein Stadt-
thor zu Kampen in Holland und die Kirche zu Wilderswyl in der Schweiz.
31. Maximin (Max) Wilhelm Hubert Kratz
wurde anj 5. Novejnber 1810 (off) zu Comelimünster bei Aachen geboren
und starb zu Aachen am 22. Juli 1889 (off). Er war namentlich geschätzt
als tüchtiger Bilderrestaurator, daneben malte er Landschaften, er hat
aber auch Geschichtsbilder gemalt. So befand sich von ihm in der schon
erwähnten Sammlung des Dr. Portz neben fünf Flusslandschaften (darunter
vier mit Mondlicht) auch eine Grablegung Christi.
32. Johann Peter Neidinger
wurde zu Trier am 22. Februar 1811 (off) geboren. Am I.Oktober 1844
wurde er als Nachfolger Bastin^s Zeichenlehrer am hiesigen (Kaiser Karls-)
Gymnasium und er hat diese Stelle bis zu seinem am 20. Dezember 1875
(off) erfolgten unerwarteten Hinscheiden bekleidet.
Soviel ich weiss, hat er nicht gemalt, war aber ein geschickter
Zeichner. Nicht ohne poetische Anlagen war Neidinger auch ein beliebter
Gesellschaftsredner und der Verfasser vieler Festgedichte und geselliger
Lieder.
33. Karl Alexander Lambris
wurde am 18. Mai 1841 (ofl) zu Düsseldorf geboren, hat aber den grössten
Teil seines Lebens in Aachen zugebracht, wo er auch am 28. Mai 1896
(off) gestorben ist. Lambris war Architekt und ein Zeichner von hervor-
ragender Begabung, der namentlich für kunstwissenschaftliche Werke viele
Zeichnungen angefertigt hat, ich führe z. B. an das bekannte von unserem
Mitbürger Dr. Franz Bock herausgegebene dreibändige Werk „Rheinlands
Baudeökmale des Mittelalters**. Als Nachfolger Salms war Lambris später
Zeichenlehrer an mehreren hiesigen höheren Schulend
*) Lambris' Vater, Matthias L. geboren zu Krefeld, 60 Jahre alt gestorben zu Aachen
am 5. September 1877 (off) war Lithograph. Von ihm gibt es eine lithographisch ver-
vielfältigte künstlerische Spielerei, eine aus nur zwei ununterbrochenen Linien gezeichnete
Abbildung des Reiterstandbildes des Kurfürsten Johann Wilhelm auf dem Markte zu
Düsseldorf, umgeben von einer verschnörkelten Eahmenverzierung.
— 89 —
Den vorgenannten Künstlern reihe ich noch einige Dilettanten an,
welche auch die schöne, Niemanden zur Last fallende Kunst der Malerei
g-epflegt haben.
34. Jakob Joseph Hubert Lanffs,
geboren zu Aachen am 15. Mai 1804 (off) und daselbst am 12. Oktober 1875
(oflf) gestorben, war emeritirter Pfarrer und bis zu seinem Tode Geistlicher
an dem im Sommer 1896 abgetragenen St. Michaels-Kapellchen auf dem
katholischen Kirchhofe am Adalbertssteiuweg. Der fromme und würdige
Priester hat sich während seines ganzen Lebens gerne mit Zeichnen und
Malen beschäftigt. Er malte religiöse Darstellungen, arme Kirchen ver-
danken ihm auch gemalte Mittelschilder für Kirchenfahnen.
35. Johann Willems,
geboren zu Aachen am 5. April 1807 (off), ein Schullehrer zu Burtscheid,
erhielt seine Ausbildung im Seminar zu Brühl. Er lebte 37 Jahre in glück-
licher Ehe mit Katharina Oslender, welche zehn Jahre vor ihm das Zeit-
liche segnete. Am 29. Januar 1877 feierte Willems sein fünfzigjähriges
Lehrerjubiläum, bei welcher Gelegenheit er den Adler der Inhaber des
hohenzoUemschen Hausordens erhielt. Er starb zu Burtscheid am 1. Juli 1884
(off). Vielseitig künstlerisch veranlagt (er war vor allem ein tüchtiger
Geigenspieler) hat Willems sich auch mit der Malerei befasst, und seine
kleinen Landschaftsbildchen, die er wohl in der früheren Jacobischen per-
manenten Gemälde-Ausstellung ausstellte, sind in vielen Häusern unserer
Stadt zu finden.
36. Nikolaus Joseph Balck,
ein Kunsttischler und Holzschnitzer, wurde zu Aachen am 10. Mai 1812
(off) geboren. „Bis zu seinem Alter war derselbe ein begeisterter und
begabter Jünger der christlichen Kunst, und manche Kirche ist geziert
durch erbauendes Bildwerk von seiner Hand^" In seinen Mussestunden
beschäftigte Balck sich auch mit der Malerei und zwar copirte er Bilder
religiösen Genres, es gibt von ihm z. B. eine Copie des im hiesigen Museum
befindlichen, dem Franzisco de Zurbaran zugeschriebenen Bildes, das den
hl. Franziskus darstellt (Saal IV, Nr. 301). Balck starb zu Aachen am
17. September 1887 (off).
37, Dr. Matthias Hubert Debey (De Bey)^
geboren zu Aachen am 23. August 1817 (off), daselbst gestorben am 19. März
1884 (off) war nicht allein ein tüchtiger Arzt, sondern auch ein eifriger Pfleger
0 Totenzettel.
*) Nekrolog von J. Becker Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins Bd. IX, S. 233.
— 90 —
der Kunst, was seine unser Münster und Rathaus betreffenden Schriften
und sein „Büchlein geistlicher Lieder" beweisen. Aber auch der Malerei
hat Debey sein Interesse zugewandt, er besass eine nicht unansehnliche
Bildersammlung und hat selbst nach altdeutschen Vorbildern gemalt.
38. Jakob Gustav Compes,
Oberpfarrer, Ehrenstiftsherr und Deflnitor, wurde am 22. Mai 1832 in
Korschenbroich geboren. Am 1. September 1857 in Köln zum Priester
geweiht, war er nacheinander Kaplan in Borbeck, an St. Andreas in Köln,
Pfarrverwalter in der Diözese Speyer, Kaplan an St. Jakob in Aachen,
Pfarrer in Bleibuir und seit dem 30. August 1886 bis zu seinem Tode an
St. Foillan in Aachen. Er starb zu Aachen am 12. Mai 1890 (oflf). Compes
war Landschaftsmaler.
Es soll endlich hier noch einer Künstlerin Erwähnung gethan werden,
welche zwar weder gemalt noch gezeichnet hat, aber trotzdem in den
Rahmen dieser Arbeit hineinpasst und auch wohl zu verdienen scheint, dass
ihr Andenken erhalten bleibe. Es ist dies
39. Johanna Maria Agnes Hnbertina Scharschmann,
geboren zu Aachen am 16. Juli 1819 (off), daselbst gestorben am 5. November
1847 (oflf). Von ihr heisst es in dem Berichte * über eine Gemäldeausteilung,
welche 1848 im Haamannschen Saale hierselbst stattfand, nachdem zuerst
eine Anzahl spätmittelalterlicher Bilder besprochen worden:
„Von der deutschen Schule sei es gestattet, im Vorübergehen einen
Blick auf die , Aachener Schule vom jüngsten Datum* zu werfen.
Wir haben schon bei einer früheren Ausstellung auf die ganz im
Geiste der alten Kunst, ohne allen vorherigen Unterricht im Zeichnen,
erfundenen und in schwarzem oder farbigem Papier ausgeschnittenen Ar-
beiten der im vorigen Jahre nach ISjähriger unausgesetzter Krankheit
verstorbenen Agnes Scharschmaim aus Aachen aufn(?erksam gemacht. Da-
mals gewannen die vier Bilder aus dem Jahre 1844 Anerkennung. Seitdem
hat die Künstlerin bis zum Ende ihres Lebens bedeutende Fortschritte
gemacht, wie die vorliegende, aus den Leistungen der Jahre 1844 — 1847
getroffene Auswahl von 28 der besten Arbeiten beweist. Die Schönheit
der Komposition, die Vollendung der Zeichnung haben mehr noch als die
Überwindung der technischen Schwierigkeiten bei Mangel alles Unterrichts
tüchtige Kunstkenner in Staunen gesetzt. Wir hegen die Hoffnung, dass
ein künftiges städtisches Museum die besten Werke unserer verewigten
Mitbürgerin der Nachwelt aufbewahren werde, und dass ihnen dann eine
*) Echo der Gegenwart, Jahrgang I, Nr. 5 vom 16. Juli 1848.
^m I
— 91 —
bessere Stelle wird eingeräumt werden, als man ihnen in der gegenwärtigen
Ausstellung anzuweisen für gut gefunden hat/
Weiteres über diese Künstlerin kann ich nicht mitteilen.
Zum Schlüsse mögen einige Mitteilungen über Aachener Bildersamm-
lungen Platz finden.
Es gab im Laufe dieses Jahrhunderts in Aachen mehrere Gemälde-
Sammlungen von bedeutendem Bufe.
Der am 1. März 1887 in Aachen verstorbene Barthold Suermondt*
hat zweimal eine grosse Gemälde-Sammlung zusammengebracht. Die erste
Sammlung, welche auch die von Suermondt 1852 erworbene Gallerie (etwa
150 Bilder) des Obersten von Schepeler umfasste, welcher preussischer
Geschäftsträger in Madrid gewesen und den Abend seines Lebens in
Aachen verlebt hatte, wird im amtlichen „Führer durch die Königlichen
Museen zu Berlin* als die beste Privat-Gallerie Deutschlands bezeichnet.
Sie ging 1874 durch Kauf zum grössten Teil in den Besitz des Preussi-
schen Staates über und bildet jetzt einen Teil der Königl. Gemälde-Gallerie
in Berlin.
Der Hauptbestand der zweiten Suermondtschen Sammlung, mehr als
130 Bilder, wurde in den Jahren 1882 und 1883 von Suermondt der Stadt
Aachen geschenkt. Suermondt gründete durch dieses reiche Geschenk die
Gallerie des nach ihm benannten städtischen Suermondt-Museums.
Ich übergehe eine Reihe kleinerer Gemälde-Sammlungen, wie sie in
Führern durch Aachen, Adressbüchern u. s. w. aufgeführt werden und
will nur noch die Bettendorfsche Sammlung kurz erwähnen.
Diese Gemälde-Sammlung aus dem Anfange dieses Jahrhunderts ent-
hielt ungefähr 370 Bilder, darunter Werke der Gebrüder van Eyck, „herr-
liche" Memlings^, ferner Gemälde von Dürer, Hugo van der Goes, Bernhard
van Orley, Rogier van der Weyden, Rubens, Titian, Correggio u. s. w. Ende
der zwanziger Jahre ward die Sammlung zersplittert*. Sie war zu ihrer
Zeit weit berühmt und wurde vielfach von Künstlern und Kunstfreunden be-
sichtigt. Während des Monarchen-Kongresses im Jahre 1818 hatte König
Friedrich Wilhelm IIL sie in Begleitung des Kronprinzen und seines Gefolges
in Augenschein genommen*. Fünf Jahre später sah sie Johann Friedrich
Böhmer, der bekannte Frankfurter Historiker und begeisterte Patriot*.
') Nekrolog in der Zeitschrift des Aachener Geschieh ts Vereins Bd. IX. S. 235.
*) Raczynski a. a. 0. Bd. I, S. 96.
•) Qu ix, Hist.-topogr. Beschreibung der Stadt Aachen S. 121. — Ein Gedicht von
J. ß. Rousseau auf ein altdeutsches Marienbild der Bettendorfschcn Gemälde-Sammlung,
Rheinische Flora, I. Jahrgang (1825), S. 762.
*) Meyer, Aachen, der Monarchen-Kongress im Jahre 1818. Aachen 1819, S. 72.
*) Janssen, Johann Friedrich Böhmers Leben, Briefe und kleinere Schriften. Frei-
barg i. Er. 1868, Bd. I, S. 99.
— 92 —
Böhmer war damals eifrig mit Kunststudien beschäftigt. „Mir war*, schrieb
er, „der Satz klar geworden, den einer meiner Lieblingsdichter irgendw^o
ausspricht: ,Das Schöne will das Heilige bedeuten', und fortan liess ich
mir .die näheren Kenntnisse der Gegenstände deutscher Malerei angeleg-eii
sein, und liess Andere über die Verzeichnungen der Hände und Fasse sich
unterhalten, womit sie sich, wie ich höre, auch noch beschäftigen und also
wohl nie, die Extremitäten verlassend, zu dem Herzen vordringen werden. **
„Die ächte Kunst ist eine Predigt vom Jenseits, eine Predigt des Evan-
geliums d. h. der Demut und Selbstverläugnung.** Und in diesem Sinne
schrieb er unter dem Eindrucke, den die Bettendorfsche (Tallerie auf ihn
gemacht, einem Freunde das folgende Sonett ins Stammbuch:
Zur schönen Kunst meint* ich den Schritt zu lenken,
Als ich hetrat des Bildersaales SchweUe,
Doch edler Saft floss mir aus dieser Quelle,
Mit höherer Labung meinen Durst zu tränken.
Mich selbst vernichtend musst' ich mich versenken,
Van Eyck, so tief in deiner Landschaft Helle,
Und Hemlings Farbenglut verbrannte schneUe
Zu besserem Phönix aU' mein irdisch Denken.
Nicht Maler, nein, Apostel seid ihr Meister,
Das ew'ge Wort, ihr sprecht es aus in Farben;
Nicht Ohren zwar, doch predigt ihr den Augen.
Abglanz des Beichs, das ihr, verklärte Geister,
Nun schaut, um welches eure Märtyrer starben,
Ist mir vergönnt, aus euerem Werk zu saugen.
Max von Schenkendorf am Rhein und in Aachen.
f
Von K. Wacker.
„Wenn ich das herrliche Land übersehe, durch welches ich gewandert
bin", schrieb Max von Schenkendorf im Dezember 1812 an Frau von Auers-
wald, „als Einfassung des Gemäldes einen silbernen Strich mache von den
Flüssen, die dem Knaben schon so lockend und badelabend klangen, als
Oder, Elbe, Pleisse, Mulde, Ihn, Werra, Main Neckar, Rhein — wenn ich
zur Staffage die herrlichen Menschen hinzurechne, die mir begegnet sind,
so erscheint mir der letzte Sommer wie ein Traum und ich fürchte zu
erwachen." Von Königsberg war er um die Mitte Juli 1812 aufgebrochen
und im September in Karlsruhe angekommen — seine Heimat sollte er
nicht wiedersehen. Er entbehrte sie fürs erste auch nicht, seine Eltern
und die Verwandten seiner Frau besassen nicht die Liebe des jungen
Dichters. Die Ideale, die des Dichters Herz bewegten, als er seine öst-
liche Heimat verliess, wurden am Rhein gestärkt und vermehrt. Wenn
Rückert ihn den „Kaiserherold** nennt, so will er ihn preisen als den
— 93 —
sinnigen Lobsänger der grossen deutschen Vergangenheit und den ernsten
Mahner an die Pflichten, die Volk und Fürsten dem Vaterlande gegenüber
in der Zukunft zu erfüllen haben. Seine Freude und sein Schmerz hatten
•
ihre Quelle im Hoffen und Verzagen an der Wiederherstellung alter Reichs-
herrlichkeit. Wie musste sich sein dichterisches Gemüt angeregt fühlen,
als er zum ersten Mal den Strom sah, an dem sich deutsche Geschichte und
Sage, deutsches Heldentum und freies Bürgerleben ihre Stätte erkoren hatten!
Es klingt ein heUer Klang,
Ein schönes deutsches Wort
In jedem Hochgesang
Der deutschen M&nner fort:
Ein alter König hochgeboren,
Dem jedes deutsche Herz geschworen —
Wie oft sein Name wiederkehrt,
Man hat ihn nie genug gehört.
Er sieht im tiefen Bett des sagenumwobenen Stromes nach dem Hort,
den Hagen in ihn versenkt hat:
Tief unten in dem Grunde,
Am feuchten, kohlen Ort,
Da ruht noch diese Stunde
Der Nibelungenhort.
Auch dem stolzragenden Münster zu Strassburg und dem ehrwürdigen
Dom zu Speyer sandte er seinen tiefempfundenen Dichtergruss. Zu Worms
suchte er die Geister der Helden heraufzubeschwören, die einst hier gelebt,
des grimmen Hagen, der Burgunderkönige, des erschlagenen Siegfried.
Die Geister und die Sagen,
Der alten Tage Zier,
Die kann kein Feind erschlagen,
Sie weilen ewig hier.
Auch fliesset noch zur Stunde
Der alte Rhein vorbei,
Der blieb dem Heldenbunde,
Den Heldenzeiten treu.
In Baden-Baden und Karlsruhe wohnte er Volksfesten bei, beteiligte
sich an der Weinlese und besuchte mit Frau und Kin(\ die Ruinen und
Berge des Schwarzwaldes, wo er sich nahe wähnte der Wohnung der
, seligsten Gestalt**, dem , süssen Engelsbild**, das nicht nur am Sternenzelt,
sondern auch bei grünen Bäumen in dem lust'gen Wald seinen Reigen führt.
0 Freiheit, Freiheit, komm heraus,
So kraftig und so fromm,
Aus deinem grünen, dunklen Haus,
Du schöne Freiheit, komm!
Dort unten lass dich wieder schaun,
Im fernen deutschen Land,
Bewahre du die treuen Gaun
Vor welschem Sklavenstand.
— 94 —
Und sie sollte kommen, die Stunde, in der die selige Gestalt der
Göttin Freiheit aus den Klüften des Schwarzwaldes herniederstieg an die
Rebenhügel des Rheines. Mit dem Ausgang des Jahres 1813 war das
rechte Rheinufer dem deutschen Volke wiedergegeben. Aber in fremden
Skavenketten trauerte noch die alte Krönungsstadt mit dem Stuhle Karls
des Grossen.
Frei geworden ist der Strom,
Ist das Land am deutschen Rheine;
Doch der Stuhl von Felsgesteine
Trauert noch im Aachner Dom.
Drauf des grössten Kaisers Macht
Sass als eine stumme, bleiche,
Würmern hingegebne Leiche,
In der gold'nen Kronen Pracht.
Welchen Otto kühn erhob,
starker Hoffnung Grabesblüte,
Gar nicht ahnend im Gemüte,
Was die dunkle Zukunft wob.
Steht er wohl noch lange leer?
WiU sich drauf kein Kaiser setzen
AUen Völkern zum Ergötzen,
Der Bedrängten Schirm und Wehr?
Ach, die Sehnsucht wird so lautl
Wollt ihr keinen Kaiser küren?
Kommt kein Ritter, heimzuführen
Deutschland, die vcrlass'ne Braut?
Komm vom Himmel uns herab.
Den wir alle froh begrüssen,
Dem wir sinken zu den Füssen,
Steig* empor aus tiefem Grab!
Einen hat sich Gott ersehen.
Dem das Erbteil zugefallen,
Der ein Stern wird sein vor allen.
Und was Gott will, mag geschehen!
Als aber der 1000. Jahrestag des Todes Karls des Grossen nahte
und in dem wiedereroberten Aachen die Banner der Verbündeten flatterten,
da ruft er den grossen Kaiser an als Schutzgeist seines Volkes.
Nun sind es tausend Jahr,
Dass Kaiser Karl geschlafen.
Wer zählt der Greuel Schar,
Die in der Zeit uns trafen?
Hat Dir von unsrer Welt
Im Grabe nicht geträumt?
0 frommer Christenlield,
Du hast sehr viel versäumt.
— 95 —
Das ganze Deatschland schaut
Voll Schmerz nach Deinen Zeiten,
Der heirge Morgen graut,
Zu dem wir uns bereiten.
Nun rufen wir Dir zu:
Geliebtes Haupt, erwache!
Ersteh' von langer Ruh,
Vollziehe Du die Rache!
Steh' auf in Herrlichkeit
Nimm Schwert und Scepter wieder,
Dann kommt die bess're Zeit
Vom Himmel zu uns nieder.
Nur einen solchen Herrn
Einmal nach tausend Jahren,
Dann soll der deutsche Stern
Hoch leuchten in Gefahren.
Lass, heil'ger, stark und weich.
Dich uns're Liebe binden.
Ein tausendjähriges Reich
In Deutschland neu zu gründen!
Wenn sich Schenkendorf schon jahrelang auf die „Welt von Genüssen**
gefreut hatte, die ihm mit einer Rheinfahrt aus dem Badischen herunter
bis gen Koblenz und Köln eröffnet werden sollte, so hat ihm leider das
Geschick nicht gegönnt, die „herrliche Fahrt**, wie sie seinem Geiste vor-
schwebte, als gesunder Mann anzutreten. Schon seit einigen Monaten hatte
er über körperliche Leiden geklagt; die Anstrengungen der Kriegsjahre,
die arbeitsvollen Tage, die er unter von Steins Präsidium im Dienste der
Centralverwaltung der Kriegsbewaffnung meist zu Frankfurt a. M. zubrachte,
schienen sich rächen zu wollen. „Nervenreiz, Kopfschmerz, Schwindel und
schwarze Hypochondrie — ich kann nie länger als eine Viertelstunde an-
haltend schreiben — das hat auf alle meine Ansichten, Studien und Arbeiten
Einfluss.** Nun wäre er am liebsten nach dem benachbarten Baden-Baden
gegangen, um Heilung zu suchen; das öftere Zusammensein mit seiner in
Karlsruhe verbleibenden Familie, der stete Verkehr mit Freunden am Bade-
orte selbst, hätten seinem Geist und Gemüt eine die Genesung des Körpers
fördernde Frische bewahrt. Aber sein Freund, der Arzt Friedländer, ver-
ordnete energisch den Gebrauch der Aachener Bäder.
Auf seiner Reise nach Aachen berührte er Koblenz, wo er mit dem
grossen Görres verkehrte, und das heilige Köln, wo er mit heiligem Schauer
den Dom betrat, „den Wald voll hoher Bäume**, wo er altdeutsche Gemälde
sah, denen er das wärmste Interesse zuwandte; und wenn ihm anfänglich
nicht alles behagte, so wurde er immer mehr zu Gunsten der Stadt und
ihrer Bewohner umgestimmt. Später schrieb einmal Frau von Schenken-
dorf über Köln: „Köln scheint die Eigenschaft zu haben, dass der unan-
— 96 —
genehme Eindruck, den es am Anfange macht, sich nicht allein verliert,
sondern sich in Anhänglichkeit an diesen Ort vorwandelt — **, welchem
Briefe ihr Gatte die Zeilen hinzusetzte: „Hier ist gut sein, Kirchen und
Bilder sind gar zu' schön, und die Menschen sind lieb und traut/
Gegen Ende November oder Anfang Dezember 1814 betrat Schenken-
dorf zum ersten Mal den Boden der Reichs- und Krönungsstadt Aachen,
um ungefähr 5 Monate zum Kurgebrauch daselbst zu bleiben. Wer die
Eigenart seines menschlichen und dichterischen Empfindens kennt, kann
erraten, mit welchen Gefühlen er den Zeugen grosser Vergangenheit ent-
gegentrat, die er hier zum ersten Male sah. Wenn den Knaben Schenken-
dorf schon die gelegentlichen Mitteilungen eines Pfarrers über lokalgeschicht-
liche Ereignisse seiner litthauischen Heimat mächtig anregten, wenn er in
Königsberg den Blick nicht ohne poetisches Empfinden auf die Ruinen
eines Klosters richten konnte, wenn er als Jüngling durch einen gehar-
nischten Zeitungsartikel dem an der Marienburg ausgeübten Vandalismus
Einhalt that, dann musste er als Mann mit edler Begeisterung und weh-
mütiger Erinnerung den baulichen Resten aus der Zeit Karls des Grossen
gegenüberstehen. Jetzt entsprach seine Umgebung der bei ihm vorwiegenden
Gemütsrichtung: dem stillen Sichversenken in die Grösse der Vergangen-
heit unseres Volkes, dem plötzlichen Emporflackern dieser Stimmung und
ihrer Verdichtung in den ungestümen Forderungen nach Erneuerung alter
Reichsherrlichkeit und Kai ^^rwürde.
Aber zunächst waren es diese Empfindungen nicht, die sich nach
oben drängten und zum poetischen Ausdruck zu gelangen strebten. Auf
dem allgemeinen Untergründe einer romantisierenden Sentimentalität er-
langten zunächst die Stimmungen die Oberhand, die sich au die fernen
Lieben und das schmerzlich entbehrte Familienleben anknüpften. So sandte
er denn seiner Gattin einen „Gruss aus der Fremde", ihr und sich selbst
zur Tröstung (Dezember 1814):
Du liebes, frommes Wesen,
An dem dies Herz genas,
Das ich mir nicht erlesen,
Das mir mein Gott erlas.
Du Holde, Schöne, Süsse,
Du meines Lebens Stern,
Ich grüsse Dich, ich grüsse
Ans weiter, weiter Fem!
Sind wir auch fern geschieden,
Die Lieb' hat süssen Brauch,
Ich fühle Deinen Frieden
Und atme Deinen Hauch.
Arger noch beschlich ihn die Sehnsucht nach Frau und Kind am
hl. Christabend. Als die Lichter der Weihnachtsbäume durch die Fenster
— 97 —
auf die Strassen schienen und traute Kreise um sich sammelten, denkt der
Dichter daran
„— was vordem geschah,
Und was ihm heute fehlt.**
Wir fühlen mit ihm das Heimweh, wir fühlen mit ihm das Verlangen
nach dem süssen Frieden, den er wie Goethes Wanderer in seine Brust
wünscht.
Willkommen, trautes Dämmerlicht!
Willkommen, Mondenschein;
Ihr bleibt getreu — verlasst mich nicht,
Sonst bin ich ganz aUein.
Nicht mag ich zu dem heUeu Stern,
Nicht auf zum Himmel schaun,
Es ziehet mich in weite Fem*
Wohl fort nach andern Au'n.
Zu meinem Hof, zu meinem Haus,
Zu ihr, der keine gleicht.
Die Gabe mir und Blumenstrauss
Zum Feste sonst gereicht.
0 Hausfrau, schön und fromm und mild,
Die jede Tugend schmückt.
Und Du, mein Muttergottesbild,
Nach dem sie sinnend blickt,
Und Du, viel stlsses, liebes Kind,
Das uns der Herr geschenkt.
Das, wie die Mutter stiU gesinnt.
Des fernen Wandrers denkt.
Ich grtlss' euch, ihr geliebten Drei,
Dich grttss' ich, kleine Welt,
In der mein Herz und meine Treu*
Sich gar zu wohl gefäUt.
Wie krank ich bin und einsam hier,
Mir träumt vom Wiedersehn,
Von .unserm Haus; da wollen wir
Noch manches Fest begehn.
Willkommen, süsse Weihnachtslust,
0 wunderbarer Schein!
Vom Himmel zeuch in meine Brust
Und nimm sie gänzlich ein.
Was wir sonst noch an dichterischen Erzeugnissen der Muse Schenken-
dorfs aus der Zeit seines ersten Aufenthalts in Aachen haben, trägt vor-
wiegend den Charakter des Religiösen, erinnernd an die Liederdichtung
des 17. Jahrhunderts. Dem Rationalismus stand Schenkendorf kalt und
fremd gegenüber, ihm behagte die Richtung der Romantiker, er sah die
Grösse des deutschen Volkes im Mittelalter, in der Einigung desselben
— 98 —
unter einem Kaiser, unter einem religiösen Bekenntnis. Das war auch
ein Grund, dass er sich mit den Rheinländern so gut verstand und Freunde
unter ihnen gewann. Die Offenheit, mit der er, ohne andere zu verletzen,
seine Ansichten über die schwebenden hochpolitischen Fragen aussprach,
die Wertsciiätzung der im Westen des Reiches pulsierenden deutschen
Volkskraft, mussten ihm das Herz der Rheinländer gewinnen, unter ihnen
wünschte er auch zu bleiben und freute sich der ihm eröffneten Aussicht
auf eine Anstellung am Rliein. Ein „Stock-Preusse* wollte er nicht sein,
er fühlte sich nicht wohl im Kreise der preussischen Offiziere und Beamten.
„Als ich im Herbst 1814 nach dem Mittel- und Niederrhein kam", schreibt
er selbst in einem Briefe, „behagte es mir gar nicht unter den Preussen.
Die Offiziere schienen mir, der ich doch selbst noch die Uniform trage,
arrogant, stolz und dumm, die Civilisten beschränkt und einseitig preussisch.
Ich habe bis in den Januar hinein im ewigen Streit mit ihnen gelebt, und
sie nennen mich dort alle Österreicher.* Mit Aufregung, aber immer
steigendem Missmut verfolgte Schenkendprf von Aachen aus die Entwicke-
lung der Dinge auf dem Wiener Kongress. Sie verstimmte ihn mehr und
mehr. Er hatte auf ein grosses deutsches Reich unter einem mächtigen
Kaiser gehofft und sah vorausblickend die Zeit des Bundestages kommen.
Da kam neue Kunde von Westen: Napoleon war wieder auf dem Plane
erschienen. Wieder erhub der Freiheitssänger seine Stimme und dichtete
in Aachen ein „Gebet** zu Gott um nochmaligen Beistand im erneuten
Kampfe.
„Noch ist nicht ganz verdorben
Das reine deutsche Blut,
Noch ist nicht ganz gestorben
Der Deutschen Treu und Mut.
Ach, aUes mag noch Werden
Viel besser, als es war,
Und endlich wohl zur Erden
Kommen das grosse Jahr.*^
Der Kriegslärm verscheuchte den Dichter von den Bädern Aachens,
aber schon im Juli und August finden wir ihn wieder dort. Er nahm dies-
mal Wohnung in Frankenberg und überliess sich ganz der Stimmung, die
die Erinnerung an die Vergangenheit dieses Ortes in Geschichte und Sage in
ihm wachrief. Am See sitzt der Dichter, wie einst der grosse Karl, als
er dem Ring der Fastrada nachtrauerte. Auch er hat sein Leid, den
Schmerz unbefriedigter Sehnsucht, dessen er sich nicht erwehren kann am
trüben Wasser — er sucht ihn zu vergessen im weiten grünen Walde.
Ich zieh^ in euch, ihr Mauern,
Mit Wehmut und mit Lust,
0 Vorzeit, reich an Schauern,
Du ziehst in meine Brust
— 99 — •
Ihr Wände habt belauschet
Des alten Kaisers Glück,
Von Saitenklang dnrchraascbet,
Erbellt vom Sonnenblick.
Hier bat der Held gesessen,
Als ihm sein Lieb entschlief:
Die Lust war onermessen,
Das Leid war gar zu tief.
und was ihn so gekränket,
Was ihm sein Herz bezwang,
Liegt hier im See versenket
Schon tausend Jahre lang.
Den Ring von seiner Lieben,
Den sie trug an der Hand,
In dem ein Wort geschrieben
Von ewigem Liebespfand;
Den hat der See verschlungen:
Da war der Karl geheilt. —
Der Pilger blickt gezwungen
Zur Tiefe nun und weilt.
Wohl jeder hat getrunken
Vom Becher, voll und süss,
Wohl jedem liegt versunken
Ein frtlhes Paradies.
Drum ist der See so trttbe.
Mit Laub und Schilf bedeckt,
Weil ihren Oram die Liebe
Gern aller Welt versteckt.
Ihr Glück lässt Liebe scheinen
Und zeigt es unverstellt;
Doch muss die Liebe weinen.
So flieht sie vor der Welt.
0 Sehnsucht, allgewaltig,
Halb dunkel, halb bewusst,
0 Sehnsucht, vielgestaltig
Beschleichst du meine Brust I
Ich will nun in die Felder
Und an die klaren Seen,
Durehschweifen grüne Wälder
Und alte Felsenhöhn.
Am 16. Juli 1815 richtet er warme Sehnsuchtsworte an die lieben
Freunde in Baden-Baden, in deren Mitte er 8ich gern befände:
Denkt auch mein nut guten Worten,
Der euch täglich Kränze flicht.
Dem sich öffnen hundert Pforten,
Aber, achl die liebste nicht.
— 100 —
Der ich irre, der ich wandre
Manche Nacht und manchen Tag,
Aber nimmermehr mir and're
Freud' und Freundschaft suchen mag.
Noch einmal steht der Dichter (August 1815) am Franken berger See;
er sieht, wie des Himmels Bläue sich in ihm spiegelt — das erinnert ihn
an den Blick ins Auge der Liebst^en — und der gefällt ihm noch besser.
Und wenn ich hier am Wasser steh',
In diesem klaren Spiegel seh,
Den Himmel und die Bäume,
So zieht's mich wohl hinab, hinab,
Qeru sänken in das feuchte Grab
Die Sehnsucht und die Träume.
Doch ist es nur ein eitler Wahn,
Dein eigen Bildnis schaust du an.
Und all das Sterngefunkel,
Mag's locken dich zu Lust und Kuss —
Steig' nicht hinab zum kalten Fiuss,
Denn unten ist es dunkel.
Doch wenn ich vor der Liebsten steh',
Ihr in die klaren Augen seh'.
Das ist kein Traum, kein Wähnen,
Du mildes, fronmies Angesicht,
Du Himmelslicht, du reines Licht,
Du täuschest nicht mein Sehnen.
Es ist nicht mehr mein armes Ich,
Das eitel in dem Spiegel sich,
Nur ewig sich beschauet:
Ein zweites Leben, das mir blüht,
Ein bess'res, dran sich mein Gemüt
In Ewigkeit erbauet.
0 süsser Bund von Ich und Du,
Nun fliesse hin in Lust und Buh',
Mein liebes, schönes Leben!
0 starker Bund von Eins und Zwei,
Daraus wird sich der heil'gen Drei
Vollkommne Zahl erheben.
Weil der Dichter „vom Waffenklang nicht lassen kann**, will er sich
stählen durch den stärkenden „Sprudelquell", um das Schwert wieder
führen zu können.
So hell in der Sonne
# Wachset der Wein;
Auch unten, o Wonne!
Giebt's ein Qedeih'n.
Die Wasser, sie ringen
Sich freudig los,
Die Erze durchdringen
Der Erde Öehoss.
— 101 —
So wirke von innen,
Da Eisenflut, v
Und st&hle mir Sinnen
Und Leib und Mat!
Wie will ich dann stehen
Ein Eisenmann,
Will eilen und gehen
Zum Kämpferplan.
Die Unbilde rächen,
Am Schandgeschlecht.
Und streiten und sprechen
Für Gott und fiecht.
0 heilige Wasser,
Willkommen mir!
Ein liebender Hasser
Trink' ich euch hier.
Das sind die letzten Worte, die Schenkendorf in Aachen dichtete.
Aber die „heiligen Wasser", brachten ihm keine Heilung, ebenso wenig
wie die von Baden-Baden und Ems. Am 11. Dezember 1817 raffte ihn an
seinem 34. Geburtstag die tückische Krankheit dahin.
Zur Geschichte
des Ortes Schevenhütte im Landkreise Aachen.
Von A. Bommes.
1. Lage und Bodenbeschaffenheit.
Der Ort Schevenhütte mit seinen Nebenörtchen Joaswerk und Bend
gehört in bürgerlicher Hinsicht zur Bürgermeisterei Gressenich, in kirch-
licher zum Dekanate]>Eschweiler und bildet nach Osten hin die äusserste
Grenze des Landkreises Aachen. Er liegt in dem engen aber anmutigen
Wehbachthale, umgeben von üppig bewaldeten Bergeshöhen, die nach Osten
sehr st'eil sich erheben, nach Westen aber bei nur massiger Steigung und
geringerer Bewaldung seine Umgrenzung bilden, und wird durchflössen von
dem klaren, schnell dahinrauschenden Wehbache. Dieser durchfliesst von
seiner Quelle in den sogen. Wehrmeisterei- Waldungen d. h. in den Wald-
distrikten westlich von Germeter bei Vossenack, die mitunter steilen und
felsigen Höhenzüge durchbrechend, das tiefe Querthal bis Wenau und
Langerwehe und ergiesst seine krystallhellen Wasserwellen von da über
Luchem beim Orte Lamersdorf in das Indeflüsschen. Einstens haben wohl
mächtigere Wassermassen sich diesen Felsenweg gebrochen und dann im
Laufe der Jahrhunderte Steingeröll, Sand und Lehm von den umliegenden
Höhen mit sich fortreissend die tiefen Thalschluchten allmählich geebnet
— 102 —
und bis zur jetzigen Höhe angefüllt. So ist der früher so tiefe und breite
Wasserstrora gleich vielen anderen, allmählich zu einem Bache herab-
gesunken, zwischen dessen Ufern und den angrenzenden Felsenhöhen sich
jetzt zu beiden Seiten Streifen grünender, saftiger Wiesen gebildet haben,
die nunmehr üppigen Graswuchs hervorbringen wo früher brausende Wogen
gewaltsam dahinstürzten und Felsen durchbrachen. Während er in seinem
Oberlaufe durch Grauwacken- und Thonschiefergebirge, deren schroffe,
felsige Höhenschichten er bis Schevenhütte quer durchbricht, dahineilt,
bestreicht er von da bis Langerwehe das Kalksteingebirge von Breinig,
Vicht, Gressenich und Wenau,
Die Beschaifenheit des Bodens ist, wie der meiste Gebirgsboden, von
ebenso grosser Verschiedenheit, wie seine grösseren oder geringeren
Schichtengebilde. Dort, wo das Steingebirge mehr hervortritt, ist er arm
und dürftig, in den Niederungen dagegen fruchtbar und ergiebig. Bei
seiner Erhebung von nur 521 Fuss oder 163 Meter über dem Meeres-
spiegel und seiner durch die umgebenden Waldeshöhen geschützten Lage
erfreut sich der Ort eines gesunden und milden Klimas und einer reichen
Vegetation, alles Annehmlichkeiten, welche durch prachtvolle Kunststrassen
nach allen Richtungen noch bedeutend vermehrt werden und welche be-
sonders zur Sommerszeit Fremde von Nah und Fern zum Besuche und zu
Erholungstouren zu Fuss und zu Wagen zahlreich anziehen. Dazu nährt
das saftige Grün der Waldesgründe einen vorzüglichen Wildstand besonders
an Rehen und Hasen, so dass auch die Liebhaber des Waidwerkes aus
der Umgebung mit Vorliebe den Einladungen zur Jagd nach Schevenhütte
Folge leisten.
2. Entstehung des Ortes.
Soviel über die Lage des Ortes und seine Bodenbeschaffenheit. Suchen
wir nun auch etwas über seinen Ursprung und seine Entstehung zu erfahren.
Überschauen wir die isolierte, einsame Lage des Ortes Schevenhütte in
dem schmalen Wehbachthale, eingezwängt zwischen dicht bewaldeten
Bergeshöhen, fast abgeschlossen von allem Weltverkehre, dann drängt
sich uns sogleich die Frage auf: „Was mag wohl die Menschen hier zur
Ansiedelung veranlasst und bestimmt haben?" Der Ackerbau war es
sicher nicht; denn es fehlten die fruchtbaren Gefilde und hinreichenden,
grastragenden Wiesenflächen. Es waren andere Gründe und zwar haupt-
sächlich drei, welche zweifellos die Veranlassung zur Ansiedelung und
Niederlassung von Menschen in dieser ursprünglichen Einöde geboten haben:
Zunächst war es wohl der Metallreichtum der anschiessenden Gegend von
Gressenich, Werth, Mausbach, Krehwinkel und Stolberg, speziell die indu-
strielle Ausbeutung und Bearbeitung der hierselbst lagernden Eisen- und
Kupfererze; ferner die leicht gebotene, bequeme Benutzung der Wasserkraft
des Wehbaches zum Betriebe von Eisenhämmern, von denen noch zwei bis
— 103 —
jetzt teilweise erhalten sind, der eine am sogen. Hammer nördlich und der
andere am Joaswerk südlich am Eingange des Ortes; und endlich die
ebenso leicht gebotene Gelegenheit, aus dem unerschöpflichen Holzreichtume
der umliegenden Waldungen die damals zum Schmelzen des Eisenerzes
allgemein benutzte Holzkohle zu bereiten. Also westlich die Metallschätze,
östlich die billige Schmelzkohle und in der Mitte zwischen beiden die
kostenlose Wasserkraft, das waren drei Faktoren, die gewiss zur Ansiede-
lung sehr einladend erscheinen mussten. Dazu kommt noch weiter, dass
die umliegenden Walddistrikte eine reiche Fülle üppiger Futterkräuter zur
Unterhaltung von Viehherden boten, wodurch die Ansiedler sich in ihrer
abgeschlossenen isolierten Lage wenigstens mit den unentbehrlichsten Lebens-
bedürfnissen versehen konnten.
So finden wir auch, dass die Bewohner der Orte Schevenhütte,
Joaswerk und Bend seit den ältesten Zeiten ihres Bestehens neben der
Eisenindustrie als Haupterwerbszweig auch im weiten Umfange die Vieh-
zucht betrieben, wozu die Wiesen am Wehbache entlang reiches Futter
lieferten, besonders aber auch die üppig wachsenden und damals wenig
benutzten Eichenwaldungen, die zum sogen. Wildbann (d. h. Forst- und
Walddistrikte, in denen nur das Jagd- und Fischereirecht dem Eigen-
tümer ausschliesslich und ungeteilt reserviert war, nicht aber das Nutzungs-
recht auf Holz und Graswuchs) des Herzogs von Jülich gehörten und
Jülichsches Dominialgut waren im Sinne gemeinsamer Benutzungsweise
nach damaligem Gebrauche. Dieses Recfit der Mitbenutzung namentlich
hinsichtlich des Holz- und Grasaufwuchses musste nach den Verhältnissen
und Anschauungen jener Zeit von den Landesherren und Haupteigen-
tümern den anliegenden Höfen und Ansiedelungen in der Umgebung not-
gedrungen zugestanden und verliehen werden, damit überhaupt Ansiede-
lungen in unwirtlichen und entlegenen Gegenden zu Stande kommen
konnten, wodurch dann hinwiederum diese Waldungen für beide Teile
erst ihrem ganzen Umfange nach nutzbar wurden. Dieses Recht der Mit-
benutzung der anschiessenden Waldungen hinsichtlich des Holzes und
besonders des Weidganges für das Vieh erhielt auch Schevenhütte mit
seinen zwei Nebenorten Joaswerk und Bend, welche in früheren Zeiten
sogar drei Hirten unterhielten, die drei Viehherden von zusammen 150
Stück Rindvieh in den Wald trieben.
Die Hauptveranlassung zur Ansiedelung von Menschen und Ent-
stehung dieser Orte bot aber unstreitig die Eisen- und Kupferindustrie der
anschiessenden Gegend, und es liegt sehr nahe, wenn auch Urkunden darüber
fehlen, dass die Herzöge vorl Jülich, zu deren Dominialgütern das ganze
Gebiet von Schevenhütte gehörte, die Anlage von Eisenhütten und Hammer-
werken hierselbst veranlasst oder wenigstens gefördert haben, infolge-
dessen dann durch allmähliche Ansiedelung und ständige Niederlassung
der herbeigezogenen Arbeiter und Meister der Ort mit seinen Nebenurten
entstanden ist. Das Alter der Ausbeutung der Eisen-, Kupfer- und Bleierze
— 104 —
der genannten Gegend von Schevenhütte, Gressenicli u. s. w. überhaupt
ist nicht genau zu bestimmen, jedocli hält H. Hub. Koch, Divisionspfarrer
in Frankfurt a. M. in seiner Abhandlung über Handel und Industrie in
den Rheinlanden es für nicht unwahrscheinlich, dass schon vor den Römern,
welche zu Gressenich eine dauernde Niederlassung gründeten und die Aus-
beutung der umliegenden Metall-Lager eifrig betrieben, die einheimische Be-
völkerujig, nämlich die Eburonen, in der dortigen Gegend Metallerze ge-
graben und bearbeitet haben, worauf die mächtigen Schlackenhalden bei
dem nahen Orte Gressenich, welche bis 5 Meter tief unter der Erdober-
fläche liegen sollen, hindeuten. Nach demselben Verfasser wird diese
Annahme noch besonders dadurch bestärkt, dass hier die Kelten, welche
vor den Römern das Eisen künstlich bearbeiteten, schon vor den Zeiten
der Eburonen und später mit ihnen zusammen gewohnt haben. So berichtet
auch schon der römische Feldherr Julius Caesar, dass die Balken der
gallischen Schiffe mit schweren eisernen Nägeln zusammengefügt sind, dass
ihre (der Gallier) Schiffsanker an eisernen Ketten hingen anstatt an Seilen
und die Gallier schon vor den Römern eiserne Schwerter und Panzer be-
sassen. Aber erst durch die Römer selbst gewann die Ausbeutung der
Erzlager hiesiger Gegend an Ausdehnung und Bedeutung. Dafür zeugen
u. A. die zahlreichen Funde römischer Münzen und Alterthümer in der
Umgebung des nahegelegenen, kaum 2 Kilometer entfernten Gressenich,
sowie der noch bis 1892 in Betrieb gewesene Bleierz-Förderschacht, genannt
„Auf dem Römerfeld**, an der Strasse zwischen Gressenich und Hasten-
rath. Dass die Römer damals auch bis Schevenhütte ihre Thätigkeit aus-
gedehnt und wahrscheinlich im sogen. „Daenz** (vielleicht von Silva densa),
zwischen Schevenhütte und Gressenich gelegen, Eisenerz gegraben haben,
lässt sich auch daraus vermuten, dass während des Neubaues der hiesigen
Pfarrkirche im Jahre 1888 beim Ausgraben der Fundamente an der Seite,
wo die Sakristei sich befindet, in einer Tiefe von 2 bis 3 Metern unter
der Erdoberfläche mehrere römische Wasserkrüge ausgegraben wurden.
Ausserdem betrieben die Römer damals in hiesiger Gegend bedeutende
Bleiausgrabungen, z. B. im sogen. Schieferling bei Gressenich, nicht minder
förderten sie Kupfererz zu Tage. Noch jetzt führt das Haus Nr. 1, zu
Schevenhütte gehörig und in der Richtung nach Wenau bloss 5 Minuten
vom Orte entfernt gelegen, den Namen „die Kupfermühle", woraus hervor-
geht, dass man die von den Römern bereits entdeckten Kupfererze später
auch hier bearbeitete. In der nachrömischen Zeit aber gewann diese
Metallindustrie erst ihre grossartigste Ausdehnung. So gab es nach H. H.
Koch a. a. 0. in der Gegend von Stolberg (früher Stalberg genannt) im
Jahre 1667 bereits 33 Firmen von Messingfabrikanten und 1748 schon 52
solcher Firmen. Daselbst brannten in der Regel 130 — 140 Schmelzöfen.
Später jedoch hat dieser Industriezweig in der ganzen Gegend wieder sehr
an Bedeutung verloren. So ging es auch in Schevenhütte, dessen Haupt-
blütezeit um das Jahr 1700 begann. Fremde Konkurrenz, Kostspieligkeit
— 105 —
der Fönlerung und ^ des Transportes, besonders aber die verminderte Er-
giebigkeit und allmähliche Erschöpfung mancher Metallgruben haben zum
allmählichen Verfalle und endlichen Erlöschen dieses Industriezweiges in
Schevenhütte und seiner unmittelbaren Umgebung geführt. So schrieb
schon Dorsch in seiner 1804 verfassten Statistik: „Les mines de Gresse-
nich, Schevenhtitte, Vicht et Büsbach . . . rapportent fort peu/ Jedoch
waren noch bis zum Jahre 1849 zwei Eisenhämmer zum Schmieden des
Eisens, welche von der Wasserkraft des Wehbaches getrieben wurden,
und deren Überreste, wie bereits bemerkt, sich hierselbst noch befinden,
in Betrieb; desgleichen ein Eisenschmelzofen mit Giesserei bis zum Jahre
1870, der in der Mitte des Dorfes auf dem sogen. „ Hüttenplatz " stand
und im Jahre 1889 niedergelegt wurde. So ist also mit Ausnahme der er-
wähnten Hammerüberreste nunmehr auch die letzte Spur des früheren geschäf-
tigen, industriellen Wirkens und Schaffens hierselbst verschwunden, woran
man ausserdem nur noch zuweilen erinnert wird durch die gusseisernen,
hierselbst angefertigten Kamintafeln, meistens mit Jahreszahlen aus dem
17. und 18. Jahrhundert, die sich hier in manchen Häusern noch voi-finden;
auch bestehen noch jetzt hierselbst an sieben verschiedenen Stellen an dem
Wehbache Wasseranlagen, durch welche die Wasserkraft zum Betriebe
von Eisenhämmern und Blasebälgen in den Giessereien früher nutzbar ge-
macht wurde, die aber jetzt ihrem Verfalle immer mehr entgegen gehen.
Infolgedessen muss also die jetzige Bevölkerung sich ihren Unterhalt haupt-
sächlich in den umliegenden Fabriken zu Eschweiler, Stolberg, auf der
Bleigrube Diepenlinchen bei Mausbach, sowie durch Holzhandel und Vieh-
zucht beschatten.
Nicht aber ging der Gemeinde Schevenhtitte das Weidrecht in den
anschiessenden Walddistrikten (Kannenhau, Hüttenhau, . Krahnenbroicher,
Frenzerköpfen) verloren, obschon es an gewaltsamen Versuchen, ihr das-
selbe zu nehmen, nicht gefehlt hat. Mit schweren Opfern und grossen
Anstrengungen hat sie äich dasselbe erhalten und für immer gesichert.
Den ersten Angriff auf dieses anerworbene Recht machte der Herzog Karl
Theodor von Jülich selbst, als derselbe das gemeinsame und verworrene
Eigentumsrecht über die sogen. Dominialwaldungen zwischen der herzog-
lichen Hofkammer einerseits und den Erbforstern und andern Erbberech-
tigten d. h. den Besitzern anschiessender Höfe andererseits ordnete und
letzteren als Abfindung für ihre sämmtlichen Ansprüche einen Teil der
Waldungen, nämlich die schon genannten Distrikte Kannenhau, Hüttenhau,
Kranenbroicher und Frentzerköpfe in der Grösse von 2028 Morgen durch
die Teilungsurkunde vom 16. Januar 1776 als' ausschliessliches Privat-
eigentum zuerkannte, während alle übrigen Waldungen der herzoglichen
Hofkammer als alleiniges, unbeschränktes Eigentum verblieben. Die erb-
berechtigten Höfe waren folgende: der Hof von Düren, Frentz, Frau-
wüllesheim. Echtz, Kreuzau, Lendersdorf, Gürzenich. Derichsweiler, Palant^
luden, Pier-Merken und Gressenich, welch letzterer jedoch zur Zeit der
— 106 —
Teilung des Waldes eingegangen war. In dieser Teilungsurkunde und
einem dazu gehörigen Begleitschreiben vom selben Datum hob er die Weid-
berechtigung für Schevenhütte, Joaswerk und Bend auf, desgleichen das
Recht der Verkohlung des Holzes im sogen. Hüttenhau für die Hütten-
besitzer hierselbst. Die Gemeinde, d. h. die eben genannten drei Ort-
schaften, wahrte jedoch ihr Recht, indem auf die Hornaignale ihrer Vieh-
hirten die Einwohner, Alt und Jung, in den Wald zusammenströmten, den
Hirten mit ihren Herden gegen die Förster der Waldbeerbten zu Hülfe eilten
und die Förster mit Gewalt vertrieben. Auf eine Klageschrift der Waldeigen-
tümer hin vom Jahre 1787, worin sie den Widerstand der mit Stöcken, Mist-
gabeln u. s. w. bewaflFneten Einwohner gegen ihre Förster schildern, ver-
schärfte der Herzog sein früheres Verbot des Weidganges durch eine Ver-
ordnung vom 14. Juni 1788, hob dieses Verbot jedoch aus unbekannten
Gründen durch seine Verordnung vom 12. Februar 1789 zu Gunsten der Ge-
meinde wieder auf. Als später die Waldeigentümer den Weidgang jedoch
trotzdem immer mehr einzuschränken versuchten und die Berechtigung der
Gemeinde abermals bestritten, schritt letztere zur gerichtlichen Klage beim
Landgerichte zu Aachen am 4. Oktober 1847, zunächst gegen einen derselben,
nämlich den Kaufmann Franz Josten zu Neuss. In diesem langwierigen
Prozesse bewies die Gemeinde ihr Recht durch eidliches Zeugenverhör der
ältesten Personen aus der Gemeinde und der Nachbarschaft und siegte in
demselben durch Urteilsspruch vom 21. Oktober 1848. Was nunmehr für
diesen einen galt, das galt auch für alle anderen Waldeigentümer, und so
wurden im Laufe des Jahres 1849 durch 13 öffentliche Urkunden, teils
gerichtliche Urteile, teils notarielle Anerkennungsurkunden. die einzelnen
Eigentümer zur Anerkennung dieses Weidrechtes veranlasst, und dasselbe
für alle Zukunft unbestreitbar festgestellt. In neuerer Zeit versucht man
jedoch dieses Recht indirekt durch zahlreiche Nadelholzpflanzungen an Stelle
des Eichenholzes illusorisch zu machen. So verdankt also Schevenhütte
mit seinen Nebenorten seine Entstehung an der Grenze des genannten
Metallgebietes im wasserreichen, waldumkränzten Wehbachthale vor allem
den hier lagernden Metallerzen, der Wasserkraft des Wehbaches und den
anschiessenden futterreichen Waldungen.
3. Namen des Ortes und seiner Umgebung.
Nicht bloss der Ursprung und die Lage, sondern auch der Name des
Ortes Schevenhütte steht in engster Beziehung zu der erwähnten Metall-
industrie. Er erhielt nämlich seine Benennung von den frühereu Eisen-
hüttenwerken, bestehend aus Schmelzöfen, Eisengiessereien und Eisen-
hämmern, die hierselbst vor dem Jahre 1550 angelegt wurden. Von diesen
Hüttenwerken erhielt der Ort anfangs einfach den Namen „uff der Hütten**;
so wird er stets genannt in Urkunden vom Jahre 1558 bis 1666. Von
1667 bis 1691 heisst er abwechselnd „scheivenhütteu** und „Hütfeen**.
— 107 —
Später in der Pfarrerhebungsurkunde vom 6. Dezembnr 1699 heisst er
ScheiflFenhütten; vom Jahre 1727 bis 1748 Scheivenhütte und darnach bis
zur Jetztzeit schreibt man Schevenhtitte, während man im gewöhnlichen
Sprachgebrauche noch immer kurzweg sagt „auf der Hütte**. In der ersten
Zeit mag die einfache Benennung „uff der Hütten'* d. h. „auf der Hütte**
für die Bezeichnung des Ortes genügend gewesen sein, da jedoch die An-
zahl der Hüttenwerke in der Gegend mit dem Aufschwünge der Industrie
sehr zunahm, so mochte dieser allgemeine Name bald nicht mehr hingereicht,
sondern vielmehr oft Anlass zu manchen Verwechselungen gegeben haben,
weshalb man ihn spezialisieren musste und zwar sehr naheliegend nach dem
Namen des damaligen Eigentümers des Haupthtittenwerks, als den wir einen
gewissen Scheyff oder Scheiffen annehmen müssen. Dass vermögende Leute
dieses Namens in der hiesigen Gegend zur damaligen Zeit gelebt haben, geht
schon daraus hervor, dass ein Jakob Scheyff bei Gürzenich im Jahre 1492 dem
nur 2,5 Kilometer von Schevenhütte entfernt liegenden ehemaligen Kloster
Schwarzenbroich sein Haus, Gut, Hof, Benden und Weiher verkaufte.^
Ahnlich sind wohl auch die Ortsbezeichnungen Joaswerk, Junkershammer
bei Zweifall, Bernhardshammer bei Vicht, Moulardshütte u. s. w. entstanden.
Der Bach, an dessen Ufern Schevenhütte liegt, heisst „Wehbach**;
derselbe hat zugleich dem ganzen Thale den Namen „ Webach thal** gegeben
mit Ausnahme der Strecke von Wenau bis Langerwehe, welche jetzt „Schön-
thal** genannt wird. Er hat seinen Namen erhalten von den vielen Wiesen
oder Viehweiden, die in mehr oder minder breiten Streifen an seinen beiden
Ufern entlang sich erstrecken und welche hierselbst in der Volkssprache
„Wehen** genannt werden. Der Name des Baches hat also die Bedeutung
von ;, Wiesenbach** oder „Weidenbach**. Diese Annahme findet auch ihre
Bestätigung in der Bezeichnung des Baches mit dem Namen „die Wei**,
unter welchem derselbe in einer Urkunde vom 21. Dezember 1322 aufge-
führt wird, welche die Umgrenzung des sogen. Wildbannes des Herzogs
von Jülich angibt.
Desgleichen verdankt das benachbarte Wenau diesen Wiesen oder
„Wehen** seinen Namen. Er ist nämlich entstanden aus Wiese oder „Webe**,
womit dann noch das Wort „Hau** als Bezeichnung für einen Walddistrikt
verbunden wird. Die Bedeutung seines Namens ist also „Wiesenbau", im
Volksmunde „Wehen-Hau** oder abgekürzt „Wenhau**, welches jetzt Wenau
geschrieben wird. Ahnlich heissen ja auch jetzt noch zwei andere, unmittel-
bar an Wenauer Gebiet angrenzende Walddistrikte: Kannenhau und Hütten-
hau, dann ein bei letzterem gelegener Distrikt Herzogenhau: dazu kommen
noch die beiden Ortschaften Grosshau und Kleinhau, welche gleichfalls
innerhalb des Jülichschen Wildbannes liegen. Demselben Ursprünge ver-
dankt auch Langerwehe, am Ausgange des Wehbachthaies resp. Schön-
thales gelegen, seinen Namen; denn er ist entstanden aus „Lange Wehe**
in der Bedeutunpr von ^Lange Wiese**, oder, was wahrscheinlicher ist, aus
*) Vgl. Zeitachrift des Aachener Geschichtsvereins Bd. IV, Ö. 0.
— 108 —
„Längs der Wehe**, d. i. „Längs des Wehbaches", da der genannte Ort
wirklich an den Ufern des Wehbaches liegt.
4. Alter des Ortes und seine allmähliche Entwickelung.
Wann nun in der nachrömischen Zeit hierselbst das erste Eisenhütten-
werk und damit zugleich der Ort Schevenhütte entstanden ist, kann nicht
genau ermittelt werden, jedoch jedenfalls zwischen den Jahren 1500 bis
1550. Soviel steht allerdings mit Sicherheit fest, dass die Ortschaft schon
im Jahre 1558 bestand. Dies geht hervor aus einer Eisenhammer-Rechnung
für den Herzog von Jülich auf seinem bei Stalberg (jetzt Stolberg) gelegenen
Hammerwerke vom Jahre 1558, welche nach H. H. Koch, Über Handel
und Industrie in den Rheinlanden, Seite 104, im Düsseldorfer Stadtarchive
beruht und in welcher ein gewisser Flips Scholss „von der Hütten** und
Kryns Kyrstgen „von der Vaidt** (d. i. Philipp Scholls von Schevenhütte
und Quirin Kyrstgen von Vicht) als Schmiede aufgeführt werden, denen
der Lohn für dort geleistete Arbeiten ausgezahlt werden soll. Es heisst
darin: „In diesem Jaer (15)58 bis 59 ist uf dem Hamer durch Scholss
Flips „van der Hütten** und Kryns Kyrstgen van der Vaidt und Wyn uf
Roloff gesmit an Iser und durch Mister Franz van dem Zwefel (jetzt Zwei-
fall) und Jakob Recker gereckt 90,250 Punt.** Ferner kommt in der ge-
nannten Rechnung vom Jahre 1558 ein Eisengiesser Johann Kremer „van
der Hütten**, jetzt Schevenhütte, vor: „Item dit Jaer 58 bis 59 ist uf dem
Hamer gegossen durch Johann Kremer „van der Hütten**, wie vor Waldung
van der Arbit synes Verdienst gedaen ad 8913 Punt.** Zudem befinden
sich unter den ältesten hierselbst noch bestehenden Wohnhäusern des Ortes,
die sämmtlich in Eichenholzfachwerk errichtet sind, noch zwei mit ein-
gemeisselten Jahreszahlen, die über ihre Erbauung genauen Aufschluss
geben. Das eine trägt in einem eichenen Balken die Jahreszahl 1571 und
liegt in der Mitte der Dorfstrasse; dasselbe trägt jetzt die Hausnummer
57. Das andere mit der Jahreszahl 1596 liegt in der sogen. „Hohl** und
trägt jetzt die Hausnummer 32.
Nach der Tradition sollen die ersten Ansiedler in der damals noch
ganz unwirtlichen und unwegsamen Waldgegend, welche auf dem ursprüng-
lich angelegten Hüttenwerke arbeiteten, aus Lendersdorf im benachbarten
Kreise Düren stammen, woselbst auch jetzt noch Eisenindustrie betrieben
wird, und, nachdem sie sich eigene Wohnungen errichtet, mit ihren Familien
herübergezogen sein. Diese Angaben scheinen dadurch an Wahrscheinlich-
keit zu gewinnen, dass nachweislich die Einwohner von Schevenhütte bis
zum Jahre 1668, wo kirchlicherseits ein Beneficium (Beneficium Simplex)
daselbst errichtet wurde, und mit hoher Wahrscheinlichkeit noch darüber
hinaus bis zur Pfarrerhebung im Jahre 1699 zur Pfarre Lendersdorf ge-
hörten, obwohl der Ort den benachbarten Pfarreien Gressenich, Vicht u. s. w.
bedeutend näher gelegen war. Obgleich nämlich Schevenhütte sich vom
— 109 — .
Jahre 1668 an als Rektorat (Beneficiuin) der Pfarre öressenicl» ausohltvss,
und der jedesmalige Beneficiat vom Pfarrer zu Gressenich instnUiert wunle^
blieb dasselbe dennoch in einem gewissen AbhÄngisrkcitsverhÄltnisse »ur
ursprünglichen Pfarre Lendersdorf, weshalb auch die IMarrerhebun^urkuude
vom 6. Dezember 1699 in ihrem ersten Teile seine Dismembratiou von
Lendersdorf und Gressenich zugleich ausspricht. Si^ ist aus dem awischeu
1500 und 1550 angelegten ersten Eisenhüttenwerk mit seinen ursprüng-
lichen Arbeiter Wohnungen am Ufer des Wehbaches mitten zwischen ein-
samen, dicht bewaldeten Höhenzügen der Ort Schevenhiltte mit seinen
Nebenorten entstanden, den man deshalb auch anfangs mit doiti sehr nahe
liegenden, einfachen Namen „auf der Hütte* bezeichnete. Derselbe zählte
im Jahre 1699, wie die vorhin genannte Pfarrerhebungsurkuiule angibt, im
Ganzen 70 Familien, deren Anzahl mit dem Aufschwünge der Eisenindustrio
sich sehr vermehrte, mit ihrem allmählichen Veiialle aber spftter auch wieder
abnahm. Die Blütezeit des industriellen Lebens und Schaffens begann für
Schevenhütte um das Jahr 1700, als die wohlhabenden Familien Wingen
und Rösseler Hauptbesitzer der hiesigen Hüttenwerke wurden. .\us dieser
Zeit stammen auch die ältesten, massiv in Bruchsteinen aus den angn^izen-
den Schieferlagern erbauten Häuser, welche meistens nach ein und der-
selben Bauart mit ganz ähnlichen Thür- und Fenstereinfassungen in kurzer
Aufeinanderfolge hierselbst errichtet, als laut redende Zungen der Blilte-
periode von Schevenhütte in die Jetztzeit hineinragen und die Jahreszalilnn
ihrer Errichtung,* sowie die Anfangsbuchstaben der Namen ihrer Krbauer
resp. Eigentümer noch an sich tragen. Es sind folgende im Orte selbst:
1. Das im Jahre 1695 von Gilles Wingen erbaute Haus in der Kirch-
gasse mit den in der oberen, steinerneu Thürschwelle eingraphierten Zeidu^n
„G. W. 1695'', nebst einem „wSchlüssel'* mit der jetzigen Ht^usnumnier IH,
wahrscheinlich früher eine Schlosserei.
2. Das im Jahre 1697 von Heinrich Wingen und Petronella ItÖHseler
erbaute Wohnhaus und Nebengel)äude mit den durch eiserne Anker an der
Frontseite ausgedrückten Zeichen ^11. W. 1697**. jetzt mit der HauH-
nummer 48 bezeichnet. Kh liegt unmittelbar neben der neuen Pfankirche
in südöstlicher Richtung. Dassellie hiess früher „das Haus Gülicli** (Jülich)
und wurde durch Testament vom 22. AuguHt MHH von den Eheleulen
Heinrich Wingen und Petronella Kössler ihrer .Nicht«* ('hristina (Vumbach
vermacht.
3. Die in den Jahren 1694 bis 1698 von Johann Schieren und Anna
Scholl am Wehbache iin oberen 1\»ile des Ortes erbaut«* Wohnung, jetzt
eine Frnchtmahlmühle, nebst ()kon>ini(*gebau«len mit den Jahreszahlen 1694
und 1698.
4. Das im Jahre 1702 von d#-r Frimilie Winjren erbaut/* Haus und
Nebengebäude mit der in der Kteinernen oberen Thür^^ch welle eingravierten,
jetzt aber durch C'em<'nt verputz verdeckten Jahreßzahl 1702 mit der HaUK*
— 110 —
nunimer 14. Dieses Haus kauften die Eheleute Arnold Offermanns und
Christina Crumbach von der Familie Wingen und verkauften es nach einer
im Kirchenarchive beruhenden Ratificationsurkunde vom 10. Januar 1776
im Jahre 1775 an die Gemeinde Schevenhtitte zum Preise von 250 Reichs-
thalern zur Wohnung für ihren Geistlichen, der bis dahin in Rott bei
Gressenich, an der sogen. Gracht, anschiessend an die Pfarramtswiese, in
der vom Herzoge von Jülich erbauten Beneficialwohnung gewohnt hatte,
1,5 Kilometer von seiner Kirche entfernt. Seitdem dient diese angekaufte
Wohnung als Pfarrhaus.
5. Das im Jahre 1705 von Cilles Wingen in der Kirchgasse erbaute,
dem Pfarrbaus gegenüberliegenden Haus mit dem Zeichen „G. W. 1705"
und der jetzigen Hausnummer 15.
6. Das im Jahre 1738 von Johann Schieren und Anna Scholl erbaute
Haus mit den Zeichen „J. S. A. S. 1738" und einem „Schwanen". Das-
selbe wird auch heute noch „Im Schwan" genannt, welche Bezeichnung
vielleicht darauf hindeutet, dass es ursprünglich ein Gasthaus gewesen
ist. Es trägt jetzt die Hausnummer 44.
7. Das im Jahre 1744 von der Familie Rösseler, südlich neben dem
Hause Gülich errichtete Haus mit den Zeichen „P. R. IHS. 1744. E. R.",
sowie das „am Sief" (Hohlstrassenecke) 1772 erbaute Haus mit Neben-
gebäuden und der Hausnummer 39.
8. Das im Jahre 1756 von der Familie Sieberg am Joaswerk er-
richtete Haus nebst Okonomiegebäuden mit den Zeichen „M. S. G. H.
1756" und der jetzigen Hausnummer 92.
Gegen das Jahr 1800 begann die Zeit des Verfalles der hiesigen
Eisenindustrie, jedoch waren bis zum Jahre 1849 noch zwei Eisenhämmer
und bis 1870 noch die grosse Eisenschmelzerei und Giesserei auf dem sogen.
Hüttenplatze in der Mitte des Ortes in Betrieb, zuletzt unter dem Besitzer
Heinrich Hoesch zu Junkershammer bei Zweifall. Mit ihrem Verfalle ging
auch der Ort selbst zurück.
Noch in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts gab es im Orte
keine Strasse, sondern nur enge Gassen und Fusspfade. Dieselben sind
aber allmählich zu ordentlichen Strassen erweitert und hergestellt worden.
So wurde die Kirchgasse gegenüber dem Thurme der neuen Pfarrkirche
zweimal erbreitert; das erst^ Mal im Jahre 1851 durch Verkauf eines
Streifens seitens der Kirche an die Civilgemeinde und das zweite Mal im
Jahre 1891 durch notariellen Tausch vertrag zwischen der Kirche und
der Civilgemeinde vom 21. September 1891. Ebenso mangelhaft waren
früher die Verbindungswege mit den Nachbarorten. Nach Gressenich
führten ausser der alten in Verfall geratenen Römerstrasse (Dtiren-
Schwarzenbroich- Schevenhtitte -Krehwinkel etc.) nur schmale Pfade durch
Wald und Gestrüpp und als Fahrweg nach Wenau und Langerwehe diente
grösstenteils das flache Bett des W'ehbaches. Diesem Übelstande ist jetzt
— 111 —
durch Anlegung herrlicher Chausseen, zu deren Herst^illung au niehrcMon
Stellen Felsblöcke gesprengt und entfernt werden mussten, abgeholfen.
Nach dem gänzlichen Erlöschen der Metallindustrio und der Mor-
Stellung guter Verkehrsstrassen wurde hierselbst ein Holzsägework errichtet,
welches noch im Betrieb ist, gelegen an dem oben unter Nr. IJ erwähnte»
Hause. Gleichzeitig entstand von da an ein regerer Handel mit Holz aus
den angrenzenden Privat- und fiskalischen Waldungen nach den umliegenden
Bergwerken und Städten, wodurch ein Teil der Einwohner seinen Lebens-
unterhalt sich beschafft, während andere durch Arbeiten im Walde oder
Holzfuhrwerkbetrieb sich ernähren. Der grössere Teil der Bevölkerung
beschäftigt sich jedoch jetzt auf den Messingfabriken und Glashütten in
Stblberg, in den Eisengiessereien zu Eschweiler-Aue und Rothe Erde, in der
Bleigrube Diepenlinchen bei Mausbach u. s. w. Seit einer Reihe von Jahren
ist in dem angrenzenden Walde, gegenüber dem letzten Hause von Joas-
werk, genannt „In den Wolfsiefen*^, durch einen Pächter ein Schieferstein-
bruch in Betrieb gesetzt worden, welcher recht schöne und grosHC Schiefer-
*
Steinplatten liefert, die teils zum Belegen von Hausfluren, Küchen und
Wegen, teils zu Treppenstufen. Fensterbänken und Mauerdecksteinen vi#d-
fach Verwendung finden. Unter diesen Verhältnissen ist kaum eine Weiter-
entwickelung des Ortes Schevenhütte zu erwarten, während seine Jmiden
Nebenorte sogar im Rückgang begrifl^en sind. Die ganze Gemeinde besteht
jetzt aus ungefähr 100 bewohnten Häusern nebst Kirche und Hchule.
Kleinere Mitteilnngen.
1. Reihenfolge der Pfarrer in der Oeneinde Haarea bei Aaeben,
Auf der Röck.'-eir** dan Tit^Ihlattei des ält^^un d^r h^M^rn Haareiw^T Kif*^li*^nMW*irf '
befinden sieh Terw:hif*d#me von der Hand d*^r Pfiir^r HrKw^rr or,^ Moer# h^.ff1ihr^.p4n Ku'
^ben, die »ich anf die Eirichtfin^^ d'.r VUrr^. und d» r^-n -^rr.-» "Uif i^L4/>ffif'rf ht^.7.\f,h*mr
Da die An^bfrn (iif di*r Pf/irr- ^>*•z»r, li^karut^'a' -^/h;' hfe ni hr ^,h'.r UVft «ind, *o hriAt('',n
wir die«elb»m hi^r wort2'*^frt'Ti znm S'*f\Tiif'M. \)\^. ^;' K *n*rh..'^*'"-r.d'* Vt>ruri.mt\i/i d*9«
Verzeichni-He'9 d'^r H.iat*'t.*'T f'f>4rr*;f bi< zfir ('K-ir^uwtn t'i Vi.« 'l'r, Tof^nf^fifMfAfn d^r
Kirchen bnc her, t^iU and^r**» 0*i' .i**ft ^fituomrri*-n, dt*- *r. S-'/'i/.frftAf -*'>IU j^'d^* M»l b^i'
gefugt sind.
pastore* in ^^ l-x^r ,*,* *^/(, r.v»
♦ff d.*r li f^-'f, ,f;* M/, , i/t fr.fi-t.M ' in*iMt I »^ rr f.M:,f jp-«*« dommir** fflrtif-AtM '^^
Bi«,r< 1 '*i., * ,?^ y f% 4*11 •,,,*
= •.'.<-*'.
> * • * t / •
— 112 —
III. Tertius Adm. R. D. Faber seil Schmitz filius Harensis rcxit parochiam ab anno
1635 asqae ad annum 1648 obiit 8 decemb.
IV. Quartus ego Heiiricus Brewer Juliacensis ex Pauflfendorpf factus hie pastor 1649
die XIV febr. induetus. Von der Hand seines Nachfolgers beigefügt: Anno 1679
7 Jalii obiit Adm. E. D. pastor Hcnricus Brewer cujus anima requiescat in pace.
Von der Hand des Pfarrers Moers geschrieben:
V. Anno 1679 22 may hie factus est pastor Joannes Schieffer aquensis aedate 25 annorum
et 7 mensium.
VI. Anno 1690 ipso festo App. Petri et Pauli titulo permutationis introductus sum in
pastoratum ab Adm. B. D. Mathia Bettendorf pastore wurselensi Joannes Moers
Aquensis P. loci in Haaren, obiit 2 Sept. 1695.
Aus dem Totenregister der Kirchenbücher:
VII. Anno 1735 20 Junii obiit omnibus sacramentis mnnitus Adra. R. D. Henricus Fibns
olira hie pastor per 38 [?] annos. (1695—1735).
VIII. Mathias Peters, gestorben als Expastor am 8. März 1779, war Pfarrer von 1735—1771.
IX. J. H. Beys obiit 1799 die 11 Julii; war Pfarrer von 1771— 1799 ^
X. Theodor Alertz, 1799—1814.
XL Lambertus Jo^ef Frank 1814—1832.
XII. Joannes Leonardus Ruland (natus 1793 20. febr. Borceti) pastor in Haaren de anno
1832—8 Sept. 1852. Inschrift auf dem Leichensteiu, der im Sockel der neuen
Kirche eingemauert ist.
XIII. Ferdinandus Brandt, geboren zu Aachen am 5. Oktober 1811, war Pfarrer von Haaren
1852—1868; gegenwärtig ist er Pfarrer von Gangelt im Dekanat Geilenkirchen und
Ehrenstiftsherr am Liebfrauenmünster in Aachen. Handbuch dor Erzdiözese Köln.
16. Auflage.
XIV. Johann Anton Lambertz aus Floisdorf, geb. 14. Juli 1816, Pfarrer in Haaren von
1868 bis zum 3. Juli 1883. Handbuch der Erzdiözese Köln. 14. Auflage.
Nach dreijähriger Pfarrverwaltung durch den Vikar Heinrich Dörnemann,
jetzt Pfarrer in Bardenberg, folgte
XV. Johann Heinrich Josef Loerper aus Corschenbroich, geb. 18. Februar 1838, Pfarrer
seit 1886. Handbuch der Erzdiözese Köln. 16. Auflage.
Aachen, H. Schnock.
2. Ein Brief Ernst Moritz Arndts an den Maler Salm.
Nach Drucklegung des im laufenden Jahrgange dieser Zeitschrift enthaltenen Artikels
über Aachener Maler wurde mir ein Brief Ernst Moritz Arndts an den Maler Nikolaus
Salm zur Verfügung gestellt, der den Dank für eine übersandte Zeichnung enthält.
AVelchen Gegenstand diese Zeichnung darstellte, konnte ich nicht ermitteln. Der Brief
lautet:
Herrn N. Salm, Lehrer an der höhern Bürgerschule in Aachen.
Bonn, den 22. des Sturmmonds 1846.
Nehmen Sie, theurer Herr und Freund, meinen besten herzlichsten Dank für Ihr
werthes Geschenk und Andenken, und für die Gesinnung, aus welcher es entstanden ist.
Wir Einzelne müssen uns ansehen als das, was wir sind, Tropfen im grossen Strom,
gleichsam als Namenlose. Nur Einen grossen ewigen Namen soll es geben nächst dem
höchsten Namen, das Vaterland.
') Dieser Pfarrer iist au<-li der Verfasser ili r in Nr. 3 dieses Jahrganges veröffentliclit«n „Merk«
würdigen b'egebenlioiten*.
— 113 —
In diesem Sinne drücke ich Ihnen die Hand mit dem Wunsche, dass wir, indem
wir nach nnsem Kräften dazu thnn, nur Freude und Ehre an demselben erleben mögen.
Ihr E. M. Arndt.
Aachen. J. Fey,
3. Ein Agent in Aachener Diensten während des Pfälzischen Krieges.
Im Jahre 1689 erklärte der Reichstag zu Äegensburg den von Ludwig XIV. 1688
gegen Deutschland eröffneten (Pfälzischen oder Orleansschen) Krieg (1688—97) zum Reichs-
krieg. Aber schon vorher hatte Ludwig seine Truppen in die Pfalz einrücken lassen;
Deutschland mnsste jenes unmenschliche Verfahren erdulden, das der Minister Louvois
erfunden hatte, um Frankreich unangreifbar zu machen: die blühenden Ufer des Rheins
wurden in Einöden verwandelt, 1 200 Ortschaften wurden eingeäschert. Diese kriegerische
Zeit, deren furchtbare Zerstörungswut noch heute Ruinen halbverbrannter Kirchen zu
beiden Seiten des Oberrheins beweisen, machte es auch für unsere Gegend um so eher
notwendig, aussergewöhnliche Massregeln zu ergreifen, um einer etwaigen Gefahr möglichst
vorzubeugen, als bald darauf die Niederlande der Hauptschauplatz des Krieges wurden.
Die Reichsstadt Aachen versicherte sich daher eines Agenten, dem es oblag, von den Be-
wegungen französischer Truppen sofort Nachricht zu geben. Die Verwendung dieses Agenten
ergiebt sich aus dem nachstehend abgedruckten Bericht über seine Thätigkeit und die
gleichzeitige Beanspruchung einer Entschädigung hierfür.
Der herr pastor Franciscus Schmitz hat mich unterschriebenen in oktobri negst-
abgefloßenen jahrB requirirt, mit demselben wegen obhandener franzosischer gefahr zu
correspondiren und falß einige nachricht von franzosischen trouppen erhalten wurde,
daßelb alßo thatUch per expressum hiehin auf Aachen zu berichten. Deme nachtrucklich
ich sieben expressos vor undt nach inß Lutzenburgische Land gescMcket, umb gewiße
kundtschafft der franzosen halber einzuhohllen, dem expresso jedeßmahll zu lohn geben
einen halben reichsthaller, auch zwolff missiven hiehin ahn wolgemelte herrn pastoren Schmitz
geschrieben, und darin, waß mir vor notable erfahren können, berichtet, rechne vor meine
mühewalthungh undt außgelegte bottenlohnen zusahmen ad zehen reichsthaller.
Salvo
Johann Wilhelm Keßeler.
Aus verordtnungh herren bürgermeisteren wollen herren rhentmeistere negstoben
vermelt zehn reichßthaler zu behoiff herrn Johan Wilhelm Keßeler wegen geführter corres-
pondenten überschreiben.
Signatum den 15. Julii 1690. Johann Jacob Mois
Licentiatus secretarius.
Auf der Rückseite:
Laus Deo 1690: 15. Julii.
Camer
wollet außrichten hern Willem Kesseler vohr gevuhrte correspondentie zu dienst von
einem ehrbarn raadt zehn reichsthaler courant oder gülden 632: 8: —
Herr Comelis Weissenburg.
Aachen, M, SchoUen,
4. Löhnungsliste der Soldaten der Reichsstadt Aachen
vom 26. April 1667.
Nachstehende Löhnungslistc ist eine der ältesten, wenn nicht gar die älteste, die
uns überkommen ist*. Wir ersehen aus ihr die Präsenz-Stärke* der beiden Kompagnien,
>; Die Urdcljrift Ut in meinem Besitze.
«) Xvr 19. Dezember 1679 brachte, wie Haapjen, Geschieht*» Achens Bd. IT, S. 279 berichtet^ die
Stadt ihre Miliz auf 600 Mann und beBohloss am 13. Oktober sie auf 600 Mann zu bringen. Daa. S. 297.
— 114 —
die einzelnen Chargen und deren Einkommen. Der Sold der gemeinen Soldaten ist eben-
falls in ihr angegeben, er betmg „13 gülden 3 mark" für die angegebene Zeit. Von
den vorkommenden Namen sind heute noch manche in der Stadt vertreten.
Verzeichnuß deren Soldaten, welche in der 25 vierzebnuacht anno 1657 ady 26 aprilis
auß der malß kassa per sieur Carlen von Munster bezaltt seindt.
tambours
Haubtmann Niclaes Husson
Lieutenant Oeorg Kölle
Fendrich Lennertt Thonnis
Veldwebel Adam Radermecher
Nellis Stickelman
Mattheis Jacobß ' corporals
Gerhartt von Aachen
Bartholomees von Aachen
Gebärdt Raweyßer
Heindrich Thorn
Pier Claeßenn
Bernard t Kreinß
Guilliaum Euerarz
Lennertt Grümmerz > gefreite
Arnold Pennings
Jann Giellen
Jacob Lina
Olaeß Janßen
}
Qalden
40
28
22
19
17
17
17
13
18
15
15
15
15
15
15
15
15
15
Mark
8
3
Jann Wolff
Gulls Rüttings
Peter Peters
Emerjch von Amolzweyler
Reynhartt Scheinß
Lambertt Portt
Peter Seyden
Jann Gillis
Franß Ciaer
Daniell Alartt
Philips Geußen
Michaeli Frank
Weynant Dhamen
Frambach Walderman
Jakob Lohne
Jakob Bonner
Michiel Raweyßer
Jann Braß
Petter Neißenn
Peter Maeßen
Gerhardt Schleumer
Engeil von Eyß
Johann Reutter
Claeß Steinmetzer
Jann Welstatt
Jacob Eich
Johannes Parenty
Caspar Alberti
Johann Schlick
Johannes Massim
Mattheis Braun
Lennertt Probst
Peter Kooll
Peter von den HöflF
Claes Schleiper
Willem Schüirman
Gilliß Stickelman
Jann Chonen
Clemens Han
Jann Peters
Peter Schleumer
Peter Lamerstorflf
Jacob Stoufsack
Johann Silemau
Jann Kersten
Steffen Trouffell
Niclaes Vrehc
Hanß Caspar Husson
Simon Albertus Kolle
Jan Costnitz
Jacob Jacobs
— 115 —
Oaldea * Mfirk
Haubtman Schwerten
40
Lieutenant Melchior Roß
28 .
Fendrich Nyß ZiUis
■ 22 '
Veldwebel Dieterich Heusch
.; 19 '
Ludowich Weber
-i 17
Joost Ambß corporals
17 (
Dierich Schlagman J
17
Mattheuis Beyer 1
Johannes Zinck J ^^
13
3
bours
13 i 3
Claeß Wirtß
15
Pier Fantzon
15
Willem Moeren
15
Jann yon Schiebach, walmeister
23
I
Jann Arnolz
15
Heindrich Rasch
15
Adam Reißener ]
15
Peter Lintze
^Za.^
15
Bartholomees Cortten
' gefreite
15
Balthes von Thenen .
15
Peter Uammell
1 1
Eueret Hoen
Servaes Vaeßen
Adam Claeßen
Peter Keffer
Matteiß Dierichs
Peter Bott
Jann von Rahe
Mattheis Tauber
Jacob Hecker
Veit Heindrich
Jacob Laußberg
Jann Recklingshausen
Gerhartt Probst
Willem Gast
Philips Gerharz
Remeis Min
•
Jann Morian
Peter Jacobs
Willem Lamberz
Jann Hermann
Niclaus Schepen
Jann Ostlender
Heindrich Schreiber
Mertten Weber
Heindrich Meyer
Hnprecht Lorquer
Heindrich Barz
Gerhartt Janßen
Mattheiß ReuU
Amoldt Schaffarz
Johann Kerff
Jann Schnieders
Peter Janßenn
Querin Fega
Joost die Fooß
Everart Silver
Creutz Mertzenich
Jann Schmitz
Jacob Mageraw
Dierich Brack
Simon Gastenn
Claeß Simens
Davidt Reyner
Giell Muller
Hanss Drowe
Jann Langohr
Tilman Bieuerz
Willem Heisterbaum
Johann Hilger
Laus Deo. Anno 1657 ady 26 april
C
is.
/amer
außrichten sieur Carll von Munst(
3r vor
I>czalung
dero st
^at so
vierzehnnacht laudt liste ertragend t mark 12183.
Aachen,
Herr B. Feibns.
Gierlach Maw.
M, Sehollen,
- 116 —
5. Kosten eines Festessens in Aachen im Jahre 1700.
Ans Anlass der Gebart eines österreichischen Erzherzogs fand bei dem reg:ierendeu
Bürgermeister von Maw ein Festessen statt, zu dem durch Beschluss des Rats vom
17. November 1700 die hierselbst anwesenden „kaiserlichen Herreu subdelegati nomine
raagistratus" eingeladen wurden. Ausserdem nahmen die „Herren beamtcn", im ganzen
also etwa 22 Personen, an dem Festessen Teil. Die Rechnung der zu jenem Essen ge-
lieferten Lebensmittel bringen wir nachstehend, genau der Urschrift entsprechend, zum
Abdruck. Es wäre zwar zu gewagt, aus den Preisen allein dieser Rechnung einen Rück-
schluss auf die wirtschaftliche Stufe jener Zeit zu ziehen. Zur Preisgeschichte der Lebens-
mittel jedoch, wie als Beitrag zur Gastronomie ist sie immerhin interessant.
Die Preise der Lebensmittel, die bedeutend geringer sind, als die heutigen, stehen
untereinander doch ziemlich im selben Verhältnisse wie heute. Für die von weither zu
transportierenden Citronen wurden trotz der schlechteren Verkehrsverhältnisse ein Preis
gezahlt, der dem heutigen nicht nachsteht.
Eine blosse Durchsicht der Rechnung ergiebt, dass bei der Tafel ein erheblicher
Luxus entfaltet wurde. Das Fehlen von Kartoffeln in der Rechnung darf nicht auffallen,
weil die damals in hiesiger Gegend noch wenig angebaute Kartoffel nicht das unentbehr-
liche Nahrungsmittel war, das sie heute ist. Die Zubereitung der Speisen lag, wie wir
aus dem Namen des Kochs wohl mit Recht vermuten dürfen, in den Händen eines Fran-
zosen. Es darf uns das in jener Zeit der Voreingenommenheit für französische Sitten um
so weniger wundern, als die grosse Geschicklichkeit der Franzsosen in der Kochkunst bekannt
und gerühmt war, ein französischer Koch aber auch der die Heilquellen besuchenden
Franzosen wegen notwendig sein mochte.
Anno 1700 ady 22. und 23. Novcmbris.
Per ordre herrn bürgermeister Maw zu behouff deß tractaments, der herrn commissarien, als
herrn beampten, zu ehren deß erbprintzen deß königs in Ungarn an allerley außgegeben wie folgt.
Ahn m[eiste]r Guilliam den Koch
2 schrauthahnen
4 par schneppen
2 hasen 10 gülden und 7 par bahnen 16 gülden 4 mark . . . .
48 daubel crammelvogei 21 gülden 2 mark und 2 huner 4 gülden
1 par velthöner 6 gülden und 1 ganß 3 gülden 4 mark . . . .
1 knein 2 gülden 2 mark und 2 enden 4 gülden
ahn eyer 4 gülden 4 mark; ahn lardier' speck 3 gülden 4 mark .
4 citronen 2 gülden; an zellerey und andiff 3 gülden
15 pfund butter ad 7 mark
ahn kasteyen 4 gülden; ahn blomköhl 4 gülden
P/, pfund bronnelen 3 gülden 3 mark
ahn spansche kappern und comkommeren
dito zein lauth compitum
„ drachen*
ahn allerley fleisch lauth compitum
1 tonn hier lauth compitum
ahn brod und mehl lauth compitum
ahn allerley gekräutz lauth compitum . . . •
herrn Minderjan vor knechswein 13Vg maß & 20 mark . . . .
herrn Brewcr im keyserhad 22^2 uiaß wein ä 28 mark . . . .
noch von herni Brewer 82 '/^ maß wein ä 28 mark . . . _^_^ ._
Summa . .
»; von larder, spicken. «; Vielleicht DragonV
Gulden
Mark
14
24
25
26
4
25
2
9
4
6
2
8
2
5
17
3
8
3
3
4
—
11
1
1
4
50
V.
22
-
Iß
3
35
—
45
—
105
-
151
4
615 , 2Vj
— 117 —
Nota
Waß an holtzkohlen and bocherkohlen und sonsten dargegeben stelle ahn dero berren
discretion.
Anna Maria Maw.
Aoß Verordnung herm bürgermeistem Maw wollen h. h. rentmeistern dieß überschreiben.
Signatum 6 decembris 1700.
S. Pelsser, secretarius.
Auf der Bückseite:
Rechnung an die berren Beampten vom 23. November 1700.
Darunter:
Laus deo. ad 6 decembris 1700.
Camer
wollet außrichten der joffrau Anna Marya Maw ehr Unkosten vorhinnen, waß den 22.
und 23. novembris verschossen zu dienß eines ehrbaren rhat bey tracktehrung derren
berren commissarij bey haltung des fruden vest wegen den neuen geborenen Ertzhert-
zhogen zu Osterrig mark 3692 — 6.
Amolt Heitgens.
Aachen. M. SchoVen,
Vereinsangelegenheiten.
Bericht Aber das Vereinsjahr 1897.
Die satzungsmässige Haupt -Versammlung des „Vereins für Kunde der Aachener
Vorzeif* fand am letzten Tage des Monats November statt. Dieselbe eröffnete und
leitete, da der bisherige Vorsitzende, Herr Seminardirektor Wacker, seit kurzem seinen
neuen Wirkungskreis am Königl. Lehrerinnenseminar zu Saarburg im Kreise Trier ange-
treten, der zweite Vorsitzende, Herr Strafanstalts-Pfarrer Schnock. Dieser erstattete
zunächst den Jahresbericht, dem die erfreuliche Thatsache zu entnehmen ist, dass der
Verein bei unveränderter Mitgliederzahl auch im abgelaufenen Jahre mit ungeschwächter
Kraft und unermüdlichem Eifer an der Erreichung der schönen und edlen Ziele, die er
sich bei seiner Gründung gesteckt, gearbeitet hat. Der zehnte Jahrgang des Vereins-
orgaus, der sich nunmehr vollständig in den Händen der Mitglieder befindet, enthält eine
Reihe ebenso interessanter wie wichtiger Aufsätze und kleinerer Mitteilungen orts-
geschichtlichen Inhalts, welche sicherlich den Beifall der Geschichtsfreunde finden werden.
Da mit der bisherigen Erscheinungsart der Zeitschrift, derzufolge acht Mal im Jahre ein
einzelnes Heft ausgegeben werden soll, grosse Schwierigkeiten verknüpft sind, so dürfte
der Vorstand bald der Frage nahetreten müssen, ob es nicht angezeigt erscheine in
Zukunft die Zeitschrift zwei Mal im Jahre, je drei bis vier Bogen stark, herauszugeben.
Für den frischen Geist, der im Vereine herrscht, sprechen auch die andauernd rege be-
suchten Monatsversammlungen. Die in denselben behandelten Themata lassen wir hier folgen:
Montag, den 21. Januar: Herr Staatsanwaltschafts-Sekretär Schollen gab
Kulturbilder aus der Geschichte Aachens im 15. Jahrhundert. Herr Landgerichts-Sekretär
J. Fey sprach über den Musiker und Xylophonisten Gussikow, der einer israelitischen
polnischen Familie entstammend, im Jahre 1837 in Aachen ein frühes Grab fand.
Dienstag, den 16. März: Herr Schollen schildert den Besuch Napoleons in
Aachen nach dem Berichte eines Augenzeugen. Herr Fey sprach über den Aufenthalt
Fr. Aug. von Klinkowströms in Aachen im Jahre 1814, der hier als chef de bureau des
Generalgouverneurs Sack bei Organisierung der Landwehr thätig war. Herr Dr. Brüning
teilte das Protokoll einer Stadtratssitzung aus dem Jahre 1819 mit, nach welchem aus
Rücksicht auf die bedenkliche Leere der Stadtkasse die Strassenbeleuchtung abgeschafift
— 118 —
wurde, trotzdem die hochlöbliche Regierung lebhaft dagegen protestierte. Herr Ober-
lehrer Oppenhoff wies auf Grund einer „Eechnungs- Ablage ttber die Konstruktions-
kosten des Hauses vom Louisberge bei Aachen von Selten des Herrn Körfgen als dessen
Direktor, Verwalter und Hauptactionnaire" (4. August 1818) den hervorragenden Anteil
Körfgens an der Schaffung der Anlagen auf dem Lonsberg nach. M. Körfgen war während
der Fremdherrschaft Präfektur-Gteneralsekretär.
Donnerstag, den 3. Juni: Herr Schollen hielt einen Vortrag über Aachener
Strassen-, Flur- und Ortsnamen. Herr Architekt Rhoen sprach über Italienische und
Aachener Mosaiken.
Am Mittwoch, den 30. Juni veranstaltete der Verein einen wissenschaftlichen
Ausflug, dessen Ziel das ehemalige Prämonstratenserkloster Wenau und die Ruine des
frühem Kreuzherrenklosters Schwarzenbroich war. Nach eingehender Besichtigung der
in archäologischer und historischer Beziehung merkwürdigen Denkmäler der heutigen
Pfarr- frühern Klosterkirche zu Wenau, deren Erklärung Herr Pfarrer Schnock über-
nommen, begaben sich die Teilnehmer an dem Ausflug unter der Führung des gräflich
Merodischen Försters Herrn Overmann zur Ruine des Klosters Schwarzenbroich, das auch
in seinem jetzigen zerfallenen Zustand noch die einstige Ausdehnung und Grösse ahnen
lässt. Eingehende Nachrichten über das Kloster enthält der Aufsatz des Frhm. v. Vorst-
Gudenau im vierten Bande der Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins. Nach kurzer
Rast im „Schönthaler Hof* traten die Ausflügler hochbefriedigt den Heimweg an.
Am Abende des 28. Oktober veranstaltete der Verein zu Ehren seines scheidenden
langjährigen Vorsitzenden, des Herrn Dr. Wacker, der zum Königl. Seminardirektor mit
dem Range der Räte vierter Klasse befördert worden, eine mit einem gemeinsamen Abend-
essen verbundene Abschiedsfeier im VereinslokaL, dem „Gasthof zum König von Spanien",
die sich einer sehr regen Beteiligung zu erfreuen hatte, was allerdings bei der grossen
Beliebtheit und dem hohen Ansehen, das Herr Dr. Wacker in allen Kreisen der Stadt
Aachen genoss, nicht anders zu erwarten war. Den Dank des Vereins sprach dem
Scheidenden in warmen Worten der zweite Vorsitzende aus. Wenn derselbe hervorhob,
dass Herr Dr. Wacker sich sowohl durch seine umsichtige und thatkräftige Leitung als
auch durch seine hervorragende Mitarbeit an den Publikationen der Zeitschrift unver-
gängliche Verdienste um den Verein für „Kunde der Aachener Vorzeit" erworben habe,
80 durfte er der ungeteilten Zustimmung aller Vereinsmitglieder gewiss sein, wie er auch
ihnen aus der Seele sprach, als er betonte, dass der Gefeierte durch seine edelen Charakter-
eigenschaften und seine herzgewinnende Liebenswürdigkeit, die er stets im Umgang mit
Angehörigen des Vereins und seinen zahlreichen Freunden an den Tag gelegt, sich in
deren Herzen ein monumentum aere perennius gesetzt habe. In seiner Erwiderungs- und
Abschiedsrede verbreitete der Herr Direktor sich noch ein Mal ausführlich in begeisterten
und begeisternden Worten über die hohe Bedeutung der lokalgeschichtlichen Studien für
die allgemeine Geschichte und schloss mit einem Hoch auf den ihm liebgewordenen Verein
für „Kunde der Aachener Vorzeit**. Dessen kann sich Herr Dr. Wacker für versichert
halten, dass sein Andenken unter den Geschichtsfreunden Aachens sobald nicht erlöschen
wird. An die Erstattung des Jahresberichtes schloss sich der Bericht über die finanzielle
Lage an, welchen der Schatzmeister des Vereins, Herr Stadtverordneter F. Kremer mit-
teilte. Ein Bild der Kassenverhältnisse gibt folgende Zusammenstellung:
Einnahmen: .
An Kassenbestand aus dem Jahre 1895 . . . . M. 592.56
Zwei rückständige Beiträge für 1895 „ 6.—
195 Jahresbeiträge für 1896 „ 585.—
Zinsen der Sparkasse „ 12.88
Summa . . . M. 1196.44
— 119 —
Ausgaben:
Druckkosten der Vereinszeitschrift M. 481.78
Inserate „ 26.95
Porto- Auslagen und Botenlöhne „ 15.55
Buchbind er- Arbeiten „ 5.75
Kassenbestand „ 666.41
Summa . . . M. 1196.44
Nachdem die Herren Schneider und Fey die Kasse auf ihre Richtigkeit geprüft,
wurde dem Schatzmeister die nachgesuchte Entlastung erteilt und ihm sowie den Revi-
soren für ihre Mühewaltung der wohlverdiente Dank ausgesprochen. Den zweiten Punkt
der Tagesordnung bildete die Neuwahl des Vorstandes. Der Vorsitzende machte zunächst
darauf aufmerksam, dass ausser der Stelle des ersten Vorsitzenden auch die des Schrift-
führers frei geworden sei, da der bisherige Schriftführer, Herr Oberlehrer Oppenhoff,
erklärt habe, dass er wegen Überbürdung mit Arbeiten sein Amt im Verein nicht weiter
versehen könne, aber wohl geneigt sei, noch weiter dem Vorstande anzugehören und dass
ebenfalls die Herren Dr. Jardon in Düren, Kaufmann Classen und Stadtverordneter
Schaffrath hierselbst aus dem Vorstand ausschieden. Der Vorstand schlug der General-
Versammlung vor für den Herrn Dr. Wacker als ersten Vorsitzenden den Herrn Ober-
lehrer Dr. Fritz Kelleter und an Stelle des Herrn Oppenhoff den Hilf s- Archivar Herrn
Dr. Brüning, sowie an Stelle der ausgeschiedenen Beisitzer die Herren Oberlehrer Oppenhoff,
Dr. Savelsberg und Vorschullehrer Pschmadt zu wählen. Die General -Versammlung
erklärte sich mit diesem Vorschlage einverstanden und wählte durch Zuruf den ganzen
Vorstand mit den angegebenen Veränderungen wieder, der sich nun folgcndermassen
zusammensetzt: Erster Vorsitzender: Kelleter, Dr. Fritz, Gymnasial-Oberlehrer; zweiter
Vorsitzender und Redakteur: Schnock, H., Strafanstalts-Pfarrer; Schriftführer: Brüning,
Dr. W., Hilfs -Archivar; Bibliothekar: Schollen, M., Staatsanwaltschafts -Sekretär;
Kassirer: Kremer, F., Buchhändler und Stadtverordneter; Beisitzer: Menghius, W.,
Fabrikant; Oppenhoff, Frz., Oberlehrer; Pschmadt, Vorschullehrer; Rhoen, C,
Architekt; Savelsberg, Dr., Oberlehrer; Spoelgen, Dr. J., Professor und Oberlehrer.
Hiermit hatte der geschäftliehe Teil der Haupt- Versammlung sein Ende erreicht.
Die Leitung übernahm nunmehr der neugewählte erste Vorsitzende, Herr Gymnasial-
Oberlehrer Dr. Fritz Kelleter. Nachdem derselbe für die auf ihn gefallene Wahl in
herzlichen Worten gedankt, das beabsichtigte Programm seiner Thätigkeit entwickelt und
versprochen, nicht nur des Vereins „erster Vorsitzender*, sondern auch „erster Arbeiter**
sein zu wollen, erteilte er das Wort dem Herrn Dr. W. Brüning. Derselbe teilte zunächst
einen Originalbericht mit über die Feierlichkeiten bei einer der letzten Königskrönungen
in Aachen und sodann den Bericht eines Augenzeugen über die Überbringung des Leichen-
tuches Ludwigs XV., Königs von Frankreich nach Aachen durch den General-Intendanten
Ludwigs XVI., Papillon de la Fert6. Herr Fey sprach über den hierselbst noch in bestem
Andenken stehenden, ehemaligen Zeichenlehrer Salm, dessen eminente künstlerische Be-
gabung und fruchtbare Thätigkeit er durch Vorzeigung von 105 Blättern, die zum grossen
Teil historische Gebäude der Stadt und Umgegend zum Vorwurf haben, illustrierte. Erst
gegen 11 Uhr erreichte die anregend verlaufene Sitzung ihr Ende.
— 120 —
Verzeichnis der Mitglieder.
I. Vorstand.
Erster Vorsitzender: Kelleter, Dr. Fr., Gymnasial-Oberlehrer.
ZjMreiter Vorsitzender nnd Redakteur: Schnock, H., Strafanstalts-Pfarrer.
Schriftftihrer: Brtining, Dr. W., Hilfs- Archivar.
Bibliothekar: Schollen, M., Staatsanwaltschafts-Sekretär.
Kassirer: Krem er, F., Buchhändler und Stadtverordneter.
Beisitzer: Meughius, W., Fabrikant.
Op penhoff, F., Oberlehrer.
Pschmadt, Vorschullehrer.
Khoen, C, Architekt.
Savelsberg, Dr., Oberlehrer.
Spo eigen, Dr. J., Professor und Oberlehrer.
IL Mitglieder.
Adams, Hubert, Königl. Notar in Aachen.
Alertz, W., Bureauchef in Aachen.
A Isters, Dr., Professor in Aachen.
Barth, Apotheker in Aachen.
Baurmann, Dr. L., Arzt in Aachen.
Becker, J., Pfarrer in Weidesheim.
B eissei, M. W., Bentnerin in Aachen.
Berdolet, P., Lehrer in Aachen.
B er taut, L., Färbereibesitzer in Aachen.
Bibliothek dos Landkreises Aachen.
Bibliothek der Stadt Frankfurt a. M.
Biesing, Fritz, Rentner in Aachen.
Rischoff, Adolf, Gutsbesitzer in Haus Linde.
Bock, Dr. Frz., Rentner in Aachen.
Böckeier, H., Ehrenkanonikus und Direktor des Gregoriushauses
in Aachen.
Bongartz, J., Apotheker in Aachen.
Brückner, Dr., Arzt in Aachen.
Brüning, Dr., Hülfs-Archivar in Aachen.
Bruns, Fritz, in Werden a. d. Ruhr.
Buch holz, Jos., Kaufmann in Aachen.
Buchkremer, Jos., Privatdozeut in Aachen.
Bücken, Win.., Uhrmacher in Aachen.
Busch, von den, Gerichtsvollzieher a. D. in Paulinerwäldchen.
Capellmann,R., Geometer in Aachen.
Cazin, Frz., Ingenieur in Denver, Co. Amerika.
Chan tra ine, Dr., Arzt in Aachen.
Charlier, Ludw., Restaurateur in Forst
Clar, M., Gymnasial-Oberlehrer in Aachen.
Classen, J., Kaufmann in Aachen.
C lassen, Dr. J., Arzt in Aachen.
Classen, Jac., Kaufmann in Aachen.
Classen, M., Kaufmann in Aachen.
— 121 —
Clansmann, Eestauratour in Aachen.
Cornely, Bürgermeister a. D. in Elchenrath.
Cossmann, Th., Möbelfabrikant in Aachen.
Cremer, Jos., Baunntemehmer in Aachen.
Cremer, M., Lehrer an der Lehrerinnenbiidungs- Anstalt in Aachen.
Creutzer, A., Buchhändler in Aachen.
D ahmen, F^nzs, Kaufmann in Aachen.
Daverkosen, Jos., Kaufmann in Aachen.
Deterre, Jos., Buchdrnckereibesitzer in Aachen.
Dodenhöft, Emil, Oberlehrer in Aachen.
Dornemann, Rechtsanwalt in Aachen.
Dresemann, Dr. 0., Bedakteur in Köln.
Dujardin, Peter, Architekt in Aachen.
Eibern, M., Baumeister in Aachen.
Ernstes, Rieh., Kratzen Fabrikant in Aachen-Bnrtscheid.
Eschweiler, Pfarrer in Gürzenich.
Feld mann, Fritz, Kaufmann in Strassburg 1. E.
Fey, Job., Landgerichts-Sekretär in Aachen.
Fey, Jos., Rentner in Aachen.
Firmanns, Jac. Juwelier in Aachen.
Firmanns, Job., Rentner in Aachen.
Flamm, G. F., Kaufmann in Aachen.
Forckenbeck, von, Rentner in Aachen.
Förster, Jos., Kaufmann in Aachen.
F ranzen, Deservitor in Eller.
Geschwandner, Dr., Direktor an der Viktoriaschule in Aachen-
Burtscbeid.
Genien, Peter, Kaufmann in Aachen-Burtscheid.
Geyer, Dr. H., Gymnasiallehrer in Wesel.
Gilliam, M., Brunnenmeister in Aachen.
Göbbels, Jos., Architekt und Stadtverordneter in Aachen.
Goblet, Aug., Seifenfabrikant in Aachen.
Goecke, Dr., Professor in Aachen.
Gott in g, J., Staatsanwaltschafts-Sekretär in Aachen.
Greve, Dr. Th., Professor in Aachen.
Grimmendahl, Dr. P., Gymnasial-Oborlehrer in Aachen.
Gross, H. J., Pfarrer in Osterath.
Hammels, Jos., Kaufmann in Aachen.
Hammers, Job., Rentner in Aachen.
Heim, Dr. Oberlehrer in Aachen.
Heinen, Dr. L., Arzt in Aachen.
Heller, Geometer in Aachen.
Hennes, Leo, Kaufmann in Aachen.
Hen trieb, Gerichtsschreiber in Hillesbeim.
Hermens, Jos., Stadtverordneter in Aachen.
Herren, L., Kaufmann in Aachen.
Hess, Job., Kaplan in Köln.
Heucken, Jos., Kaufmann in Aachen.
Heu sc b, A., Fabrikant in Aachen.
Hochscheid, Jos., Rektor in Aachen.
Hoesch, Otto, Kaufmann in Aachen.
Hoff, von den, H., Justizrath in Aachen.
Honnef eller, P., Photolithograph in Aachen.
— 122 —
Habe, M., Geschaftsbücberfabrikant in Aachen.
Hnsmann, Fabrikant in Aachen.
Hunold, Apotheker in Aachen.
Hüffer, Bob., Maschinenfabrikant in Aachen.
Hüntemann, Jol., Schneidermeister in Aachen.
Janssen, Rechtsanwalt in Aachen-Bnrtscheid.
Jardon, Dr. A., Gymnasial-Oberlehrer in Düren.
Janlns, Dr. H., Babbiner in Aachen.
Jörissen, Albert, Gerichtsreferendar in Aachen.
Kaatzer, H., Wtw., Bnchdnickereibesitzerin in Aachen.
Kaentzeler, Jos., Vikar in Glehn.
Kaltenbach, J., Kaufmann in Aachen.
Kelleter, Dr. F., Gymnasial-Oberlehrer in Aachen.
Kersting, Dr., Zahnarzt in Aachen.
Kelleter, Dr. H., Stadtarchiv- Assistent in Köln.
Klausener, Bürgermeister in Aachen-Bnrtscheid.
Kleinen, Rechtsanwalt in Aachen.
Kl e Tisch, Greg., Kaufmann in Aachen.
Koch, H. H., Dr. theol., Militär-Oberpfarrer und Divisions-Pfarrer
in Frankfurt a. M.
Koehn, Dr., Gymnasial-Oberlehrer in Aachen.
Kölges, Beferendar in Aachen.
Körfer, H., Brennereibesitzer in Bothe Erde.
Kranz, Dr., Arzt in Aachen.
Kremer, Ferd., Stadtverordneter in Aachen.
Kruszewski, Dr. A., Gymnasial-Oberlehrer in Aachen.
Kuetgens, P., Stadtverordneter in Aachen.
Lamberz, Emil, Ingenieur in Aachen.
Lauf f 8, Fr., Pfarrer in Satzvey.
Lentzen, Pet. Ant., Fabrikdirektor in Aachen.
L er seh, Dr., Arzt in Aachen.
Lessenich, M., Kaufmann in Aachen.
Linnartz, Direktor der Provinzial-Taubstummenanstalt in Aachen.
Lippmann, Otto, Fabrikant in Aachen.
Lörkens, Dr. J., Professor der Bechte in Freiburg i. d. Schweiz.
Loersch, Dr. H., Geh. Justizrath, Professor der Bechte in Bonn.
Lovens, Jak., Pianoforte-Fabrikant in Aachen.
Macco, H. F., Kaufmann in Aachen.
Mahr, Gerh., Heizungsfabrikant in Aachen.
Mai, H., Musiklehrer in Aachen.
Maus, Heinrich, Bentner in Aachen.
Med er, Dr. J., Gymnasial-Oberlehrer in Aachen.
Menghius, C. W., Stadtverordneter in Aachen.
Messe w, Frz. W,, Bentner in Aachen.
M eurer, Dr. A., Professor in Aachen.
Michels, Jos., Hotelbesitzer in Aachen.
Möhlig, Job., Königl. Amtsanwalt in Aachen.
Müllenmeister, J., Tuchfabrik in Aachen-Bnrtscheid.
Müller, Dr., Oberlehrer in Aachen.
Niederau, W., Sparkassenbearoter in Aachen-Burtscheid.
Ni essen, Jos., Kaufinann in Aachen.
Ochs, H., Dechant in Steinfeld.
Oi dt mann, Dr. H., Glasmalerei in Linnich.
— 123 —
Opboven, Lehrer in Aachen.
Oppenhoff, F., Gymnasial-Oberlehrer in Aachen.
Otten, Heinr., Cigarrenfabrikant in Aachen.
Paulssen, Frz., Stadtverordneter in Aachen.
Peppermüller, Oberbibliothekar in Aachen.
Pier, von, Heinr., Nadel fabrikant in Aachen.
Pohl, Wilh., Bildhauer in Aachen.
Polis, Peter, Fabrikant in Aachen.
Polis, Pierre, Tnchfabrikant in Aachen.
Pschmadt, J., Realgymnasial-Vorschnllehrer in Aachen.
Pütz, Jak., Kaufmann in Aachen.
Quadt, Max, Rektor in Aachen.
Querinjean, Fabrikant in Aachen.
Beinartz, Job., Architekt in Aachen -Burtscheid.
Reinkens, Heinr., Polizeisekretär in Aachen.
Rey, yan, A., Kaufmann in Aachen.
Rey, Dr., Jos., Arzt, Aachen.
Rhoen, C, Architekt in Aachen.
Ross, Kaufinann in Aachen.
Rossum, Rudolf, Kaufmann in Aachen.
Rüben, J., Bauunternehmer in Aachen.
Rütgers, F. J., Juwelier in Aachen.
Saedler, H., Pfarrer in Derendorf.
Savelsberg, Dr. H., Gymnasial-Oberlehrer in Aachen.
Sommer, Professor in Aachen.
Schäfer, Kaufmann in Aachen.
Schaf frath, J., Stadtverordneter in Aachen.
Schervier, Aug., Fabrikant in Aachen.
Schiffers, Hubert, Steinmetzmeister in Raeren.
Schillings, Jos., Kaufmann in Aachen.
Schlesinger, M., Redakteur in Aachen.
Schmitz,- H., Realgymnasial-Oberlehrer in Aachen.
Schmitz, C, Architekt und Stadtverordneter in Aachen.
Schmitz, F., Havanna- Import-Geschäft in Aachen.
Schneider, Frz., Rentner in Aachen.
Schnock, H., Strafanstalts-Pfarrer in Aachen.
Schnütgen, M., Gymnasial-Oberlehrer in Aachen.
Schollen, M., Staatsanwaltschafts-Sekretär in Aachen.
Schulze, Job., Gymnasial-Vorschullebrer in Aachen.
Schumacher, W., Maler in Aachen.
Schwartzenberg, von, Frz., Steinmetzmeister in Aachen.
Schweitser, J., Buchhändler in Aachen.
Sim^on, Polizeiassessor in Aachen.
Spies, Hub., Aktuar in Bemkastel.
Spölgeu, Dr. J., Professor in Aachen.
Springsfeld, Dr., Arzt in Aachen.
Strom, Frz., Kaufmann in Aachen.
Tal bot, Hugo, Rentner in Aachen.
Theissen, Job. Pet., Regierungs-Sekretär in Aachen.
Theissen, Heinr., Hotelbesitzer in Aachen.
Thelen, Dr., Arzt in Aachen.
Thelen, P., Bauunternehmer in Aachen.
Thoma, Dr., Arzt in Aachen.
— 124 —
Thomas, Bechtsanwalt in Aachen.
Thom6, Friedr., Buchhalter in Aachen.
Thönissen, Wilh., Pfarrer in Borheck.
Thyssen, Edm., Architekt in Aachen.
Treuge, Oberlehrer in Aachen.
Vaassen, Dr. B., Bechtsanwalt in Aachen.
Valtmanu, H., Kaufmann in Aachen.
Viehöfer, Dr. E., Assistenzarzt in Aachen.
Vigier, L., Schirmfabrikant in Aachen.
Vincken, Mich., Oberpostdirektions-Sekretär in Aachen.
Vogelgesang, C, Kaufmann in Aachen.
Voissem, B., Kaplan in Aachen.
Wacker, Dr. C, Seminar- Direktor in Saarburg.
Wangemann, Dr. P., Zahnarzt in Aachen.
Weber, Arthur, Kaufmann in Aacheb.
Weber, A., Lehrer an der Webeschule in Aachen.
Wehrens, Johann, Goldschmied in Aachen.
Welter, H., Bechtsanwalt in Aachen.
Wendland, Dechant in Bheinbach.
Weyers, Bodr., Buchhändler in Aachen.
Wilden, Dr., Bechtsanwalt in Aachen.
Wings, Dr. Fr., in Aachen.
Wirtz, P., Beg.-Sekretär in Aachen.
Zentis, Kaufmann in Aachen.
Zimmermann, Bürgermeister a. D. in Aachen.
Verlag der Cremer^schen Buchhandlung (C. Cazin) in Aachen.
Die Aachener Geschichtsforschung.
Entgegnung auf die „Kritische Studie" des Herrn Dr. Lulvfes
über
,,Die gegenwärtigen Geschichtsbestrebungen in Aachen".
Mit Unterstützung Aachener Geschichtsfreunde herausgegeben von Dr. C. Wacker.
96 S. gr. 8°. Preis Ji 1.80.
Die römischen Thermen zu Aachen.
Eine archäologisch- topographische Darstellung
von C. RHOEN.
70 S. 8» mit einer Tafel. Preis 1.20 M.
P. Giemen, Die Porträtdarstellungen Karls des Grossen. VIII,
234 S.; mit siebzehn Abbildungen Mk. 6. —
Dr. 0. Dresemann, Die Jakobskirche zu Aachen. Geschichtliche
Nachrichten und Urkunden. 124 S Mk. 2. —
C. Rhoen, Die ältere Topographie der Stadt Aachen. IT, 142 S.
mit 4 Plänen Mk. 2.—
Leben und Werke des Aaetaier Gescliichteclireibers Christian ^uix.
Von Dr. C. WACKER. |
74 S. gr. 8». Preis M 1.20.
DbUCK YOK HkKUASII KaATZEB IK AACffl».
il7S 4äC11HS foiIEIf.
iTTEILWl DES VEREINS FÜR KUNDE DER AACHER VORM
IM AUFTRAG DES VEREINS HERAUSGEGEBEN
HEINRICH SCHNOCE.
BLFTEB JAHRGANG.
AACHEN.
Kohmb3Ion3-Vebiaq dkb Cbemebschen Buchhandlung (C. C'azin).
— 124 —
Thomas, Bechtsanwalt in Aachen.
Thom6, Friedr., Buchhalter in Aachen.
Thönissen, Wilh., Pfarrer in Borheck.
Thyssen, £dm., Architekt in Aachen.
Treuge, Oberlehrer in Aachen.
Vaassen, Dr. B., Bechtsanwalt in Aachen.
Valtmann, H., Kaufmann in Aachen.
Viehöfer, Dr. E., Assistenzarzt in Aachen.
Vigier, L., Schirmfabrikant in Aachen.
Vincken, Mich., Oberpostdirektions-Sekretär in Aachen.
Vogelgesang, C, Kaufmann in Aachen.
Voissem, B., Kaplan in Aachen.
Wacker, Dr. C, Seminar- Direktor in Saarburg.
Wangemann, Dr. P., Zahnarzt in Aachen.
Weber, Arthur, Kaufmann in Aacheh.
Weber, A., Lehrer an der Webeschule in Aachen.
Wehrens, Johann, Goldschmied in Aachen.
Welter, H., Bechtsanwalt in Aachen.
Wendland, Dechant in Bheinbach.
Weyers, Bodr., Buchhändler in Aachen.
Wilden, Dr., Bechtsanwalt in Aachen.
Wings, Dr. Fr., in Aachen.
Wirtz, P., Beg.-Sekret&r in Aachen.
Zentis, Kaufmann in Aachen.
Zimmermann, Bürgermeister a. D. in Aachen.
Verlag der Cremer'schen Buchhandlung (C. Cazin) in Aachen.
Die Aachener Geschichtsforschung.
Entgegnung auf die „Kritische Studie" des Herrn Dr. Lulvös
über
„Die gegenwärtigen Geschichtsbestrebungen in Aachen*^
Mit Unterstützung Aachener Geschichtsfreunde herausgegeben von Dr. C. Wtwker.
96 S. gr. 8^ Preis JH 1.80.
Die römischen Thermen zu Aachen.
Eine archäologisch-topographische Darstellung
von C. RHOEN.
70 S. 8» mit einer Tafel. Preis 1.20 M
P. Giemen, Die Porträtdarstellungen Karls des Grossen. VIII,
234 S.; mit siebzehn Abbildungen Mk. 6. —
Dr. 0. Dresemann, Die Jakobskirche zu Aachen, (ireschichtliche
Nachrichten und Urkunden. 124 S Mk. 2. —
C. Rhoen, Die ältere Topographie der Stadt Aachen. II, 142 S.
mit 4 Plänen Mk. 2.—
Leben und Werke des Aachener GescIiichtecWbers Christian ftuix.
Von Dr. C. WACKER.
74 S. gr. 8°. Preis M 1.20.
Dbcok vor Hkkicass £aat2kb im Aacrbv.
Ans 4^r=3f s Tcezbit:
— 124 —
Thomas, Rechtsanwalt in Aachen.
Thom6, Friedr., Buchhalter in Aachen.
Thönissen, Wilh., Pfarrer in Borheck.
Thyssen, £dm., Architekt in Aachen.
Treuge, Oberlehrer in Aachen.
Vaassen, Dr. B., Bechtsanwalt in Aachen.
Valtmann, H., Kaufmann in Aachen.
Viehöfer, Dr. E., Assistenzarzt in Aachen.
Vigier, L., Schirmfabrikant in Aachen.
Vincken, Mich., Oberpostdirektions-Sekretär in Aachen.
Vogelgesang, C, Kaufmann in Astchen.
Voissem, B., Kaplan in Aachen.
Wacker, Dr. C, Seminar- Direktor in Saarburg.
Wangemann, Dr. P., Zahnarzt in Aachen.
Weber, Arthur, Kaufmann in Aacheh.
Weber, A., Lehrer an der Webeschule in Aachen.
Wehre US, Johann, Goldschmied in Aachen.
Welter, H., Rechtsanwalt in Aachen.
Wendland, Dechant in Rheinbach.
Weyers, Rodr., Buchhändler in Aachen.
Wilden, Dr., Rechtsanwalt in Aachen.
Wings, Dr. Fr., in Aachen.
Wirtz, P., Reg.-Sekretär in Aachen.
Zentis, Kaufmann in Aachen.
Zimmermann, Bürgermeister a. D. in Aachen.
Verlag der Cremer'schen Buchhandlung (C. Cazin) in Aachen.
Die Aachener Geschichtsforschung.
Entgegnung anf die „Kritische Studie" des Herrn Dr. Lulvfes
über .
„Die gegenwärtigen Geschichtsbestrebungen in Aachen^^
Mit Unterstützung Aachener Geschichtsfreunde herausgegeben von Dr. C. Wacker.
96 S. gr. 8^ Preis ^ 1.80.
Die römischen Thermen zu Aachen.
Eine archäologisch-topographische Darstellung
von C. RHOEN.
70 S. 8» mit einer Tafel. Preis 1.20 JL
P. Clemen, Die Porträtdarstellungeii Karls des Grossen. VIII,
234 8.; mit siebzehn Abbildungen Mk. 6.
Dr. 0. Dresemann, Die Jakobskirche zu Aachen. Geschichtliche
Nachrichten und Urkunden. 124 S Mk. 2.
C. Rhoen, Die ältere Topographie der Stadt Aachen. II, 142 S.
mit 4 Plänen Mk. 2.
Leben und Weite des Aachener Geschichteclirefcrs Christian ftuix.
Von Dr. C. WACKER.
74 S. gr. 8^ Preis M. 1.20.
Dbuok voh Uermakn Kaatzbk IX Aachks.
4i7s 4acbeis foiKEIl
nmiGEN DES VERMS FÜR KIDE DER AACHENER VORZEIT
IH AUFTEAa DES VEREINS HEBÄUSGEOEBEN
HEINRICH SCHNOCK.
ELFTER JAHRGANG.
AACHEN.
Kommissions- Verlag der Gbemebschem BuCHHANbLONo (C. Cazin),
1898.
INHALT.
Seite
1. Zur Geschichte der Pfarre SchcTenhötte. Von A. Bommcs. . . . 1
2. Handschriftliche Chronik, 1770-1796. Von W. Bröninjr 18
3. Vertrag der Aachener RnpferschlS^nnuift mit Brabant. Von Heinrich
Kelleter 70
4. Kleinere Mitteilung:
Zur Frage der Freilegung des Granusturmt^s. Von Heinrich
Schnock 78
5. Die Aachener Knmnngsfahrt Friedrich III. im Jahre 1442. Von
W. Bröning 81
6. Wcistömer Ton Comelimünster. Von Heinrich Kelleter .... 106
7. Kleinere Mitteilungen:
1. Verleihung eines Brustkrenzes an die Kanoniker des Aachener
Liebfrauen -Münsters durch Kaiser Josef II. Von Heinrich
Schnock 112
2. Stadtsyndicus Anton Wolf. Von W. Brüning 115
3. Handelspolitisches aus der „Reichsherrlichkeit** Burtscheid. Von
W. Brüning 116
4. Ein Grenzschub im 17. Jahrhundert. Von H. Kelleter. . . 117
5. ,I)cr Historienmaler Adam Ebcrle aus Aachen (1805—1832).*
Von J. FoT 118
6. Zum Niedergang der Reichsstadt Aachen. Von W. Brüning . 120
7. Die Ankunft des Generals Dumouriez in Aachen. Von W. Brüning 122
8. Bericht über das Vereinsjahr 1898. Vom Herausgeber 123
Jithrlich 8 NumiDeni Komm issions -Verlag
A 1 Bogen Royal Oktav. **''
Cremei'Bchen BachhaDdlnng
Preis des Jahrgangs ^j ,,^,,
4 Mark. in Aachen.
Mitteilungen des Vereins für Kunde der Aachener Vorzeit,
Im Anftrage des Vereins heraasgegeben von E. Sohaook.
Nr. 1/5. Elfter Jahrgang. 1898.
Inhalt: A. Bommcs, Zur Oescbivhte der Pfarre Schevenhütte. — W. BrQning, Hand-
schriftlicbe Chronik, ItTO — 1796. — Heinrich Kellcter, Vertrag der Aachener Knpfer-
Bcblägcrzunft mit Brabant, angehend eine UalmeJlieferang ans dem Altenberg, a. 184S
Nov. 28. -~ Kleinere Mitteilung: Zur Frage der Freilegung des Oiannstarmea.
Zur Qeschichte der Pfarre Schevenhütte.
Von A. Bommes.
1. Schevenhütte als Rektorat (Beneficiam smplex)
1668—1699.
Wie im vorigen Abschnitte tlber das Alter und die Entwickelung
des Ortes Schevenhütte bereits mitgeteilt wurde, gehörten seine ersten
Bewohner zur katholischen Pfarrgemeinde Lendersdorf im Kreise Düren,
welche gegen 3 Stunden oder 13,50 Kilometer Wegs entfernt liegt. Für
ihre religiöse Gesinnung spricht die Überlieferung, dass sie sich nach
ihrer Niederlassung an dem hiesigen Eisenhüttenwerke hierselbst ein Bet-
kapellchen erbaut haben sollen, um darin gemeinsam ihre Andacht zu
verrichten. Wegen der sehr weiten Entfernung von ihrer Pfarrkirche zu
Lendersdorf und der nahen Lage der Kirche von Gressenich (2,25 Kilo-
meter) hielten sie sich jedoch zu dieser letztem Pfarre, um dort ihren
religiösen Pflichten als Katholiken nachzukommen und ihre Toten zu be-
graben. So kam es, dass sie mit der Zeit den Pfarrer von Gressenich
als ihren Seelsorger anerkannten. Als jedoch die Bevölkerung mit der
Zunahme der Eisenindustrie hierselbst immer mehr an Zahl und die Ort-
schaft au Ausdehnung zunahm, erbauten in den Jahren 1664 bis 1666 der
— 2 —
Jülichsche Wehrraeister (d. i. Oberförster über die herzoglich Jülichschen
Waldungen und Vorsitzender bei dem Banngerichte betreffend Wald- und
Wildfrevel) Theodor von Leers und seine Ehefrau Anna Richmnndis von
Berchem (Bergheim) aus eigenen Mitteln eine neue grosse Kapelle zu
Ehren der Allerheiligsten Dreifaltigkeit (in honorem ss. ac individuae
Trinitatis), welche auch späterhin bis zum Jahre 1890, den 19. März, als
Pfarrkirche diente. Dieselbe war aus rauhen Schieferbruchsteinen aus den
hiesigen Schieferlagem in romanischem Baustile einschiffig erbaut, mit
den Mauern und der Chorapsis 19 Meter lang, T*/, Meter breit und bot
als innem Raum für die Eirchenbesucher nur eine Bodenfläche von 12'/2
Meter Länge und 5 Meter Breite, also 62'/^ Quadratmeter. Der Thurm
war rechts neben der Eingangsthüre in das Innere der Kirche hinein-
gebaut. Sie lag zwischen der jetzigen neuen Pfarrkirche und der Kirch-
gasse d. h. der nach Gressenich fuhrenden Prämienstrasse, in der Richtung
dieser Strasse und nahe an derselben, mit dem Thurme bis auf etwa
8 Meter an die alte Pfarrwohnung hei*anreichend. Der sie umgebende
freie Platz wurde später seit der Pfarrerhebung am 6. Dezember 1699 als
Kirchhof benutzt und war rund von Mauern umgeben. Nach Erbauung
der Kirche stiftete derselbe Wehrmeister mit seiner Ehefrau am 20. März
1668 zur Zeit des Jülichschen Herzogs Philipp Wilhelm, in dessen Terri-
torium Schevenhütte lag. an der von ihm errichteten Kirche ein einfaches
Beneficium unter dem Titel ^Beneficiura siraplex perpetuura ad ss. Trini-
tatem* und bestimmte zum Unterhalte des anzustellenden Beneficiaten ein
Kapital von liXH) Goldgulden, welches als Hypithekarschuld auf den
herzoglichen Waldungen in der Forstmeisterei bezw. Kellnerei Montjoie stand.
In der bereits vorher eingeholten landesherrlichen Bestätigungsurkunde
vom 21. Januar 166S bestimmte Herzog Philipp Wilhelm, dass die Zinsen
zn 5^ 0 ^'^D diesem Kapitale im Betrage von 50 Königsthalem alljährlich
Von dem Hüttenmeister Hieronymus Hoesch und dessen Erbfolgern und
Inhabern der Hütte zu .Tunkershammer bei Zweifall dem zeitlichen Bene-
ficiaten und dessen Nachfolgern ausgezahlt und der jedesmalige Betrag
bei Berechnung der Holzkohlenlieferungen aus den herzoglichen Waldungen
demselben vom herzoglichen Forstmeister nach Vorzeigung der Quittung
des Benedcidten in Abrechnung gebracht werden sollte. «Nachdem dan
HiHrhstg* Ihre Fürstl. Dchlt. zu desto mehrer beforderung des Grottesdiensts
als* »Icher Pitt in gnaden gewilfahrt, alss ist deroselben ggstr. Befelcb
hiemit, das ol^ng*' Hüttenmeister Hoesch und dessen successoren von
Stichen tausent iroldtg. Hauptgeldts das tlährliche Interesse, wie vorg'
alss lang kein ander Verordtnung wirt, alle und jedes Jahrs in abschlag
Ihrer Schuldigkeit der Kohlfelder bezahlen, und den Forstmeistern ein-
pringen sollen, der dan solche Aussgaab hinwiederumb ebenfallss seines
Orts zu berechnen, gezeichnet zu Düsseldorf, den 21. ^Januar 1668.
Philipp Wilhelm (L. S.» gez: Diethr. Quiexs.* Zum besseren Unterhalte
des Benencidien fugte der Herzog selbst noch 6 Morgen (nach Prenssischem
— 3 —
Maasse jedoch 8V2 Morgen od6r 2 Hektar 15 Ar 27 Quadratmeter) Ge-
hölz hinzu, welches die Gemeinde Schevenhütte zu Wiesen machte, gelegen
bei Gressenich im sogen. Langenbroich, diesseits des Omerbaches, welcher
die Grenze zwischen dem Gebiete des Herzogthums Jülich und dem Corneli-
münsterschen Gebiete bildete, im Kataster bezeichnet: „Gemeinde Gresse-
nich, Flur 38, Nr. 223." Ausserdem Hess der Herzog im Jahre 1666 dem
Beneficiaten unmittelbar neben dieser Wiese eine Wohnung erbauen, welche
später nach herzoglicher Verordnung vom 3. Januar 1776 öffentlich zu
Gunsten der Kirche verkauft wurde, nachdem für den Geistlichen im
Jahre 1775 eine andere Wohnung im Orte Schevenhütte beschafft worden
war. Zu damaliger Zeit gehörten die Ortschaften Rott und Eller, d. h.
sämtliche diesseits des Omerbaches, also auf jülicher Gebiet gelegenen
Häuser zu Schevenhütte. Bei der Pfarrerhebung von Schevenhütte am
6. Dezember 1699 werden die Orte Rott und Eller nicht mit aufge-
führt, jedoch erst bei der neuen Einteilung der Pfarreien durch das
Dekret des Aachener Bischofs Berdolet vom 1. März 1804 kamen Rott
und Eller definitiv zur Pfarre Gressenich, während die Ortschaften Scheven-
hütte, Joaswerk und Bend die neue Pfarrgemeinde Schevenhütte bildeten.
Gemäss der Stiftungsurkunde des Wehrmeisters Theodor von Leers vom
20. März 1668 und der Genebmigungsurkunde der Erzbischöflichen Be-
hörde zu Köln vom 28. März 1668 hatte der Beneficiat die Verpflichtung,
an Sonn- und Feiertagen eine Frühmesse mit kurzer Predigt und Nach-
mittags für die Jugend eine Katechese, sowie wöchentlich zwei heilige
Messen zu halten für die Stifter, ihre Rechtsnachfolger, Verwandten und
Freunde, jedoch nur falls keine zwei Feiertage in die Woche flelen. Auch
das von dem Fundator Theodor von Leers für sich und seine Rechts-
nachfolger sich vorbehaltene Patronatsrecht wurde von der vorgesetzten
kirchlichen Behörde gleichfalls genehmigt und anerkannt. In der genannten
Stiftungsurkunde vom 20. März 1668 präsentierte Theodor von Leers zu-
gleich als ersten Beneficiaten den Kandidaten der Theologie aus Düren
Johann Werner Gross (1668—1677).
Am 24. März 1668 erfolgte die Ernennung desselben seitens des
Erzbischöflichen Officialates und am 8. Juni desselben Jahres die Besitz-
ergreifung des Beneficiums vor dem herzoglichen Notar Joh. Schmidts an
der Hofkanzlei zu Düsseldorf. Nach ungefähr 9 jähriger Wirksamkeit
verliess derselbe im Jahre 1677 aus unbekannten Gründen sein Beneficium,
ohne jedoch ausdrücklich auf seine Rechte Verzicht zu leisten. Später
soll er eine Pfarrstelle bei Speyer erhalten haben. Seine sämtlichen auf
die Anstellung desselben als Beneficiaten bezüglichen Schriftstücke, wie
Tauf-, Firmungs-, Weihe-Zeugnisse, Ernennungs- und Besitzergreifungs-
urkunde, sowie die Stiftungs- und kirchliche Genehmigungsurkunde des
Beneficiums wurden in einem hohlen Pfeiler des Hauptaltars der alten Kirche
fast unversehrt beim Abbruche desselben anfangs April 1890 aufgefunden;
— 4 —
seitdem werden sie im hiesigen Kirchenarchive aufbewahrt. Weiteres ist über
ihn nicht bekannt. Nachdem die Patres des benachbarten Klosters Schwarzen-
broich, Kreuzherren genannt, eine Zeit lang den Gottesdienst in der
Kirche zu Schevenhütte versehen hatten, wurde im Jahre 1678 als zweiter
Beneficiat nach Schevenhütte berufen
Johann Peter Schmitz (1678—1699 als Beneficiat).
Als solcher wurde er im Jahre 1678 vom Pfarrer Frings von Gresse-
nich eingeführt, obwohl das Beneficium damals mangels der förmlichen
Resignation des Werner Gross nicht unbestritten erledigt und Gross vor-
läufig noch ohne anderweitige Anstellung gewesen zu sein scheint. Peter
Schmitz versah jedoch sein Amt ohne jede Störung 12 Jahre hindurch,
bis im Monate Dezember 1690 der alte Wehrmeister starb. Zu dessen
Lebzeiten schon scheinen Differenzen in Betreff des Patronates entstanden
zu sein, da sich derselbe einige Monate vor seinem Tode das Patronats-
recht dui'ch ein Schriftstück vom 21. August 1690 zu sichern sucht. Das-
selbe lautet: „Ich Theodorus de Leers des hohen gewäldiss und wildban-
nischen gerichts Im Hertzogthum Gülich zeitlicher wehrmeister thue kund,
zeuge und bekenne öfifendlich vor Jedermänniglichen, wass gestalt die
Kirch uff der Hütten, Hertzogthumbss Gülich wie kundbahr durch mich
und meine seelige Haussfrau Annen Richraond von Bergheim auss dem
grundt auferbawet gantz und zumahlen privative und allein fundirt mit
allem Kirchen ahn- und zubehor versehen, auch zum priesterlichen ünder-
halt mit guldrhenten und anders lauth der fundation Ehrlich dotirt worden
ist, ich Ein und alleinig legitimus, verus et independens Collator und
patronus laicus nemine contradicente hierüber zu sein pleno et piano iure
Erkendt worden. Zu mehrer Glaubwürdigkeit diesses und der Sachen
habe diesses eygenhändig underschrieben und mit meinem gewöhnlichem
Pittschaft befestigt, geschehen Deuren, ahm 21. August 1690. (L. S.)
gez: Dieth. v. Leers. Quod haec ex originali desumpta clausula concemens
originali consona sit, attestor ego Philippus Bernardus Reitz, notarius
mpr." Diese Streitigkeiten kamen aber zum vollen Ausbniche zwischen
seinem Erbnachfolger und Neffen Johann Philipp von Leers zu Loersfeldt
einerseits und dem Beneficiaten Peter Schmitz anderseits im Jahre 1691, so
dass Ersterer dem Beneficiaten einen Teil seiner Einkünfte vorzuenthalten
versuchte, da Letzterer ihm unter Anderm den Vorwurf machte, er habe
einen Betrag von 19 Reichsthaler dem Beneficium „abzwacken" wollen.
Desgleichen machte Phil, von Leers den Versuch, einen Johann Schramm
auf das Beneficium zu präsentieren, jedoch erst gegen Mitte des Jahres
1692, indem er zur Begi'ündung und Rechtfertigung dafür angab: da
Werner Gross das Beneficium, ohne zu resignieren oder ein anderes Beneficium
zu erhalten, verlassen habe, so sei Peter Schmitz nur als zeitweiliger Deser-
vitor oder Verwalter des Beneficiums von seinem Oheime vorgeschlagen
und mit den kirchlichen Funktionen beauftragt worden, auch könne er
— 5 —
kein Aktenstück ttber seine Präsentation und Anstellung als Beneficiat
vorzeigen. Peter Schmitz gab dagegen die Erklärung ab, er könne bloss
aus dem Grunde seine CoUationsurkunde nicht vorlegen, weil ihm dieselbe
bei der Einäscherung Lendersdorfs verbrannt sei, der Fundator Theodor
von Leers habe das Patronatsrecht gar nicht besessen, weil derselbe das
fragliche Beneficium nicht allein fundiert habe, sondern die Gemeinde
Schevenhütte habe die Kirche gebaut und der Kurfürst die Morgen Gehölz,
welche die Gemeinde zu nutzbringenden Wiesen gemacht habe, geschenkt;
auch habe sein Oheim Theodor von Leera eine Messstiftung hinzugefügt;
er sei übrigens vom alten Wehrmeister präsentiert und vom Pfarrer von
Gressenich im Jahre 1678 eingeführt worden; die Patres von Schwarzen-
broich hätten das Beneficium nur eine kurze Zeit lang (1677 — 1678) ver-
waltet, bis man nämlich erfahren hätte, dass Gross eine Pfarrstelle bei Speyer
erhalten habe; dass seine Einführung durch den Pfarrer von Gressenich
im Jahre 1691 nochmals stattgeftinden habe, sei nur vorsichtshalber
geschehen; wäre er nicht als wirklicher Beneficiat angestellt worden, so
würde er sein bisheriges Beneficium unter keinen Umständen verlassen
haben und das um so weniger, als er seine sehr alte Mutter mit zu unter-
halten habe und zudem ohne Privatvermögen sei. Die Dauer dieser
Streitigkeiten kann nicht ermittelt werden, jedoch blieb P. Schmitz in
seiner Stellung und starb in Schevenhütte im Jahre 1711.
2. Schevenhütte als Pfarre seit 1699.
Am 6. Dezember 1699 wurde Schevenhütte unter seinem bisherigen
Beneficiaten P. Schmitz vom Kölner Erzbischofe Joseph Clemens zur Pfarre
erhoben. In Folge dessen fungierte
Johann Peter Schmitz (1699—1711)
weiter als erster Pfarrer. Die Pfarrerhebungsurkunde spricht zunächst
die Dismembration der Orte Schevenhütte, Joaswerk und Bend aus dem
Pfarrverbande von Lendersdorf und Gressenich aus und erhebt dieselben
dann zu einer selbständigen Pfarre unter dem Namen Schevenhütte, führt
dann die Einkünfte des Beneficiums, das Haus nebst Stiftungen und Stol-
gebühren, welche letztere seitens der Gemeinde in einem beigefügten
Schi'iftstücke vom 22. März 1699 genau fixiert sind, als Einkünfte des
Pfarrers auf, der nunmehr ausser den Verpflichtungen des Beneficiums auch
die pfarramtlichen Obliegenheiten zu erfüllen hatte. Gleich nach der
Pfarrerhebung, nämlich im Jahre 1700, Hess Schmitz den Taufstein anfertigen,
der noch heute benutzt wird. Ihm folgte als zweiter Pfarrer
Werner Herper (1711—1733).
Derselbe verrichtete zuerst 12 Jahre lang die pfarramtlichen Funktionen
und stellte dieselben dann aus unbekannten Gründen plötzlich ein, behauptend,
er sei nicht Pfarrer, sondern einfacher Beneficiat (beneficiatus simplex).
— 6 —
Von der Gemeinde Schevenhütte und dem Pfarrer in Gressenich beim
Dechanten Andreas Holtz in Rödingen dieserhalb verklagt, wurde er von
diesem darüber am 26. März 1725 zur Verantwortung gezogen. Aber
vergebens stützte er sich bei seiner Rechtfertigung auf ein Schriftstück
des General Vikars de Reux zu Köln vom 12. September 1724, worin er
beneficiatus simplex genannt wird; denn bereits am 30. März 1725 wurde
ihm unter Androhung der kirchlichen Suspension aufgetragen die pfarr-
amtliche Seelsorge wieder aufzunehmen, widrigenfalls ein anderer Geist-
licher auf seine Kosten mit seiner Vertretung beauftragt würde. Gegen
dieses Dekret des Dechanten legte W. Herper beim geistlichen Gerichte
in Köln Berufung ein und Hess seine Gegengründe durch seinen Anwalt
Hoening daselbst vorbringen : Unter Anderm, er sei als einfacher Beneficiat
durch Philipp von Lees zu Loersfeldt präsentiert worden ohne jede Ver-
pflichtung zur Pfarrseelsorge (quod teste dicto adiuncto clericus sie praesen-
tatus institutus ad nihil aliud teneatur, quam ut singulis dominicis ac
festivis diebus .... sacrum missae sacrificium peragere debeat . . . .,
quod iisdem diebus in dicta capella beneficiatus brevem exhortatiunculara
faceret, pro animabus dictorum fundatorum . . . orare ac etiam dominicis
diebus iuventutem in fide catholica instruere obligeturj und wenn er die
Pfarrseelsorge eine Zeit lang ausgeübt habe, so habe er das nur auf Ver-
anlassung des Pfarrers zu Gressenich aus freien Stücken gethan; aus der
Vorladung des Dechanten Holtz vom 26. März 1725 habe er erst erfahren,
dass die Kirche zu Schevenhütte eine Pfarrkirche sein solle; zudem
sei die Ausscheidung der Gemeinde Schevenhütte aus den Pfarreien Lenders-
dorf und Gressenich widerrechtlich geschehen, ohne den Patronus darüber
zu hören, gegen Wissen und Willen des Pfarrers von Gressenich und auf
unrichtige Angaben hin, auch sei für die Unterhaltung der Kirche und
des Geistlichen nur ungenügend gesorgt, seine Wohnung beßlnde sich ebenso
weit von Schevenhütte, als von Gressenich, die Einwohner von Scheven-
hütte hätten stets den Pfarrer in Gressenich als ihren Seelsorger betrachtet,
hätten dort die hl. Sakramente empfangen und bis vor wenigen Jahren
ihre Verstorbenen beerdigt. Nach den vorhandenen Abschriften der Prozess-
akten gewann W. Herper diesen Prozess am geistlichen Gerichte zu Köln
durch Entscheidung vom 8. Mai 1725, aber nebenbei blieb Schevenhütte
auch unter den unmittelbaren Nachfolgern des W. Herper zugleich Pfarre.
Herper starb Ende Januar 1733.
Nicht lange nach Beendigung des Prozesses, nämlich am 8. März
1727, stifteten die Eheleute Heinrich Wingen und Petronella Rös-
seler, sowie der Geistliche Joh. Wilhelm Rösseler, Bruder der Letz-
tern, an der Kirche zu Schevenhütte ein zweites Beneflcium zu Ehren
der allerseligsten Jungfrau Maria (Beneflcium simplex perpetuum sub
invocatione B. M. V.). Die Verpflichtungen des Beneflciaten sind fol-
gende: 1. Soll der Beneficiat an allen Sonn- und Feiertagen die Früh-
messe für die Stifter halten, nach ihrem Tode aber für ihre, ihrer
— 7 —
Eltern und Anverwandten Seelenruhe, ferner eine Lesemesse alljährlich
am Sterbetage jedes der drei Stifter; 2. nach einer notariell beglaubigten
Erklärung mehrerer Erbnachfolger oder Verwandten der Stifter vom
9. Januar 1750 hat der Beneficiat zudem infolge eines jetzt verloren
gegangenen Codicills zu obiger Stiftung noch alle Monate eine Lesemesse
für die Stifter und im Monate Juni noch eine Lesemesse für Joh. Wilhelm
Eösseler zu halten. Die Revenuen sind folgende: 1. Nach der Stiftungs-
urkunde a) von Heinrich Wingen und Petronella Eösseler: eine Fahr-
rente taxiert zu 22 Reichsthaler und an Zinsen 18 Reichsthaler; b) von Joh.
Wilhelm Rösseler 20 Reichsthaler Zinsen, demnach zusammen 60 Reichs-
thaler; 2. nach der obigen notariellen Erklärung vom 9. Januar 1750 wurden
die vorstehenden Revenuen entsprechend den vermehrten Verpflichtungen
bis auf 82 Reichsthaler erhöht, zu welchem Betrage a) Joh. Wilhelm
Rösseler 20 Reichsthaler und die Eheleute Heinrich Wingen und Petronella
Rösseler 62 Reichsthaler Revenuen in Kapitalien und der genannten Fahr-
rente gestiftet haben. Joh. Wilhelm Rösseler war ein kränklicher, resig-
nierter Geistlicher und, wie schon bemerkt, ein Bruder der Petronella
Rösseler, bei der er wahrscheinlich Wohnung genommen hatte. Die Fahr-
rente von 4^2 Malter Roggen und 4^2 Malter Hafer, welche alljährlich
Abends vor Allerheiligentag auf dem Hause Gürzenich bei Düren abgeholt
wurde, ging am 29. August 1839 durch gerichtliches Urteil verloren; die
zugehörigen Prozessakten befinden sich im Kirchenarchiv. Die Besitzer
der belasteten Grundstücke, nämlich die Erben von Schellart, weigerten
sich die Rente fernerhin abzuliefern und auch einen Titel zu stellen; sie
verloren zuerst gegen die klagende Kirche den Prozess am königlichen
Landgerichte zu Aachen am 30. Juni 1836, gewannen ihn jedoch später
am rheinischen Apellationsgerichtshofe zu Köln durch Urteil vom 29. August
1839. Ferner gingen seit 1803 verloren 254 Thaler oder 762 Mark vom
Stiftungskapitale, welche bei Joseph OfFermanns hierselbst standen. Die
Niederschlagungsordre des Erzbischöflichen Generalvikariats zu Köln erfolgte
am 9. Juli 1839 und seitens des Landratsamtes zu Aachen am 13. Dezember
1839. Die Stiftung dieses Beneficiums sowie die Präsentation des ersten
Beneficiaten Johann Peter Crumbach, welcher nebst seinen Nachfolgern
die genannten heil. Messen an dem im Jahre 1700 von Heinrich Wingen
und Petronella Rösseler geschenkten Altare in honorem B. M. V. et s.
Joseph zu halten hatte, waren vom Erzbischöflichen Generalvikar Johann
Arnold de Reux am 6. Mai 1727 anerkannt und genehmigt worden. Der
dritte Pfarrer war
Johann Abel Maassen (1733 — 1742).
Er kam nach Schevenhätte im Monate Dezember 1733 und wurde
im Jahre 1742 zum Pfarrer in Lövenich ernannt. Aus Unvorsichtigkeit
entstand unter ihm am 21. April 1738 im Orte ein bedeutendes Brand-
unglttck, bei welchem 9 Häuser eingeäschert, während die Kirche und
— 8 —
9 andere Grebäude vom Feuer gleichfalls ergriffen und beschädigt,
jedoch durch thatkräftige Hülfeleistung der Einwohner der umliegen-
den Ortschaften Gressenich, Rott, Ellen, Hamich und des Klosters
Schwarzenbroich vor der gänzlichen Zerstönmg bewahrt wurden. In dem-
• selben Jahre liess Pfarrer Maassen vom 20. bis 80. Juli eine Volksraission
durch die Jesuitenpatres Kellershofen, Hermanns und Wilhelmi halten.
Die Hauptbesitzer der damaligen Eisenhüttenwerke hierselbst, nämlich die
Eheleute Heinrich Wingen und Petronella Rösseler, schenkten und errichteten
bei dieser Gelegenheit das aus Schmiedeeisen hergestellte Missionskreuz,
welches auf einem eisernen Schildchen in der Mitte des Hauptbalkens die
heute noch eben lesbaren Zeichen „H. W. P. R. 1738** trägt. Dieses alte
Missionskreuz stand bis zum Jahre 1891 fast hinter der Chorapsis der
alten Kirche zwischen zwei Lindenbäumen, nach dem Abbruche derselben
aber, also seit Oktober 1891, befindet es sich ungefähr inmitten der Stelle
worauf dieselbe gestanden, also vor dem Hauptportale der neuen Pfarr-
kirche, zu der die alte quer lag mit dem Chore nach Südosten,
Durch Testament vom 22. Oktober 1738 vermachten dieselben kinder-
losen Eheleute H. Wingen und P. Rösseler, welche in dem kurz neben der
neuen Pfarrkirche gelegenen und von ihnen im Jahre 1697 erbauten Hause
„Gttlich** wohnten, ihre sämtlichen Häuser, Mobilien und Grundstücke ihren
Verwandten, gedenken dabei aber auch der hiesigen Pfarrkirche, indem
sie unter pos. 7 des genannten Testaments 200 Reichsthaler zur beständigen
Beleuchtung des Allerheiligsten Sakramentes hergeben. Es heisst daselbst;
„Vermachen und assigniren wir Eheleu th obgemelt hiessiger pfarkirchen
zur beständiger beleuchtung des Hochwürdigsten sacramentes vor Oel
zweyhundert rthlr. in capitali, so bey Gerarden Lamertz gegen ländliches
interesse ad 5 rthlr. pro cento aussstehen thun Alsso geschehen
auf scheiwenhtttt in unsserer wohnbehaussung d. 22. S^"^ Ein Tausend
siebenhundert dreyssig undt acht, gez: Heindrich Weingen, Petronella
Rösseler." Dieses Stiftungskapital scheint später in das Eigentum der
Kirche fibergegangen zu sein, weshalb dieselbe auch jetzt den Ölbedarf
für die Chorlampe aus ihren eigenen Einkünfte beschafft. Der folgende
Pfarrer liiess
Michael Heymanns (1742 — 1775).
Während seiner Wirksamkeit kamen die Eheleute Johann Rubens,
wohnhaft in den von den Eltern der Frau Rubens, nämlich Johann Schieren
und Anna Scholl, im obern, südlichen Teile des Ortes errichteten baulichen
Anlagen, der jetzigen Mahlmühle, bei der Erzbischöflichen Behörde zu Köln
in einer Bittschrift vom 12. Juli 1748 um die Genehmigung ein, in einer inner-
halb ihrer Wohnung hergerichteten Hauskapelle, von dem Kaplan Klee zu
Gressenich, der ihren Kindern als Hauslehrer Unterricht erteilte, an den
Wochentagen das hl. Messopfer darbringen lassen zu dürfen. Diese Bittschrift
wurde dem Pfarrer Heymanns durch den Geistlichen Klee am 22. Juli zur
— 9 —
Befürwortung und Einsendung überreicht. Allein PfaiTer Heymanns wider-
legte das Gesuch als gänzlich unbegründet, indem er u. A. ausführte, Klee
könne gegen eine billige Entschädigung an die Kirche und den Küster in
der nahe gelegenen Pfarrkirche celebrieren, er verlange von den Bittstellern
Rubens nur jährlich dafür 1 Reichsthaler für die Kirche und V2 Reichs-
thaler für den Küster, welcher billigen Forderung sich dieselben jedoch
nicht fügen wollten; auch die angeführte Begründung, dass ihren Kindern
der Besuch der Pfarrkirche wegen oftmaliger Überschwemmung des Baches
lebensgefahrlich werden könnte, sei nicht stichhaltig, weil derartig gefähr-
liche Überschwemmungen nicht vorkämen und ihre Kinder zudem öfters
tagsüber ohne Begleitung ins Dorf gingen, auch könnte man noch auf einem
andern Wege, nämlich „über das Gräfe feldt", zur Kirche gelangen, wo
keine Wassei-sgefahr zu befürchten stände, es mfisste denn eine zweite
Sündflut entstehen; zudem stehe Johann Rubens sowie auch sein Schwieger-
vater Johann Schieren der Kirche keineswegs wohlwollend gegenüber, Johann
Schieren wie auch seine beiden Schwiegersöhne behaupteten, die Kirche
schulde ihnen 52 Reichsthaler und benutzten auf diese grundlose Behaup-
tung hin 2V2 Morgen Kirchenwiese ohne jede Vergütung, auch habe die
Gattin des nunmehr verstorbenen Johann Schieren, nämlich Anna Scholl,
vier Quatember-Anniversarien gestiftet, jedoch weigerten sich die beiden
Schwiegersöhne die jährlichen Zinsen des dafür bestimmten Kapitals
von 100 Reichsthalern zu zahlen, dieselben verhinderten auch eine not-
wendige Reparatur der Kirchhofsmauer, nun habe gerade ihr Schwieger-
vater Johann Schieren auf sein Betreiben die Pfarrerhebung in Düsseldorf
und Köln durchgesetzt, wobei die Gemeinde sich zur reichlichen Beschaffung
der kirchlichen Bedürfnisse verpflichten musste, was allerdings nicht ge-
schehe, wozu sie aber gerichtlich angehalten werden könnten u. s. w.
Auf diesen Bericht hin scheint das obige Gesuch ohne Erfolg geblieben
zu sein.
Unter ihm wurde ferner die jetzt noch gebrauchte kleine Glocke an-
geschafft, welche vom Glockengiesser Chaudoir im Jahre 1761 gegossen
wurde. Dieselbe ist von sehr schönem Gusse und trägt als Inschrift auf
der einen Seite das Chronogramm:
SanCta VrsVLa InterCeDe pro Me
(1761, Jahr der Anschafi^ung)
et sanCte patrone noster MaLa DepreCare
(1750 = SOjähriges Pfarrjubiläum) und auf der anderen Seite die Worte:
Chaudoir f.(ecit) 1761.
Seit dem Jahre 1760 waren dem Pfarrer die Zinsen des vom Stifter
des Beneficiums ad ss. Trinitatem, Wehrmeister Theodor von Leers, her-
rührenden, auf der Forstmeisterei zu Montjoie stehenden Kapitals vorent-
halten worden, weshalb der Herzog Karl Theodor durch den Grafen von
Goldstein die Verordnung, datiert Düsseldorf, den 9. Januar 1768, erliess,
— 10 —
dass dem Pfarrer sowohl die rückständigen als auch die in Zukunft ver-
fallenden Zinsen mit 5 Prozent auszuzahlen seien. Nach 23jähriger segens-
reicher Wirksamkeit starb Pfarrer Heymanns in Schevenhütte am 10. April
1775. Ihm folgte als 4. Pfarrer
Peter Gillessen (1775—1805).
Derselbe war geboren zu Breinig bei Stolberg am 21. Juli 1735 und
starb zu Schevenhütte am 13. Januar 1805. Kurz nach seiner Ernennung-
beschloss die Gemeinde, da die bisherige im Jahre 1668 vom Herzog-e
Philipp Wilhelm von Jülich erbaute und bei Gressenich gelegene Beneflcial-
Wohnung so hinfällig geworden war, dass schon sein Vorgänger dieselbe
in den letzten Jahren nicht mehr bewohnen konnte, unterm 15. Dezember
1775, das unmittelbar neben der alten Pfarrkirche gelegene Wohnhaus von
dem Riethmeister Arnold Offermanns als Pfarrhaus anzukaufen. Dasselbe
war für 250 Reichsthaler käuflich und sollten zur Bezahlung des Kaufpreises
die vom verstorbenen Pfarrer Heymanns noch schuldigen 45 Reichsthaler
und 55 Reichsthaler rückständige Zinsen des „Bierzapfers** Jakob Stiel
aus der Ölstiftung, sowie 100 Reichsthaler, die durch Kultussteuer-Ümlagen
von der Gemeinde aufzubringen seien, verwendet werden. Der Rest von
50 Reichsthalern sollte auf der Pfarrwohnung lasten bleiben, wofür der
Pfarrer und seine Nachfolger jährlich zwei Anniversarien zu seinen Lasten
halten sollte, das eine für Arnold Offermanns und Christina Crumbach und
das andere für Marzellus Offermanns. Nach einer bei der Stiftungs-Urkunde
Nr. 9 (Stiftung Arnold Offermanns und Chiistina Crumbach) beigehefteten
Abrechnung des Kirchenrendanten Tilmann Joseph Esser hat jedoch später
die Gemeinde die Restschuld von 50 Reichsthalern übernommen, die Reve-
nuen dem Geistlichen alljährlich ausgezahlt und nachher das Kapital (50
Reichsthaler) in zwei Zahlungsterminen am 11. Mai 1830 und am 17. März
1831 nebst andern schuldigen Geldern in die Kirchenkasse eingezahlt, so
dass von da ab die Kirche zur Zahlung der Revenuen an den Geistlichen
verpflichtet ist. Am 3. Januar 1776 genehmigte der Kurfürst und Herzog
Karl Theodor diesen Antrag der Gemeinde mit der Bestimmung, dass die
alte Beneficialwohnung zu Gunsten der Kirche verkauft werden sollte.
In einer Eingabe vom 24. Februar 1776 remonstrierte jedoch Pfarrer
Gillessen gegen diese Verordnung des Herzogs, betreffend den Verkauf der
alten Wohnung nebst Garten und die Überführung des Erlöses in die Kirchen-
kasse und bittet, das Haus mit Zubehör zu Gunsten des Beneficiums zu
belassen, da es zu den Einkünften dieser Stiftung gehöre, indem er unter
Anderem ausführte: „Die Gemeinde zur Scheivenhütten hat nachher mittels
Zusatz einiger Rhenten einen zeitlichen beneficiaten ad curam pastoralem
beliebet, diesem Beispiel bin ich und vor mir die seitherige beneficiaten
gefolget; eine dismembratio aut suppressio istius beneficii ist aber nie
geschehen und da also das beneficium für sich bestehet, so ist es ein
unbedenklicher Satz, quod contra primaevam fundationem dies Hauss mit
— 11 —
Zubehör ad alium finem nicht verwendet werden möge/ Ueber den Erfolg
dieser Bitte geben die hiesigen Urkunden keinen Aufschluss, jedoch
befindet sich das Haus nebst Garten jetzt in fremden Händen und wird
nach vorgenommener Restauration desselben noch heute von einer Familie
bewohnt. Von der ursprünglichen Wohnung sind nur noch die Parterre-
Räume vorhanden, auf welche später eme neue Etage * aufgebaut wurde.
Gegen Ende seines Lebens traf den 68jährigen Pfarrer noch ein
von ihm beklagtes, schweres Leid, nämlich die projektirte Einpfarrung
von Schevenhütte in die neu zu errichtende Pfarre Wenau. Nachdem
nämlich durch die päpstliche Bulle vom 29. November 1801 ein neues
Bistum Aachen errichtet worden war, welches den ganzen linksrheinischen
Teil der früheren Erzdiözese Köln und einige Teile der benachbarten
Diözesen Trier, Lüttich und Roermond umfasste und der erste Bischof
Marcus Antonius Berdolet am 25. Juli 1802 in Aachen eingezogen war,
erliess derselbe am 1. März 1804 ein allgemeines Dekret über die projektierte
neue Einteilung der Pfarreien in 79 Kantonal- und 754 Succursalpfarreien.
Der Entwurf für die neue Circumskription der einzelnen Pfarreien wurde
vom Bischöfe dem Dechanten des Kantons Eschweiler, Pfarrer Vogel zu
Eschweiler, zur Begutachtung vorgelegt. Darnach sollte Schevenhütte in
die neu zu enichtende Pfarre Wenau eingepfarrt werden. Gegen diese
neue Einteilung erhob sich ein Sturm von Petitionen. Auch Pfarrer
Gillessen petitionierte dagegen und bat, ihn doch bei seiner Heerde zu
belassen, die er seit 28 Jahren nach Kräften und ohne jeden Tadel geführt
habe, indem er unter Anderm zur Begründung anführt, dass Wenau im
Walde liege, die Wege (stellenweise morastige Fusspfade, die sich teils
durch Wiesen, teils durch Wald und Gestrüpp schlängelten und den Bach
entlang führten) dorthin rauh und weit seien, dass man dreimal den Bach
überschreiten müsse und es fast unausfithrbar sei, bei Tag oder Nacht
die Kranken zu versehen, die Täuflinge und die Verstorbenen dorthin zu
bringen. Diese Petition wurde dem Bischöfe durch den Apostolischen
Notar Konrads überreicht, blieb jedoch vorläufig erfolglos. Die Begründung
derselben erschien dem Berichterstatter und Dechanten Vogel so stichhaltig
und schwerwiegend, dass er an einem günstigen Erfolge nicht zweifelte.
Er schreibt darüber: „Wird sie aber nicht berücksichtigt, dann wird der
neue Pastor von Wenau wenig Freude an dieser Gemeinde haben. Mit
ihrem dermaligen Geistlichen ist Schevenhütte zufrieden; derselbe kennt
die Gemeinde seit vielen Jahren und weiss sich so klug zu benehmen,
dass er Ruhe behält. ** Darüber starb der alte Pfarrer kurz nachher in
Schevenhütte bereits am 23. Januar 1805, als die Verhältnisse der neuen
Pfarre Wenau noch nicht geordnet waren; denn der erste Pfarrer war
noch nicht ernannt, als welcher erst am 24. Juni 1805 Arnold Mainz ein-
geführt wurde. Vorläufig hatte also Schevenhütte seine Selbständigkeit
als Pfarre verloren. Damm folgte nach dem Tode des Pfarrers Gillessen
in demselben Jahre nicht als Pfarrer, sondern als Deservitor
— 12 —
Johann Franz Spöltgen (1805— 1811).
Unter ihm reisten am 25. Januar 1808 der Orts Vorsteher und Kirchen-
rendant Tilmann Joseph Esser und der Küster Christian Scholl nach Aachen
und überreichten dem Bischöfe nochmals eine Bittschrift um Erhaltung
der Pfarre, wofür sie laut Kirchenrechnung ihre Auslagen mit 12 Reichs-
thalern vergütet erhalten. Daraufhin erzielte endlich Schevenhütte den
langersehnten Erfolg; es wui'de wieder selbständige Pfarre. Spöltgen
blieb bis zum Jahre 1811, wurde dann als Vikar nach Schlich versetzt
und versah dort zugleich das Amt eines Rentmeisters beim Grafen von
Merode. Ihm folgte
Baltasar Berkes (1811—1812)
aus Breinig, gewesener Kapuziner mit dem Klosternamen P. Simon, als
Pfarrer eingeführt am 7. Juni 1811. Auf dem ersten Blatte der von ihm
neu angelegten Tauf-, Sterbe- und Copulationsregister bemerkt er, dass
diese Register, welche staatlich konfisziert und den Civilstandsbeamten
überwiesen worden waren, fehlten. Ihm wurde nur eine kurze Zeit der
Wirksamkeit als Pfarrer beschieden, da er im Alter von 52 Jahren bei
der 'Ruckkehr von einer Reise in Wen au am Pfarrgarten den dunkelen
Waldweg am Abende des 13. April 1812 verfehlte und in den ange-
schwollenen Bach stürzte, worin man ihn andern Morgens tot auffand.
Er ist nicht das einzige Opfer, welches in früherer Zeit der Bach bei den
höchst mangelhaften, vom nahen Walde dicht beschatteten Fuss wegen den
Ufern entlang bei abendlicher Dunkelheit und hohem Wasserstande, sogar
im Orte selbst, gefordert und durch Ertrinken dem Leben gewaltsam ent-
rissen hat. Nach seinem beklagenswerten Tode erhielt die Pfarrstelle
Johann Leonard Donneux (1812 — 1813)
aus Montjoie. Derselbe war zuerst Vikar in seiner Heimat, wurde am
5. Mai 1812 vom Kapitularvikar Fonk zu Aachen nach Schevenhütte ernannt,
begann am 28. Mai daselbst die pfarramtliche Seelsorge und wurde am
6. Juli desselben Jahres vom Kantonalpfarrer Bauer zu Eschweiler kirchlich
in sein Amt eingeführt, welche Angaben in dem von seinem Vorgänger
neu angelegten Taufregister von ihm mit eigener Hand eingetragen sind.
Seine letzte Eintragung in die Register ist am 4. Mai 1813 geschehen.
Kurz darnach verliess er Schevenhütte und soll in Holland gestorben sein.
Nach ihm wurde Pfarrer
Johann Daniel Hansen (1813—1818)
gebürtig aus Burtscheid, zum Priesterstande verholfen durch die Unter-
stützung des Amtmannes und Kanzleirates Franzen zu Burtscheid. Er
amtierte vom 27. Juni 1813 bis zum 5. April 1818, an welchem Tage er
infolge Versetzung nach Olef bei Gemünd in Schevenhütte seine Wirksamkeit
beendigte. Zur damaligen Zeit wurde unter dem Ortsvorsteher Tilmann
— 13 —
Joseph Esser auf dem Pfarreigentum (Kataster Flur V, Nr. 140) unmittel-
bar an das Pfarrhaus anstossend die alte Schule nebst Lehrerwohnung
errichtet, wozu die Königliche Regierung 100 Thaler oder 300 Mark her-
gab und die Gemeinde die Hand- und Spanndienste leistete, welches Gebäude
die Pfarrkirche später durch notariellen Kaufvertrag vom 4. Juli 1886 mit
Gutheissung der geistlichen und weltlichen Behörden für den Preis von
400 Mark und das dazu gehörige Schulgärtchen am Pastroratsgässchen
(Kataster Flur V, Nr. 146, gross 1 Ar 94 Quadratmeter) für 100 Mark
ankaufte. Darauf wurde das angekaufte Schulgebäude mit dem Pfarrhause
zu einem Ganzen vereinigt. Ihm folgte
Johann Michael Scheper (1818—1829)
aus Lechenich gebürtig. Seine Ernennung datiert vom 1. Mai 1818 und
seine nachherige Berufung auf die Pfarrstelle zu Derichsweiler vom 1. April
1829. Als er wegen Schwäche sein Amt nicht mehr verwalten konnte,
verzog er nach Bessenich in der Pfarre Ztilpich, woselbst er geisteskrank
starb. Er errichtete hierselbst am 1. Oktober 1820 die Bruderschaft von
Jesus, Maria und Joseph, welche noch heute besteht.
Während der französischen Herrschaft in den Rheinlanden war das
Kapital des Beneficiums ad ss. Trinitatem im Betrage von 1000 Goldgulden,
welches auf der Herzogl. Jülichschen Forstmeisterei bezw. Kellnerei zu
Montjoie stand, als Douiinialgut eingezogen und sequestrirt worden. Um
die Zeit der Ernennung des Pfarrers Scheper nach Schevenhütte wurde
dasselbe bei der General-Liquidations-Kommission der Schulden gegen
Frankreich zu Aachen vom Kirchenvorstande reklamiert; jedoch erfolglos,
allein auf nochmalige Reklamation als fromme Stiftung wegen der darauf
lastenden Messen und sonstigen kirchlichen Funktionen endlich im Jahre
1885 anerkannt.
Am 18. Januar 1824 fasste Pfarrer Scheper und der Kirchenvorstand
mit Johann Wilhelm Schüller von Gressenich, der sich als Grenznachbar
das Miteigentumsrecht an der die Pfarrwiese gegen Osten begrenzenden
Schutzhecke anzuzeignen versucht hatte, eine schriftliche Erklärung ab,
dahin lautend, dass die Hecke ganz auf dem Boden der Pfarrwiese stehe
und mit allem Aufwüchse Pfarramtseigentum sei, weshalb er nie mehr
Eigentumsrechte daran beanspruchen wolle. Das Aktenstück ist im Kirchen-
archive aufbewahrt. Ferner vollendete Pfarrer Scheper am 14. Dezember
1826 eine Materialiensammlung und Vorarbeit zur Anlegung eines
Kirchenlagerbuches, welches unter seinem Nachfolger in zwei Exemplaren
angefertigt und am 5. und 12. Oktober 1833 von der Königlichen Regierung
zu Aachen endgültig festgestellt und genehmigt wurde. Nach seiner Ver-
setzung wurde zum Pfarrer ernannt
Johann Adam Lauterborn (1829—1833)
aus Jackerath, welcher aber bereits am 15. März 1833 als Pfarrer nach
Gierath versetzt wurde und nach 23jähriger Wirksamkeit als emeritierter
— 14 —
Pfarrer in Köln an St. Gereon und Ritter des rothen Adlerordens 4. Klasse
im Jahre 1878 starb. Unter ihm wurde im Jahre 1832 das alte Missale
mit Silberbeschlag angeschafft. Sein Nachfolger war
Johann Joseph Vorage (1838—1840).
Als Wittwer mit 3 Söhnen und 2 Töchtern widmete er sich im Jahre
1815 dem Studium der Theologie, wurde 1825 ordinirt und kam 1833 nach
Schevenhütte, wirkte daselbst bis zum Jahre 1840, worauf er zum Pfarrer
von Stetternich bei Jülich ernannt wurde. Er war geboren am 10. Oktober
1780 zu Kirchrath (Holland), wirkte vor seiner Anstellung in Schevenhütte
als Kaplan in Haaren und starb zu Stetternich am 23. Juli 1856. Einer
seiner Söhne wurde Pfarrer in Breberen, ein anderer Pfarrer in Rösberg
bei Bonn. Durch Ernennung des Letztern zum Pfarrer nach Welldorf
ging einer seiner sehnlichsten Wünsche in Erfüllung, nämlich einen seiner
geistlichen Söhne als Pfarrer in seiner Nähe zu haben, jedoch soll seine
Freude darüber ihn so sehr angegriffen haben, dass er plötzlich vom
Schlage gerührt starb, als er die Herüberknnft seines Sohnes erwartete.
Während der ganzen Zeit seiner Wirksamkeit führte die Kirche
einen Prozess wegen der zur zweiten Frühmessenstiftung in honorem
B. M. V. gehörigen Fahrrente, nämlich vom Jahre 1833 bis 1839, welcher
am 30. Juni 1836 in Aachen gewonnen wurde, aber schliesslich am Rhei-
nischen Appellationsgerichtshofe in Köln am 29. August 1839 füi' die
Kirche verloren ging, obwohl die Rente bis zum letztverflossenen Jahre
vor Erhebung der Klage (9. Januar 1833) von den Erben der belasteten
gräflich von Schellartschen Grundstücke, gelegen in der Bürgeimeisterei
Birgel, Kreis Düren, eingeliefert worden war. Die Erben weigerten sich
auch, einen neuen Titel zu stellen. — Am 13. April 1835 kaufte die
Gemeinde laut Akt vor Notar Vossen zu Eschweiler von Jakob Müller in
Schevenhütte einen Baumgarten zum Preise von 250 Thalern oder 750 Mark
an, der dem Pfarrgarten beigefügt wurde. Dann folgte als Pfarrer
Theodor Joseph Siegeler (1840—1882),
geboren zu Aachen am 13. Oktober 1798, zum Priester ordiniert am 13. Mai
1824; er fungierte als Vikar in Gemünd, Eynatten, Brachein und Weiden
und wurde am 1. Juni 1840 zum Pfarrer von Schevenhütte ernannt. Da-
selbst feierte er am 13. Mai 1874 sein 50jähriges Priesterjubiläum und
starb am 10. Oktober 1882. Die Verschönerung des Gottesdienstes und
der Kirche lag ihm sehr am Herzen. So besorgte er im Jahre 1845
die Anschaffung der neuen Thurmglocke mit der Inschrift: „Sub pastore
Siegeler — in honorem B. M. V. et sti Josephi me — fecit anno 1845 —
J. B. Du Bois.** Ferner beschaffte er im Jahre 1853 eine Orgel mit der
Aufschrift: „Assidua cura Th. Jos. Siegeler et benefactorum ope me fecit
Jos. Kaischeuer ex Nörvenich. Anno MDCOOLIII.*' Auf dem Nebenorte
Bend Hess er ein Kapellchen in honorem s. Donati Ep. Ms. und in der
— 15 —
Nähe des Dorfes auf Gressenich zu ein Kapellchen in honorem B. M. V.
erbauen. Unter ihm ging die Pfarrgemeinde auch mit dem Plane um,
eine neue Pfarrkirche zu errichten, weil die alte Kirche wegen Raum-
mangels nicht mehr hinreichte, jedoch wagte er es seines Alters wegen nicht
mehr, die damit verbundenen Sorgen und Beschwerden am sich zu nehmen.
Da zur Zeit seines Todes wegen des sogen. Kulturkampfes und der damit
verbundenen Behinderung der Ausübung der bischöflichen Amtsgewalt die
Anstellung eines neuen Pfarrers nicht ausführbar war, verwaltete nach
seinem Ableben Hermann Joseph Müller, Kaplan zu Mausbach die Pfarre,
während die Kapläne von Stolberg: Karl Schmitz, Th. Heuel, Ant Höhne
und Dr. Jos. Sommer an den Sonn- und Feiertagen abwechselnd die hl.
Messe celebrierten. Im Juli 1884 kam dann nach Scbevenhütte der am
11. Juni 1881 zum Priester ordinirte, aus Bardenberg gebürtige
Joseph Neilessen als Hülfsgeistlicher (1884—1887).
Derselbe war zunächst besorgt für die Beschaffung und teilweise
Erneuerung kirchlicher Geräte und Paramente, er beschaffte ferner einen
eisernen Tabemakeleinsatz, einen Kirchenarchiv- und Paramentenschrank,
sowie im Jahre 1884 die Kleinschen Kreuzwegstationen und das Bild
Maria de succursu perpetuo, welches durch die PP. Redemptoristen von
Rom aus bezogen und mit den päpstlichen Ablässen versehen, am 81. Mai
1885 feierlich errichtet wurde. Unter ihm wurde vom 6. — 10. März 1886
durch die Rektoren Joh. Sittard zu Aachen, Joh. Hohlmann zu Nieder-
bardenberg und Kaplan Anton Höhne zn Stolberg eine Volksmission abge-
halten und bei dieser Gelegenheit das jetzt an der neuen Pfarrkirche
stehende, hölzerne Missionskreuz errichtet.
Mit regem Eifer bestrebte er sich, das bereits unter Pfarrer Siegeler
angeregte Kirchenbauprojekt zu fördern, zu dessen Ausführung die Civil-
gemeinde 15000 Mark herzugeben am 5. Mai 1885 mit Genehmigung der
Königlichen Regierung zu Aachen vom 29. Juli 1885, 1, Nr 14278 beschloss,
während eine Kirchenkollekte im Jahre 1886 in der Erzdiözese Köln
7665 Mark 57 Pfennige und eine Hauökollekte in den Regierungsbezirken
Aachen und Köln 7634 Mark 19 Pennige ergaben, so dass 30300 Mark ohne
die Sammelgelder in der eigenen Pfarre sichergestellt waren. Ein vom Archi-
tekten P. Peters zu Aachen ausgearbeiteter Bauplan in einfachem, frtthgo-
thischem Baustile erforderte jedoch zur Ausführung gemäss dem Kosten-
anschlage die Summe von 34200 Mark. Derselbe wurde mit einigen un-
wesentlichen Abänderungen, die jedoch noch ungeftlhr 2000 Mark wegen der
verlangten Verstärkung des Mauerwerkes mehr erforderten, von der Erz-
bischöflichen Behörde zu Köln am 10. April 1886, Nr. 185 und von der
Königlichen Regierung zu Aachen am 3. Dezember 1887, 1 Nr. 24 188 endgültig
genehmigt. Grosse Schwierigkeiten entstanden nun aber in der Gemeinde
selbst bei der Auswahl der Baustelle. Eine Partei erwählte dazu den
Pfarrgarten, eine andere Partei den sogen. „Hüttenplatz" mit den Ueber-
— 16 —
resten einer alten Eisengiesserei, der von der Familie Erben Heinrich
Hoesch zn Junkershammer käuflich erworben werden sollte. Nach vielen
Verhandlungen, die zu keiner Einigung führen wollten, bestimmte die
Erzbischöfliche Behörde am 19. November 1886, Nr. 13758 endgültig den
Pfarrgarten als Baustelle. Allein die Streitigkeiten bestanden fort. Da
wurde am 1. April 1887 der Hülfsgeistliche Neilessen zum Vikar von Berg.-
Gladbach ernannt, und der benachbarte Pastor Peter Straaten von Gressenich
übernahm die Verwaltung der Pfarre, bis am 3. Oktober 1887 der bisherige
Vikar zu Alsdorf,
Johann Anton Bommes (1887),
gebürtig aus der Pfarre Corschenbroich, ordiniert am 24. August 1872, als
Vikar nach Alsdorf berufen am 3. September 1872, nach Schevenhütte
ernannt wurde. Da der Erzbischof und nunmehrige Kardinal Philippus
zu Köln damals in der Anstellung der Pfarrer durch die sogen. Maigesetze
noch behindert war, so wurde Bommes zunächst als Hülfsgeistlicher (pres-
byter auxiliaris) am 3. Oktober 1887 in Schevenhütte angestellt, dann am
30. November 1888 zum Pfarrer ernannt und am 1. Januar 1889 vom
Dechanten des Dekanates Eschweiler und Ehrendomherrn Joseph Johnen,
Pfarrer zu Rohe, kirchlich als Pfarrer eingeführt. Bei seiner Ernennung
für Schevenhütte erhielt er von seiner vorgesetzten kirchlichen Behörde den
besondern Auftrag, die schwebende Kirchenbauangelegenheit daselbst zu
einem günstigen Abschlüsse zu bringen. Bald nach dem Antritte seiner
neuen Stelle machte er den Vorschlag, beide streitigen Baustellen fallen
zu lassen und das bald zur öfi'entlichen Vei'steigerung kommende, an die
alte Kirche und Pastorat anschiessende Grundstück Flur V, Nr. 291/142 und
292/143, in der Gesamtgrösse von 18 Ar, 33 Quadratmetern als Baustelle
anzusteigern, mit welchem Vollschlage sowohl beide Parteien im Orte, wie
auch die geistliche und weltliche Behörde einverstanden waren. Demnach
wurde das fragliche Grundstück am 6. Februar 1888 zum Preise von
3000 Mark und 300 Mark Aufgeld für die Kirche als Baustelle angesteigert.
Zur Deckung des Kaufpreises und der Mehrkosten der projektierten Kirche
wurde dann noch eine Hauskollekte in dem zur Kölner Erzdiözese gehö-
rigen Teile des Regierungsbezirkes Düsseldorf bewilligt, welche 4784 Mark
28 Pfennige einbrachte, wozu noch ein Geschenk der Familie Pelzer von 750
Mark kam. Nach Auswerfung der Fundamente wurde der Bau am 20. Juni
1888 begonnen und im Herbste 1889 ohne Unfall vollendet. Die feierliche
Einsegnung der Fundamente und des Grundsteins vollzog der Herr Dechant
Johnen von Rohe unter Assistenz von 5 Geistlichen am 22. Juli 1888,
während die kirchliche Konsekration des vollendeten Baues am Feste des
Kirchenpatrons, des heil. Nährvaters Joseph, am 19. März 1890, durch
den hochwürdigsten Herrn Weihbischof Dr. Anton Fischer von Köln unter
Assistenz von 16 Priestern vorgenommen wurde.
Die Kirche kostet in runder Summe 36 000 Mark ohne die Baustelle.
— 17 —
Gleich nach Vollendung derselben wurde auch fftr die innere AusstAtttiUff
Sorge getragen und in den Jahren 1800—1893 zwei AltÄro, eine Konw
munionbank, eine Kanzel, ein Mariahilf-AltÄrchen, KirchonHnko \u 8. w.
teils durch einzelne grössere Geschenke, teils durch die Sammhmgon dos
St. Joseph-Bauvereins neu beschafft.
Beim Abbruche des Hauptaltai^s in der alten Kirche anfangs April
1890 fanden sich im Innern eines der hohlen Altarpfeilor die Hftmmtliohon
auf die Ordination, Ernennung und Anstellung des ersten Boneflciaton
Werner Gross (1668 — 1677) bezüglichen Schriftstücke nebst dem Originale
der Stiftungsurkunde des ersten Beneflciums ad ss. Trinitatem von TluMxlor
von Leers und Richmundis von Berchem unversehrt vor und auHHcrdoni
eine silberne Medaille mit der Inschrift a) auf der Vorderseite: »S. Mointil-
phus diaconus Paderbornensis 1663** nebst der Heiligenfigur, b) auf der
Rückseite: „Ferdinaudus D. G. Episc. Padorb. S. R. J. Princcps Oom.
Pyrm.** nebst Wappen. Beim Wegräumen des Altares fand sich noch ein«»
zweite Medaille von Silber im Innern der Kirche mit der Inschrift a) auf
der Vorderseite: „Sola bona honesta. 1690." nebst einer Pfordeflgur, b) anl
der Rückseite: „Ernest. August. D. G. Episc. Osna, I). B. et Lunob.**
nebst Wappen. Eine dritte hierzu gehörige silberne Medaille wurde Mchon
seit einer langen Reihe von Jahren im hiesigen Kirchonarchivo authewahrt
mit der Inschrift a) auf der Vorderseite: „Hede vacanto Cap. cath. Pad<»rb.
1761 nebst 12 Wappen, b) auf der Rückseite: Papst- und Kainorflgiir
nebst 12 Wappen der adeligen Kapitulare. Diese Medaillen werden mit
samtlichen in dieser Abhandlung citierten und im Besitze der Kirche
befindlichen Akten und Urkunden im hiesigen Kirchenarchive aufbewahrt.
Mit Erlaubnis der Erzbischöflichen Behörde zu Köln, datiert vom
13. Februar 1891, Xr. 1283, wurde im Jahre 1891 die alte Kirche nieder-
gelegt und ans dem Baumateriale derselben der Kanal und die Kinfriedi'
gangsmauem an beiden Strassen entlang und um die ganze neue Kirrthü
hemm durch die Kirchenverwaltung hergestellt Beim Abbruche denselben
fand sich auch der alte Grundstein, der in die Mauer der i'Aiom\min ein-
gefügt und mit Verputzmörtel bedeckt war. Er ist vcrwjhen mit folgender
Inschrift, einem Chron»gTamm, das nicht nur Ann Jahr des Bautieginne^
1C64, vmdem auch zugleich die allerheiligste Dreifaltigkeit al^ damalii/ren
Patn^nuü der Kirche, zu dfe%<en Ehre j^ie crrichU.'t warde, angibt ; ^[>aVf)etVr
saM'tlüAlMa irlnlta^* d. u I^udetur MncXtmmsi TrinitaA,
r>er alte Kir^hh-^f in der L'rngebunir der alten Kirche verbleibt laut
einmal von der zu^tä:; li^'en Behörden am 7, (>kl/;t^r IH'^1, Nr H2ffi nnd
zu Aa^-beri am \<K M4rz Ih'rJ. L Xr, ';217 geriehmiift^o Verlras(e zwivihen
der KiPf.e wr.d d^r (?*[':( f:n.^l:Af: vom 2\. H*Kptf:xh\ff.r l^'/il nuU'Mriti^trf^r^
E:i.fef,um d^r Kirr.*-, w ,j<i'/j^tu d're Kirrrhe v/^n ihrem HU^:f\i*,^^u4f':u
au d>r ^ ,W\\;c/ttuitl:A^, a^-A-.-/.
racerm 2'$. A*^"*At \^rZ ^-jUf-Ai. d*^ Kttthti mr fftffmm VtHtuUi de^r
— 18 --
ganzen Pfa^rgemeinde eine Reliquie von dem nunmehrigen Kirchenpatrone,
nämlich eine Partikel ex pallio s. Joseph sponsi, von der Bischöflichen
Behörde zu Brügge, welche mit Genehmigung der Erzbischöflichen Behörde
zu Köln vom 9. März 1893 zum ersten Male am Festtage des hl. Joseph,
am 19. März 1893, öfi^entlich zur Verehrung in der Kirche ausgestellt wurde.
A. Bommes wurde im Jahre 1895 auf die Pfarrstelle Rosellen bei
Norf im Dekanate Neuss berufen; zu seinem Nachfolger in Schevenhütte
wurde von der kirchlichen Behörde ernannt der im Jahre 1838 zu Steele
geborene
Wilhelm Ludwig Klumbeck,
welcher bis dahin Vikar zu Frechen im Dekanate Brühl gewesen war.
Handschriftliche Chronik.
1770—1796.
Von W. Brüning.
Die Vorlage (Quer-Oktav, 40 Blätter, am Ende anscheinend unvoll-
ständig) befindet sich im Besitze des Herrn Kaufmanns Lennartz zu Aachen *.
Zur Kennzeichnung der Zeit, die die Chronik umfasst, schicke ich
Folgendes voraus. An dem dritten schlesischen Kriege nahm das Reich,
und mit ihm Aachen, zu Gunsten Maria Theresias teil. Die erheblichen
Kosten für das Reichskontingent und mehrfache Einquartierungen, von
denen die Stadt auch in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts oft
heimgesucht worden war, luden ihr eine grosse Schuldenlast auf. Die
Kriegsdrangsale entzogen ihr ausserdem die Hauptquelle ihrer Einnahmen,
da sie die Besucher der Bäder verscheuchten. Besonders drückend war
die Einquartierung der französischen Truppen. Als sie im Spätherbst 1761
die Stadt verliessen, hatte diese ausser 40000 Rthlr. an das Reichskontingent
373 000 Rthlr. für Kriegsaufwendungen verausgabt. Die Kosten, welche
die einzelnen Bürger tragen mussten, sind dabei nicht in Anschlag gebracht.
Die Bürgerschaft Aachens hatte durch den siebenjährigen Krieg überhaupt so
schwer zu leiden, dass sie fast verarmte. Der Abschluss des hubertusburger
Friedens wurde deshalb freudig von ihr begrüsst. Die Jahre der Ruhe
nach 1763 brachten den Wohlstand wieder etwas in die Höhe. Der Besuch
der Bäder, namentlich seitens fürstlicher Persönlichkeiten, war ein reger
und einträglicher, die Industrie hob sich und die Stadtregierung störte
wenigstens die ruhige materielle Entwickelung nicht, wie vorher und nachher
so oft. Aber die im Jahre 1768 ausbrechenden Zwistigkeitcn mit dem
*) Herr Stadtarcbivar Pick, der die Chronik behufs VeröffentlichuDg bereits hatte
abschreiben lassen, hat mir in zuvorkommender Weise seine Abschrift überlassen. Nach
Anfertigung einer neuen, den Bestimmungen über die Herausgabe handschriftlicher Texte
entsprechenden Abschrift übergebe ich die Chronik dem Drucke.
— 19 —
Kurfürsten von der Pfalz und Herzog von Jülich, Karl Theodor, der die
jülichschen Bestrebungen, Aachen seiner Selbständigkeit zu berauben, mit
Energie aufnahm, unterbrachen wieder für Jahr und Tag die gedeihliche
Entwickelung. Zwar behauptete die Stadt ihre Reichsunmittelbarkeit, aber
sie musste diesen idealen Vorzug mit einem schweren Stück Geld bezahlen.
Die kaiserlichen Zopfträger am Wiener Reichshofrat und Regensburger
Reichstag und die schiedsrichterlichen Kommissare suchten natürlich die
Aachener Sache so einträglich wie möglich zu gestalten, denn sie wussten,
dass, „wann Mindermächtige mit den Mächtigeren und Grösseren in Kollision
geraten", nur der Geldbeutel erstere vor dem Schicksal bewahren konnte,
allemal „den kürzeren zu ziehen". Darüber braucht man sich nicht zu
wundern, dass in dieser Zeit der Rechtsunsicherheit, in der es desto weniger
Recht gab, je mehr allerorten Recht gesprochen wurde, der pfälzische Kur-
fürst ein kaiserliches Mandat, das ihm jede Gewaltthat untersagte und ihn
auf den Weg Rechtens verwies, einfach ignorierte, am 10. Februar 1769
die Thore der Stadt erbrechen liess und diese mit einer Einquartierung
von 2000 Mann belegte, um sie so seinen Wünschen gefügiger zu machen.
Der Rat beriet recht lange und protestierte energisch gegen diese Gewalt-
thätigkeit; es half nichts. Er wurde kleinlaut, als die Mörser der Pfalzer
über den Marktplatz rasselten und ihre Mündungen dem Stadthaus zukehrten.
Der Konflikt entwickelte sich für ihn gar noch zu einem häuslichen Schrecken,
als die Truppen seinen Mitgliedern und den Bürgermeistern zu 10 bis 50
Mann ins Quartier gelegt wurden. Der Bürgermeister von Kahr erhielt
sogar 200 Mann. Auch die Bürgerschaft lernte die Freuden der Einquar-
tierung wieder gründlichst kennen. Monate hindurch war Aachen die ebenso
hülfslose wie bedauernswerte Stätte der von Deutschen in einer deutschen
Stadt verübten Willkür. Auf eine ausführliche Schilderung der durch sie
geschaffenen Zustände wollen wir hier verzichten und uns mit folgenden
Angaben begnügen. Die Bemühungen der Stadt, durch den Reichstag von
der pfälzischen Heimsuchung befreit zu werden, blieben erfolglos. Der Sekretär
P. M. Becker hatte im Auftrage der Stadt an ihren Komitialgesandten in
Regensburg, von Münsterer, geschrieben: „Weilen durch derlei eigen-
mächtige denen Reichskonstitutionen schnurgradt zuwieder laufende und
hochstverbottene Unternehmungen und gewaltthätige Okkupationes die
niedern Stände von denen mächtigern ohne behörende Rücksicht auf die
kaiserliche Autorität undt die von kaiserlicher Autorität erlassende pönali-
sierte Mandaten forth den Landtfriedcn bedrucket, die gemeine Ruhe ge-
störet, forth das Land zwischen Haupt und Gliedern getrennet und also
die ganze Konstitution undt Verfassung des Heil. Rom. Reichs umbgekehret
wird, hicrumb so habe" u. s. w. Becker bittet den Gesandten „behörigen
Orts die nachdrucksambste Anzeig dieser unverantwortlicher Eigenmacht
willkürlicher Betrangnus zu verfuegen und umb gedeihliche Vorschrift, auch
nachdrückliche Dehortatorium zu ungesäumter Abstellung dieses besonders
allen und jeden Reichsstädten und schwachen Ständen gemeinschädt- und
— 20 —
höchst präjudicierlichen Vorgangs zu implorieren und über den Erfolg beliebig
zu berichten". Dieser Erfolg bestand in folgender^ zum Teil schon ange-
gebenen, sehr zeitgemässen Antwort: Es ist ,,allzeit zu bedauern, wann
Mindermächtige mit den Mächtigeren und Grösseren in Kollision gerathen,
anerwogen, dass erstere gemeiniglich den kürzeren ziehen müssen, womit
die Ehre habe, mit besonderer Estime zu sein Euer Hochwohlgebohren
ganz ergebenster Diener J. ß. von Münsterer/ Die Bemühungen der Stadt
bei dem Kurfürsten selbst, in Düsseldorf und Mannheim, hatten gleichfalls
keinen Erfolg. Karl Theodor wollte von einer Unterhandlung nichts wissen,
bevor die Stadt ihre Unterwerfung erklärt hätte.
Nur der Kaiser nahm sich der Stadt an, Joseph II. Am 17. März
genehmigte er ein Gutachten des Reichshofrats, das für Aachen günstig
lautete. Damit war allerdings wenig erreicht, denn in welchem Ansehen
ein solches reichshofrätliches Gutachten stand, erhellt daraus, dass der
pfalzische Vogtmeier in Aachen, ein Geyr zu Schweppenburg, es nicht ein-
mal für nötig hielt, davon Notiz zu nehmen. Er verweigerte einfach die
Annahme der Abschrift desselben, die ihm von der Stadt überreicht wurde.
Ja, er erweiterte sogar noch die Last der Einquartierung. Der Rat musste
sich noch einmal an den Kaiser wenden. Erst nachdem dieser einen
Exekutionsauftrag an die beiden kreisausschreibenden Fürsten des nieder-
rheinisch-westfälischen Kreises, den Kurfürsten zu Köln als Bischof zu
Münster, und den König in Preussen, Kurfürsten von Brandenburg, als
Herzog zu Kleve, erlassen hatte und Münstersche und Klevische Kreis-
truppen zum Schutze Aachens aufgeboten wurden, bequemte sich Karl
Theodor dazu, seine Truppen aus der Stadt zu ziehen. Am 17. Juni 1769
erfolgte der Abmarsch. Der Rat musste aus Anlass desselben Vorkehrungen
treffen, um einem Ausbruch des allgemeinen Unmuts, der die Bevölkerung
erfüllte, vorzubeugen.
Der Streit mit Kurpfalz war jedoch mit der Entfernung der Truppen
nicht erledigt. Er machte 'der Stadt noch im selben Jahre und auch in
den späteren zu schaffen. Dafür sorgte schon der ränkevolle jülichsche
Vogtmeier, der Freiherr Rudolf Konstanz von Geyr zu Schweppenburg.
War das Jahr 1769 ein wenig erfreuliches für die Stadt gewesen,
so kann man das Jahr 1770 ein geradezu unglückliches nennen. Nöte
aller Art machten es zu einem solchen: Erdbeben, Missernte, Viehseuche,
Rückgang der Industrie, Verarmung, Entsittlichung und Unruhen der
Arbeiterbevölkerung, Mangelhaftigkeit der öffentlichen Zustände u. a. m.
In dieser trübseligen Zeit setzt» die Chronik ein. Die Aachener
Geschichts-Litteratur ist nicht reich an Chroniken -Ausgaben. Deshalb
darf die nachfolgende einiges Interesse beanspruchen. Sie bringt manche
dankenswerte und wichtige Mitteilung, wenn auch weder der geschichtliche
Sinn noch der litterarische Geist, die in ihr zu Tage treten, eine sonder-
liche Beachtung verdienen. Das Bächlein geistiger Bildung, das vor 100
Jahren in Aachen rieselte, war recht seicht. Es befreite auch in den
~ 21 —
Tagen L^?s^iügs ond ln>ethes die weui^Mi schreil^ftvbeu Söhne der Si«dl
nicht von deo Eioflassen eiaes Volksidiomsi, das es Hebt» die Re^^du der
deotscheo Sprache geradezu auf den Kopf xu stelleiK
Oronicae,
was sich merkwürdiges in Aachen i\igetrai;xMK
Anno 1770. Dieses jähr hat die ganze sUdt in einen bedunrungs-
würdigen zustand gesetzt. Sonderlich was die lebensmittel angeht» diese»
wie sie immer zu nennen, sind über die nmss liooli gestiegen, dass sie alU>
mehr als doppelt bezahlt worden, und diss dauerte bis anno 1771, Sonder-
lich, was das brod belangt, dieses ist dermassen hoch gestiegen, dass der
preis auf 14 mark gesetzt worden, und diss hat angehalten bis den 15, julij,
an welchem tag hat der preis des brodes aj^gel'angen zn teilen, Uis anf
den 5. august, auf kreuzbrüder kirmesmontag, ist es anf einmal li niftrk
abgeschlagen, blieb also der preis noch 9 mark den 10. angnst anf S, Lanjvn«
tag, nemblich auf einen sambstag; weilen die becker fllr geld kein brod
geben wolten, ist es wiederum 10 pfennig anfgeschlagen.
Anno 1771. December deji 27., zwischen 12 et 1 nhr mittags, ist
Leonard Bingel oben der krenzbrUderkircho anf der Strasse von einem
schuhlepper, Johann Vogel genant, mit einen» messerstich ins herz jfimmor-
lieh ermordet worden.
Anno 1772 merz, freitag den 27., ist der schuhlepp(»r, welcher Leonard
Bingel ermordt, nachdem er dreizehn wochen in verhalt gesosson, den tod
angekündiget worden und den darauf folgenden niontag, den ;J0. detto,
ins Grasshaus mit dem schwerd hingericht, unter regierenden bürgi^r-
meister Kahr.
Anno 1773 September, freitag den 10., ist durch den herrn HuirnigunluH
von Luttig* die jesuiterkirch geschhmsen und versiegelt worden und die
aufiiebnng der gesellschaft angekündiget ".
*) Aachen gehörte bis zum Jahre 1801 ssur DIU/oko 1^(11 tirli.
') Am 21. Juli 1778 hatte Pa|mt Ckmmn XIV. (Iuh Itrrve UomhiuN ac ItcihMiiptor
noätcr unterzeichnet, das die Aufhebung; dcH JenuittMiordiiu bcHtlmiiitf*, ciiio That, von
der er selbst Haj^te: ('oactUH feci. V^l. K. F. Moycr, Aachent*(;hn (Jt^Hrliichh'ii Dd. I,
S. 763. Nach Meyera Anjjjabe tnif der JiUttl<'lM«'lM! Wj'lbbisrhof, Karl AbxaiMbir (iraC von
Arl)crg, in Bogloitung den l)echantr;n d<'H Stlftr« zum lil. KnMiz in I.Uttlili, b«'n'ltM am
9. September in Aachen ein. Sie „beigaben hU'U fol(((»nd«Mi Ttn^n zwIhi'Uvü H und ü UhrDii
Morgens mit dem AachcuHchen Krz-lViontcr H<rrn Kranz Antmi Tewln in dax KolloKlnm^
allwo sie dem HfkUfr Heinrich Kirzer und d<*n Ubrijc-n Vau*rn ihn l*iibitli<'be Hrev« vor-
lasen, hierauf die HchKhKel dW^on llnUHtn fordcrt^'n, Holeb«; doi'b auch na<'h ((''hornam
geschehener Vorlegung wi<<b'rgalH;n, aUdann in thr Kirche di«? Altar^K'-rzen annbincbf^rn,
da« Oottejfhaus hclbHt verMchlorinen, und biebey «>» fur diM>imal m b<?w«tnd<*n llewwm/ Narh
dem Z*iOgnij<4e Meyern, der im Jahre 177;* aU N'olar in An^^hen b'bt^, war der Orden hier
sehr beliebt. H^ine Aufhebung wurd«' allgemein lH;klagt, Dun treht auch tmn den Auf-
zeichnangffU 'hn Iibrgrrmei*terei-I>i<'ner« Johann*'« Jan^Mjn hervor; «Man hat die liebe
geselscbaft alb'nihan>''n aii»g<'kl*;idet, uw\ geli^n '//i*'m\U'h v^rMtn'uH dahin, eben wie fremden,
die kein heimat faal>en, , , , leb htfÜH »^mr umU 4en Tag zu leben, ihnen wider In die
— 22 —
Anno 1774 freitags den 3. junij, abends zwischen 9 et 10 uhr, hat
der herr Cornelins Chorus, regierender bürgermeister, das zeitliche mit
dem ewigen verwechselt, dessen tod den folgenden tag um mittag durch
läutung aller glocken der ganzen Stadt kund gemachte
September, sambstag den 24., ist Heiliger Kuckelen den tod angesagt,
und den darauf folgenden montag den 26. ins Grass mit dem schwerd
hingericht*.
Anno 1775, montag den 26. junij •'^, ist mit grossem gepräng durch einen
gesandten von Frankreich, welcher bei herrn Kouis in Kleinkölnstrass
gegen dem Minderbrüdergäsgen sein logis genohmen, das leichentuch von
Ludwig XV., könig in Frankreich, in begleitung vier bürger von Aachen,
nemblich herr Rouis, gastgeber, et herr Eiserpfey, prokurator, sieur Fischer,
sadelmacher, sieur Lirtz, Schneider, als deputierte in der münsterkirche
tiberbracht, welche sodann an der wolfsthtir von dem hochlöblichen kapitul
und clerisei empfangen worden.
Dienstag den 27., nachmittags um 3 uhr, haben nach läutung aller
kirchenglocken die todte vigilien angefangen, und dieses ampt mit läutung
aller glocken geendet worden.
Mittwochs den 28., morgens um 10 uhr, ist ein feierliches musicalisches
hohe ampt durch den herrn dechant baron von Bierens gehalten worden,
welches ebenfalls durch läutung aller glocken angefangen und geendiget.
Donnerstag den 29.' auf Petri et Pauli tag, morgens um 11 uhr, ist
ein feierliches hohe ampt für Wohlfahrt jetzt regierender könig in Frank-
reich, Ludwig XVL, gehalten, und diese festivität mit absingung des Te Deum
und läutung aller glocken beschlossen worden.
Anno 1776 freitag den 28. junij, zwischen 11 et 12 uhr abends, hat
der herr Kahr als abgestandener bürgermeister das zeitliche mit dem
ewigen verwexelt.
August den 25., sontags nachmittag, wurde der hochedeler herr Mathaeus
Joseph Wildt, da er das primat auf der philosophischen fakultät zu Löven
erobert, folgendermassen empfangen*.
Es begaben sich nachmittag zwo reiterei-kompagnie, deren eine aus
philosophisch et theologisch-kandidate und die andre aus der kaufmännisch
oder sonst ansehnlichen bürgerklasse bestünde, nach Junkersthor hinaus
bis an dem sogenannten Bildchen, wo sie den sieger mit einem stattlichen
gefolge antrafen. Da sie ihn nun unter pauken- und trompettenschall bewill-
vurrige würde zu sehen" (v. Fürth, Aachener Patrizier-Familien Bd. III, .S. 370). —
Ülicr die Besitznahme und Verwaltung der Ordensgüter durch den Hat vgl. Haagcn,
Geschichte Acheus Bd. II, S. 362 ff. Sie lag hauptsächlich in der Hand des späteren
Bürgermeisters Stephan Dauvcn.
') V. Fürth Bd. III, S. 372, 4. Juni.
*) Üher das Grashaus als Gefängnis und Richtstätte s. R. Pick, Aus Aachens
Vergangenheit S. 258 ff.
«) Unrichtige Daten bei v. Fürth a. a. ü., Bd. III, S. 378.
*) Vgl. Meyer a. a. 0. Bd. I, S. 769 f., wo die Schilderung teilweise gleichlautend ist.
— 23 —
komt et glück gewünscht, tratten sie ihren zug zur stadt in folgender
Ordnung an: sechs kaiserliche postillons machten den vortrap; hierauf folgte
die bürgerliche reiterkompagnie; hinter diese die philosophisch et theologische
herren kandidaten mit ihren pauken et trorapetten; alsdann eine anzahl
herren von den hohen schulen zu Löwen, zu pferd mit sechs weisse Standarten;
zwischen diese ritte der weise überwinder, in einem mantelkleide von schwarz-
seidenem damast, mit einem blumenstrausse an seinem mit lorbeem um-
wundenen hüte und einem lorbeerzweig in der band; hierauf dessen eitern
in einem sechsspännigen wagen des herren Johann Hagheu, praelat zu
Klosterrode; hierauf folgten in einem vierspännigen wagen 4 herren Professoren
zu Löven; weiter die herren professoren aus dem hiesigen Franziskanerkloster
und noch 22 mit herrschaften besetzte wägen. Einen schuss weit von den
ringmauern stunden die 5 untern schulen aus dem marianischen lehrhausse
mit fahnen und erwarteten den sieger, und da er durch einige kanonschüss
von dem sogenannten bernsteinswerke ^ begrüsset, geschähe der einzug unter
läutung aller stadtglocken zum Junkersthor hinein, vor welchem die grenadier-
kompagnie der Stadt parade stand. Man zog durch die St. Jacobstrasse,
Klappergasse et Rennbahn bis zur grossen kirche, woselbst der überwinder
bei der wolfsthür empfangen und zum chor hinein in das gestühl des herrn
probsten geführt ward, auch alsdann ein feierliches Te Deum unter pauken-
et trompettenschall abgesungen ward; welchem nach der ganze statt sich
davon dannen in voriger Ordnung über den Fischmarkt, durch die Schmied-
strasse, über den Eadermarkt, durch die St. Aldegundsstrasse, Eselsgasse,
über den Büchel, den Holzgraben vorbei, zum Comphausbadt, die grosse
Kölnerstrasse hinauf et über dem Markt zum rathauss verfügte, woselbst
er unter dem donnern des schweren geschüzes von den wällen an der
grossen stiege von einem herrn sindikus empfangen, hinaufgeführt und beim
eintritte von einem andern herrn sindikus mittels einer lateinischen anrede
im namen der zugegen stehenden herren bürgermeister und beamten mit
einer schweren silbernen giesskanne et schüssel beschenket worden ^
Selbigen abends beehrte der magistrat denselben mit einem soupee auf
dem grossen königssaal, unter der herrlichsten musik, an einer tafel von
70 gedecken, wobei sich die gesammte regieruug, der gedachte herr praelat,
des Siegers eitern et anverwandte, die herren professoren et übrige junge
herren von Löven einbinden; nicht nur die vorbemerkten, sondern auch
noch andere Strassen et gassen waren mit triumphbogen, mit lorbeer et
wilden Ölbäumen, mit piramiden et birkenstöcken reihenweisse besetzt, alle
häuser bis unter den tächern beleuchtet, auch sehr viele mit rühm- und
glückwünschungsreimen ausgeschmückt. Am folgenden tag verdankten
sich die eitern des edlen beiden durch ein mittagsmahl in dem kollegio
') Vgl. 0. Rhocn, Die ältere Topographie der Stadt Aachen S. 117. — Pick a. a. 0.
S. 123. — Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins Bd. II, S. 346 ff. und Bd. IX,
S. 100, Anm. 2.
*) Stadtrechnung. Vgl. Pick a. a. 0. S. 56, Anm. 2.
— 24 —
der exjesuiten; selbigen abends wurde Marschierstrass bis an dem kollegio
wie auch die übrige Strassen illuminiert. Am dritten tage wurden alle
exjesuiten wie auch alle professoren beehrt an einer tafel von 80 gedecken.
Am vierten tage wurden an dem sieger seinem älierlichen hause alle
philologisch et theologischen kandidaten mit einem herrlichen soupee er-
lustiget, et also beschloss sich diese feier, welche der kronstadt Aachen
ehre macht.
Anno 1777 april den 22., dienstags nachmittag zwischen 6 et 7 uhr,
hielte der herr bürgermeister Dominicus Dauven seine heimkunft von Wien
in hiesige stadt, woselbst er sich wegen wichtige stadtsaflfairen lange
zeit aufgehalten ^
April den 24., donnerstags, wurde der herr Thimus zum bürger-
meister erwählt**. Vier tage nacheinander waren alle häuser in Kölnstrass,
Komphausbad, Seilgraben, den Büchel et Neupfortstrasse auf das herrlichste
illuminiert und mit den sinnreichsten Inschriften et lobsprtich ausgeziert.
Anno 1778 julij den 6., montags, wurde der herr btirgermeister Dauven
mit einem stattlichen gefolg als mayer in Burdscheid eingeführte
Anno 1779 junij den 23. hat man angefangen den chor des Münstei'S
zu bauen. Man nahm die steine aus den fenstern et setzte eiserne Stangen
hinein et machte auch die fenster schuh hoch zu; man nähme etliche felder
aus dem gewölbe et sezte neuen hinein; et weiter wurde der ganze chor
erneuert; inmittels hielte man das chorgesang in der ungarischen kapeil.
August den 11., mitwochs nachmittag, ereignete sich ein mit donner
und blitz vermengtes ungewitter, welches eine schwere wolkenbruch begleitete,
wodurch alle Strassen mit wasser überschwemmt, welches grossen schaden
verursachte, besonders auf dem Seilgraben, welcher erst neu gepflastert,
wurden von dem wasser bald alle stein ausgeworfen.
Dezember den 8., am tag der unbefleckten Empfängnis Maria, hatten
die herren canonicos im Münster ihre chorkleidung verändert, welches
Privilegium sie von papst Pius VI. erhalten, welche erst in einem schwarzen
chorrock et die beff* oder pelz auf den linken arm bestand; jez aber in
einem violetten chorrock et die sogenannte beflfe über die achsel, auch
ein unterscheid in der färb, den die 7 priester tragen rote et die andere
canonicus weisse beff'en.
1780 junij den 29. wurden die kanonen ausgesezt, um den könig von
Schweden zu empfangen*.
Julij den 13., donnerstag abends zwischen 11 et 12 uhr, hielte seinen
einzug zum Kölnerthor hinen der könig von Schweden, Gustav, aber in-
kognito, grafen von Haga. Er nähme sein logis aufm Komphausbadt bei
herrn Marneffe im Karlsbadt.
') Vgl. V. Fürth Bd. III, S. 385.
«) Ebenda S. 385.
«) Ebenda S. 387.
♦) Ebenda S. 889.
— 25 —
Sontags den 16. dito erhielten der herr dechant et der magistrat
audienz; weilen er nun begierig wäre, die grosse reliquien zu sehen, erklärte
er sich als könig von Schweden.
Dienstag den 18. zeigte man ihme das rathaus, die statua des kaiser
Karls und den warmen brunnen im Kaisersbad. Nachdem wie gewöhnlich
der Sekretär Xoufen ^ den könig eine Schüssel badschwefel im naraen der
magistrat verehrte, schenkte er ihm eine güldene uhr.
Mitwochs den 19. wurden den könig mit der grössten solemnität die
grosse reliquien und andere raritäten des Münsters gezeigt, nach welchem
höchstderselbe sehr stattliche presenten austeilte, nemlich an den herrn
probst baron von Belderbusch einen mit köstlichen steinen besetzten ring,
an den herrn dechant baron von Bierens einen dito und an den herrn
kanonikus baron von Millius einen dito, noch ferner an den kapitelsekretär
herrn Weseler eine goldene metaillon und auch noch an den herrn vogtmajor
baron von Geyer einen güldenen ring. Sambstags den 22. verliesse seine
königliche majestät hiesige Stadt und verreiste auf Spaa.
1781 januarius den 7. wurden im Münster nach läutung aller stadt-
glücken die totenvigilien der verstorbenen kaiserin-königin Maria Theresia
gehalten, wobei der magistrat und scheflfenstuhl erschiene.
Folgenden tags den 8., morgens um 10 uhr, wurde ein feierliches
seelenampt gehalten, welches nach läutung aller kirchenglocken beschlossen
wurde. Das totengerüst war mitten in der kirche, unter der aldort auf-
gehenkten kröne gestelt, weil man noch immer mit bauung des chors
beschäftiget war.
Januarius den 10. hielte der magistrat auf dem rathaus für unserer
Stadt besonderen schirmfrauen Maria Theresia, kaiserin-königin, ein besonderes
seelenampt. Sodan wurden nachmittags nach läutung aller kirchenglocken,
ausserhalb des Münsters, die totenvigilien angefangen. Den 11. morgens
um 10 uhr wurde von pater Amadeus Jacobi, franziskanern und sontags-
predigern, eine leichenrede gehalten, dessen text wäre: ubi est mors victoria
tua? I. Corint., 15. kap., 55. vers. Wo ist, o tode, dein siege? Um
11 uhr wurde das hohe ampt musikaliter gehalten, welchs nach läutung
aller vorigen glocken angefangen und geendiget worden.
1781 april den 23., montags nach osterfest, wurde nach einer spezial-
messe in St. Foilanskirche, so für glücklichen kirchenbau yon dem herrn
proffion Tewis gehalten ^, das hochwürdige gut in der exjesuitenkirch getragen
und sodan noch selbigen tags den bau angefangen.
Julij den 17., dienstags abends um 1 1 uhr, käme zum Sandkuhlthor hinein
und beehrte mit seiner gegenwart hiesige stadt unserer durchlauchtigster
kaiser Joseph der zweite^, aber inkognito grafen von Falkenstein. Er nähme
*) Jakob Couven.
«) Vgl. V. Fürth Bd. III, S. 523. — Über die Bedeutung des Titels Profiion s.
Haagen a. a. 0. Bd. II, S. 57.
«) Pick a. a. 0. S. 552 ff. ^
— 26 -
sein logis aufm Kompesbadt bei herrn Groyen in St. Corneli badt. Andern
tags, den 18., wäre von allen ecken und enden der st^d wie auch von
den umliegenden örtern ein unsäglichen Zulauf, jeder wolte den grosseu
Joseph sehen. Nachdem seine majestät nachmittag in einen lehnkutschen
durch die Stadt gefahren, marschirte er um 4 uhr wieder ab.
1782f, februarius den 2., am Maria lichtmesstag, wurde das hochwürdige
gut in begleitung der herren bürgermeister et beamten durch den herrn profRou
aus der exjesuitenkirch, wo bis hiehin die pfahrdiensten geschahen, prozessions-
weise nach St. Foilans pfahrkirche getragen, wo den um 8 uhr durch den herrn
kanonikus baron von Millius ein musikalisches hohe ampt unter abfeuerung
der kammern gehalten, nach welchem von den herrn Brandten, exjesuit, eine
lobrede gehalten. Nachmittag um 4 uhr wurde vom herrn Mayer, exjesuit
und ehemaligen feiertagsprediger, im Münster eine predigt gehalten, welcher
aber nach gehaltener anrede von einem schlagfluss auf den kanzel getrofen
et etliche tag hernach gestorben.
Diese kirch ist vom 23. april vorigen jahrs bis hiehin in den schönsten
flor gesezt worden, den man hat einen totenkeller gemacht von 402 öfen,
die ganze kirch mit blau und weisse stein gepflastert, neue fenster ein-
gesezt, die kirch geweisst, ein neu orgel gemacht, welches aber noch
nicht fertig, et in summa die ganze kirch renoviert.
Julij den 24., mitwochs nachmittag zwischen 4 et 5 uhr, wurde die
hiesige Stadt von ihro kaiserliche lioheit Paul Petrowitsch ^ grossfürst von
Russland, und seine gemahlin Maria Feodorowna, princessin von Würtem-
berg Stuttgard, sambt ein zahlreiches gefolg beehrt. Er käme zum Junkers-
thor hinein und nähme sein logis aufm Kompesbadt bei herrn Groyen in
St. Corneli badt. Etwa um 6 uhr verfügte er sich nach der Mtinsterkirche,
wo ihm die kleine reliquien und übrige raritäten gezeigt; von dannen begäbe
er sich nach dem Kaiserbad, wo ihm den warmen brunnen gezeigt; nach
diesem besähe er das rathaus und begäbe sich wieder in sein logis.
Donnerstag den 25., morgens zwischen 6 et 7 uhr, marschierte er von hier
auf Düsseldorf. Dieser herr aber käme inkognito eines grafen et gräfin
von Norden.
Bis hiehin sind viele sachen ausgelassen.
1782, august den 1. donnerstags, hat man angefangen den ersten bäum
auf der promenade abzuhauen, um plaz zu machen für einen neuen balsaal
zu bauen, welches werk etliche herrn von der Stadt, naclidem sie im rat
suppliziert, angefangen haben. September den IB., freitags, ist der erste
stein zum balsaal aufm Komphausbad gelegt worden ^
Dezember den 5., donnerstag zwischen 8 et 9 uhr abends, hat es in einem
haus in Grosskölnstrass, die Siebenbei'g genant, bei einem beck^ermeister,
Koch genant, gebrent, ist aber durch die grosse hülfe bald gelöscht worden.
*) Der nachherige Kaiser Paul I.
») ¥gl, V. Fürth Bd. Ill, S. 516.
— 27 —
Anno 1783 januarij den 13., dienstags vormittag, ist Jacob Goldhausen,
leiendeckergesell, von das tach der behausung des herrn geheiinrat von
Collenbach auf der Pau^ herunter gefallen und also stein tot geblieben.
Januarij den 17., freitags, ist ein weibsperson von hier, N. Jacobi
genant, durch den Scharfrichter gegeisselt, weil sie ungefehr 5 monat vorher
den herrn baron von Ripperda ein beutel mit etliche Karolinen auf den
Seilgraben diebischerweisse aus seine bände genohmen.
November den 9., sonntags, haben die kanonikus in unser lieber frauen
Münster, nachdem der bau des chors, welchen sie anno 1779 den 23. juuij
angefangen und nun jez in so weit vollendet ist, die ungarische kapeil
verlassen und die diensten und gesang wiederumb in den chor angefangen.
November den 11., dienstags morgens, zwischen 8 und 9 uhr, hat ein
frembder, welcher auf der Haubtmanstrass im Heiliger Geist genante haus
bei sieur Herpers lange zeit logiert gewesen, auf seine schlafkammer sich
mit eine pistole selbst erschossen, welcher dann nach gehalter gerichtlicher
examination des nachts von den Schindersknechten auf den Templeigraben
begraben worden.
In diesem Jahre ist das mauer- und tachwerk des balhauses auf dem
Kompesbad verfertiget worden. ^
Man hat in diesem jähre die Mittelpfort am Kolbert abgebrochen und
auf die bogen des Kolberts* eine behausung gebauet.
Auch hat in diesem jähre besonders im monat julio und augusto die
krankheit der roten rühr gewaltig gewütet, woran sehr viele menschen
gestorben.
Anno 1784. Januarius den 19. hat der magistrat und rat dem herrn
bnrgermeister Dominicus Dauven ein grundstück ohne massgab von dem
ehemaligen jesuiterkloster übertragen, um sich in der Scherbstrass eine
behausung zu erbauen, welches aber die bulla papst Clemens XIV., durch
welche er den orden der societät Jesu aufgehoben, ganz zuwider wäre.
Kraft gemelter bulla er den bischöfen die guter der Jesuiten tibergeben
und ihnen benebens stark eingebunden, das sie dieselbe nicht anders denn
an geistlichen Sachen zu verwenden hätten.
Anno 1784. Nachdem der magistrat und rat das unglück verstanden,
welches den kölnischen Inwohnern zugestossen durch Überschwemmung des
Rheins, welcher wegen der langwierig anhaltenden kälte sehr tief zugefroren
und nun auf den 26. februar begunte loszubrechen, also das die anwachsende
fluten und losbrechende eisschollen mit solcher ungestüme gegen die stadt
anprelleten, dass sie dieselbe niederstürzten und sich einen freien eingang
in die stadt gemacht, wodurch die Strassen an der rheinseite also hoch
überschwemt, dass das wasser bis an die tächer gestiegen, gar etliche
häuser überstiegen, viele niedergeworfen, viele ansehnliche und reiche bürger
*) Jetzt Jacobstrasse Nr. 24~24b.
*) Der untere Teil des Bücheis (Chr. Quix, Historisch-topographische Beschreibung
der Stadt Aachen etc. S. 8).
— 28 —
alles ihr hab und gut geraubt und in einen armseligen stand versetzet,
wodurch dan der magistrat und rat allhie gerührt, haben sie den 17. nt^rz
im rat beschlossen, eine koUekte dui-ch die Stadt anzustellen, um die un-
glückliche Kölner in ihrer not beizustehen, welche dan den 18. merz 1784
von den bürgerkapitänen mit beisein eines beamten gehalten worden, und
folgens das kollektierte geld durch den herrn Adenau, adjudant, den magistrat
in Köln überschickt ^
April den 3., sambstags vor palmsontag, ist Henrich Neef von Köln
gegeisselt worden, welcher voriges jähr im december am Kölnerthor, indem
er in den kölnischen postwagen wolte fortfahren, arrestiert worden, aus ordre
des herrn bürgermeister Henrich Joseph von Thimus, weilen er bei ihm
als domestique gedient und seinen eigenen herrn bestohlen hatte.
Maij den 2., sontags, wurde bei den p. p. kapuzinern allhie ein drei-
tägiges feste wegen beatifizirung des p. Laurentii, ehemaligen general
selbigen ordens, gehalten. Sambstags zuvor wurde diese feierlichkeit durch
läutung^ aller kirchen-glocken kund gemacht. Sontags, als am ersten tag
wurde ein musikalisches hohe amt durch den hochwtirdigen herrn Buschelli,
praelat der abtei zu Klosterrath, gehalten, wie auch des abends die komplet.
Montags wurde das hohe amt wie auch die komplet von den hochwürdigen
herrn Cornely, kanonikus in unser lieben frauen Münster wie auch vize-
dechant, im namen des herrn dechanten gehalten. Am dienstag wurde der
gottesdieust gehalten von den herrn Cardoll, kanonikus et vizepropst; und
also diese solemnität durch singung des Te Deum und läutung aller kirchen-
glocken beschlossen worden.
1784 den 2. maij, sontags nachmittag zwischen 6 und 7 uhr, hat es
gebrennt, auf dem Fischmark gegen das Grashaus, das zweite haus neben
das Spitzgässgen bei einem beckermeister, Kreitz genant; ist aber bald
gelöscht worden.
Maij den 25., dienstags zwischen 5 und 6 uhr nachmittag, sind solche
dicke hagelsteine gefallen, dergleichen fast niemand gesehen; die dicke war
ein taubenei gleich, und was noch dabei zu merken, dass es etliche tag
eine ungewöhnlich hitzige Witterung gewesen.
Maij den 26., mitwochs nachmittag, hat es in Winandsbongart gebrannt,
von dem Kapuzinergraben gerechnet, das fünfte haus rechter band, bei herr
Esser, schörermeister; ist aber durch baldige hülfe gleich gelöscht worden.
September den 17., freitags, ist in der kirch St. Michaelis, sonst
bei den p. p. der gesellschaft Jesu, ein dreitägiges Jubiläum mit der
grössten feierlichkeit wegen hundertjähriger Übung der tod angst bruder-
schaft gehalten worden.
^) J. L. Thelen, Ausführliche Nachricht von dem erschrecklichen Eisgange, und
den Überschwemmungen des Rheins, welche im Jahre 1784 die Stadt Köln, und die um-
liegenden Gegenden getroffen. Köln (1784).
- 29 —
Anfangs novembris ist aus forcht des bevorstehenden krieges' eine
erstaunliclie menge raobilien und andern kostbarkeiten aus den umbliegenden
örtern nach hiesige Stadt geflüchtet worden.
Dezember den 18., sambstags, ist das freicorpo des grafen von Stein mit
ofentlichen trommenschlag durch hiesige stadt zur anwerbung ausgangen.
Anno 1785. Januarius den ersten und zweiten haben die reichsbauren
die erste lieferung von heu und haber gethan, welches sie nach Haaren
und Weyden haben fahren müssen.
Donnerstags den 6. dito, des abends, ist die erste vorwacht der kaiser-
lichen trouppen, welches husaren waren, allhie bei der hauptwacht an-
gelangt, welche noch selbigen abend sind nach CapelP gewiesen worden.
Freitags morgens den 7. dito ist die erste cologue husaren hie an-
gelangt, welche nach Kölnerpfort einkamen, über das Kompesbad und über
die Graben nach Junkersthor hinaus ihren marsch nach Capell fortsetzten.
Nachdem es ungefehr 14 tag stillstand gewesen, dass hier keine
trouppen durchmarschiert sind, haben wir heut mitwoch den 26. januar
wiederum einen durchzug eines detachements miniirs gehabt, welche nach
KöUerpfort hinein, durch KöUerstrass über den Markt, durch Jakobstrass
nach Junkers thor hinaus marschiert sind.
Mitwoch den 26. januarij, nachmittags um 2 uhr, hat der magistrat
von hier einen arrestanten nach Burdscheid geliefert, weil er sich etliche
tag zuvor alda ausgebrochen.
Freitags den 4. februar, morgens um 10 uhr, ist ein detachement der
kaiserlichen trouppen hier ankommen, welche bei den patren minderbrüdern
einquartiert worden sind, eine stund hernach sind sie mit etliche ankommende
bagagewagen wieder abmarschirt.
Sontags den 6. februar, um mittag, ist das regiment deutschenmeister
hier ankommen, welches in den mansklöstern und bei etliche bürgern mit
10, 20, 30, 40 man einquartiert worden. Sie nahmen ihre haubtwacht am
Mark in der Löderläuf.
Dienstag den 15. februar ist das regiment deutschmeister, welches
hier in der stadt, wie auch im Aacherreich einquartiert gewesen, abmarschiert;
sie nahmen eine grosse menge kanonen, bomkesselen und pulverwagen mit,
welche etliche tag vorher vor und nach ankommen waren, und aussei*
Küllerport und Adalbertsthor gestellt gewesen.
Um 10 uhr selbigen morgen nahm seinen durchzug durch hiesige
*) Es handelt sich um den Konflikt Josefs II. mit den HoUändern. Der Kaiser
versuchte durch kriegerische Bewerbungen die freie Ausfuhr auf der Seheide zu erzwingen,
um den Handel Belgiens und besonders Antwerpens zu heben. Durch seine Verbindung
mit Frankreich wurde Holland in den Stand gesetzt, diesem Versuche mit solchem Nach-
druck zu begegnen, dass Josef II. von seinem Verlangen abstand und sich mit einer
Oeldentschädigung und mit der Aufliebung des drückenden Barriere-Vertrages (Utrechter
Frieden ITl.'J) begnügte, wonach Holland das Besatzungsrecht in mehreren Festungen auf
der Österreichisch-niederländischen Grenze (Meniu, Ypern, Tournay, Cond^, Lille) zustand.
*> Henri-Chapelle.
- 30 —
Stadt das kaiserliche regiment Preis, welches in den spanischen dörfern'
gelegen gewesen. Sie kamen nach Pontthor hinein, nahmen ihren marsch
über den Seilgraben, Kompesbad, über den Büchel, zum Mark hinauf, nach
Jnnkersthor hinaus.
Dienstag den 12. april ist herrn Leonard Brammertz zum bürger-
meister erwöhlt worden.
Mitwoch den 20. april ist A.^ Startz ausser Junkersthor auf der
jagd von seinen eigenen kamerad durch ein ungliick erschossen worden.
Er war wohnhaft in S. Jacobstrass in S. Servas, seines handwerks ein
waxkerzenmacher.
Maij den 13., freitags, ist eine betagte frau, Elisabeth Debill genant,
wohnhaft in Königsstrass, gegeisselt worden, weilen sie eine junge dienst-
magd, (welche bei sieur Startz, ein hutmacher, gedient), angeführt hat,
bei ihren herrn hüt zu stehlen, worauf sie das eilfte mahl erdapt ist worden.
Maij den 22., am hl. dreifaltigkeitssontag, haben die pater Franziskanern
ein lOOjähriges jubilaeum gehalten, welches 8 tag nach einander gefeiert
worden, von der bruderschaft der kord des Hl. Francisci, welches Jubel-
fest von papst Pius VI. mit vollkommenen ablass begnadiget; den ersten
und letzten tag wurde prozession gehalten, die kirch wäre mit unter-
schiedlichen Sinnbildern geschmückt und auf das prächtigste ausstaffieret.
Maij den 30., montags, ist Wilhelm Nevelstein, welcher den 26. januarij
von hier nach Burdscheid geliefert, alda mit dem schwerd hingerichtet
worden, und demnach aufs rad gelegt.
Junij. den 30., donnerstag, sind hier durchgereist Maximilian, erzbischof
und churfürst zu Köln, und Clemens, erzbischof und chuifürst zu Trier.
Jener morgens um drei und dieser morgens umb 7 uhr. Sie nahmen ihre
reise auf Spaa.
Julij den 5., dienstags, sind um zwölf uhr mittags nach Junkersthor
eingekommen seine kurfürstliche durchlaucht und erzbischof zu Mänz,
Friedrich Karl Joseph, und die verwittibte frau churfürstin von Bayern.
Sic stiegen ab bei herrn Rouis in Kolnstrass, und nachdem sie das mittag-
niahl daselbst eingenommen, sind sie um 3 uhr nachmittags wiederumb
nach Köllerthor ausgefahren.
November den 3., donnerstag, da jetz der frieden zwischen der kaiser
und die Holländer geschlossen und nun die in Braband abgedankte kaiser-
liche freikorps dieser tagen hier durchpassierten, sind heut auf befehl des
herrn bürgermeister Brammertz alle bürger ins gewehr gezogen, weil man
von diesen gewehrlosen leuten eine gewaltthätigkeit besorgte.
November den 12., sambstags, sind auf dem Katschhof durch den
') Im Munde des Volkes heisst die Gebend bei Kohlscheid und Bardenberg das
„Spanische Ländchen**.
') In der Chronik von Lennartz unleserlich; aus der ('hronik von Gicsen ergänzt,
die auf dem Archiv beruht. Sie umfasst dieselbe Zeit, stimmt mit der von Lennartz fast
ganz übereiu, ist aber nicht so reichhaltig wie diese.
— äl —
henker etliche Schriften voq den in arrest sitzemlen hoIliliHiiiiH'hon oAinio)^
verbrennt wonlen, weil sie gegen den fur^t Wolfenbeutel »reiichriobiM» wäivu,
denn benennter fnrst, nachdem er in Holland flächti^r woriten« jotx hier sein
aafentbalt hat, bei mon^enr Groyen in S, Oarlsbad aufm i\uu|H^sbnd,
NoTember den 22.. dienstags i:st das kaisorliohe tmj^nu>rn>sfi«HMU (\)-
bourg hier darchroarschiert, ins reich von Aachen haben sie nxsttn^ irohalton.
Die Staboffizier sind aber hier in die Stadt geblieben, bis den 24, ojusdom,
November den 24., donnerstag, ist wiederum ein bataillon des kobur^
gischen tragonerregiment hier durchmarschiert; sie kamen nacli »lunkersthor
hinein und ritten Kollerthor hinaus.
November den 26., sambstags, ist ein bat ai Hon wurmserliusai*on hier
durchmarschiert; sie nahmen ihi-en weg wie oben.
November den 30.. mitwoch, sind drei bataiUon von das dragoner-
regiraent Toscana nach Junkersthor einkomen und sintl teils nael» Ki^llor-,
teils nach Adalberts- und Marschierthor ausgezogen,
Dezember den 3., sambstags. sind etliche wagen und kanonon binv
ankörnen, welche zwischen Adalberts- und KöUerthor sind gestellt worden,
Sie sind andern tags wieder abgefahren.
Dezember den 6., dienstags, sind eine konipagnio kaiionier mit et liehen
wagen und kanonen, wie auch eine kompagnie niusqnetier hier ankommen^
sind aber andern tags wieder fortgangen.
Dezember den 9.. freitags, ist das kaiserliche infanterie-regiment Prein
mit 34 kanonen nach Junkersthor hineinkommen; die truppen nrnrnehierten
teils nach Pontthor und teils nach Sankelthor hinauK; ein teil hlieh hier
mit den kanonen, welche ausser Adalbertsthor gestellt wurden, andern
tags marschierten sie fort.
Dezember den 12., montags, ist das regiment ileniHchmeiHter nach
Junkerstbor einkomnien und ist hier einiiuartiert worden; andiMMi tagH
morgens ist es nach KöUerthor auH fortnuirschiert, sunit den kanonen nnd
Wagens, deren sie eine menge bei sieh halten.
Anno 1786 jannar den IJ., dienntagH, int in der acht anf dem K'atHch-
hof den 5 in verhaft geHehsenen liollilndiHehcn olllzierH wegen saelien den
herzogs Wolffenbeutel ihre hcoUmi/ verleben worden, woranf ihrer dr*d
frei erklärt, die ander zwei aher nniNten in 24 stund die stadt und Hnrd-
scheid quitieren.
JanuariuH d(;n 5,, donnerhtag nior^enH nmb 7 nhr, hat ex gebrand
an dem Berg bei einen spiM'kraneher, Mliller genant. Ileni iht vid Hpcck
verbrand.
Merz den :il., rrcita^^H, i»l von l'iiuf/Mhu Huii*ry.oU'Uui*ii*n \iiU'Ui*vn eine
Schrift, Ijesteheuil in arht/jg urtickcjcn, in dem kleinen rat inHinuicrt wordi^n,
welche herr blh^'crMM'iHler Stephan l)oniinicii>s Danven beantwor(4*n und
widerlegen nins?^.
Maij den 0,, haml)h(;i;.'H, i^( heine k, k, lioheit Ferdinand (Jarl Ant4m,
herzog von Mailand, er^her/^>g von ihianitUM^ allhier ankornuieu. Kr nahm
— 32 —
seine einkehr aufm Korapesbad bei herrn Fincken im Goldenen Drach.
Sontags um halb zwölf uhr wohnte er das amt der h. messe bei, welches
im Münster am muttergottesaltar vom herrn Corneli, vizcdechant, gehalten
worden.* Nach diesem wurden ihm alle raritäten der kirche gezeigt, von
(lanuen er sich nach dem rathause begab, nachdem er nun allda auch
alles besichtiget, verfügte er sich nach sein logis, von da er sich noch
selbigen tag nach Lüttig begab.
Maij den 29., montags, hat magistratus durch die sogenannte meckelei ^
die beckergafFel verspielt.
Junij den 3., sambstag, ist die schmidgaffel von der sogenannten neuen
partei gewonnen worden.
Junij den 7., mitwochs, hat die neu partei das scliörenhandwerk
gewonnen.
Junij den 13., dienstags, hatten die krämerzunft ihren Wahltag; die
von der alten partei hatten über hundert unfäliige auf ihre seiten; die
von der neuen partei, nachdem sie den braten geschmekt, wollen besagte
unfähige nicht zur wähl lassen, worüber auf dem wahlsaal einen streit
entstanden, wobei die alte partei den kürzern gezogen; weil nun wegen
des tumults die herren gräfen nicht zur wähl schreiten wollten, ist die
ganze alte partei von der neuen mit prügeln herunter geschlagen und
erwählten folgends unter ihnen neue gräfen, als herren Simon Hennes und
Stephan Brauers.
Folgenden tags, welcher zur ratswahl bestimmt wäre, liesse sich keiner
von der alten partei einfinden; uneracht dessen ernenten sie ihre ratsherren.
Der herr Stephan Dominicas Dauven, welcher über diese wähl un-
zufrieden, verbotte allen zünften, unter poen von 200 goldgülden, die frohn-
leichnamsprozession, welche den 15. junij, beizuwohnen; diesem ungeachtet
fanden sich die zünften in grosser anzahl ein, ausgenohmen die herren vom
boock^, die herren löder und die herren bräuer.
Donnerstags den 22. junij käme ein ratsüberkömmst heraus, in welche
von einem erbaren rat besclilossen, für dissmal den halben rat nicht zu reno-
vieren, auch weil das auf und abgehen zu und von dem rathaus für die rats-
verwandten gefahrlich (dan das volk ihnen ziemlich angezepft) sollhin fort
kein rat mehr gehalten werden, bis daran die sache von ihro k. k. majestät
untersucht wäre, dan nachdem die krämcr von der neuen partei, so mit
prügeln ihre gegner abgespeist, haben bei die andere zünften, so noch zu
wählen hatten, die von der alten partei nicht erscheinen dürfen, aus forcht,
sie möchten wie die krämer mit gleicher münz bezahlt werden.
So bald die bürger von diesem ratsschluss gehört, haben sich gleich
etliche hundert mit prügelen vor des bürgermeisters behausung gelagert,
') F. P. E. Croiicnberg, Die Mäkelei oder Stadtrathswahlgeschichten aus dem
vorigen Jahrhundert. - Diese Schrift vertritt einen einseitigen Standpunkt. Vgl. Zur
Geschichte der Mäkelei bei v. Fürth a. a. (). Bd. I, S. 144 ff.
') Die Bockzunft oder die Zunft der Gelehrten.
— 33 —
welcher in der goldsteinischen behausung an der ehemaligen jesuiterkirch
wohnte.
Von diesem aufstand ganz erschreckt, komt der schöpfen bttrger-
meister, freiherr von Wylre, sich legend in die fenster des bürgermeisters
hause, fragend die bürger, was ihr begehren were. Selbige antworteten: wir
wollen morgen die ratsherren, so wir aus den zunften erwehlt, in dem rat
aufgenommen haben. Er antwortet ihnen: rufet nur die ratsdiener, so werd
ich gleich den rat für morgen berufen lassen. Welches dan auch geschehen,
mithin aber die bürger in ihrer belagerung verharreten, aus anstiftung
des herren scheffen Martin von Lonneux, als das haupt der neuen partei.
Freitag den 23. junij wurden die neue ratsglieder zum rat aufge-
nommen. Nach diesem wurde die bürgerliche belagerung von des bürger-
meisters und anderer beambten häuser fortgenohmen.
Sambstag den 24. junij, als an St. Johann Baptist tag, wurden die
herrn beambten erwehlt, wobei aber unter den alten und neuen rats-
verwandten einige misshelligkeiten vorfielen, so, dass einer von der alten
partei den herrn Schöffen Lonneux, welcher auch unter den ratsverwandten
gehörte, nach den gurgel griffe. Der pöpel, welcher mit hunderten auf
dem Markt versammlet und mit prügeln wol versehen wäre, sobald sie
einige advis von dieser faktion erhalten, besezen gleich die unterste stiegen
des rathauses und folgens um drei uhr nachmittags, da der rat noch nicht
vollendet, laufen sie mit grossem tumult zum rathause hinauf, schlagen
die thtir des ratszimmers auf und schlagen mit grosser ungestüm die rats-
herren und beamten von der alten partei vom rathause herunter, und ist
fast keiner unverwund davon kommen, wären auch schier alle tod geblieben,
wenn nicht die ratsherren von der neuen partei, wie auch der herr vogt-
mayor, freiherr von Geyer, ihnen so gut sie konten, beschützt hätten.
Nun wäre das rathaus ein aufenthalt des pöbeis bis gegen abend,
da die bürgerkompagnie aus Königstrass das rathaus einnähme und den
pöbel in aller gute hiesse fortgehen.
Sontags den 25. junij zog wiederumb eine andere bürgerkompagnie
zur wacht, so die vorigen ablöseten. Und so unterhalten sich die bürger-
kompagnien noch täglich auf die wacht zu ziehen.
* Die bürger wollen sich nicht zur ruhe begeben, es seie dann kurzum
der bürgermeister Stephan Dominions Dauven seines ambtes entsezet. Um
diesem lärmen abzuhelfen, wird montags den 26. junij nachmittags umb diei
uhren der gross und kleine rat beruffen, und weillen die vatsverwandten
von der alten partei nicht erschienen, wurden an dessen stelle von jeder
zunft drei deputierte erwehlt. Um nun fried und ruhe wiederherzustellen,
der herr bürgermeister Dauven vormittag schriftlich sein ambt quittiert
hatte, dem uncracht wird von dem rath eine deputation an ihme geschickt,
in dessen gegenwart er nochmals quittierte, welches ihm nachgehens gereuet
und als eine ihm abgezwungene sach angegeben.
Nach diesem wird am gemeldten tag anstatt des bürgermeister Dauven
— 34 —
der herr scheffen De Lognay als beisitzer erwehlt, auch werden bei jeden
beambten einen beisitzer ernennt, welches aber die herrn bearabten wie
auch die ratsherren von der alten partei nicht gefallen wolte, deswegen
sie sich samt ihren btirgermeister Dauven wie auch den scheffen bürger-
meister, freiherr von Wylre, abwesend und aus der Stadt gemacht, teils
in Burdscheid, in Cornelimünster und anderswo, alswo sie nun für ihro
k. k. majestet ihr recht suchen.
Auch ist wegen ihrer abwesenheit in etliche wochen kein rat gehalten.
Den 18. julij, dienstags nachmittags um sieben uhren, ist nach Junkers-
thor einkommen Maximilian Franz Xavier, churfürst zu Köln \ und dessen
bruder Ferdinand Karl Anton, herzog zu Mailand, beide brüder kaiser
Joseph der zweite. Nachdem sie aufm Kompesbad bei herrn Finken im
Goldenen Drach abgestiegen, giengen sie um halb acht uhr nach unser
lieben frauen Münster, wo ihnen durch die herren kanonikus die kleine
reliquien und andere kostbarkeiten gezeigt worden. Abends wohnten sie
den ball auf dem neuen ballsaal bei.
Den 19. julij, mitwochs vormittags um neun uhren, besahen seine chur-
fürstliche durchlaucht das rathaus, allwo sie von dem herrn sindikus Denys
und herrn sekretarius Beckers im nahmen der bürgermeister empfangen,
weilen dieselben annoch abwesend waren. Um eilf uhren sind seine durch-
laucht wieder fortmarschiert.
In diesem monat haben die herren canonici im Münster das köstliche
gewölb über den muttergottesaltar abbrechen lassen.
Den 31. julij, auf Foilans kirmesmontag, hat ausser St. Adalbertsthor
in der Steinkull sich mit eine pistole erschossen herr Joseph Fischer,
btirgerhauptmann, in Winandsbongart wohnhaft. Er ist etliche jähren närrisch
gewesen, darum wurde von gerichtswegen erlaubt, ihm in St. Foilans kirche
zu begraben, welches dan noch selbigen abend ganz still geschehen.
August den 3., donnerstags, ist durch einen wexelär kammerbott hier
an den Strassen und zunftstuben ein kaiserliches mandat angeschlagen
worden, welches auch sontags den 6. auf den kanzeln ist verlesen worden,
kraft dessen sich die abwesenden ratsbeambten in zeit von vierzehn tagen
hier auf dem rathause einfinden und ihre ämbter verwalten selten, unter
poen 20 mark lötigen golds.
August 7., montags, ist von den herren canonici aus unser lieben frauen
Münster in St. Foilan als proffion eingeführt worden der ehrwürdige herr
kanonikus Friederich Georg Franz freiherr von Mylius.
August 8., dienstags nachmittag um vier uhr, ist nach Junkersthor
eingeritten seine churfürstliche durchlaucht von Bonn, Maximilian Franz
Xavier. Er stieg ab aufm Kompesbad im Goldenen Drach bei Finken; ist
auch noch selbigen nachmittag fortgefahren nach Köln.
') H. Hüffcr, Maximilian Franz, Kurfürst von Köln. (Gub. am 8. Dezember 1756,
gest. am 27. Juli 1801.) Leipzig 188.j. (Abdruck aus der Allgemeinen Deutschen
Biographie.)
— 35 —
Oktober den 9., monta^, war der tag, au welchem herr Blaiuiiard
in gegenwart tausenden Zuschauer seine luftreisse unternahm. Um «wei
uhr nachmittag wnrde die neugierde der Zuschauer befriediget, da er aus
dem jesuitergarten aufsteigend, in die luft erschiene. Er nahm seinen nuu^sch
nach Juukersthor hin, alsbald aber drchete sich der wind und nötigte ihn
über Pontthor zu fliegen, wo er sich dann auf die Klinckheyd, anderthalb
stund von hier, niederliesse. Von dannen er in einen vierspännigen mit
noch anderen herrschaftlichen wägen begleitet, hier auf dem rathause an^
kam, wo er von der dort anwesenden magistrat mit dem bUrgorrechte
beschenket wurde '.
November den 11., sambstag, ist die lezte bürgerkompagnie auf die
wacht gezogen, hinfüru zogen täglich 4 bttrger auf, um die neumanns-
kammer^ zu bewahren.
November den 20. ist zu Wexlar ein decrctum verfertiget, wodurch
den akzispächtern befohlen worden, an den in Aachen anwesenden magistrat
als ihre rechtmässige obrigkeit zu bezahlen.
Anno 1787.
Den 15. januarius, montags morgens um 2 uhr, hat Paulus Lonnerts,
wirt in die Fontz in Jakobstrass, aus seine fenster mit einen flintenschuss
erschossen Leonard Klein, wohnhaft an Jakobsthor.
Den 6. februarius, dienstags, hat sein demutvolles leben geendiget der
hochwürdige herr Guilielm Raymund Lamorald Joseph freiherr von Hierens,
kanonikus und dechant, welches letztere amt er 42 jähr rnhmwürdigst
verwaltet hat.
Den 26. merz, montags, ist der herr Schöffen de Lonneux sampt ein
wexlarischen doktor von Wexlar zurückgekommen. Kr wurde von eine
menge wagen & chaisen, worin die fürnehmste herron der neuen partei Hassen,
wie auch von den jakobstrasser Junggesellen eingeholt. Hei dieser aktion
war eine so grosse menge volks auf den beinen, desgleichen Aachen nieimil
gesehen. Sobald sie an Köllerthor ankamen, wnnle auf den wall ein carljong''
von 760 kammeren losgebrant. Kr brachte das nrtel über die strittigkeiten
') £. PaulH, Der Luftschiffer Fran^ lilanchtird zu Aachen im Juhro 17H0. (Auh
Aachens Vorzeit, IT. Jahrffanjjf, S. 53.)
*) Die sechs Neumftnnor waren HtäiHiMclic Flnunzl>earnte, wel<'.h<' ilen RentmeiHteru
untersteUt un<l zu deren KnllaHtun^ in nachinittHalterlich<;r Zeit (daher der Name) aJH
besondere Keamtenklasse anj^eordnet wurden. Sie hattt^n, weni«HtenH zuletiit, „den Htadt-
Empfan^ und Ausj^ab" zu besorgen, waren aber bei beiden, ab^eiieben von den unmittel-
baren Ordres der liUr^jermeihter und in Bauna^then der Baumeister, re^elmitsHlK an die
vorherit^e «chriftliche Anweisunj; der H<*ntmeisli*r «ebundeUf an die hie auch alle Vierzehn-
nächte nach Virlesung ihrer E<;chnunj(en im Hat die ÜbermdiÜHHe abführen muHsten. Die
Amtsperiode der N(*umiinn<T dauert«; drei Jahre; Ihr Jahresj^ehait betrujf I.V) anehener
3fark und für d<*n Dienst in d<'r Mai/waK«* 1200 Mark i\i. l'iek).
^) Von carillon Olockennpiel, Toni«tüi;k, Lftrra. Man verstand darunter ein Ab-
feuern der Kanonen (Böller) nach Art eines Peloton feuerii.
— 36 —
der alten und neuen partei mit sich, welches aber durch eine kominission
entschieden werden solte.
Den 29., donnerstags, kraft der von herrn Lonueux mitgebrachten
senteur käme bürgenueister Wylre samt vor und nach die übrige rats-
beamten der alten partei von Burdscheid zurück, wo sie sich seit vorigen
jähr aufgehalten hatten.
Den 30. merz, freitags, wurde zum ersten mal von den ratsherren
der alten partei die ratssession beigewohnt, es wurden aber 2 von die
neue und 23 von die alte partei als unfähig erklärt und fortgewiesen, woran
sich die alte partei doch nicht gestört.
April den 16., montags, haben die herren canonici in unser lieben
frauen Münster den hochwürdigen herrn kanonikus und vizeprobst Konrad
Hermann Cardoll zu ihren dechant erwählt.
April den 24., dienstags, ist in dem gross und kleinen rat durch einen
wexlarischen kommissarius, doktor Rasor, ein mandat vorgelesen worden,
in gemässheit dessen nach kassierung der polizeikommission die vorher aus-
getretene, nunmehr aber folgens des urteils wieder erschienene ratsglieder
und beamten in ruhigem besitz ihrer ämter wiederum gesetzet worden sind.
April den 25., mitwochs, wurde durch einen kammergerichtsbotten am
rathaus und öffentlichen platzen ein mandat affigiert, wodurch die bürger
ermahnt wurden, den nun wieder ergänzten magistrat als ihre obrigkeit
zu erkennen und zu gehorsamen, sich alles zusammenrottens und ruhe-
störens zu enthalten.
Maij den 2., mitwoch, ist ein neuer auftritt allhier gewesen, woran die
auf ordre bürgermeister Wylre in Burdscheid angeworbene Soldaten ursach
gewesen. Eine deputatschaft der bürger haben den bürgermeister Wylre
vorher gewarnet, er solte die angeworbene Soldaten nicht einrücken lassen,
denn die bürger wölten dieselbe nicht leiden. Nichts destoweniger kamen
am maiabend einige manschaft herein, welche die hauptwache einnahmen;
am maitag wolten die alte Soldaten mit diesen neuen nicht paradieren,
auch die bürger beschimpten und schryen ihnen nach, welches sie sehr
verdrösse; dorften sich aber nicht rächen; bis endlich den zweiten maij
ein neuer und alter soldat in streit gerieten und sich auf dem Markt mit
ihr Seitengewehr schlugen, wo dan etliche bürger zuliefen und den alten
Soldaten partei hielten. Der Werkmeister Buchholz und baumeist er Thenen,
welche auf die kanzlei stunden, gaben order, feuer zu geben, welches von
den neuen Soldaten gleich geschähe und vier kugeln bei schreinermeister
Ridder in die glasfenstern schössen. Sobald die bürger diss gewahr wurden,
rottierten sie sich aus allen Strassen auf dem Markt. Alsbald wollten sie
von bürgermeister Wylre diss sogenannte freicorpo abgeschaft haben, weil
aber dis nicht geschähe, wollten sie alle aus die wacht schlagen, welches
auch geschehen wäre, wofern nicht einer vor und der andere nach das
gewähr gestreckt, freiwillig herausgangen und vivat Lonneux gerufen, wo-
— 37 —
durch sie durch htilf etlicher bürger ihren rücken, auch wohl ihr leben
gerettet, ausgenommen einige, welche etliche schlag und löcher am köpf
bekommen haben. Um 7 uhr abends, weil noch immer ein tuniult wäre,
zohe die königsgrafschaft auf die wacht, um das rathaus zu schützen.
Den 6. maij, mitwoch abends zwischen 8 und 9 uhr, sind auf anhalten
der magistrat 300 mann churpfölzische truppen hier eingeruckt, um die
von derselben angebliche unruhen und Unfreiheiten zu stören. Die offiziers
wurden bei die ratsbeamten und andere anhänger der alten partei, die
gemeine aber in etliche klöster einquartiert.
Den 19. maij, sambstags, haben die kreiskommissarien auf dem rat-
hause ihre erste Session gehalten, welche hiehin kommen, um die strittig-
keiten der beiden alt und neuen partei zu untersuchen. Es wäre im namen
seiner churfürstlichen durchlaucht zu Bonn, als bischoffen zu Münster, lierrn
Pfingsten; im nam seiner königlichen majestät von Preussen, als herzog
zu Kleve, herrn von Dohm; im nam seiner churfürstlichen durchlaucht zu
Pfalz, als herzog zu Gülich, herrn von Grein.
Maij den 20., sontags, sind die churpfalzische truppen aus die klöster
genommen und alle in das jesuiterkollegium einquartieret worden.
Den 23. maij, mitwoch, ist zum bürgermeister erwählt worden der herr
baron Franz de Broe, ein anhänger der alten partei, welcher ebenso wenig
vermögen, als tugend und ansehen hatte ^ Die churpfalzische truppen hatten
an diesen tag, solang die wähl daurte, alle Strassen, welche zum Markt
führten, stark besetzt, und wurde ausser die ratsherren kein mensch zum
Markt hinauf gelassen.
Junij den 2., sambstags, ist aus ordre der herren bürgermeistere De
Broe und Oliva der zimmerleutzunftskaste mit gewalt der pfälzischen und
Stadtsoldaten aufgebrochen und zum rathaus gebracht worden, ungeachtet
ein dekret, welches die kreiskommissarien, so etliche tag verreist gewesen,
hinterlassen haben, gemäss dessen von beiden parteien zur Störung der
ruhe nichts unternommen werden solte. Weil sie widerstand beförchteten,
haben die pfälzische truppen alle bürger von dem Markt und umliegenden
Strassen weggeschaft.
Junij den 15., freitags, ist ein kleinsrats überkömst ergangen, kraft
dessen nur 8 zünften zur ratswahl schreiten selten, nemlich die herren
*) Der hier charakterisierte Franz von Broe von Diepenbend war der Schwiet^er-
vater des bekannten Freiherrn von der Trenk, der für die Gastfreundschaft, die er in
Aachen fand und die seinem durch eigene Schuld verdorbenen Leben 15 verhältnismässig
ruhige Jahre gewährte, seinen Dank dadurch abstattete, dass er in seinen Memoiren die
ganze ihm eigene Vcrleumdungskunst aufbot, um Aachen in Verruf zu bringen. Er that
dies hauptsächlich aus dem Grunde, weil er seiner Händelsucht hier tiicht nach Gefallen
fröhnen konnte und seinen Bemühungen, den atheistischen Aufkläricht seiner Zeit in littcra-
rische Münze umzusetzen, besonders von kirchlicher Seite erfolgreicher Widerstand entgegen-
gesetzt wurde. Es wäre eine dankenswerte Aufgabe, dem Treiben dieses halbgebildeten
und frivolen Skribenten in Aachen noch tiefer auf den Grund zu gehen, als es Alfred
von Reumont bereits gethan hat (Zeitschrift des Aachener Geschichts Vereins Bd. VI, S. 199).
Das Lügengewebe seiner Memoiren ist noch immer nicht genügend zerrissen.
— 38 —
vom Stern ^ Werkmeister, fleisclihacker, löder, Schneider, pelzer, Schuhmacher
und bräuer. Doch solten die neu erwehlte nicht zum rat aufgenommen,
auch der halbe rat nicht umgewechselt werden, bis daran die Streitsachen
in Wexlar entschieden wären.
Junij den 16., sambstags morgens früh, haben die neue Stadtsoldaten
sich mit gewalt eingebroclien, bei Morro an Königswall ins Mermelsträsschen ^
Einer von ihnen, Caflfe genannt, ist hart geschossen worden. Etliche von
der neuen partei, wobei Herr van Hauten wäre, welcher den 21. ejusdem
gräf bei der krämerzunft erwählt worden, nahmen sie gefänglich mit, letztern
setzten sie gar ins Gras gefangen. Nachdem die arrestanten nachmittags
bei die herren von Dohm, von Grein und Finckenbeck [letzterer ist an platz
des herrn Pfingsten hiehin kommen] ^ in verhör gewesen, sind sie alle frei-
gesprochen worden.
Junij den 18., montags, ist ein dekret von Wexlar ankommen, gemäss
dessen alle zunften zur wähl schreiten solten. Wenn sich aber eine strittig-
keit vorfünde, welche zu den ratspräsentationswahlen einen einfluss hätten,
solten selbige von den herren koramissärs entschieden werden. Auch solten
die neuerwählte zum rat angenommen und der halbe rat renoviert werden.
Vom 16. bis den 22. junij sind ausser den Werkmeistern, fleisch hauer
und löder alle zunften ratswahlen auf Seiten der neuen partei ausgefallen.
Juni den 24., sontags, sind die erste beamten auf Seiten der neuen
partei erwählt worden. An diesem Tage hat der rat bis abends zwischen
10 und 11 uhr gewährt. Die bürgermeistern De Broe und Oliva sind
wegen vorfallenden strittigkeiten vor endigung desselben nachmittags früh
fortgegangen.
In diesem monat junij sind die alte denkmäler der St. Aldegunden-
kapell wegen besorgenden gefahren niedergelegt und an dessen stelle, zum
favoir und auf kosten des herrn canonici Moulan, dessen behausung nechst
dabei gelegen, ein garten, mit einer ringmauer umgeben, gebauet worden.
Julij den 2., montags, ist einer im Kolbert ersoffen gefunden worden,
welcher Krachan hiesse, wäre in Königsstrass wohnhaft.
Julij den 16., montags, sind aus ordre der herren kommissarien zwei
arrestanten, welche als klüppelmänner angegeben, aus das Gras, wo sie
*) Die Stcrnznnft, so genannt nach ihrem Zunfthaus (Leufe), dem Haus zum Stern
auf dem Marktplatz. Die Zunft bestand aus Adligen. Vgl. Quix, Historisch-topographische
Beschreibung der Stadt Aachen etc. S. 148. — Theodor Oppenhoff, Die Aachener
Sternzunft. Nach Handschriften dargestellt (Zeitschrift des Aachener Geschichtavereins
Bd. XV, S. 236).
■) Jetzt zur Mauerstrasse gehörend.
*) Der Name des münsterschen Kommissars ist Forckenbeck. Es handelt sich um
zwei Brüder, Max und Franz. Beide waren münstersche Geheim- [d. h. Regierungs-] Räte
und in der Aachener Angelegenheit thätig. Max, der jüngere, wurde zuerst nach Aachen
geschickt und scheint beim Abschluss der Kommissionsverhandlungcn, vielleicht zur Mit-
unterzeichnung, noch einmal hier gewesen zu sein. Wir verweisen auf die sie betreffenden,
im Anhang mitgeteilten Aktenstücke, die wir der Liebenswürdigkeit des Herrn Bürger-
meisters a. D. Oskar von Forckenbeck verdanken.
— 39 —
gefangen gesessen, nacli der Jesuiter kollegium geführt worden. Hinforo
sollen alle, so man habhaft wird, alldort gefangen gesetzt werden.
August den 13., montags, ist ein starkes kommando pfälzische truppen
von hier ausgeruckt nach das land von der Heiden, allwo sie drei klüppel-
niänner, als Sedler, Gärtner und Heidgens, welche allda arrestiert waren,
abgeholt und hiehin gebracht haben.
August den 30., donnerstags, hat ein kommando der hiesigen pfalzischen
truppen in Durwis ein klüppelraan, Peter Leist, abgeholt und hiehin gebracht.
Oktober den 3., mitwochs, ist zum erstaunen der neuen partei und
leidwesen der mehresten burgern, der herr scheffeu De Lonneux und
doktor Vossen, beide häupter der neuen partei, von den anwesenden herren
komraissarien mit arrest belegt worden. Ersterer ist auf dem rathause
in der bibliothek, letzterer hinter dem rathause in dem garten geführt.
Oktober den 8., montags, haben die tanzschüler des herru Matthia
einer ihrer mitschüler, N. Moss, ein schneidergesell, todgeschlagen.
November den 20., dienstags, ist Mathias Falkenburg, das haupt der
klüppelmänner, welcher in Mastricht arrestiert und hiehin geliefert, durch
ein kommando hiesiger pfälzische truppen eingeholt und unter dem rat-
hause in der oflBzierwachtstub gefangen gesetzt worden.
November den 23., freitags. Heut ist herr Niklas Crumm, dies jähr
erwehlter baumeister, ein glied der neuen partei, auf dem rathaus in
geföngliche haft genommen worden.
Dezember den 18., dienstags, ist Tauzenberg, ein goldschmids söhn,
von der neu partei gefangen gesetzt worden.
Anno 1788.
Februarius den 4., montags nachmittag um 6 uhr, hat es in einen
Schornstein des rathauses gebrand.
Februar den 8., freitags, ist Anna Katharina Klebank, bürgerin alhie,
von dem Scharfrichter mit ruthen behenkt und ein viertel stund an dem
Katsch gestelt und darnach nach Pontthor ausgeführt worden.
Februar den 16., sambstags abends zwischen 5 et 6 uhr, ist durch
ein kommando hiesiger stadtsoldadeska von Sclilenacken hiehin geführt
worden ein schreinergesell, genant Kaefer, von hier gebürtig, welcher*
anno 87 den unterm 16. junij bemelten Caffe solte geschossen haben.
April den 4.. freitags, ist Elisabeth Schmitz wegen eine bleiche \ so
gestohlen und bei ihr verborgen worden, auf ewig verband worden.
April den 10., donnerstags, ist von der anwesenden kreiskommission
in arrest genommen herr Simon Hennes, abgestandener gräf der krämer-
zunft, auch von der neuen partei.
April den 26., sanibsUigs, haben die herren kommissarien 21 herren
') Eine Anzahl Wäschestücke (?).
— 40 —
von der neuen partei, worunter 8 ratsherren et ein mameluck \ prokurator
Eychholtz, suspendiert.
April den 29., dienstags, sind von der kommission 103 personen von
der neuen partei suspendiert worden, weilen sie wegen die anno 1786 ent-
stundenen unruhen verdächtig sind.
Im monat maij ist mit bewilligung der kommission die bürgermeister-
wahl bis den 19. junij ausgestellt.
Junij den 14., sambstags, ist in Wexlar ein dekret ergangen, wodurch
36 ratsherren von der neuen partei suspendiert worden, weilen sie anno
1786 den 26. junij den rat beigewohnt, auch etliche welche an bemeltem
tag in dem bettendorfischen hause ein sogenanntes plebiscitum beigewohnt.
Montags den 16. junij ist in Wexlar ein dekret ergangen, worin hiesige
kommission befohlen worden, in zeit 8 tagen zu berichten, wie viel rats-
herren von jeder zunft nach der Suspension übrig, auch welche wählen
viritim oder tributim vorgenohmen werden, auch den magistrat die nötige
Weisung zu thun, mit der bürgermeister- und anderen wählen einzuhalten.
Donnerstag den 19. junij ist sieur Prent als klüppelmann in arrest
gesetzt worden.
Freitags den 4. julij sind erstaunlich dicke hagelstein allhier gefallen,
wovon hier und dort etliche fenstern zerschlagen sind.
Freitags den 11. julij ist ein starkes donnerwetter gewesen, welches
eingeschlagen an Marilenthurn ^, in ein haus gegen Cracau über.
Montags den 21. julij ist in Wexlar ein dekret ergangen, wodurch
hiesige magistrat erlaubt wurde, mit 81 ratsherren die werk- und bürge r-
meister wählen vorzunehmen. Nach gehaltenen wählen solte die kommission
den magistrat anhalten, alles nötige zu offengebung der ratspräsentations-
wahlen vorzunehmen, auch sollen die stellen der suspendierten ratsglieder
durch die ratsrepräsentanten ersetzt und den tag nach aufnehmung der
ratsherren die beamtenwahlen vorgenohmen werden.
Donnerstag den 31. julij wurde zum bürgermeister erwehlt herr Franz
Carl Neilessen et Johann Jakob von Wylre, beide altparteiisch.
Freitag den 8. august wurden die ratspräsentationswahlen ausgegeben.
Den 14., 15., 16., 17. august wurde in der exjesuitenkirch ein feier-
liches Jubelfest gehalten wegen die bürgersodalität, so alda vor 200 jähren
^aufgerichtet.
Freitag den 29. august ist von gross und kleinen rat das lehnamt
an Syndikus Peltzer übertragen, nachdem der abgestandene bürgermeister
Brammerz dasselbe quittiert, auch ist ein dekret von der kommission vor-
gelesen, dass die ratspräsentanten nicht solten zum rat aufgenohmen
werden, bevor man weitere ordre von Wexlar erhielte.
Dienstag den 18. novembris ist herr baumeister Niklas Cromm, nach-
dem er ein jähr weniger fünf tag auf dem rathaus gefangen gesessen, von
*) Bezeichnung für eine zweideutige Persönlichkeit.
*) Vgl. Pick a. a. 0. S. 204 ff.
— 41 —
der kreiskommission seiner gefangenschaft entlasseu, zur allgemeinen freud
der neuen partei.
Mitwoch den 26. noveniber ist ein sicherer Kaefer aus arrest gelassen,
nachdem er 9 monat und 10 tag gefangen gesesen.
Anno 1789,
freitags den 3. april, sind zufolg eines mandats etliche pasquilen, welche
gegen kommission und magistratspersonen geschrieben gewesen, auf öffent-
lichem Mark verbrand worden.
Maij den 17., sontags abends, ist Peter Classen, ein perruquemacher,
von seinem eigenen gesellen geschlagen und etliche stund danach gestorben.
Der gesell ist andern tags auf dem Katschhof gefangen gesetzt.
Maij den 22., freitags, ist das brod auf 13 mark gesetzt, auch weil
das gülicher land geschlossen und nur allein erlaubt, so viel als hiesige
Stadt bedürftig, auszuführen, ist den 28. ejusdem allen thorschreibern
geboten, auf straf der kassation, kein fruchten noch brod zur Stadt hinaus
in andern landen führen zu lassen.
Maij den 29. ist Franz Christ, giöckner im Münster, da er die kerzen
auf die allda aufgehenkte kröne setzen wollte, von der leiter gefallen
und andern tag gestorben.
Maij den 31., auf pfingstag morgens in aller frühe, ist der bekannte
Falkenburg, weil er noch ins Gras neben die andere klüppelsmänner gefangen
gesessen, aus seinem gefangnis entloffen.
Aug. den 2., sontags abends, wiederfuhr hiesiger Stadt das glück, in
seinen ringmauern zu sehen seine k. h. den grafen von Artois \ andern tags
seine churfürstliche durchlaucht von Köln, Maximilian. Ersterer stiege ab in
dem Hof von Londen bei sieur Brammerz, letzterer im Goldenen Drachen:
Aug. 10., montags, ist herr Neilessen samt sein knecht Kreuels, beide
im Lombart, von der kommission mit hausarrest belegt und durch pfälzische
Soldaten bewacht worden.
Aug. 14., freitags, ist aus ordre der kommission in gefolg eines wex-
larischen dekrets die wahlfreiheit zu den bevorstehenden ratspräsentations-
wahlen durch den trommelschlag kundgemacht worden.
In der nacht vom 30. zum 31. aug. ist der peruquemacher, welcher
den 17. maij seinen meister totgeschagen, aus dem gefangnis entwischt.
Montags den 31. aug. ist folgends des Wexlars Urteils der rat ergänzt
worden, und zwarn dass der halbe rat neu, der andere halbe alt parteiisch
ist. Auch ist heut aus ordre der kommission Kornelius von der Scheuer,
registrator auf die neumannskammer, weil er etwa 1000 bei nachsehung
der bücher zu kurz gekommen, mit hausarrest belegt worden.
Donnerstag den 3. September ist zufolg wexlarischen Urteils von dem
rat so viele neue als alte beamte erwehlt worden. Auch sind heut die
') Bruder Ludwigs XVI.
— 42 —
arretierten Neilessen und von der Scheuer aus ihren häusern fortgenommen
und auf das rathaus gesetzt.
Freitag den 4. September ist durch das loos ein altparteiischer zum
bürgermeister erwehlt worden, Johann Michael Kreitz; neuparteiisch aber
als scliöffenbürgermeister Caspar Joseph von Klotz.
Montags den* 7. September ist das brod auf 15 mark gesetzt worden.
Montags den 14. September, weil das gülicher land geschlossen worden,
ist der preis des brods auf 16 mark gesetzt worden.
Den 31. Oktober ist Wilhelm Sädler und Peter Leist aus ihre gefäugnis
entlassen. Ersterer ist den 13. august, letzterer den 30. ejusdem 1787
gesetzt worden.
Montags den 2. november ist das brod eine mark abgeschlagen, galt
also noch 15 mark.
Freitags den 13. november sind die 300 mann churpfälzische truppen
durch ein kommando von 150 mann musquetier abgelöset worden ; auch ist
heut seines arrestes entlassen ein gewisser Prent, welcher anno 88 den
19. junij gefangen gesetzt worden.
Dienstags den 17. november ist. der gefangene Nellessen von das
rathaus nach der Jesuiterkollegium, anderen tags aber wieder von dar
nach das Grasshaus geführt worden.
Freitags den 20. november ist von der kommission seines arrestes
losgesprochen worden der von der ganzen neupartei so sehr beliebte herr
Schöffen Martin de Lonneux, nachdem er 25 monat und 18 tag gefangen
gesessen. Er ist aber, alle ausschweifungen des Volkes zu verhüten,
welches nichts anders als vivat vater Lonneux rufte, erst andern tags
morgens um halb sechs uhren in einen wagen nach seiner behausung
gefahren, allwo er noch durch eine schildwacht bewahrt wird.
Montags abends den 23. november ist der altparteiisch gefangene
Nellessen wiederum aus das Gras nach der Jesuiterkollegium geführt worden.
Mitwoch den 2. dezember sind nach Pontthor ein und nach Junkers-
thor ausmarschiert 1000 mann münstrische truppen, welche sich im lüttiger
land gelagert haben, um die zwischen magistrat und bürger in Lüttig
entstandenen Streitigkeiten beizulegen, deswegen auch die herren kommis-
särs von hier dahin verreiste
Sambstag den 5. dezembris ist herr doktor Voussen und Tauzenberg
aus ihren arrest entlassen. Ersterer hat von anno 87 den 3. Oktober,
letzterer selbigen jahrs vom 18. dezember gefangen gesessen.
Dienstag den 8. dezember ist im Münster an den neuen marmor-
steinernen muttergottes altar der erste gottesdienst gehalten worden.
Freitag den 11. dezember abends ist der arretierte Vonderscheuer und
Vous von das rathaus, wo ersterer gesessen, nach das Jesuiterkollegium
^) Es handelt sich um die Unterdrückung der sogen, lütticher Insurrektion, die im
August 1789 begann. Das Volk zu Liittich wollte durch sie gegen Magistrat und Fürst-
bischof eine Veränderung der Landesverfassung erzwingen.
— 43 —
geführt, letzterer ist ein klüppelraann und hat im garten hinters rathaus
gesessen.
Montag den 21. dezember ist der sekretarius Joseph^ Couven, einer
von der alten partei, wegen seinen diebereien von der kommission gefangen
gesetzt, hinter das rathaus im garten, im ehemaligen gefangnis des herrn
de Lonneux.
Anno 1790.
Donnerstag den 14. januarij sind die 1000 mann müusterische truppen,
welche in Lüttig nicht haben einrücken dörfen und bis jez in Herve gelegen,
allwo sie auch haben aufbrechen müssen, mit bewilligung eines ehrbaren rats
allhie nach Junkersthor einkomen und im reich von Aachen einquartiert worden.
Freitag den 12. febr. in der nacht haben 5 spizbuben an dem Bildgen
eine karre bestohlen, man hat sie aber des morgens auf St. Salvator gefangen
genohmen und mit ihre geraubte bündeln eingeholt und gefangen gesetzt.
Merz den 18., sambstags, und 2 folgende tag ist durch einstimmige
Verordnung des hohen rats und kapitel der tod seiner k. k. apostolischen
majestät Joseph der zweite durch läutung aller kirchenglocken kund gethan,
dienstag den 16. wurden die todtenvigilien und mitwochs das hohe seelen-
ampt in der kronkirche gehalten, allwo ein prächtiges über 50 schuhe hohes
todengerüst errichtet.
April den 21., mitwoch, sind die münsterische truppen, welche den
14. Januar im reich von Aachen einquartiert worden, wiederum fortgezogen.
April den 27., dienstags nachmittags, ist der herr scheifen de Lonneux
mit erlaubnis der kommission das erste mal durch die Stadt spazieren
gefahren, wobei ein unsäglicher zulauf des pöpels aus allen Strassen herbei-
eilte, und man hörte nichts als vivat Lonneux; auch sind heut die schild-
wachten aus seinem hause fortgenommen.
Maij den 20., donnerstag, bei herr gastgeber Rouis hat der k. preus-
sischer hofrat Römer sich todgeschossen; er ist andern tags auf dem Golden
Pflug '^ begraben worden.
Maij den 22., sambstag, haben die p. p. Franziskaner ihren i)rovinzial
allhier erwehlt, welche wähl ist ausgefallen auf den ehrwürdigen pater
Berardus Busch.
Maij den 22 bis den 23 auf pfingsnacht hat sich ein klüppelman Pleus
aus seinem gefangnis ausgebrochen.
Maij den 26., mitwoch, ist Johann Rief, ein klüppelsmann, losgelassen.
Maij den 31. hat sich ein frembder, welcher neben das komphaus
logierte, selbst todgeschossen.
Junij in der nacht vom 3. zum 4. hat sich einer von den 5 spiz-
buben, welche den 12. februar gefangen genommen, losgebrochen.
^) Richtig: Jakob.
*) Der evangelische Kirchhof vor dem Kölnthor.
— 44 —
Junij den 10., donnerstag, ist Joseph Gillessen, ein klüppelsraan, los-
gelassen.
Julij den 12., montags, ist Wilhelm Schulz, ein sogenannter klüpels-
man, losgelassen.
Julij den 23., freitags, sind auf einmal 12 klüppelmänner freigelassen
worden.
September den 13., montags, ist Hindrich Jörgens ausser Köllerthor
von einem pferd todgeschlagen.
September den 25., sambstags morgens um halb neun uhr, sind die
herren deputierte hiesiger stadt, herr Joh. Michael Kreitz, bürgermeister,
herr Casp. Jos. von Klotz, Schöffenbürgermeister, herr Peltzer, Syndikus,
herr Beckers sekretarius; vom hiesigen kapitel hochwürd. herr Konrad
Herrn. Cardoll, dechant, herr Bern. Maria Jos. von Guaita, kanonikus, herr
Franz Philip von Hertmanni, kanonikus, samt ihren herrn sekret. mit den
reichsinsignien unter abfeurung der kanonen, unter begleitung eines chur-
pfälzischen kavalleriedetaschements nach Frankfurth abgereiset.
Dezember den 21., donnerstags nachmittags um 4 uhr, sind die herreu
canonici und herren deputierten hiesiger Stadt von der krönung Leopoldi
des ZAveiten, welche den 9. dieses monats zu Frankfurth vollzogen worden,
mit den reichsinsignien hier eingetroffen.
Dass gott der herr das deutsche reich einen neuen regenten in
Leopold den zweiten gegeben, wurde aus anordnung der magistrat und
hochwürdigen kapitel allhie ein feierliches dankfest gehalten. Den 30. dezeraber,
sambstags abends um 7 uhr, wurde durch das donnern der kanonen und läutung
aller glocken den anfang gemacht; andern tags um 10 uhr wurde nach läutung
aller glocken von dem herrn dechant ein solennes hohe amt gehalten, welches
der magistrat beiwohnte und darauf das Te Deum unter läutung aller glocken
und losbrennung des schweren geschüzes gesungen, womit diese feier ge-
schlossen.
Dezember den 5., freitags, sind die erste Österreichesche truppen hier
durch marschiert nach den Niederlanden, um dasige einwohner wiederum
zum gehorsam ihres souverains zu bringen, welche sich dann auch ergaben,
so bald man ihnen ihre alte geist- und weltliche Privilegien zugestanden.
Nachdem die herren kommissarien wehrender vierthalbjahriger an-
wesenheit ihre beutel recht dick gespickt, da sie der Stadt alle ihre ein-
künften gezogen, anbei derselben noch mit unsäglichen schulden beladen
und doch bis jetz noch kein püntgen der bürgerlichen besch werden erörtert,
haben sie aus lauter Verwirrung die wegen ihren ärariums diebereien
gefangen gesessenen alt parteiischen Nellessen auf dienstag den 14. dezember
und Vonderscheucr auf donnerstag den 16. dezember aus ihren gefängnis
entlassen und ad interim mit hausarrest belegt. Wenige tag danach haben
sie auch den als klüppelman gefangenen prokurator Commo, nachdem er
vierthalb jähr gefangen gesessen, nach haus geschickt.
— 45 —
Anno 1791.
Den 12. jenner, mitwoch morgens, ist Mathias Falkenbiirg aus die
hauptwacht fortgeloffen. Derselbe wäre wegen sein übeles verhalten in
der heiligtumsfahrt wieder gefangen worden.
Den 14. februar, montags, sind von das pfälzische koramando allhie
100 mann fortgezogen.
Den 1. merz, dienstags, ist ein nadelmachersgesell Jennes ersoffen,
zwischen Koller- und Sandkulthor.
Den 6. und 10. merz sind die münsterische truppen 1000 mann stark
von Lüttig ab hier durch nach ihre heimat marschieret.
Den 12. april, dienstags, ist ein korps mänzischer truppen samt artillerie,
welche in Lüttig exequiert haben, hier durch marschiert, nach Mänz zu.
Den 13. junij haben wir die ehre gehabt, Maria Christina ^, erzherzogin
von Oesten-eich, gubernantin der Niederlanden, samt ihrem gemahl in unsrer
Stadt zu empfangen. Höchstdieselben geruheten, in dem hotel Zum Herzog
von Braband abzusteigen, auch allda von regierende herren bürgermeistern
das unterthänigste bewillkommnungskompliment anzunehmen und setzten so
dann nach genommenem mittagsmahl ihre reise nach Brüssel fort.
Den 13. junij, montags, hat mit seiner gegenwart unsre Stadt beehret
Gustav der dritte, könig von Schweden'^. Er hat sein logis genohmen
in dem hause des vogt major von Geyer in St. Adalbertsstrass.
Den 20. junij, montags, haben wir in unsre Stadt empfangen Wilhelm
äer fünfte, prinz von Oranien. Er ist abgestiegen im Rosenbad.
Den 21. junij, dienstags, ist seine k. k. prinz Ferdinand von Braun-
schweig samt seine familie allhie angekommen. Sie stiegen ab bei herrn
Dubigk auf dem Kompesbad.
Den 25. junij, sambstags, ist seine k. h. prinz Artois allhier an-
gekommen; nachdem er das mittagmal genommen in St. Adalbertsstrass
bei herrn Strauch hat er seine reise nach Brüssel fortgesezt.
Den 4. julij, dienstags, sind unter bedeckung eines churpfälzischen
kavaleriedetaschements seine k. h. monsieur und madame von Frankreich ^
samt graf Artois, zwei älteste brüder des königs von Frankreich nach
Junkersthor einkommen; sie haben ihr logis genohmen im Wilden Mann
in Köllerstrass.
') Lieblinßjstochter Maria Theresias. Ihr Gemahl war Herzog Albert von Sachsen-
Teschen (vgl. Pick a. a. 0. S. 553). Beachtenswert ist der Brief, den sie am 18. November
1792 von Bonn aus in den Tagen der französischen Invasion, die sie Brüssel zu verlassen
zwan^, schrieb. Sie fällt in ihm ein etwas summarisches Urteil über die revolutionären
Bestrebangen in Aachen (vgl. Haagen a. a. 0. Bd. II, S. 403).
*) Gustav III. hielt sich zur Vorbereitung seiner Pläne, den gefangenen König
Ludwig: XVI. in seine frühere Stellung zurückzuführen, einige Zeit in Aachen und Spaa
auf. Vgl. A. von Reumont, König Gustav III. von Schweden in Aachen in den Jahren
1780 und 1791 (nicht 1792, wie Haagen a. a. 0. Bd. II, S. 416 angibt).
») Graf und Gräfin von Provence.
— 46 —
Selbigen tags ist Maximilian, churfürst von Köln, liiehen kommen;
er nahm sein legis im Goldenen Drach auf dem Kompesbad.
Um diese zeit ist die stadt so voller fürsten und fürnehmer stands-
personen gewesen, dass alle gastliöfe und viele bürgers häuser so voll
gewesen, dass fast niemand mehr unterkommen können.
Anno 1792.
Sambstags den 7. Januar sind 150 mann kaiserliche tragoner vom prinz
koburgischen regiment hier durch nach den Niederlanden marschieret.
Freitags den 20. merz ist doktor Rasor von Wexlar als kommissarius
hier ankommen. Hierauf ist am dienstag den 2. april ausserordentlicher gross
und kleins rath gehalten, worin er die einrichtung der neu geschmiedeten
konstitution vorgelesen.
Den 10. april auf osterdienstag ist als churfürstlicher commissaire
hier ankommen herr Fucksius von Düsseldorf, um gegen die von Rasor
hieher gebrachte konstitution zu protestieren.
Nachdem weiland seine k. k. apostolische majestät Leopold der zweite
in der nacht vom 29. februar bis den 1. merz gestorben, ist allhie aus
anordnung eines hochwürdigen kapitels und hochedeln rats den 14. april
sambstags abends um 7 uhr und 3 folgende tag m^t allen kirchenglocken
geläutet worden; in dem chor des Münsters ist ein prächtiges, über 50
schuh hohes castrum doloris aufgerichtet, welches mit unzahligen Wachs-
lichter gezieret. Mitwochs um 10 uhr ist ein musikalisches hohe amt von
dem hochwürdigen herrn dechant Cardol gehalten, welches der hohe rat
und fürnehme herrschaften beigewohnt.
In der nacht von 22. bis den 23. april sind die Stallungen vom
Rosenbad ganz abgebrand.
Montags den 21. maij sind erstaunlich dicke hagelsteine gefallen,
wovon fast alle fenstern in der stadt, welche gegen westen liegen, zer-
schlagen sind.
Den 23. junij, sambstags, haben die Jülich und bergische herrn missio-
narien ihre erste predigt in St. Foilan gehalten. Sie haben wehrend ihrer
vierzehutägigen mission ein erstaunlichen zulauf gehabt und bei der pro-
zession, welche sie sontags den 8. julij zum beschluss gehalten, sind so
viele menschen gewesen, desgleichen man niemalen gesehen hat.
Den 30. junij, sambstags, sind die herrn deputierten von hier mit
den reichs-insignien unter losbrennung der kanonen und bcdeckung .eines
churpfälzischen kavalerie-detaschements zu der kaiserkrönung nach Frank-
furt abgefahren: von Seiten des hochwürdigen kapitels die herren Konrad
Hermann Cardoll, dechant, Friederich Georg Franz freiherr von Mylius.
protHon, Peter Clemens Anton Joseph Heusch, scholaster. Von selten der
magistrat die herren Joh. Michael Kreitz, bürgermeister, Caspar Josef von
Klotz, Schöffenbürgermeister, und Pelzer, Syndikus.
— 47 —
Den 23. jnlij, montags, sind obige herren deputierten, von der krönung
Franz der zweite zurukkomm.
Den 24. jnlij, dienstag, sind 115 mann pfälzische grenadier hier ein-
geruckt, zur Unterstützung des pfalzischen kommissär herrn von Knap.
Den 24. august, freitags, sind obige 115 mann pfälzisciie truppen
wieder fortgegangen.
Den 15. September, sambstags, haben die herren missionnaires ihre
mission in St. Peters kirch angefangen. Sie haben sowohl hier als in
St. Foilan eine unglaubliche menge zuhöver bei ihren predigten gehabt.
Den 6. September, mitwochs, ist eine division kaiserl. husaren hier
durch nach den Niederlanden gezogen.
Den 25. September, sontags, sind beide brüder Louis XVI., könig in
Frankreich, monsieur & duc d'Artois von Luttig hieher kommen, weil
Lüttig von den Franzosen gedrohet ward, belagert zu werden.
Den 27. September, dienstags, haben sich die lüttiger domherren
hieher retiriert, weil heut vor Lüttig von den Oesterreich & Franzosen
bataille gehalten wird, welche erstere verlohren, und auf Herve geflüchtet
haben, worauf Lüttig von den Franzosen eingenohmen.
Den 28. September, mittwochs, ist der fürstbischof von Lüttig rihter
einer bedeckung kaiserl. kavalerie hierdurch gefahren; nach läutung der
pfortenglocke ist noch eine division kaiserl. tragoner hierdurch marschiert,
w^elche aus das hauptquartier zu Herve gekommen. Diesen abend sind
noch einige hundert mann Österreicher hier eingetroffen, welche in den
klöstern einquartiert wurden, seit gestern nachmittag bis diesen abend
spät hat man auf den wällen unsrer stadt eine starke kanonade gehört.
Die durchzüge von österreichischem gepäcke, von geflüchteten eff'ekten aus
Lüttig, von französischen emigranten zu pferd und zu fuss dauern seit
mehreren tagen unausgesetzt tag und nacht durch fort.
Den 30. September, freitags, sind bei den hiesigen bürgern für etliche
tausend man Österreicher quartier angesagt.
Den 4. dezember und folgende tage sind die reichsbauern aufgeboten,
um an die redouten zu arbeiten, welche die Österreicher am galgcnplatz,
aufm Aacher Busch, am Losberg aufgeworfen.
Den 5. dezember sind etliche tausend man kavalerie und Infanterie
von der österreichischen armee hier eingezogen, welche teils in der stadt,
teils im reich von Aachen quartier genommen; unter welchen w^aren das
regiment Saxe, Royal-AUemand und Berchenij, welche nun in Osterreich
sold genommen.
Den 6. dezember, donnerstags vormittag um 9 uhr, sind die pfäl-
zische exekutionstruppen durch die Österreicher von der hauptwacht ver-
drängt worden, die stadt wällen sind mit kanonen besetzt, auch ist heute
die österreichische generalität von Herve hier eingetrofl'en.
Den 12. dezember, mitwochs, nachdem die Österreicher von den Fran-
zosen bei Herve geschlagen, ist die ganze österreichische armee heut hier
— 48 —
angekommen, diesen nacht und folgenden tag, den 13. december, haben
die durchzüge der österreichischen arniee unausgesetzt ftu-tgewährt, so dass
gegen abend 7 uhr die stadt ganz gesäubert war, ausser etliche husaren,
welche die nacht über hier geblieben sind. Auch sind heut die pfälzische
truppen, welche von anno 1787 den 16. maij hier auf exekution gelegen,
heut fortmarschiert, der zug der Österreicher geschah nach Jurjcersthor
ein und nach Köllerthor aus.
Den 15. dezember, sambstags vormittags, ist der vortrab der fran-
zösischen armee hier eingetroffen, welcher in husaren bestünde, gleich bei
ihrer ankunft erschienen mehrere btirger mit national-kokarden an ihre hüte.
Den 16. dezember, sontags, ist aus ordre des bürgermeisters angesagt
worden, an alle fenstern licht zu stellen, und sich zum empfang der soldateu
bereit zu halten, da denn auch noch des abends spät ein theil der fran-
zösischen armee unter den befehlen der generälen Stengel et Desforets
hier eintraf, welche in Burdscheid, in Haaren, in den klöstern, auf die
Zunftsläufen und bei den bürgern einquartiert worden.
Den 17. dezember, montags, haben die französische durchzüge ohn-
untejbrochen fortgewährt, von hier nach Düren auf Köln zu. Vormittags
ist in der bräuer-läuf aus unvorsichigkeit der Soldaten feuer ausgebrochen,
welches aber durch hülf der brandspritzen bald gelöschet.
Den 19. dezember, mitwochs vormittags um 11 uhr, ward vor dem
hiessigen rathhausse, nachdem die besatzung unter gewehr getreten war,
ein steinerne schand-säule, vorstellend die hinrichtung des kezerischeu
bürgermeisters Kalckbrenner ' zertrümmert, woran aber kein bürger teil
nähme, ausser Johann Tauzenberg, eines goldschmids söhn, wohnend auf
dem Markt im Löwenstein, dieser liefe nach seines vaters haus, nähme
eine eiserne hacke und warffe hiemit das denkmal übernhauffen, auf dessen
trümmern der freiheitsbaum aufgepflanzt wurde, wobei sich nur ein gewisser
Sempree, ein geborner Franzos, welcher hier etabeliert, auszeichnete; — kein
feierlicher aufzug, kein froloken des nur in gringer zahl versammelten
Volks begleiteten diese handlung, und alles zeigt deutlich genug, dass die
hiessigen einwohner keinen sinn haben für die französische freiheit. Doch
müssen alle geist- und weltliche die dreifarbige kokarde an ihre hüte
tragen. Nachmittags wolten sie den kupfernen adler, welcher oben des
rathshausthür stunde, abwerfen, sie wurden aber durch einen französischen
officier darin gestört, da denn der adler mit seilern hinauf gezogen worden.
Nachmittags Hessen die herren canonici das kapitelwappen oben der
herren kellerthür aushauen.
Den 20. dezember, donnerstags, Hessen sie die schwarze adlern und
goldene lilien von den piramiden des chors und den kaiserlichen adler
oben am gewölbe der kirch abnehmen. Der herr proffion Hess an seinem
*) Die Säule war im Jahre 1616 zum Andenken an den Führer der protestantischen
Rebellen, Johann Kalkbemer, errichtet worden.
- 4* —
hause, die 9üOBe& im sr;i:stkw$ as ikr kkx^^t^r ^lij^ ^;j^s)Yw:»|k^v«t «itU i^Wt^
übersiraekett. kviz. es moss ia der ^r;ju&iya ;JttA4< äK^ Ä^rt^x^r^s^UHkl >\v^i\K^H,
was BOT an kaiser. kC-ciir. iK<*k okrt^ke« ertttiw^rt. UxH^ä 4h> ^'^vAi^Avt^*^
wollen nklits als mar Toa flreihe« uitJ rf^icbheit >jn$st^«^
Weil die FnMiz.^sea ein;ce ^walukaiuWit^u ft^to». isl ftviU^ii> sK^^
21. dezenber T.m Seiten des sreaerÄls l^muwr eiti^^ prv4.lÄW<^U\^^ v^^u^v-
beftet. des inhalts, dass das eigeatiu« und die pers^ui dt\>i luu>i\M^ Sxvnu Uovl
seien, und wer dagegen fehlte^ nach der schirtV j^xs^U^rt x^x^M^^ J^\v\lh^^
Den 23. dezember, sontags> ist der s^mesiiii^ist hus dio >v>tuih^rKi\vh
nach die COlestiner verlegt wonlen, weil die ^>anir\K>it^u iu t^^'sl^iv d^?*
magazin machten.
Den 27., donnerstags, haben die Fi^u/i^tM) unt K^UIovwhU dio Kniuv^um
aufgepflanzt. Es wurde ein deki'et von dem wutioimlkouvout ^\\ \S\\\^ rtU«t^
') Diese Proklamaiion des Geuonils l^umourier Uoruht \^\\f \U^\\\ i^\^\U\^^\\\\\ \\\\\\ \\M
folgenden Wortlaut:
Au nom
de hl
r^pnbliqne fran<^aise.
Proclamation
du g^n^ral cn chef de Tarm^e de la Rel^itjuo.
Le g^neral d'armee coiisid^rant quo INuibli
des devoirs envers la propri^'t^, la !*An»tt^ ot
la liberte individuelle des citoyena de la villo
et du pays d*Aix-la-ChapelIo quo noiiH dev(»MH
traiter commes nos freres, est un crime pro-
pre ä ternir les lauricrs dont Parm^'o fraii-
(;aise vient de se couvrir; et voulant Avitrr
quc les droits les plu« sacroH soient m^«*on
.nus par aucun de nos frCsros d*urincM.
Ordonne au nora de la putrle aux mlN-
taires, aux cmplo.v^'s et A tous autrrH <*ltoyi»ii«
composants Tarm^c de la liel((ique, do reH)M;('<
ter les propii^'t^s de quclque naturi) i*lii*H
puissent ^tre, ainsique la liliert«'; individiit«il<*
des r/itoyens de la ville et du pal« d*AU-la-
Chai)elle; de veiller ä leur rnunt'.rvtii\fm <•(
de le9 d^fendre Mmirtt touU'N atti'ifitcH, höh»'
peine de mort, tant envers (t^ux qui \UiU'r*tU'Ul
ces droit« jtaer/rH qu«' tutulr*' Umn t't'ux qul
voyant commeltre U* i*nmH ua ko turoU hi
pas mi« en devoir U? V*'mit^ *'\n'r tt dair»/!« r
OD de faire Arri-Utr Iftp fjfup:i))\i *.,
Fait an quartier ü*'Ufr4\ k i,u^* \U. d«
cembr« I7V2 K puh\\( U. 20,4 AiiJ« ^ Up« iU^
Taa prtmittr Ah 1« t^yu^n^i^t^ fraw/Air^'.
\\\\ Namen d«*r rirtu«!\v*i'*\^luM* UopubliK
des Uout^raN eu riiel' der bolulnohen Av«ure
Naohdem der iloneml der Armee \\\ Me
traehtunu' u^Koueu, \\\\^^ die lliu<untieU\M)H
der riiiehte» uo^oh dutt Kiueulum, die »SleluM •
heil und die individuelle Kveiheil der Mth^ev
von Aueheu und ihre»« lleytiilm, ^olehe wli'
uIm unnero lltlhler iiohandelu milMNtMi, ein
LuMh^r iitt, wrhdie« Mur Verduiil«e|uMu der
von der frany.iUlmlieu Armee enuiiM.eueii
liorheereu tfei^itfuet IhI | und da wir veilihi
dem Wollen, diiHM die uitheitiuidiiM lleidllrt
Von niemanden iMimrer Wallt nlirlhier niixt
kannt werilm Noileni aU ijrhieii«! »ir Im
Nami*n den Viilerlitndia den HoldultMi, diMi
An((e»t<i/iitn und iillen andern JiiHj/i in, dli'
die h(dKi"''ite Armei* MMitmaehon, dun Klt/en
tum Von Ji'dfr Art Mowold al» die Individiodl"
J'Vi'Ihrlt ^t*t hurtjer dir Hla^ll, Aurlo n und
ihre« \U*/,\rVn au HiM'n, ant ihr«' \'UUn\hnt^
'/M w»''lM*n lind »j« (^''i(«'n J*'d*'M Anfall /n
hi'^<'hni/''ni und /war nnl«'» 'rod''*»ir»*fe so-
wohl ifi u.'U dJ<'J<*n)K''n, w«hh**dl' i-'- K*ii< ^Ij^ir
i*'ii Iti'itM' UtühUtit, uU uoi h i/< i/'n iit»
y htiftu, w* h h' d« rjrj« )' h**!* //»uu^ *< Im n nnd
hj'hi AU }ft'tU\n'it nt t^ifh'h, t'tti di* *' hi*l
tit'/m ni'ht «ff*')'ij< ft ti'Mt r Hrn*^i* f^ u )#*««
VfiH^t u hi /«-(/^^n Utt iinuiti^iUHt i Hf /u i,uitu U
4*u l't, <>*/*wh*r i /4t, i tt4 yMiAhiri /u
/wh'u 4i u Ph * i*if4i $u nu « /*•<« w /^^i^r do
— 50 —
heftet, wodurch alle geist- und weltliche korporationen, alle zünften, accisen,
Zoll & weeggelder aufgehoben, den magistrat abgesetzt und volksrepräsen-
tanten zu erwehlen verordnet und dergleichen lappereien mehr. Auch ist
hier am berg ein sichre frau Schwarz von 2 Franzosen erstochen worden.
Den 31. dezember, montags um mittag, haben die Franzosen ange-
fangen in den Stiftern und klöstern alle eiFekten zu versiegeln, am abend,
bei läutung der pfortenglocke, Hess der general Dampierre einen neuen
freiheitsbaura aufrichten, die Franzosen schryen vive la liberte, aber kein
bürger folgte ihnen nachzuruffen.
Anno 1793.
Den 1. jenner, am neujahrstag und folgende tag, hat man aus
mangel der levitenkleider im Münster das holie amt mit einem priester
gehalten, wodurch sich die Franzosen ein unversöhnlicher bürgerhass
zugezogen.
Den 3. januar, donnerstag, ist gross und kleins rath gehalten, worin
der magistrat angesagt worden, dass nunmehr ihre regierung aufhöre, und
man solte die nothige anstalten treflFen zu den bevorstehenden wählen der
volksrepräsentan ten .
Januar den 6., sontags, haben die bürgerkapitainen aus ordre des
französischen generals den bürgern angesagt, des andern tags in gewissen
kirchen zu erscheinen, um nach der französischen konstitution volksrepräsen-
tauten zu erwehlen, als sie aber in die angewiesenen kirchen erschienen,
wurde eine Instruktion des generals en chef Dampierre vorgelesen, nach
welcher die wähl sollte gehalten werden. Uneracht dessen widersetzten
sich die bürger, wollten das fransösische System nicht annehmen, noch zur
wähl schreiten.
Den 8. januar, dienstags, ist bürgermeister Kreitz mit hausarrest
belegt und durch Franzosen bewacht worden. Heut haben die Franzosen
den klub eröfnet, auf das rathhaus in dem rathssaal.
Bis den 10. jenner haben alle grafschaften ihre repräsentanten erwehlt,
ausser die Marsch ierstrasser, welche in der kapuzinerkirch versammlet
waren und unerachtet allen Vorstellungen des französischen generals des
abends um 6 uhr unverrichter Sachen nach haus gangen.
Den 11. januar, freitags abends um 9 uhr, ist durch die thorwächter
angesagt worden, an alle fenstern licht zu stellen, weil 1500 mann fran-
zösischer truppen ankämen, sie sind aber erst andern tags um mittag ein-
getroffen, kamen Köllerthor ein und Junkersthor aus.
Den 13., sontags, sind wieder etliche hundert mann nationalfrei-
willige von Lüttig hier eingetroffen und nach ihrer weiteren bestimmung
beordert; auch ist heut aus anstellung des klubs in unser lieben frauen
Münster ein feierliches hohe ambt gehalten zur danksagung, dass die fran-
zösische Waffen uns die aufgetrungene freiheit verschaffet haben; diese
— 51 —
feier desto glänzender zu machen, haben gestern um 4, heut um 6, um 9
und um 10 uhr alle glocken läuten müssen.
Den 15., dienstags, sind aus ordre des französischen generals Dam-
pieri'e die bürger der Marschierstrasser grafschaft zum 6. mal in die
kapuzinerkirch beruflfen, weil sie aber auch dismal weder durch drohen
noch militärische gewalt zur wähl konten gezwungen werden und wieder
nach haus giengen, haben ihrer etliche insgeheim ihre repräsentanten
erwehlt. Nachmittags sind sämtliche repräsentanten durch den general
von seine behausung in Köllnstrass im Wildenman nach das rathhaus oder
nun gemeindehaus geführt, allwo sie den eid ablegten und wieder nach
haus giengen. Abends um 10 uhr hat es in die löderläuf gebraut.
Den 16. Januar, mitwochs, ist Theodor Bettendorf zum President und
doktor Ulrici zum Vizepresident erwählt. Auch ist heut ein bataillon
nationalgarden und das kavalerieregiment Berry hierdurch nach dem jülicher
land gezogen.
Jenner den 17., nach dem die Volksrepräsentanten auf dem gemeinde
haus installiert, ist der Jakobinerklub allda verdrängt, drum haben diese
sich heut in der krämerläuf versammelt.
Den 22. jenner, dienstags, sind die bürgergrafschaften in ihre be-
stimmte kirchen versammelt gewesen, um den maire zu erwehlen. Heut
sind etliche 100 mann französischer truppen nach Köllerthor aus, auch
etliche herin kommen.
Den 23. jenner, mitwoch, hat es bei den p. p. predigern gebrant.
Auch hat sich ein Franzos tod gesoffen, bei Krombach, ein wirt in Wirichs-
bongart.
Den 25. Januar, freitags, ist der nadelfabrikant Stephan Beissel als
maire und aus jeder grafschaft oder Sektion der stadt ein tribunal auf dem
gemeindehaus durch den general Dampierre eingeführt.
Die hinrichtung Ludwigs der XVI., könig in Frankreich, welche heut
den 26. Januar aus der zeitung bekant wurde, machte auf die gemüter
der hiesigen bürgern ein heisser eindruck, den man sähe auf ihren gesichtern
mit lebhaften färben den gerechten schmerzen gegen diesen unglücklichen
fürsten abgemalt; die französische garnison geriet auch bei ihnen in einen
sehr Übeln kredit.
Den 29. Januar, dienstags, ist in die kapuzinerkirch das kornhaus
gemacht, aus letzteres ein pferdsstall.
Den 30. Januar, mitwoch morgens um 2 uhr, ist in das jesuiter-
kolegium feuer ausgebrochen.
Den 5. februar, dienstag, sind aus ordre des französischen komman-
dant Dampierre die hiesige Sektionen versammelt gewesen, um ein national-
konvent zu formieren, die bürger aber wollten nicht zur wähl schreiten.
Den 6. februar, mitwochs, ist Philip von Thenen und Erkens arretiert
worden, weil sie kaiserliche kokarden fabriziert haben; auch haben die stadt-
soldaten ihre wehr und waffen an den fransösischen general abgeben müssen.
— 52 —
Den 7. februar, donnerstag, sind die Sektionen zum 2. mal beruffen,
ist aber niemand erschienen, heut ist von Thenen durch list entwischt und
Erkens nach Lüttig transportiert.
Den 12. februar, dienstags, haben die Sektionen ihre wahlmänner
erwehlt, zum nationalkonvent. Diesen abend ist Erkens von Lüttig frei
zurückgekommen. Man ist gegenwertig beschäftigt, einen pflasterweg von
Jacobsthor auf Lüttig zu und von Pont- bis Junkersthor eine Spazierfahrt
zu machen.
Februar den 19., dienstags, hat ein französischer kommissär im gast-
haus krank gelegen, welcher sich heut selber den hals abgeschnitten, und
nachdem in St. Foilan begraben wurde.
Februar den 20., mitwoch, sind etliche bataillon infanterie samt
artillerie- und munitionswägen hier ankommen. Andern tags sind dieselbe
teils zur Unternehmung der belagerung von Mastricht dahin, teils zu der
Ruhrarmee abmarschiert.
Februar den 21., donnerstags, ist die kriegserklärung «an Engeland
und Holland sämtliche offiziers der hiesigen garnison mit viele Zeremonien
auf dem Mark vorgelesen worden.
Februar den 26. sind wieder neue truppen hier eingetroflfen, welche
zur Verstärkung der französischen armee an der Ruhr dahin abziehen. Seit
dem 22. d. m. hören wir täglich von Mastricht her mehr oder weniger
heftige kanonaden. Die belagerten geben sich viele mühe, die Franzosen
in ihren ernstlichen angriflfsmassregeln zu stören. ^Der nationalkonvent
ist hier jezt formiert, und es wird hiernach darauf ankommen, eine Verfassung
zu entwerfen, die dem volk zur Sanktion vorgelegt werden soll.
Februar den 26., dienstags, haben die französische kommissarien zum
2. mal in der münsterkirch alle geistliche effekten versiegelt.
Merz den 1., freitags zwischen 10 & 11 uhr vormittags, verbreitete
sich hier das gerücht, dass die Österreicher über die Ruhr gesetzt und
die ganze französische armee überfallen hätten, wodurch die hiesige garnison
mit forcht und schrecken überfallen, sich gleich zum aufbruch rüstete, um
die Ruhrarmee zu unterstüzen; es mai'schierten auch wirklich etliche
bataillon dahin ab unter anstimmung des französischen lieds (ja ira, aber
in der nacht kam die ganze armee samt kanonen und munition mit hasen-
schritten zurück und liefen auf Lüttig, so dass sie andern tags um 9 uhr
morgens die Stadt geräumt hatten, nachdem sie dieselbe 11 wochen besessen,
in welcher zeit sie uns viel zu schaffen gegeben. Wie oben angemerkt haben
sie die effekten der Stifter und klöster versiegelt, aber nichts mitgenommen,
wofür wir die gute gottes, den schuz Maria als unsre beschüzerin und die
veimittelung des mairs und Volksrepräsentanten anerkennen und danken.
Kaum waren die Franzosen fort, traf ein piquet scharfschüjtzen hier ein.
Ich kan die freud, das jauchzen und frolocken des herbei laufenden volks
nicht beschreiben, denn es geht über alle einbildung. Man führte dieselbe
in der grösten geschwicdigkeit zum freiheitsbaum, in einem hu taumelte
— 53 —
diese fantastische missgeburt übern häufen, welcher dan mit samt der
freiheitskappe von den bürgern zerrissen wurde, etliche * dauzeu-
bergische haus begehrten eine leiter, um die jakobinerkappe von die statua
kaiser Karls, welche auf die fontain steht, herunter zu nehmen. Allein
auf diese heisse sonne folgte eine Wetterwolke. Zwischen 10 & 11 uhr
hörte man die französische trommel wieder, und es verlautete, die fran-
zösische armee käme wieder zui^ück. Das volk, ganz erschroken, eilten
in ihre häuser, schlössen thür und fenstern, und die wenige Scharfschützen
machten sich davon. Wirklich kamen etliche hundert mann Franzosen von
dem hauptquartier zu Herzogenrath nach Pontthor ein; ein teil zog nach
Jacobsthor aus, die andre besezten Köllerthor und wall, allwo sie die
kanonen pflanzten und die stadtthore schlössen, um sich der ankommenden
österreichischen armee zu widersetzen, welche bis an die Stadtgraben
anrückte. Ungefähr um halb ein uhr nachmittag fiengen beide teile an,
auf einander zu kanonieren; ein teil der üesterreicher drang nach Sandkul-
thor ein; sobald die Franzosen davon wind bekommen, fiengen sie schnei
an zu retirieren, nachdem die kanonad eine stunde gedaurt hatte. So bald
die Franzosen die wälle verlassen, liefen die bürger an die Stadtmauern,
gaben den belagercrn ein zeichen mit ihren hütten zum anrücken, eröfneten
die thore, und gleich sprengten die österreichischen Scharfschützen herein,
welche die Franzosen nacheilten, diese aber sezteu sich verschiedene mal
entgegen, gaben feur, aber die scharfschüzen brachten sie jedesmal zum
weichen. Inzwischen käme die österreichische Infanterie nach Sandkul- und
Köllerthor ein; sobald die Franzosen dieselbe gewahr wurden, warfen etliche
ihr gewehr und ranzel von sich ab, um nur laufen zu können, welche ihre
kameraden zum fallen brachten, so dass oft 10 bis 12 auf einander lagen.
Jedoch stellten sie sich auf die Hauptmann in Köllerstrass, auf den Markt,
in Jakobsstrass in Schlachtordnung, feuerten mit kanonen und kleinem
gewähr aufeinander, aber die Franzosen zogen den kürzern und wurden
nach Jakobsthor ausgejagt und von den Österreichern in einem lauf bis
Luttig verfolgt. Sie hinterliessen hier 5 kanonen, wovon zwei durch die
bürger erobert worden, ungefehr 40 mann an toten,' ohne blessierte und
gefangene. Bei dieser aktion ist nur ein bürger, Gerard Gütten, tot
geblieben. Auf diese weis sind wir von den königsmördern befreiet
worden. Noch diesen nachmittag hat lien* maire Beissel die Schlüssel und
kommando an den alten bürgermeister Kreiz übergeben. Dieser liesse den
bürgern ansagen, diesen abend an alle fenstern licht zu stellen, den Soldaten
2 tag speiss und trank zu geben, und wer etwas von den Franzosen gekauft
hätte, müsste sich melden, den die häuser sollten untersucht werden, und
in betretungsfall würde man gestraft werden. Den ganzen nachmittag bis
abends spät währte das einrücken der truppen und bagage, womit sich
dieser für Aachen so merkwürdige tag endigte.
') Durchschriebeues und unleserliches Wort oder zwei Worte.
m -
— 54 —
Merz den 3., sontags, ist fürst von Würtemberg samt die generalität
von hier auf Lüttig gegangen. Baron Palant, einer aus den klub, ist
von den kaiserlichen gefänglich nach das rathaus geführt.
Merz den 4., montags, sind 120 mann kriegsgefangene Franzosen,
3 kanonen und pulverwägen nach Düren transportiert. Gestern und heut
sind alle thoren geschlossen, es darf einer herein, aber nicht herausgehen.
Diesen morgens ist eine eroberte kanoue. 3 pulverwägen, ein munitions-
wagen hier eingebracht.
Merz den 6., mitwoch, sind ungefehr 70 mann gefangene Fran-
zosen, 1 kanon, 2 pulverwägen. 2 munitionswägen nach Düren geführt;
um mittag sind 30 wägen blessierte von Lüttig hier ankommen, welche bei
den p. p. Dominikaner und Franziskaner einquartiert worden. Aus ordre
der magistrat haben fürnehme bürger bethen, matraxen und decken in
die gemelte klöster liefern müssen.
Vor läutung der portenglock haben die kaiserliche musikanten auf
die kanzlei des ratshaus türkisch musik gemacht unter beständigem zuruf
des in grosser zahl versammelten volcks: es lebe kaiser Franz.
Merz den 10., sontags, war der freudenvolle tag, an welchem wir
dem allmächtigen dankten, dass er unsre Vaterstadt von den feinden Deutsch-
lands befreiet hat. Gestern abend kündigte der kanonendonner von unsern
Stadt wällen und das geläute aller gloken die würdige Vorbereitung zu
der grossen feier an. Heute um 6 uhr wurde in unser lieben fraueu
Münster das höchste gut ausgestellt, um 10 uhr von dem hochw. herrn
dechant ein feierliches hochamt unter wiederholten artillerie- und drei-
maliger Salven einer kompagnie vom regiment Deutschmeister, welche auf
dem kirchhof paradierten, gehalten. Nachmittags um 4 uhr das Te Deum
unter läutung aller glocken abgesungen, und jeder einwohner durch fest-
lichkeiten, die den ganzen tag über dauerten, zur reinen freude gestimmt.
Abends war die ganze Stadt beleuchtet und unter fortwährendem kanonen-
donner, musik, jubeln und freudenbezeugungen aller art fühlte sich die
bürgerschaft bis in die späte nacht hingerissen von dem genusse des
glucks, mit warmer brüst den ruf in die lüfte zu schicken: Es lebe kaiser
Franz! Segen den deutschen waffen!
Den 10. merz ist eine division österreichischer kürassier hier durch
gegen Mastricht gezogen, wo der kommandierende k. k. general-feldmar-
schall prinz von Koburg sein hauptquartier genommen. Nachdem die
jesuiterkirch von dem neufränkischen staub gesäubert, hat man diesen nach-
mittag um 4 uhr in einer solemnen prozession das höchste gut aus der
Cölestiner wieder in bemelte kirch getragen.
Merz den 15. sind wieder 25 mann Franzosen unter österreichischer
bedeckung nach KöUen transportiert.
Merz den 18. ist die prinz von koburgische equipage hier eingetrofifen
und andern tags auf Mastricht gefahren.
— 55 —
Merz den 20. ist ein starker artillerietrain und über 200 munition-
uiid bagagewägen nach Köilerthor ein und Pontthor aus auf Mastricht
zur kaiserlichen armee gefahren.
Merz den 28., am grünendonnerstag, ist in die kapuzinerkirch wiederum
der gottesdienst gehalten, denn 2 nionat lang ward dieselbe zum kornhaus
gebraucht.
April 2., osterdienstag, ist ein starker artillerietrain nach Köilerthor
ein und Pontthor ^aus, auf Mastricht zur koburgischen armee gefahren,
auch 200 mann gefangene Franzosen unter österreichischer bedeckung sind
Köilerthor eingebracht worden und auf der kräraerläuf einquartiert, allwo
sie rastag gehalten, und nach diesem auf Luttig transportiert wurden.
April 3., mitwoch, ist wieder ein starker zug artillerie nach Köiler-
thor einkommen und auf Luttig gefahren.
April 9., dienstags, ist wieder ein starker artillerietrain auf Mastricht
gefahren.
April 12., freitags, sind drei divisionen Barcohusaren nach Pontthor
ein und Jacobsthor aus auf Luttig marschiert, auch sind heut 800 mann
französische gefangene, worunter 30 offizier unter österreichischer bedeckung
nach Köilerthor eingebracht, selbige sind in den klöstern und zunftsläufen
einquartiert und andern tags auf Namur transportiert.
April 16., mitwochs, ist der französische general en chef Dumourier,
welcher zu den Österreichern übergegangen, unter begleitung eines seiner
adjudanten hier durch passiert.
Den 30., dienstag nachmittag, wurde der kupferne adler am rathaus,
welcher den 19. dezember v. j. um den Franzosen willen hat müssen fort-
genommen werden, unter musik und vi vat rufen wieder aufgerichtet; heut
sind wieder etliche hundert mann französische kriegsgefangene hier einge-
bracht, welche den 13. april fortgeführt wurden; nachdem sie rasttag
gehalten, sind sie nach Köilerthor ausgeführt.
Maij den 1. ist ein grosser artillerietrain hier durch auf Luttig zur
koburgischen armee gefahren.
Maij den 11. ist wieder ein starker zug artillerie, worunter etliche
24 pfundige kanonen, hier durch nach den Niederlanden gefahren.
Den 12., sontags, ist aus anordnung unseres hochw. bischofs zu Lüttig
und kapitel in unser lieben frauen Münster ein allgemeiner bettag ange-
stelt, dem allmächtigen zu danken für die schnelle befreiung der Franzosen
und den segen der kaiserlichen waffen zu erflehen, damit diese feinden der
religion mögten ausgerottet werden. Um 10 uhr wurde die prozession aus-
geführt, welche die ganze klerisei und eine unzählige menge volks bei-
wohnte. Nachmittags war ein donnerwetter mit überaus dicken hagel
vermischt, hat aber kein schaden gethan.
Den 15., mitwoch, ist ein bataillon münstersche truppen samt artillerie
und munitionswägen hier eingerückt, den 16. hatten sie rastag, den 17.
marschierten sie nach den Niederlanden ab.
— 56 —
Den 17., freitag, ist ein korps trierischer trnppen hier eingerückt;
nachdem selbige hier rastag gehabt, sezten sie ihren marsch nach den
Niederlanden ab.
Den 23., donuerstag, sind die französische kriegsgefangene Bournon-
ville, Camus, Lamarque et konsorten von Mastricht hier durch nach Köln
geführt.
Den 25., sambstags, sind aus den Niederlanden 400 mann französische
kriegsgefangene hier einbracht und ins grashaus eingesperrt worden.
Den 26., sontags, haben die p. p. Karmelitern den gottesdienst wieder
in ihre kirche gehalten, denn die Franzosen hatten nicht allein das kloster,
sondern auch die kirch zum Bpital gemacht.
Den 28., dienstags, ist das salzburgische infanterieregiment hier durch
nach den Niederlanden marschiert.
Vom 2. merz bis im junij währen die durchzüge der kanonen vom
schweren kaliber, mörser, haubitzen, munitionswägen mit kriegs- und mund-
vorrat nach den Niederlanden fast täglich ununterbrochen fort.
Junij den 19. ist das k. k. graf von walshische grenadierbataillon
mit einer vorzüglichen schönen türkischen musik, hier durch auf Luttig
marschiert.
Junij den 27. ist der preis des brods auf 15 mark gesetzt.
Junij den 28. ist ein korps hessischer truppen, 4000 mann stark, hier
eingerückt, welcher folgenden tags, auf Petri und Pauli tag, in gegenwart
eines englischen kommissärs auf den Seilgraben geschworen, und folglich
in englischen sold genommen. Den 30. sind selbige nach den Niederlanden
zur koburgischen armee abgegangen, diesen morgen sind noch 2 bataillon
hessische Infanterie und eine division kavalerie hier durch gezogen, heut
ist noch ein bataillon Österreicher hier eingerückt, welche rastag gehalten
und sodan zur armee abgegangen sind.
Junij den 29. hat sich ein Franzos selbst ermordet, bei herrn Rouisse
in der Grünen Burg logierend.
Julij den 12. Die durchzüge österreichischer und hessischer kavalerie
und infanterie hier durch Aachen nach ihrer weiteren bestimmung dauern
seit 14 tagen zu tausenden fort, die Hessen, 8000 mann stark, haben hier
auf dem Seilgraben für den könig von England geschworen.
Julij den 19., freitags nachmittags, sind die 400 mann französischer
kriegsgefangene, welche seit den 25. maij ins Gras gefangen gesessen,
unter hiesiger stadtmilitärischer bedeckung nach Kölln transportiert.
Julij den 28., sontags, sind von dem kriegsgefangenen garnison in
Conde ungefehr 1000 mann unter österreichische bedeckung hier ange-
kommen und ins Gras eingesperrt, die Offiziers aber ins lapatierschen
haus und in etliche klöster eingesperrt worden.
September den 1. stand die schandsäule vor dem rathause wieder
völlig da, welche voriges jähr, den 19. dezember, übern häufen geworfen
worden, da der französische freiheitsbaum aufgerichtet ward.
— 57 —
September den 8. ist die jungeseilen- und bnrgersodalität aus St.
Stephans kirch, wohin sie sich wegen der Franzosen haben flüchten müssen,
mit einer zahlreichen prozession wieder auf ihren alten sodalitätssall ein-
gegangen.
September den 29., sontags, nachdem vorige woche die franz. Kriegs-
gefangene weiter nach Deutschland transportiert worden, sind heut aufs
neue 2000 mann, am dienstag und donnerstag noch stärkere transporte
hier eingetroffen, welche aber folgenden tags weiter geschafft wurden; sie
waren von der garnison zu Quesnoy, welches ganz zu kriegsgefangenen
gemacht worden.
September den 16., sambstags, ist Martin Weiskirchen, ein wohl-
habender btirger, auf dem Gasborn tot gefunden. Diese woche ist ein
regiment Hessen-Darmstädter, heut ein regiment Baaden-Durlacher hier
eingetroffen. Nachdem sie hier rastag gehalten, sind selbige zur kobur-
gischen armee abmarschiert.
1794.
Merz den 2., am jahrtag, dass wir von den franz. königsmördern
sind befreiet worden, ist durch anordnung eines hochl. kapitels in unser
lieben frauen Münster ein dankfest gehalten worden; tags vorher, abends
um 7 uhr, wurde dasselbe durch läutung aller kirchenglocken kund gemacht,
morgens um 10 uhr wurde eine feierliche spezialmesse gehalten, nach der-
selben das Te Deum unter pauken- und trompettenschall und läutung aller
glocken abgesungen, womit diese feier beschlossen.
Merz den 14. sind etliche hundert man Hnannoveraner hier ankommen
und andern tags fortmarschiert.
Merz den 23., sontags, sind wieder etlich bataillon hannoverische
truppen hier ankommen, wovon ein korps Jäger nach Burtscheid verlegt
worden; den 25. sind selbige zur armee des herzogs von York in den
Niederlanden abmarschiert.
April den 8., nachmittags um 2 uhren, haben wir die ehre gehabt,
unsern kaiser Franz den zweiten hier durch fahren zu sehen, zur nieder-
ländischen armee, auch zugleich sich in Brüssel huldigen zu lassen.
Maij den 27., dienstags, ist die erste kolonien von 7000 mann fran-
zösische kricgsgefangene hier eingetroffen und der gröste teil im korn-
haus einquartiert worden, welches man einstweilen im kapitels kreuzgang
verlegt hat. Den 28. sind selbige auf Aldenhoven transportiert, um die
2. kollonie plaz zu machen, welche den 29. eintrift.
Maij den 29. ist ein detachement hiesiger stadtsoldaten auf Luttig
marschiert, um mit andern truppen vereinigt der heraudringenden Franzosen
sich zu widersezen,
Junij den 4. sind selbige ihrer unwilligkeit halben wieder zurück
gekommen.
— 58 —
Den 22. julij ist der füi-stbischof von Luttig samt sein gepäck aus
seinen Staaten fliehend liier durcli passiert.
Den 23. julij ist das luttiger stadtmilitär hier eingerückt und io
kaiserl. sold getretten.
Den 24. julij sind die österreichische poutons und ander gepäck hier
durch auf Köln gefahren.
Den 26. julij sind die pontons wieder zurückkommen und ausser
hiesige Stadt gestellt.
Den 19. august hörte man hier stark kanonieren, auf der seite von
Mastricht; am nämlichen tage hat ein kaiserl. korps von 3 bataillon Infanterie
von Wartensleben und 2 divisionen kavalerie von Nassau-Usingen und
Blankenstein mit 6 sechspfünder und 6 zwölfpfünder sich in unserer nähe
bei Berg, 1 stund von hier gelagert. Den 24. ejusdem ist das ganze
korps nach Luxemburg aufgebrochen.
Den 25. august ist die vor der Stadt stehende bagage aufgebrochen
bis Aldenhoven, den 27. ist selbe wieder zurückgekommen.
Den 1. September, morgens um 2 uhr, hat es gebrand im jesuiter-
kollegio, in der allda gebauten bäckerei.
Den .... * September ist prinz Koburg hier durch nach Wien ver-
reist, nachdem er in dem hauptquartier zu Fouron lo Comte das Ober-
kommando abgelegt.
Vom 9. bis 13. September sind die kaiserl. besazungen von Conde
und Valenciennes hier durch auf Köln marschiert, welche nach übergab
beider städte das gewehr haben strecken müssen. Fast täglich ziehen
ansehnliche verstärkungskorps Österreicher zur Maasarmee. Der vor
einigen tagen nach begleitung des prinzen von Koburg bis Bonn bei der
armee zurückgekommene erzherzog Karl ist heute wieder hierdurch nach
dem Rheine passiert, wohin ihm auch sein gepäck folgen wird.
Den 18. September, nachmittags um 5 uhr, ist die ganze sUidt in
bestürzung geraten, da wir die bagage der kaiserl. armee hierher kommen
sahen, woraus zu schliessen, deiss die armee an der Maas retirierte.
Den 20. September, sambstags, hörten wir die kanonade beider armeen
von Henry-Chapelle her, die ganze Stadt war in angst und schrecken vor
den Franzosen.
Den 21., sontags, devilierte die kaiserl. kavalerie und infanterie durch
unsere Stadt.
Den 22., montags, eine stund vor abend, kanonierten die kaiserl.
gegen den Franzosen auf dem aacher wald, hierdurch wurden wir in furcht
gesezt, unsere stadt möchte von den Franzosen bombardiert werden.
Den 23., dienstags morgens um G uhr, sind die Vorposten der Fran-
zosen hier eingerückt. Naciidem sie von den bürgern Avohl beschunken
gewesen, haben sie sich an verschiedene häuser mit gewalt geld geben
•) Tag fehlt.
— 59 —
lassen. Mittags um halb ein ulir ist der franz. general Jourdan mit der
avantgarde unter läutung aller glocken hier ankommen, auf dem Markt
wurde er unter beständigem musizieren der stadtmusikanteu durch eine
anrede von dem stadtsyndikus Fell bewillkommt; er gelobte den bürgern
schuz und marschierte nach Köllerthor zu.
Den 24., mitwochs, hat man aus jeder haus ein paar schuh für die
armee liefern müssen, auch mussten 100000 brod, 24000 maas haber, 5000
paar neue schuh, 20 000 ehl blau und rot tuch geliefert werden.
Den 25., donnerstags, haben die bürger all ihr wehr und waffeu auf
dem rathaus abgeben müssen.
Den 26., freitags, wurde angesagt, aus jedes haus ein paar beth-
lachen einzuliefern, die Stadtkanonen wurden auf dem Markt geführt.
Den 27., sambstags, hat man angefangen aus ordre des franz. generals
das bleierne tach von unser lieben frauen Münster abzudecken, nicht ohne
wehthun der mehresten bürger. Es wurde geboten die franz. assignaten
auszugeben und anzunehmen, die etfekten der österreichischen, französischen
und hiesiger emigranten auf schwerester straf anzuzeigen, alle bürger
musten ihre sacke einliefern u. d. gl.
Den 4. Oktober sind 300 österr. gefangene, einige eroberte kanoneu,
viele flinten eingebracht worden, dagegen sind viele wägen mit verwundeten
hier anlvommen; heute ist die hiesige garnison um 2 bataillon vermindert
worden, welche nebst dem bisherigen kommandanten den brigadechcf
Schelhammer weiter nach Gulich gezogen sind. Den 2. dieses ist der
famose rekognoszierballon der Sambre- und Maasarmee durch die aero-
statenkompagnie von Luttig durch die luft hieher bracht worden, und
ruhet in einer wiese bei Burtscheid, wo er gefüllt ist und von jedermann
allgemein bewundert wird.
Den 6: Oktober ist der preis des brods auf 18 merk gesezt worden.
Den 9. Oktober haben die krämer das in requisition gesetzte und
eingelieferte Icinentuch wieder zurück erhalten.
Den 10. Oktober. Da die Franzosen Gülich eingenommen, ist gesagte
festungsartillerie heute hier durch weiter nach Frankreich abgeführt worden.
Den 11. Oktober ist 1 pfund brod auf 5 sous gesetzt; 1 U ochsen-
fleisch 16 sous, kuhfleisch 12 sous, hammelfleisch 16 sous, speck 24 sous.
Den 15. october, mitwoch vormittag um 10 uhr, ist in gegenwart
des französischen general Dubois der freiheitsbaum samt der freiheits-
müze unter beständiger nmsik aufgepflanzt worden auf die stelle vor dem
rathaus, wo er vor 18 monat ist umgehauen worden.
Oktober 18. ist verlesen worden, die kaufleut und krämer hätten aufs
neu ein genaues Verzeichnis von ihrem leinentuch einzubringen.
Oktober' ist das Waisenhaus auf 8t. Mathias hof im Marienthal ver-
legt worden; aus jenem wurde ein hospital für die Franzosen zugericht.
») Tag fehlt.
— 60 —
Oktober 22., haben die Franzosen die kupferne statua kaisers Caroli
Magni, welche auf dem Mark auf der fontaine stand, herunter nehmen
lassen. Der kupferne adler in dem gipfel des rathaua ist schon vor etlichen
tagen nach Paris abgeführt.
Oktober 24., freitags, nachdem die Franzosen den inwendigen abriss
des Mttnstei's genommen, haben sie heut um 8 uhr die kirch zugeschlossen
und darauf die Überlegung gemacht, auf welche art sie die marmor- und
andere steinerne säulen herunter nehmen könten.
Oktober 25., sambstags, ist die kezerische schandsäule vor dem rat-
haus wieder abgebrochen worden, welche der magistrat voriges jähr im
august wieder neu hatte aufrichten lassen. Die sogenannte kaiser Karls
jagd ', sehr kunstreich in stein ausgehauen, ist heut aus der münsterkirch
fortgeführt nach Frankreich, wie auch die kunstreiche altargemählde aus
der kapuziner- und franziskanerkirche.
In den leztern tagen oktobris hat der Volksrepräsentant von Paris,
Frecine, Caroli Magni grab 30 schuh tief ausgraben lassen, der meinung,
verborgene schätze allda zu finden; man hat angefangen die sternerne (!)
Säulen in dem obcrn teil des Münsters abzubrechen; die aus dem tempel
Salomon, welche am kreuzaltar standen, waren die erste, der wolf an
der wolfsthür und die gegen ihm stehende artischok sind in des Frecine
logis abgeführt.
Von der belagerten Stadt Mastricht hört man alhier die kanonade
so laut, dass auch an etliche häuser die fenstern rasseien.
Den 7. novembris, freitags nachmistags um 5 uhren, ist alhier durch
läutung aller glocken die einnähme der festung Mastricht bekant gemacht
worden.
Den 9. et 10. november ist die französische belagern ngsarmee von
Mastricht, 30000 mann stark, durch unsere Stadt und gegelid passiert,
nach dem Rhein.
Den 15. november ist die grosse statua kaiser Caroli Magni, welche
man bei den feierlichen prozessionen pflegte umzutragen, wie auch das
abgedeckte blei von unser lieben frauen Münster auf etlichen waagen nach
Paris abgeführt.
Den 18. november, dienstags, sind hfesige stadtkanonen, unter andern
der sogenannte Blütsch, nach Frankreich abgeführt worden.
Den erstem tagen decembris ist das Waisenhaus aus dem Marien-
thal in das haus des ausgewanderten vogtmajor von Geyer in St. Albert-
strass verlegt; die nonnen aus gesagtem kloster sind bei verschiedenen
bürgern zu kost gegangen. Das kloster ist zum franz. spital bestimmt.
Den 11. decembris, donnerstags, ist das gymnasio an dem jesuiter-
koUegio samt der bürger sodalitätssaal fast ganz abgebrannt.
Den 19. decembris, freitags, ist ein Franzos arquebusicrt worden.
*) Proserpina-Sarkophag.
— 61 —
Den 20. decerobris, sambstags am decade, haben die Franzogen (!),
den grossen redoutensaal den gott der Vernunft zum tempel einge weihet;
bei diesem feste haben sie, ein jedes departement mit seinen national-
fahnen eine lächerliche prozession durch die Stadt gehalten. Der volks
repräsentant hielte allda eine lange rede von ausrottung der tyrannen (so
nennten sie die forsten), von freiheit, gleichheit und bruderliebe u. dgl.
Den 27. dezember ist die kontribution der länder zwischen Maas und
Ehein in druck erschienen, eine summe von fünfundzwanzig million, wovon
unsere Stadt und distrikt fünf roillionen zahlen muss.
Die karmeliten- und regulirherrenkirch sind zu pferdsställe gebraucht
worden.
1795.
Den 4. Januar, abends um 11 uhr, hat es in die bäckerläuf gebrannt.
Den 21. Januar ist alhier die hinrichtung des lezten königs von Frank-
reich, Ludwigs des Sechszehnten, gefeiert worden, ein jedes departement
zog mit seinen fahnen nach dem vemunftstempel, allwo von B. Dorsch,
President der Zentralverwaltung, eine rede gehalten wurde, worin er sagte,
heut sinds 2 jähren, als der tyrann der Franzosen zum leztenmal das
glänzende gestirne sah, vor welchem trug und verbrechen sich zu ver-
kriechen suchen. Nach wiederholten artilleriesalven wäre dies fest be-
schlossen.
Den 23. Januar ist durch läutung aller glocken der Übergang des
Rheins, die einnähme der Städte Utrecht, Leiden, Delft bekant gemacht
worden.
Februar den 12., etliche tag vor und nach, hat zum behuf der spitäler
jedes haus ein pfund alt leinen an die Franzosen abliefern müssen.
Februar den 19. ist unt^r läutung aller glocken von der munizipalität
an den Strassen die freie handlung mit Frankreich, nachlass der kontri-
bution bis auf 8 million livres, welche halb in hallten münzsorten und halb
in assignaten erlegt werden muss, proklamiert.
Februar den 28. ist in den eroberten länder zwischen Maas und Rhein
ein btirgerfest gefeiert worden, welches alhier auf folgende art gehalten
wurde. Morgens um 9 uhr begaben sich sämtliche konstituierte gewalten
mit ihren fahnen nach den grossen redoutensaal, der sitz der zentralver-
waltung, allwo von dem president derselben eine diesem feste angemessene
rede von den fortschritten der republikanischen waflfen, von den siegen in
Holland, von den nuzen und vorteil, den wir davon hoffen könten, gehalten
worden. Aisdan gieng der zug unter läutung aller glocken über den
Kapuzinergraben, durch die Kleine Marsch ierstras nach dem Markt hin,
allwo der vaterlandsaltar errichtet war. Die knaben von 8 bis 12 jähren
trugen eine fahne mit der Inschrift: „Hofnung des Vaterlandes**, die Jüng-
linge eine fahne mit der Inschrift: „Stüze der freiheit", die akersleute eine
mit der Inschrift: „Nährväter des Staates", die bürger von Aachen und
— 62 —
Burdscheid eine mit der inschrift: „Alle menschen sind frei geboren".
Darnach folgten die musikanten der Stadt, nach diesen verschiedene departe-
menten, darnach die kriegerische musik, dan die Zentralverwaltung und
der Stab; als der zug alda angelangt, erstieg bürger Vossen die bühne,
hielt wiederum eine lange rede von Vertilgung der tyrannei, von süssig-
keit der freiheit, von nachlass ein teil der kontribution u. dgl. Darnach
wurde vom President der zentralverwaltuug ein Scheiterhaufen angezünd,
worauf etliche adelsurkuiiden und insigno verbrandten \ und also diese feier
beschlossen. Die munizipalitäten der umliegenden örter mussten hiehin
berichten, auf welche art sie dieses fest gefeiert hätten.
Den 8. merz, sontags morgens vor 4 uhr, ist ein starkes erdbeben
gewesen.
Den 10. merz haben die hiesige munizipalität den beckern geboten,
auf 300 livres straf, kein waizenbrod zu backen.
Den 21. merz, sambstags, haben die Franzosen den hiesigen bekern
ihr vorrätiges mehl aus den häusern mit gewalt fortgenommen.
Den 1. april ist Franz Delvoet ä Hensilvan auf dem Mark gegen
die hauptwacht über wegen seinen diebereien an einen pranger gestellt
und dan auf die galeere geführt.
Den 2. und 3. april, am grüneudonnerstag und kahrfreitag. haben
aus ordre der munizipalität beide prozessionen nicht dürfen gehalten werden.
Die lebensmitteln sind im preis zum höchsten grad gestiegen, das
brod kost 20 mark und dabei so rar, dass den 5. april am h. ostertag
viele menschen für geld kein brod haben konnten.
Den 4. april haben etliche bürger ihre fruchten, womit sie sich aus
Vorsorge der theurung proviantiert, aus ordre der munizipalität an die
Franzosen abliefern müssen, um bei ihnen den grossen mangel in etwa
abzuhelften.
Den 5. et 6. april sind etliche bataillons Franzosen durch unsere
Stadt und gegend passiert.
Den 13. april ist das brod auf 21 mark gesezt.
Den 15. april ist der frieden zwischen Frankreich und Preussen auf
dem Mark die hiesige französische garnison publiziert worden.
Den 18. april, sambstag, ist Joh. Bey ä Ehlendorf auf dem Mark
am pranger gestellt und darnach zu einer 16jährigen gefangniss ver-
urteilt worden.
Den 22. april, unerachtet die Franzosen fast alles hornvieh aufge-
trieben haben, ist doch heut an den Strassen angeheftet worden, dass in den
Ländern zwischen Maas und Rhein ganz geschwind 6000 küh müssten in
kontribution genommen werden, wovon der aacher distrikt 259 stück liefern
muss, jedoch soll pr. ^ 60 sols bezahlt werden.
') W. Brüuing, Aktenstücke au3 dem aacheuer Stadtarchiv (1795—1805). (Aus
Aachens Vorzeit IX. Jahrg., S. 94.)
- 63 —
Den 5. maij ist aus ordre der zentralverwaltung der neue kirchhof
ausser Köllerthor durch hiesige pastores eingeweiht worden, wo folgens
alle büiger sollen und müssen begraben werden.
Den 29. maij haben alle glocken geläut wegen gestillten aufruhr in
Paris wider den konvent.
Den 1. junij ist das brod auf 24 merk gesezt .worden.
Hiesige eraigranten sind fast alle zurückgekommen, nachdem sie sich
bei der munizlpaütät eingestellt, auch wieder in besitz ihrer guter gesetzt.
Junij den 4. ist die fronleichnamsprozession wie gewöhnlich gehalten
worden, nur dorften keine bilder dabei getragen werden; bei diesem feste
haben die grosse glocken im Münster wiederum geläutet, welche von ankunft
der Franzosen bis hiehin bei keinem feste haben läuten dörfen. NB. heutige
Prozession wohnte die munizipalität mit fackelen tragend bei.
In der nacht vom 10. zum 11. haben von halb zwölf bis halb 4 uhr
alle glocken läuten müssen wegen einnähme der festung Luxemburg durch
die Franzosen.
Den 11. junij hielten alle gerichter und departements mit ihren fahnen
vortragen eine prozession durch die Stadt, unter vielmaligem ausruf vive
la republique.
Das brod kostet gegenwertig 27 merk, und weilen schlechte polizei
ist, kostet es bei etlichen beckern 28, 20 bis 30 merk.
Anfangs julij haben die Franzosen viele ausschweifungen allhie be-
gangen, indem sie die zu Markt kommende bauern geplündert, unter andern
fielen sie die magd an von Ludwig Heusch auf dem Weyenberg alhie,
welcher aber mit seinen bauersknechten auf ihnen laurte und sie so
abprügelte, dass einer von ihnen tod bliebe. Heusch wurde vor der munizipali-
tät berufen und darnach auf die hauptwacht geführt. Am 7. julij wolten
die Franzosen sich wegen ihren tod geschlagenen kameraden rächen, sie
nahmen bürger und bauren ihre stocke ab, wolten Heusch heraus geschaft
haben, droheten sogar das haus desselben zu plündern, die offizier, welche
besser dachten, gaben um 3 uhr ordre zum abmarsch, und in der grössten
eil marschierte das bataillon nach Köllerthor aus, sonst wäre der marsch
erst andren tags bestimt.
Julij 15. sind die pontons hier durch nach der französischen Rhein-
armee gegangen.
Julij 26., auf Foilans kirmestag, abends um 7 uhr, haben alle glocken
läuten müssen, als am jahrtag, dass Roberspierre, welcher Frankreich als
republique tyrannisierte, zu Paris seinen köpf verlor.
Julij 29. entstand ein aufruhr unter die hiesige garnison, welche ihr
brod und geld haben wolten; der kommandant, der. brigadechef sind durch
Säbelhiebe mishandelt worden. Den 31. ibidem sind von dem aufrührischen
grenadierbataillon mehrere officiers entwafnet und kassiert, die gemeine
aber nach Charlemont marschiert ausser 18 brauseköpf, welche dem rev»»-
lutionstribunal übergeben und im Gras gefangen sitzen. Abends nach
— 64 —
11 iihr haben wieder alle glocken läuten müssen, wegen eine siegesnach-
richt, welchen die republikaner gegen die Engländer und emigrierte zu
Quiberon erhalten haben sollten.
Vom 26. julij bis 1. august ist grosser mangel an brod alhie gewesen;
viele ansehnliche und reiche bürger haben einen kronenthaler für ein brod
anerbotten und keins erhalten können, gemeine bürger und arbeitsleute
zu tausenden haben in zwei bis drei tag vor geld kein brod haben können,
der preis desselben ist nach willkühr der becker 36, 38, 42 bis 44 merk.
Gott, nach dessen willen sich alles richten muss, wolle bei diesen betrübten
Zeiten unser vater und helfer sein.
August den 4. haben die Franzosen die letzte säulen aus unser münster-
kirch fortgefahren, deren 38 an der zahl, und jede von ächten kennern
300000 livres geschätzet worden.
August den 8., sambstags, ist das brod 9 merk abgeschlagen, die
becker haben noch nemlichen tags an dem neuen preis, welcher 21 ist,
verkaufen müssen, abends zwischen 8 et 9 uhr haben alle glocken drei
pausen läuten müssen, weilen die Franzosen viele insuln von den Engländern
erobert haben.
Den 10. august, morgens um 11 uhr, wurde auf dem paradeplaz
verlesen, dass heut der jahrtag seie, dass in Frankreich die königswürde
abgeschaft und die republique gegründet seie, darum mussten widerum
alle glocken läuten.
Den 16. august, sontags nachmittags nm 5 uhr, sind 6 Franzosen,
welche den mehresten anteil an der aufruhr vom 29. julij gehabt, auf
dem Tempelergraben allhie füsiliert worden, sie erhielten ihren tod stehend
mit offenen äugen.
Den 25. august, dienstags, ist citoyen Kaefer, gegenwertiger fran-
zösischer küh- und schaafkommissär, wovon unterm 16 febre et 29 novem-
bre anno 88 meidung geschehen, arretiert und ins Gras gefangen gesezt.
Den 26. august, mitwochs, ist Joh. Peter Wedua et Joh. Peter Pütz
am pranger gestellt, weilen sie das magazin der republique bestohlen haben.
Heut ist das brod 3 mark abgeschlagen, gilt noch 18 merk.
Den 8. septembris, vormittags, ist durch losbrennung der kanonen
und läutung aller glocken die annähme der französischen konstitution von
der hiesigen garnison bekant gemacht; da die offizielle nachricht ein-
getroffen, dass die französische armee bei Düsseldorf und Urdingen über
den Rhein gegangen, ist solches abermal nachmittags 6 uhr durch läutung
aller glocken bekant gemacht worden. Die munizipalität, welche ihre
freude und Zufriedenheit hierüber bezeigen wollte, haben die garnison mit
etliche tonnen hier auf offener Strassen beschunken.
Septembris 14. hat um die gewöhnliche zeit am abend die portenglock
wiederum geläut, welche seit des franz. einzugs allhie eingestellt gewesen.
Septembris 22., nachmittags, hat man durch läutung aller glocken
— 65 —
das fest des folgenden tags angekündigt, als den jahrtag, an welchen die
Franzosen ihren einzug alhie gehalten.
Septembris 23., nach dem hohen arat in unser lieben frauen Münster
wurde das Te Deum zur danksagung abgesungen.
Novembris. Die erste woche dieses monats wurde von den Franzosen
die kontribution für unsere Stadt ausgeschrieben. In zeit 24 stund sollten
200000 livres erlegt werden, welche summe die geistlichkeit und reicheste
bürger erlegen mussten. Weil nun besagte summe auf bestimmte zeit nicht
beisammen, haben sie mehrere bürger und geistliche in arrest genohmen,
und selbige als geissein behalten. — Weil ihnen von den Österreichern
bei Mainz eine schlappe angehängt, wodurch die belagerung gesagter Stadt
aufgehoben worden, haben sie hier ihre magazinen eingepackt.
Novembris 9. ist das kornhaus aus der Franziskaner kreuzgang in
die kapuzinerkirch verlegt worden ; ersteres wurde zum spital eingerichtet.
Heute wurden 2 junge herren Beissel und Heusch, beide anstatt ihrer
Väter als geissei nach dem französischen hauptquartier fortgeführt.
Novembris 14. wurde angesagt in zweimal 24 stund die kontribution,
welche auf jedes haus angeschlagen, zu erlegen auf straf der exekution.
Novembre 26. hat man angefangen diejenigen bürger zu exekutieren,
welche ihre kontribution noch nicht erlegt haben.
Dezember 1. haben die Franzosen Sandkul-, Adalberts- und Junkers-
thor geschlossen, weilen dieselben wegen schwäche der garnison nicht mit
wachten konten besezt werden.
Dezember den 6., sontags, haben die Franzosen 2 kaiserl. kriegs-
gefangene, weil sie tjmigranten waren, erschossen, allhie auf dem Tempeler-
graben.
Dezember den 22. Wegen den vielen diebereien, welche etliche
nachten nacheinander sind geübt worden, haben anlass gegeben, dass die
munizipalität befohlen, dass abends nach 10 uhr sich niemand ohne licht
auf der Strasse solle betretten lassen, widrigenfalls solle er arretiert, auf
die haubtwacht geführt und 30 sous straf zu erlegen haben.
Dezember den .4., montags, ist aus ordre der munizipalität angesagt,
dass jeder bürger soviel merken bei die bürgerkapitains einbringen solle,
als viel reichsthaler er bei der kontribution bezahlt hat, welche für öl in
die laternen solle verwend werden.
1796.
Januar 21., donnerstag, ist von der hiesigen garnison und sämtlich
konstituirten gewalten die hinrichtung Ludwigs des Sechszehnten in beisein
des general en chef Jourdan, welcher heut hier ankommen, unter los-
brennung der kanonen gefeiert worden.
Januar 25. hat die munizipalität auf anweisung der distriktsverwal-
tung den bestbegüterten bürgern durch gedruckte zettel ansagen lassen,
in zeit 12 stunden all ihr vermögen nach abzug der schulden gewissenhaft
— 66 —
anzuzeigen, widrigenfalls sie muthmasslich taxiert und den ihnen dadurch
entstehenden schaden abzuwarten hätten.
Den 6. februar ist durch veranlassung dreier rebellischen brüdem
bei den Alexianern oder Begaden, als Nickel, Herbeeks, Büeken, von den
Franzosen eine kommission in besagten kloster niedergesetzt zur Unter-
suchung ihrer vorgeblichen beschwerden; man hat aber nicht lange unter-
sucht, sondern weil die französische gesetze nichts von gelübd noch Unter-
werfung halten, haben jene drei malcontenten in den fastnachtstägen ihre
kutten am nagel gehenkt, hierauf ist Herbeeks und Nickel von den Fran-
zosen für krankenwarteren in den spitäleren amploiert.
Den 16. februar und folgende tage hat die munizipalität von den
reichsbauren die 3 jahrig rückständige mehlaccis eingefordert.
Den 26. februar ist Jourdan, general en chef der Rhein und Mosel-
armee, von Paris zurück alhie ankommen; er stieg ab bei witwe Brand
auf dem Seilgraben.
Den 8. merz und folgende tag hat die munizipalität diejenige bürger,
welche ihren anschlag zu dem gezwungenen anlehn noch nicht entrichtet,
mit exekution belegt.
Merz den 11. hat man ein gewisser Drissen, von hier gebürtig ersoffen
gefunden, in die Reih, in der dortigen bach.
Merz den 15. hat die munizipalität allen bürgern geboten, gewissen-
haft den etat ihres Vermögens anzugeben, damit man in anschlag der kon-
tribution rücksicht darauf nehmen könte.
April den 2., sambstags, hat die munizipalität ein plakat anschlagen
lassen, worin allen bäckern gebothen wird, auf 50 reichsthaler straf, in
zeit einer dekade, das ist 10 tag, ihren ganten die osterwecke abzuliefern,
den die mehreste bäcker hatten sich vereinbart, unterschrieben und 12 tonnen
hier straf angesezt demjenigen, welcher osterwecken backen sollte.
April den 26., nachmittags haben alle glocken läuten müssen, weil
die Franzosen in Italien einen sieg über die Österreicher erhalten haben.
April den 30. haben mittags und abends jedesmal eine stunde alle
glocken geläutet, weil die Franzosen einen zweiten sieg über die öster-
reichisch und piemontesische truppen erhalten haben.
Zu dem gezwungenen anlehn, wovon 8 millionen für hiesigen distrikt an-
gesetzt, haben die bürger diese woche, jeder seinen anschlag einbringen müssen.
Der gülich und aacher bezirk muss wiederum in dem französischen
magazin liefern roggen 18750 cent., waizen 6250 cent., stroh 10000 cent.,
haber 10000 cent., heu 20000 cent., fleisch 10000 cent.; deshalben die
munizipalität die erste woche im maij den bürgern ein gedrucktes billet
zugeschickt, worauf ihren anschlag bemerkt, und in zeit 24 stund auf straf
der exekution einzubringen geboten wird^
*) Hier schliessen die MitteiluDgen der Chronik. Eine Fortsetzung bis zum 4. Februar
1797 ermöglicht die sogenannte gicsenscho Chronik, aber wir verzichten darauf, weil sie
nichts Wissenswertes bietet. Die Angaben beider Chroniken über die Fremdherrschaft
— 67 —
Anhang.
Aktenstücke, die mttnsterschen Hofräte Franz und Max
Forckenbeck betreffend.
I. Maximilian Franz von gottes gnaden erzbischof zn Köln, des heiligen römischen
reichs durch Italien erzkanzler und karfürst, geborener legat des heiligen apostolischen
Stuhls zu Bom, königlicher prinz von Uungarn und Boheim, erzherzog zu Österreich, herzog
zu Burgund und Lothringen, administrator des hochmeistertums in Preussen, meister
deutschen ordens in deutsch und wälschen landen, bischof zu Münster, in Westfalen und
zu Engern herzog, graf zu Habsburg und Tyrol, burggraf zu Stromberg, herr zu Odenkirchen,
Bockelohn, Freudenthal und Eulonberg etc. etc. Ehrsam und hochgelehrter, lieber, getreuer!
Da wir unsern kurkölnischen geheimen und hochfürstlich münsterschcn hofraten Maximilian
Forckenbeck nacher Münster zurück berufen haben, die von seiner kaiserlichen majestät
unterm 21. merz 1781 dem niederrheinisch- westfälischen Jcreis allergnädigst aufgetragene
kommission aber fortgesetzet wird und unser geheime rat und kreisgesandter Wenner bei
denen noch obwaltenden krankheitsumständen dieser kommission beizuwohnen ausser stand
ist, so geben wir dir hiermit die gnädigste Weisung, dich sofort ohnverzüglich nach Aachen
zu begeben, obbemeldeter kreiskommission beizuwohnen und über den verschlag von zeit
zu zeit an uns zn berichten. Wir sind dir übrigens mit gnaden gewogen.
Bonn, den 12. august 1788. Max Franz, churfttrst.
An den hofrat Franz Forckenbeck. Puncto beiwohuung der kreiskommission zu Aachen.
Adresse : .
Dem ehrsam und hochgelehrten, unserem münsterischen hofraten Franz Forckenbeck,
lieben, getreuen Münster.
II. Maximilian Franz etc. etc. trägt mit Bücksicht auf die Lage der lütticher
Sache, die in den Händen des geheimen und Kreisdirektorialrats von Kempis liege und
diesen ganz in Anspruch nehme, das aachener Subdelegationsgeschäft Max Forckenbeck
auf, dem „das dasige geschäft*^ bereits bekannt sei.
Bonn, den 6. Mai 1790.
III. Erneuerung dieses Auftrages am 9. Juli 1790.
IV. Kommissorium für den kurfürstlich geheimen und hochfürstlichen münsterischen
hofrat Franz Forckenbeck.
Maximilian Franz etc. etc. Nachdem von dem kaiserlichen und reichskammergericht
durch eine unterm 14. junius laufenden jahrs in Sachen dos grösseren und ansehnlichem
teils des Stadtrats wie auch der gesamten bürgcrschaft zu Aachen wider die ausgetretene
magistratsglieder, so dann bürgermeister, magistrat und rat der kaiserlichen freien
reichstadt Aachen eröfnete sentcuz an uns eine manutenenz und exekutionskommission
erlassen, dieser auftrag zugleich durch eine unterm 10. v. m. verkündete anderweite urtel
auf die hauptsache und einführung der unterm 17. februar 1. j. vorgeschriebenen ver-
besserten konstitution cum ordinatione erstrecket ist und wir zugleich beschlossen haben,
uns diesem oberstreichsrichterlichen auftrag zu unterziehen: so ernennen wir unsern kur-
fürstlich geheimen und hochfürstlich münsterischen hofrat Franz Forckenbeck als unseren
decken sich fast vollständig, vor allem stimmen sie in der scharfen Verurteilung derselben
überein. Sic beweisen wieder aufs deutlichste, dass die Bürgerschaft Aachens, deren
gebildeterem Teile unser Chronist wohl angehört hat, nicht franzosen freund lieh gesinnt
gewesen ist. Die Streitfrage: „Franzosenfeindiichkeit oder Franzoseufreundlichkeit** dürfte
nunmehr endgültig beantwortet sein. Vgl. W. Brüning, Aachen während der Fremd-
herrschaft und der Befreiungskriege (Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins Bd. XIX 2,
S. 171—210).
— 68 --
sabdcle^icrten za dieser kaiserlichen kommissionssache mit dem gnädigsten befehl nnd aaf-
trag, dass derselbe als unser subdelegatns mit unserem ihm als sekretaire zugeordneten
geheimen kanzellisten Aulicke sich nach der reichsstadt Aachen begeben, daselbst den
oberstreichsrichte.rlichen auftrag, zufolge der ihm dieserhalb erteilten besondern Instruktion
mit benebmung und in gemeinschaft des klcTischen subdelegati bestens befolgen und an
uns Yon dem geschäftsgange von zeit zu zeit seinen gehorsamsten bericht erstatten solle.
Urkund unseres gnädigsten handzeichens und Torgedrückten geheimen kanzleiinsiegels.
Bonn, den 4. September 1792. Max Franz, churfürst
Vt. J. Ch. J. freiherr von Waiden fels.
V. Instruktion für den geheimrat Forckenbeck.
Nachdem das kaiserliche reichskammergericht in sacben des grösseren nnd ansehn-
licheren teils des Stadtrats wie auch der gesamten bürgerschaft zu Aachen wider die
ausgetretene magistratsglieder als die beide bürgermeister Wylre und Brammerz, die rats-
verwandte Buchholz und konsorten, sodann bürgermeister, magistrat und rat der freien
reichsstadt Aachen intervenienten den 14. august extensio mandati de respective manute-
nendo et exequendo s. c. cum clausula samt und sonders et cum ordinatione auf ihro
kurfürstliche durchlaucht zu Köln, als fürstbischofen zu Münster, und dem könig von
Preussen, als herzog von Kleve, ist erkannt worden, und beide kreisausschreibende herren
fürsten diesen auftrag übernommen haben, so subdelegieren ihro kurfürstliche durchlaucht
zu diesem ende höchstihro geheimenrat Forckenbeck und erteilen ihm hiemit die Weisung:
1. nach vorgängiger benehmung mit dem klevischen kreisgesandten von Dohm sich
nach Aachen zu begeben,
2. in gemeinschaftlicher beratung mit dem klevischen snbdelegato das urtel vom
17. februar a. c. und der sub lit. a beigefügten verbesserten konstitntion auf koston der
renitenten zum Vollzug zu bringen. Da man
3. voraussetzet, dass nur die in die Verfassung eingeschlichene mängel von dem
kaiserlichen reichskammergericht abgestellt worden, und man nicht vermuten kann, dass
selbiges die demokratische konstitution der stadt Aachen habe abänderen wollen, so wird
dem münsterschen subdelegato hiemit aufgetragen, dass, wenn der magistrat oder die
bnrgerschaft bei der kommission gründlich bescheinigen und dieselbe finden wird, dass
die demokratische Verfassung abgeändert werden solte, solches dem kaiserlichen reichs-
kammergericht durch einen gemeinschaftlichen kommissionsbericht anzuzeigen und die
nähere Weisung abzuwarten. Es ist aber
4. auf die zwischen der bürgerschaft unter dem schütz des Vizekanzlers, freiherm
von Knapp, getroffene Vereinbarung vor der band keine rücksicht zu nehmen, weil dieselbe
dem kaiserlichen reichskammergericht noch nicht ist vorgelegt worden, und dasselbe in
der urtel vom 14. august dafür hält, dass bei der verbesserten konstitution nicht von einigen
zwischen der bürgerschaft und einem teil der ratsglieder entstandenen Streitigkeiten, son-
dern von ausrottung der im Justiz-, finanz- und polizeiwesen vorgefundene, der ganzen
Stadt und bürgerschaft seit langen jähren zum äussersten verderben und unfehlbaren unter-
gang gereichenden misbräuchen, wie auch insbesondere von gänzlicher Vertilgung und
abstellung der dem gemeinen wesen so nachteiligen mäkelei, als der hauptquelle alles
bisherigen Übels, mithin von einem das Interesse publicum civitatis betreffenden gegen-
ständ die frage sei.
Was 5. kurpfalz als herzog von Jülich betrift, wäre darauf zu bestehen, dass die
zu Aachen sich noch befindende kurpfölzische tmppen nach maasgab der kammergericht-
lichen urtel zurück gezogen werden. Glaubt
6. dieser hof, dass von dem k. reichskammergericht, welches die gerechtsamme des
herrn herzogs von Jülich in der verbesserten konstitution ausdrücklich vorbehalten hat,
denenselbcn zu nahe getreten sei, so muss dieses von Kurpfalz entweder interveniendo
oder separatim bei demselben vorgestelt werden. Solte man sich darüber an die sub-
— 69 —
dclegatioDS-kommission wenden, so hat der münstcriscbe subdejcfi^atns dabin zu stimmet],
dass diese vorstellnng an das kaiserliche reichskammergcricht einzusenden sei. So lang
7. keine Widersetzlichkeit von selten der aachener bürgerschaft verspürt wird, können
zu erleichternng der Stadt die exekutionstruppen wegbleiben.
Sobald aber diese notwendig werden solten, bat subdelegatus darüber an ihro kar-
fürstliche durchlaucht die berichtliche anzeige zu machen.
Bonn, den 4. September 1792. Max Franz, churfürst.
Vt. J. Ch. J. freiherr von Waidenfels.
Nennmänner aydt^
(Vgl. 8. 35, Anm.)
Ihr sollet globen und schweren zu gott und seinen lieben heiligen, dass ihr die
nogstkunftige drei ihar längs [ihr wurdet dan inmittels zgm andern ambt crwehlet], von
paeschen bis Remigii* morgens von acht uhren bis zehen, von Remigii bis wiederum
paeschen von ncunen bis elf and dan auf den nachmittag das ganze ihar, auss von zweien
bis vier uhren, nach euer ordtnung auf der accins cammeren sein, daselbst der statt
accins und inkommen aufbnhren^ und ein jedes ahn sein gebuhreudt ort underscheidtlich
aufschreiben und registriren lassen, keine quitantien, so durch die rentmeister zuvor nicht
verzeichnet, entrichten oder bezahlen, noch in bezahlung nehmen, snnst auch kein gelt
ausgeben, es wurde euch dan durch die herren burgermeistern solches geheischen oder ein
zettul durch die rentmeister derwegen geschrieben oder und ersch reiben vorbracht oder
durch die baumeistern zu behoif eines ehrbaren ratts und gemeiner statt baues abgefordert,
solche eueres eropfangs und ausgebens registcr formlich halten, beschliessen, einen ohr-
baren ratt mit erster gelegenheit und vor ahnfang euer negstfolgendcr vierzehen nachts
zeit vorbringen, dan selbst ofifentlich verlesen lassen und zu sambt denn uberschiesseDden
Pfenningen den rentmeistern uberliebern, auf der accins cammeren kein gelt anders, dan
eines ehrbaren ratts munzordnung mitpringt, empfangen, desselben nichts in eueren nutzen
verwenden, von dem ratthaus abtragen oder verwechselen, sonderen alles in ebener gestalt,
wert, speciebus und gewicht ausgeben, dass ihr es vermögh der munzordnung eingc-
nohmen habet, alle eines ehrbaren ratts ausstehende schulden, welche euch vermögh der
taffeien einzumahnen obligt, vermögh derselben und sunsten eines ehrbaren ratts uber-
kombsten^ so albereit ergangen und künftig ergehen sollen, fleissig einmahnen lassen, und
euch derselben bemuhen, mit euer zu verordneter belohnung begnngig sein, auch ferner
alles und iedes thuen sollet, das ein getreuer neunmanu zu thuen schuldig ist, alles ohne
gepferd und argelist*.
Da der vorstehende Eid auf das amtliche Verhältnis zwischen neumänneru und
Bentmeistern Bezug nimmt, lassen wir auch den Eid der letzteren folgen^.
Herren rentmeistern aydt
Ihr sollet globen und schweren zu gott und seinen lieben heiligen, dass ihr negst-
kunftige drei ihar lang [ihr wurdet dan inmittels zum anderen ambt erwöhlet] der statt
») Aus dem Index jaramentorum S. 82 (Eidbuch, I. Teil), der auf dem Stadtarchiv beruht. Die
hier gegebene Fassung des Neumännereids rührt, wie die der meisten anderen im Index enthaltenen»
aus der Eweiten Hälfte des 17. Jalirhunderts her. — Das Wort Ncucmänner ist eine ebenso beliebte
wie sinnlose Verdrehung der Bezeichnung Neumänner.
«) Von Ostern bis 1. Oktober.
*) Empfangen, einsammeln.
*) Die BatsbeschlUsse führten den Namen Überkömmst.
*) Stehende Sohlussformel. (Jev aerde (mhd.), mitteld. gevdrde und gev§rd — Betrug, böse
Nebenabsicht.
«) A. a. O. S. la
— 70 —
rentmeister sein und des rentmeisterambts Sachen za gemeiner statt besten, urbar', nutz
und wolfahrt möglichs fleisses und ganz treulich auf der rcntcammer verwalten, keine
quitantien noch zettulen schriben oder underschreiben, es wehren dan die renten zuvorn
verfallen oder der zettulen begriff euem verstand und wissenschaff nach eines ehrbaren
ratt aufrichtiger schuld schuldig; der neunmänner beim ratt verkommene und öffentlich
verlesene register in die rent taglicher kosten und andere bncher, so ihr zu halten schuldig,
und sunsten ein iedes ahn sein orth gebührlich einschreiben, die einbrachte Pfenningen
alspald in eines ehrbaren ratts cassa einzuwerfen, euere rechnung des ganzen ihars-
empfangs und ausgebens nach ausgang eines iedwederen ihars mit auch den ganzen stand
eines ehrbaren ratts bei demselben verfassen, öffentlich verlesen, nichts von gemeiner statt
mittelen in eueren nutzen verwenden oder gebrauchen und euch mit euer zu verordneter
bclohnung begnügen lassen, auch forter alles und iedes thuen sollen, das ein getreuer
rentmeister zu thuen schuldigk ist, alles ohne gepferde und argelist.
Vertrag der Aachener Kupferschlägerzunft mit Brabant,
angehend eine Galmeiliefernng aus dem Altenherg, a. 1648 Not. 28.
Von Heinrich Kelleter.
Die Kupfergiesser und Kupferschläger, welche eine der wichtigsten
Bevölkerungsgruppen des industriereichen Aachens bildeten, haben kunst-
gewerbliche Erzeugnisse ersten Ranges geschaffen, deren eine stattliche
Anzahl sich in hiesigen Kirchenschätzen und im Privatbesitz altaacheuer
Familien erhalten hat.
Allerdings haben diese Leistungen des edlen Handwerks der Kupfer-
schläger und der mannigfaltigen damit verbundenen anderen metallurgischen
Gewerbe noch immer keine eingehende historische Würdigung erfahren;
geradeso wenig ist aber auch der wirtschaftlichen Bedeutung dieser Han-
tierungen eine gebührende Aufmerksamkeit geschenkt worden. Und doch hat
die alte einheimische Kupferindustrie und ihre zahlreichen Splisse einem
sesshaften Stamm von Meistern, Knechten und Händlern lange Zeit hin-
durch ein lohnendes Arbeiten und Auskommen geboten; ja zeitweilig hat
dieselbe die bedeutendsten andern hiesige Gewerbe, die Tuchmacherei nicht
aus<ro?cli]()ssen, weitaus überflügelte
An sich ist die Aachener Metallindustrie sehr alt; in der Römerzeit
und unter Karl dem Grossen finden wir Bergbau und Erzguss hier ein-
heimisch und ihre Geschichte lässt sich trotz der Mangelhaftigkeit unserer
ältesten Tradition von jenen frühen Zeiten an bis auf uns Moderne hinauf
verfolgen. Manche der heute bestehenden Hütten und Metallwerke des
>) Zusammengesetzt aus nr — aus, anfUngrlicIi, ursprünglicJi und einem Substantivum bor (Part,
dos Präteritums von ahd. pöran, gebÄren). Das urbar oder urbor ist eigentlich ein zinstragendes
Grundstück, ein Zinsgut, oder die Rente, Lehensabgabe von einem Grundstücke. An dieser SteUe ist
es synonym mit „nutz und Wohlfahrt*.
*) Da ich Materialien zu einer erschöpfenden geschichtlichen Darstellung der hiesigen
Kupferschmiedekunst und des Kupferschmied egewerbes sammle, so werde ich Jedem, der
mich nach dieser Seite durch Nachrichten unterstützt, verbunden sein.
— 71 —
Aachener Reviers sind nichts weiter als die fröhlich gedeihenden Töchter
der uralten Erzkunst*.
Aus den stärksten politischen Stürmen und aus den schwersten wirt-
schaftlichen Krisen hat speziell das Handwerk der Kupferschmiede sich
stets zu retten gewusst, bis es in unserni Jahrhundert durch die Fort-
schritte des Maschinenbaues beinahe völlig verdrängt wurde. Um aus
vielen Beispielen eines zu wählen: So konnte nur eine unverwüstliche
Leistungsfähigkeit, verbunden mit grosser kaufmännischer Erfahrung, dies
gelUhrdete Handwerk durch das Elend und den Jammer des dreissigjährigen
Krieges bringen. Nicht ohne Staunen wird man die Einzelheiten des unten
abgedruckten Vertrages lesen können, in welchem unmittelbar nach Schluss
des Westfälischen Friedens die Aachener Kupfermeister der Kupferschläger-
zunft sich gegenüber dem Finanzrat von Brabant zur Abnahme von 10
Millionen Pfund Galraei verpflichten. Die vom 26. November 1648 datierte
Urkunde ^ enthält, wie des weitern auszuführen und aus dem Wortlaut selbst
zu ersehen ist, durchweg schwere Bedingungen und Pflichten für die
Aachener Meister.
Man vergegenwärtige sich zuvor die Zeitumstände. Die schweren
Keulenschläge der Kriegsfurie waren auch auf Aachen niedergefahren.
Schon 1614 hatten königliche Truppen die St^dt besetzt und bis zum
19. Juni 1632 war diese Einquartierung für Aachen dauernd eine sehr
grosse Last geblieben. Aber auch nachher, als die Garnison durch kaiser-
liches Dekret aufgehoben war^ benahmen sich die kaiserlichen Feld-
herren noch manchmal gegen Aachen wie gegen eine Feindesstadt, die
unglückliche Einwohnerschaft trafen häufige •Kontributionen, darunter
anno 1640 eine bedeutende Zwangslieferung von Waffen, und selbst die
Schrecken und Schäden einer Beschiessung sind ihr nicht erspart geblieben*.
Von diesen kaum erlebten Ereignissen ist aber in dem angezogenen Kauf-
vertrag durchaus nicht die Rede. Aus der nüchternen kaufmännischen
Fassung desselben erhellt nur das eifrige Bestreben der Aachener Kupfer-
meister*, möglichst bald die anbrechende Aera ungestörten Bürgerfleisses
zu nutzen und sich auf geraume Zeit ein treffliches Material für ihre
*) Die jetzt beinahe vöUig erschöpften Gruben des Altenbergs sind seit Jahrhunderten
in Betrieb. Eine Altenborger Bergwerks ge Seilschaft wird in einer auf dem hiesigen
Stadtarchiv beruhenden Urkunde schon zum Jahre 1445 Oktober 7 erwähnt.
*) Siehe unten die mit Nr. 1 bezeichnete Urkunde in der Anlage.
*) Siehe darüber die Bemerkung des alten Chronisten Noppius am Schluss des
UI. Bandes S. 152.
*) Haagen, Geschichte Achens Bd. II, S. 247 und 250.
*) Knpfenneister genannt im Gegensatz zu den übrigen Meistern der Eupferschläger-
zunft. Ihre Hauptbeschäftigung bildete die Verarbeitung des Galmeis mit Rotkupfer,
d. h. die Herstellung von Messing und Messingwaren. Der Altachener nennt heute noch
das Messing Kupfer. Über die Anzahl der den eigentlichen Kontrahenten zuständigen
Schmelzöfen siehe S. 75, Anm. 4. Eine Liste von Aachener Kupfermeisterfinuen findet
sich S. 77.
— 72 —
Schmelzöfen zu sichern, deren Anzahl für die 25 kontrahierenden Meister
auf 50 angegeben ist. Jedenfalls hatten diese Öfen lange feiern müssen.
Dies geht schon aus dem Umstände hervor, dass der letzte Lieferungs-
kontrakt vom 17. Mai 1632, der ebenfalls auf 10 Millionen Pfund gelautet
hatte, als erloschen bezeichnet ist ^ Die Lieferungszeit des neuen Vertrages
beträgt 10 Jahre für 10 Millionen Pfund; da dieselbe Quantität auch im
vorletzten Kontrakt vorgesehen war und die Bedingungen des neuen Ab-
schlusses nach denjenigen des Vorvertrags gestellt waren, so mtisste die
Frist des älteren Vertrags bereits mit dem 17. Mai 1642^ zu Ende gegangen
sein. Auch lagert als ferner greifbarer Beweis einer starken Flaue in den
Magazinen des Altenbergs eine Masse von 14 bis 15 Millionen Pfund
gebrannten Galmeis, der aber (infolge der Lagerung) bedeutend an Qualität
verloren hat ^. Im neuen Vertrag wird jiemgemäss dieser alte Lagerbestand
vollständig ausgeschlossen, den alten Kontrahenten aber nachgeliefert gegen
eine besondere, in einem ebenfalls vom 28. November des Jahres 1648
datierten Nebenvertrag* stipulierte Entschädigung, welche für die sechs
Zunftgreven 4000, für jeden Kupfermeister oder dessen Witwe 3500, für
neu beitretende Meister 1500 und für den Knappen des Aachener Hand-
werks 2000 Pfund Galmei beträgt.
Der Hauptvertrag regelt in seiner ersten Position die Masse, die
Termine und die Steuer der Neulieferung. Die neuen 10 Millionen sollen,
beginnend mit dem 1. Januar 1649, in Terminen von 4 zu 4 Monaten
in einer jährlichen Menge von einer Million Pfund frisch aus dem Berg-
werk geliefert werden. Die in Aussicht genommene Kontraktfrist betrug
also 10 Jähret An König Philipp IV., Herrn des Territoriums, in dem
die Galmeigruben liegen, sollen 50 brabantische Stüber® als Steuer pro
100 Pfund Galmei erfallen. Bei diesem Satz wird das Ganze das stattliche
Sümmchen von 5 Millionen^ eingebracht haben, eine für jene Zeit ganz
staunenswerte Abgabe und eine erhebliche finanzielle Kraftprobe, welche
allein von den Kupfermeistern der Aachener Kupferschlägerzunft zu er-
bringen war.
^) Vprl. Einleitung in Nr. 1 unten.
-) Vgl. Anm. 5 hier unten.
3) Siehe Urkunde Nr. 1, Pos. 1.
*) Siehe Urkunde Nr. 2 in der Anlage.
*) Vgl. Anm. 2 hier oben.
^) Nach der Münztabelle bei Noppius, Chronick Bd. II, S. 161, ist der brabantische
Stüber gleich einer Mark zwei Schillingen Aachener Währung im Jahre 1622 anzusetzen.
Demnach würde die obige Summe von 5 MiUionen brabantischer Stüber 70 Millionen
Aachener Schillinge sein.
^) Als solche „cens** in der Urkunde bezeichnet. Es ist bis heute durchaus dunkel,
wie der Herzog von Brabant dazu gekommen ist, die Erträgnisse des Galmeibergs mit
einer solchen Abgabe, besonders für Aachen, zu belasten, da nach der Urkunde des Königs
Sigismund yon 1423 Oktober 20 der Galmeiberg noch im Besitz der Stadt erscheint Die
betreffenden Ausführungen bei Haagen a. a. 0. Bd. II, S. 22 ff. reichen zur Erklärung
nicht aus.
— 73 —
Dieser schweren Steuer hätten billigermassen entsprechende Ver-
günstigungen für die Abnehmer gegenüberstehen müssen. Das ist aber
keineswegs der Fall. Sind z. B. die Bedingungen in Position 9 und 14^,
welche das Markenrecht und die Solidarhaft für die Gesammtheit festlegen,
Massregeln, welche ebenso wie die Berücksichtigung etwaiger Konjunk-
turen in Position 12, den Mitgliedern der Genossenschaft allenfalls zu
Gute kommen konnten, so sind andererseits die platte Befreiung der braban-
tischen Messingindustrie von einem Normalpreis, Position 13, die Kontrole
der Arbeitseinstellungen der Aachener Werke seitens des brabantischen
Generalrentmeisters, Position 4, und femer das Verbot des Zwischenhandels,
Position 8, ausschliesslich nur der brabantischen Konkurrenz förderliche
und durchaus im Sinne einer rücksichtslosen Schutzzollpolitik arbeitende
Vorschriften. Die Höhe dieser Anforderungen setzt aber nothwendig ein
Bewusstsein um die eigene wirtschaftliche und technische Kraft voraus,
wie sie nun einmal den Aachener Kupfermeistern innewohnte und die haupt-
sächlich darin bestand, dass der Einkauf und die Abgabe des Rohmaterials
sowie die korrekte Verarbeitung desselben für alle Genossen unter gleichen
Bedingungen innerhalb des einheimischen Fabrikationsgebietes zu erfolgen
hatten.
Zur bequemern Übersicht der nunmehr im Wortlaut folgenden ein-
zelneu Positionen des Kontraktes setze ich eine gedrängte Inhaltsangabe
denselben voran, entsprechend der Reihenfolge, welche sie in der Original-
kopie einnehmen.
1. Kauf einer zweiten Quantität von 10 Millionen Pfd. gut gesäuberten
Altenberger Galmeis, lieferbar nach Verkauf des gegenwärtigen nicht fehlerfreien
Lagers von 14 — 15 Millionen Pfd. gegen eine Abgabe von 50 brabanter Stüber
pro 100 Pfd.
2. Die Lieferung erfolgt aus dem Berg und nicht aus den Magazinen in
Terminen von 4 zu 4 Monaten, beginnend mit 1649 Januar 1. Der Galmei wird
von den Aachener Kupfermeistem abgeholt und ohne Zusatz verarbeitet. Die 25
Kupfermeister arbeiten mit je zwei Öfen. (Werkgenossenschaft.)
3. Jede Terminzahlung erfolgt zu Antwerpen an den limburgischen
Generalrentmeister Peter Straet.
4. Tritt bei einzelnen Meistern oder für deren Gesammtheit ein Arbeits-
stillstand ein, so wird die bis dahin verarbeitete oder kontraktlich abzunehmende
Quantität Galmei in Berechnung gebracht, nach erfolgter Prüfung der Ursachen
der Arbeitseinstellung.
5. Die Entnahme des Galmeis ist quantitativ für die einzelnen Mitglieder
der Kupfermeistergenossenschaft unbeschränkt innerhalb der zu liefernden Ge-
sammtmenge.
6. Die der Werkgenossenschaft beitretenden Kupfermeister oder neuen
*) Vgl. die betr. Positionen in Nr. L
— 74 —
Meister der Kupferschlägerznnft erhalten je nach dem Zeitpunkt ihres Eintritts
ratierlichen Anteil an der Gesammtmenge.
7. Dem limburgischen Generalrentmeister wird eine jährliche beglaubigte
Mitgliederliste der Genossenschaft eingereicht, enthaltend Namen der ausübenden
Meister, Verbrauch der einzelnen Öfen und eingetretene Veränderungen, behufs
Kontrole der Rechnungen und Lieferungen.
8. Verbot des Zwischenhandels für die Kupfermeister.
9. Die Genossen sind verpflichtet, strenge Aufsicht über die reine Ver-
arbeitung des Galmeis zu führen ; Fälschung und Zusätze zum Gut sind strafbar,
die Anbringung des privaten Markenzeichens ist verboten, so gezeichnete Ware
wird konfisziert unter einer zusätzlichen Poen von 10 Goldrealen, die zu ^/g dem
König, zu ^/s dem Denunzianten zufällt.
10. Die Witwen der Kupfermeister unterliegen denselben Bestimmungen.
11. Andere Lasten treffen die Galmeilieferung nicht. Im Falle von Krieg
und eintretenden Repressalien des Galmeipächters ist der König zum Schaden-
ersatz verpflichtet.
12. Erhalten Nichtkontrahenten günstigere Preise oder Bedingungen, so
sollen dieselben der Aachener Werkgenossenschaft ebenfalls zugebilligt werden.
13. Ausgenommen hiervon sind die Kupfermeister von Namur und Bou-
vines, sowie andere brabantische Unterthanen.
1 4. Im Falle der Insolvenz des Einzelnen geht die Zahlungspflicht auf die
übrigen Greven und Kupfermeister über; die Wechselbriefe sind durch die Greven
zu sammeln und an den Rentmeister einzusenden.
15. Treugelöbnis der Kontrahenten.
16. Ratifikation durch den Finanzrat. Namenliste der Aachener Teilhaber.
Nr. 1. Aachen 1648 November 28. — Op heden den 28. Novembris XVI' achten-
vertich syn d'heere Peeter Roose, beere van Seclin *, raedt ende gecommitteerde van zyne
maiesteiten doraeynen ende finantien, ende Philipe van Eyck, auditeur van zyne maiesteiten
rekencamere in Brabaut, als commissa rissen, tot tgene naer beschreven is, geauthoriseert
jende gemachticht by myne beeren die hooffden tresorier-generael * ende gecommitteerde
van de voers. syne maiesteiten domeynen ende finantien, naer diverse communicatien,
gehouden met die zcsse greven van het coperslaghers-am backt binnen de keyserlycke
Stadt van Aecken, soe voer hen selven, als vollemacht hebbende van de andere mede
ondcrgenoemde meesters derselver ' coperslaghers-ambacht, aengaende een nyeuw contract
van zeeckere qaantitcyt van calmynuen met hen te maeeken, ovcrmits hunnen voergaenden
lesten contracte van den 17. Maij XVP tweendertieh, geexpireert, is ten lesten met
deselve ovcrcomen ende geaccordeert in der vuegen ende manieren als bernaer volght:
1. Dat voerierst de voers. greven ende bier ondergenoemde meesters van het
coperslagbers-ambacbt binnen Aecken van de voers. beeren commissarissen gecocbt hebben
eone andere ' qnantiteyt van tbien mlllioenen, dat is hondert mael bondert duysent ponden
oprechter Oudenbergbor* calmynnen uyt zyne maiesteiten calmynbercb in't quartier van
Limborcb, wel doer de bercbknecbten van alle ondeught* volcomentlyck gesuyvert ende
*) Haaptort des gleiobnamigen Kantons, Dep. Nord, Arrond. Lille. — Über die Herren von S.
vgl. Reoneil g6n6alogique, Rotterdam 1775, Bd. I, S. 5- -11.
•) Oeneralschatzmeister. ■) zweit©. *) Altenberg b. Aachen.
») wörtlich: Untugend, Fehler. Vgl. neadialektisch : ondogh.
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gcbrant, soe als dat behoert ende van oiiden tyden is gebmyckt geweest, droegh liever-
bar goet, gelyck van voergenoemden berch gelieyert plach te woirden ende in snlcke
vnegen ende manferen, dat de voers. greven ende copermeesters metter daet moghen
woirden gestelt buyten alle wettighe oirsaecken ende redenen van hiemaermals daervan
meer te claeghen, soe over de deught' van den voers. calmyn (die van na voertaen sai
geprepareert, gebrant ende aen de voers. greven ende meesters gelievert woirden, naer
dat de tegenwoirdighe provisie, op den berch ter deser obren gebrant liggende, die men
verstaet soe goet nyet te syn, als dat wel soade behoeren, geestimeert synde ontrent de
veerthien a vyfthien hondert dnysent ponden, min oft meer, aen de voers. contrahenten
ende andere sal uytgelieveit syn) als oyck ten opsichte van den gewichte des voers.
calmyns daerinne daetelyck sai woirden versicn, soe dat behoert, op dat de voers. gebreken,
die men sende moghen bevinden hiertevorens geschiedt te syn, voertaen woirden gereme-
diert tot redelycken contentement der selver contrahenten; alles op conditie van voer elok'
hondert ponden, der voers. calmyn, soe gebrande als noch te branden, tot proifyte van
zyne voers. maiesteit te betaelen vyftich stnyvers cens in goeden gepermitterden brabant-
sehen gelde, munte naer de valvatie ende placcaerte^ desselfs zyne maiesteit totte volle
lieveringe toe der voers. thien miUioenen.
2. Welcke lieveringe der voers. thien miUioenen calmynnen an voers. greven
ende copermeesters sal gedaen woirden van den berch, ende nyet uyt de magazynnen
bnyten den voers. berch, met termynen van vier tot vier maenden, waervan den iersten
termyn sal beginnen loop te hebben met den iersten Janaarii van den naestkomende
iaere XVP negenveortich, eyndende den lesten April desselven iaers ende soe voirts van
vier maenden tot vier maenden totter expiratie toe van desen tegenwoirdighen contracte
ende de volle lieveringe der voers. thien milb'oencn ende dat ter concurrentie van der
thien hondert dnysent ponden tUaers, welcke de voers. greven ende copermeesters hen
oyck hebben verbonden endo verbinden mets desen van den voers. berch op ieder iaer,
dosen contracte gedurende, te doen haelen om te verwercken als synde soe veel, als sy
daertoe van noode senden moghen hebben, denselven calmyn puer ende snyver verwercken,
gelyck dat behoert, volgens sommaire calcnlatie daervan gomaeckt, ende deselve genomen
op het getal van vyffentwiutich copermeesters, daerinne begrepen de voers. sesse greven,
effectinelyck werckende met twec hovens*.
3. Ende sal ter expiratie van ieder der voers. termynen de voers. botaelinge pre-
ciselyck moeten geschieden by de voers. greven ende copermeesters binnen de .Stadt van
Antwerpen ten contentement van den rentmeester-generael van Limborch Peeter Straet in
syne banden oft van synen commis aldaer, sonder einighen laste oft coste van de voers.
zyne maiesteit.
4. Wel verstaeude nochtans * dat in dyen het soe gevele, datter eenich oft eenighe
van de voers. vyffentwintich • copermeesters-hovens zeeckeren, merckeliycken tyt, als van
veerthien daghen oft daerover, quaemen stille te staen oft onder allen eenen gemeynen
stillestand viele, 't sy by oirloghc, cleen verthier^ ende neringhe van de coperhandel,
dootsuekte" van eenige derselver copermeesters, oft andersints* dat in snlcken gevalle
men de voers. contrahenten sal laeten gestaen mit^ betaelende naer rate van tyde, dat
men in de voers. hovens sal gewerckt hebben ende van de quantiteyt, die sy op dycn
>) Tauglichkeit.
*) placitum d. h. nach dem von dem Fürsten erlassenen MUnEdekret.
*) jede, vgl. engl. oach.
*) In Aachen wnrden die Kupferöfen Kupferhöfo genannt, Beispiel, das heute noch so benannte
Fabrikgebäude auf der Ecke Sphweinomarkt-Eilfschornsteinstrasse. Letsrt^ror Name steht ebenfalls Eum
Kupfersohlägergewerbe in Besiehung. — Die obengenannten Meister arbeiteten also auf A&nfzig Oefen.
^) jedoch.
") Bezieht sich auf die Anzahl der Meister, nicht der Öfen.
^ Konsum.
«0 tötliche Krankheit.
*) wörtlich: andern Sinnes d. h. andernfalls.
— 76 —
termyii sollen bebben gehaclt eude ontfanghen, oft hadden moeten docn baelen ende ont-
fangben volgens banne obligatie, bierboven yennelt, mitt docnde aen de voers. rentmeestcr-
generael van Lünborcb volcomenlycken yan den yoers. particulieren oft algemeyneu stille-
stant by beboirlycke certifficatie daertoe dienende; dewelcke hy gebenden sal wesen op
syne rekening te exbiberen.
5. Ende oft ter contrarie daer eenich yan de yoers. copermeesters waere, die
meerder qnantiteyt calmyns tot syne wercken yersocbt*, als syne obligatie in desen is
gedraegende, sal bem denselyen oyck geleyert woirden op gelyckeu pryss ende conditien,
als den anderen calmyn ende tsamen comen in mindernisse yan den yoers. tbien millioenen.
6. Is mede oyck ondersproken ende geconditionneert, dat in geyalle, daer eenige
meestors yan de yoers. coperslagbers-ambacbt tot Aecken, dewelcke tot nocbtoe nyet
gewerckt en bebben, bet selye werck quaemen aen te yatten, oft datter andere nyenwe
meesters aen qoaemen, soe sal oyck yolgens dyen op den yoet ende naer adyenant* yan
de qnantiteyt, hierboyen yermelt, de lieyeringe yan de voers. calmyn vermeerdert woirden;
voerd voers. contrabenten ben oyck sterck maecken ende voerd botaelinge van dyes oyck
syn verantwoordende.
7. Ende sal tot dyen eyude van iaere tot iaere totter expiratie toe van den yoers.
contracto aen den yoers. rentmecster-generael van Limborcb by de voers. contrabenten
gelievert worden eenc pertinentie-liste van alle de voers. copermeesters, dicwelcke bei
werck ende coperhandel geexerceert suUen bebben ende van qnantiteyt van de bovens,
beboirlyck geverifliceert met de veranderinge, die van tyde tot tyde daerinne sal gescbiedt
syn, om alles oyck te dienen op syne rekening ende te comen sien ende bemercken, oft de
lieyeringe van de calmyn ende de bctaelinge van dyes naer advenant suUen gescbiedt syn.
8. Is oyck wel exprcsselyek ondersproken, dat dat de yoers. greven ende coper-
meesters egeenen calmyn uyt de voers. qnantiteyt, die aen ben tegenwoirdigblyck woirdt
vereocbt, en sallen mogben voirts vercoopen oft overlaeten aen iemandt anders, wie dat
bet oyck sye overmits men gevoecbte binnen is', dat zy de voers. qnantiteyt selver van
doen bebben tot bunne wercken gelyck sy dat selver oyck bekennen, op dat men deste
mcer verzeeckert sy, dat sy egeen vremden calmyn en gebruyckeu.
9. Synde de voers. greven ende meesters daerom wel expresselyck gcobligeert,
goet scberp toesicbt te nemen ende te doen nemen, dat zyne maiesteit calmyn snyver,
sonder mengelingen van eenige andere, verbrocbt woirden, gelyck dat alsoe van weghen
syne voers. maiesteit wel uytdrnckelyck is ondersproken ende van wegben de voers.
greven ende copermeesters beloft; ende in dyen men can bevinden oft vernemen, dat
cenicb syn goet vervalscbt met mengeling, oft eenich goet merckc met syn ordinaris cygen
merck, dat met vremde calmyn gemaeckt waere, dieselve sal verleeren* die wercken,
die men sal bevinden oft vernemen also gemerckt oft geteekent te syn, ende daerenboven
de pene van tbien gonden realen, dot twae derden deelen tot proffyte van zyne maiesteit
ende bet restereudc derdendeel tot proffyte van den aenbrenger. Ende soe men absolcke
goederen binnen syne maiesteiten lande can acbterbaelen ^ sal men deselve aenslaen ^ ende
confisqaeren.
10. Oyck sullen de weduwen van de voers. greven ende copermeesters gehenden
syn te achtervolgben ^ alle de conditien van desen tegenwoirdigben contracte totter
expiratie toe desselfs contracts.
11. Item sal den calmyn vry ende onbelast gelievert woirden ende soe verre yet
daerop sende mogben gepretendeert woirden, t'sy ter saecke van oirlogbe, retorsien,
represallien, beschadicbeden van den pachter des voers. calmynberchs oft anderssints,
sal syne maiesteit die contrabenten daeraff indcmneren ende schadeloos bonden.
12. Ende by soeverre aen de naerby wooncnde, nytbeymscbe oft inheymsche coper-
slagbers oft coopluyden, die in desen contracte nyet begrepen en syn, de voers. calmyn
beter coop op den berch oft uyt de magazynen vercocht wierde oft naerdere conditien
*) fordert. •) Vgl. das modem-dialeküsclie noveuant - verliältniBirÄssig.
*) unterdessen. *) verlieren. *) ergreifen, habhaft werden. *) mit Beschlag belegen. ^ befolgen.
— 77 —
gegeven, dat zy contrahenten alsdan deselvc mede-genieten, oyck den calmyn, dio sy naer
dato van voers. vcrcoopinge, aen andere gedaen, ontfanghen snllen hebben, nyet hooger
schuldich sullcn syn te betaelen als de voers. andere coperslagers.
13. Behalyen nochtans ende uytgenomen, dat men nyet en yerstaet hierinne begrepen
te syn de copermeesters van Namen*, Bouvignes* ende andere onder de gehoersaemheyt
Tan zyne voerj. maiesteit geseten.
14. Voirts alnoch bevoerwaert: soeverre iemandt van de voers. cooperen nyet en
betaelden op de voers. termyn, dat in dyen gevalle alle de hier naergenoemdo groven
ende meesters van haerentweghen dat selve aen zyne maiesteit rentmeester-generael voers.
oft synen commis schnldicb ende verpflicht snllen syn, oyck dat de voers. greven gehenden
suUen syn de wisselbrieven te ontfanghen van de copermeesters in't generael ende dieselve
den voers. rentmeester-generael toe te schicken, gelyck men hier tevoiens geploghen heeft.
15. Voirts hebben de voers. contrahenten beloft, desen contract in alles getreu welyck
naer te comen, sonder immermeer hiertegens te doen, oft verschaf t ' gedaen te laeten woir-
den sonder frande oft argelist; ende van gelycken beloven de voers. beeren commissarissen
van zyne voirs. maiesteits weghen bnyten inhondt van desen contract de voers. greven
ende meesters voertaen In^t minste oyck nyet te beswaeren oft too te moeden.
16. Ende sal desen legen woirdighcn contract gepresenteert woirden in den voers.
raede van de finantien om geagrert* te woirden naer gewoonte mits alles onder deselve
hanne aggreatie alsoe is besloten.
Ende dit syn de voers. zes greven ende andere copermeesters mitsgaders eenighc
wednwen ende des contracts legen woirdige cooperen: Wilhelmus Clocker*, Isaac Blanche,
Gerardt Schörer, Jan van Pime, Caerl van Mnnster, Albert van Vriesshem, Adam Ramaecker,
Jan Thielen, Goddaert Kulant, Frans Bon, Amolt van Wachtendonk, Peeter Kulant den
ouden, Peter Carlier, Hans Stonpart den ouden, Gerardt Schörer den ionghen, Bartholomees
Schörer, Carl Huicheler, Mathis Anthoni, Godefried van Vrieshem, Hermanus Wemerus
Clockcr, Jan Bodden, Jan van Eschwylcr, Jan Baptista Stoupart, Abraham Bon, Jan Speck-
heuwer, Niclas Schörer, Peter Kulant den ionghen, Joannes Kulant Peters son, Niclaes
Rulandt, Adam van Eschwyler, Derich Decker, Niclaes Fibus Niclaes son, Jan Kulant,
Niclaes Fibus Balthazars son, Fanken Fibus, Geerlach Mouw, Comelis Wissenberch, de
weduwe Bartholomees Schörer, de weduwe Gillis Bon, de weduwe Jacop Calckberncr, de
weduwe Jean Bcaumout, de weduwe Werner Crassel, de weduwe Willem Duppengiesser, de
weduwe Jan van Schel, de weduwe Winant Moers, de weduwe Peter Huicheler, de weduwe
Peter Lcrs, de weduwe Lennart Brouwer ende de wedouwe Jan Moers; ende hebben de
voers. sess greven, soe voer hen selven, als voUemacht hebbend van de voers. andere coper-
meesters ende weduwen dit tegenwoirdick contract beneffens de voers. beeren commissa-
rissen mit hunne eygene hantteekenen hier onderschreven ende bevesticht.
Aldus gedaen ende gepasseert binnen de voers. keyserlycke stadt van Aecken ter
daghe, maende ende iaere als boven, ende was onderteekent P. Koose, P. van Eyck ende
nederwarts Wilhelmus Clocker, Isaac Blansch, Gerhardt Schörer, Johan van Pim, Caerl
van Mnnster ende Albert van Frieshem.
AfiTfirreatie.
(Brüssel, 1649 Februar 5.)
Die van de domeynen ende finantien s'conincx gesien ende gevisiteert hebbende
het boven gestelt contract, hebben van weghen ende uytten naemcn van zyne maiesteit selve
>) Namar. *) Bouvines bei Lille, bekannter darob die Sohl acht von 1214.
*) Wehrsohail. *) Statt geagreert = gutgeheissen eu werden.
*) Die vorher flgarierende beständige Zahl von 25 Meistern ist in dieser Aufzählung weit tiber-
schritten, die Anzahl der hier aufgeführten Firmen beträgt einschliesslich der Witwen 49, ohne die-
selben 37. Hier sind also wahrscheinlich alle Kupfersdilägerfirmen überhaupt als Abnehmer (s. oben
des contracts legen woirdige cooperen), nicht nur die eigentlichen Kontralienten genannt. Die Qesammt-
zahl dieser 49 nährt sich der Gesammtzahl der zu beschickenden Werköfen.
— 78 —
geaggeert ende geapprobeert, aggreereu ende approberen *t selve mits desen in alle de
poincten ende articalen daerinne begrepen, ordonnerende aen Peeter Straet, raedt ende
ontfangher-gcnerael van de lande van Limborch ende aen alle anderen die 't selve soude
moghen aengaen hun djen volgende te reguleren.
Gedaen tot Brasseil ten bureele der voirs. finantien den vyffden Februarii XVP
negenenyeertich ende was onderteckent H. comte de Noyelle, Rasse de Gaurß-Fokinschot,
J. B. Maes ende Philippe le Roy ende is geregistrert in 't regjster van de rekenkamere
tot Brüssel geteeckent metter letteren M., folie 35 et seqaontibas.
Nr. 2. Aachen, 1648 November 28, — Andere copie ende ordonnantie. Die raedt
ende rentmeester-generael van Limborch Peter Straet sal moghen laeten volgen aen ieder
der ses greven van de coperslaghers tot Accken de quantiteyt van vier duysent pondcn
calmyn ende aen ieder van de andere copermeesters ende weduwen in den nyeuwen con-
tract begrepen de quantiteyt van dryc duysent vyflfhondert ponden calrayns uyt syue
maiesteits Oudenberch in ^t quartier van Limborch, die de ondergeteekende aen hen
gratuitelyck geaccordeert hebben, sonder daervoer yct hoenen te betaelen, ende dat voer
alle pretensien, die sy souden moghen hebben tot laste van zyne maicsteit ter oirsaekcn
van diverse beschadigheden, die sy snstineren gcieden te hebben in de lieverrnge van de
thien millloeneu van hen lest geexpireert contract ende om deselve desto meer te obli-
geren van punctuelyck te achtervolgen de puncten ende conditien van het uyeuw contract
van andere thien millioenen op huyden mit hen acngegaen, mitsgaders, oyck de andere
nyeuwe meesters, die noch sullen moghen aencomen ende in de voirs. nyeuwen contract
begrepen sullen syn, aen de welcke oyck gratuitelyck van nu voer alsdan gegunt is vyf-
thien hondert ponden des voers. calmyns voer ieder van hen ende aen den knap van het
hantwerck * der voers. greven ende meesters twee duysent ponden alles sonder getrockeD
te mögen woirden in eenige consequentie wel verstaende, dat aen de voers. greven ende
meesters de lieveringe van de voergenoemde quantiteyt sal moeten geschieden in drye
termynen van vier tot vier maenden by egale portie ende dat voer alles volcomeutlyck
sal moeten blycken aen den voers. rentmeester-generael Straet dat sulcke greve oft meester
oft weduwe die de voers. leveringe sal heysschen effectinelyck wercke ende syne hovens
ontsclven heeft ende in het werck continuert alles oyck op adven ende aggreatie van
myne beeren die hooffden tresorier-generael ende gccommitteerde van zyne maiesteiten
domeynen ende finantien.
Gedaen tot Aecken den 28. Novembris XVP achtenveertich, ende was onderteckent
P. Roose ende P. van Eyck.
AfiTfirreatie.
Desen is gecollationecrt tegens eene copie geextraheert uyt het orrgineel en gere-
gistrert in de rekencamer tot Brüssel en bevonden concordeerend by my onderscreven
controlleur van Calmynberch in 't laut Limborch. Attestor
J. Franck m. p. controlleur.
Kleinere Mitteilung.
Zar Frage der Freilegnug des (jranastarmes.
Länger als 200 Jahre hatten sie hinausgeschaut auf unsere Vaterstadt, die beiden
zopfigen Hauben des Granus- und Marktturmes, als am 29. Juni 1883 ein verheerendes
Flugfeuer sie in wenigen Stunden in Asche legte. Ihren schmucken gothischen Vor-
*) Vgl. als Parallele zu dieser Bezeichnung den Ausdruck knap van wapen.
— 79 —
gängerinnen war es schon beim grossen Stadtbrande im Jahre 1656 ebenso ergangen.
Zum zweiten Male sah sich die alte Kaiserstadt ihrer beiden Wahrzeichen beraubt; zam
zweiten Male stand sie vor ihrem trümmerhaften Bathans. Es dauerte nicht allzulange,
bis die Koncurrenz zum Wiederaufbau der Türme ausgeschrieben werden konnte. Nam-
hafte Meister der Baukunst beteiligton sich an dem Wettbewerb; als Sieger ging aus
demselben ein Sohn unserer Stadt, der königl. Begierungsbaumeister und Professor an der
Polytechnischen Hochschule, Herr Georg Frentzen hervor. Nachdem derselbe noch den,
Wünschen der Akademie des Bauwesens Bechnung tragend an seinem preisgekrönten
Projekte verschiedene Änderungen vorgenommen hatte, durfte dasselbe im Jahre 1893
als zur Ausführung geeignet und fertig erachtet werden. Sie erheischte aber so hohe
Summen, dass an deren Bcschafifung auf breiterer Grundlage, als die Steuerkraft der
Aachener Bürgerschaft sie bot, gedacht werden musste. Der Gedanke erschien um so
berechtigter, als ja das Aachener Bathaus von dem gesamten deutschen Vaterland die
weitestgehende Beachtung beanspruchen kann. Es wurde zu dem Ende der Plan einer
grossen Geldlotterie in Aussicht genommen, deren Ertrag ausser der ehemaligen Beichs-
pfalz auch dem karolingischen Münster, der altehrwürdigen Krönungsstädte so vieler
deutschen Könige, zu gut kommen sollte. Die Vorbereitungen sind soweit gediehen,
dass wohl in allernächster Zeit auf die Bewilligung der Lotterie gerechnet werden darf.
Mittlerweile aber blieb die Stadtverwaltung nicht unthätig, sondern machte die Mittel
flüssig, um die stark bedrohte Standfähigkeit, namentlich der Hinterfronte des Bathauses,
wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Diese südliche Seite hatte bereits in den vierziger
Jahren bedeutende Lotabweichungen gezeigt. Zu ihrer Hebung brachte man damals
einen weit ausladenden Vorbau an, der zugleich die Haupttreppe aufzunehman bestimmt
war, die zu dem an ^seiner Südseite durchbrochenen Festsaal fähren sollte. Wir müssen
es den Fachleuten überlassen zu beurteilen, ob, vom bautdchnischen Standpunkt aus
betrachtet, die Anbringung eines so ausgedehnten neuen Bauteiles notwendig war, oder
ob sich die Stabilität der Hinterfronte auf eine andere, ihre Originalität weniger beein-
trächtigende Weise herbeiführen Hess. Die Neuanlage der Treppe, den Durchbruch der
Südmauer und die Zumauerung der dortigen Fenster müssen wir auch heute noch in
Übereinstimmung mit so vielen Autoritäten jeuer Zeit als eine archäologisch-historische
Verirrung ansehen. Der in den vierziger Jahren errichtete Treppenhausbau hatte nicht
verhindern können, dass die Lotabweichungen des alten Gemäuers der Südseite in einer
die Standföhigkeit des ganzen Baues bedrohenden Weise zunahmen. Deshalb sah sich
der Leiter der gegenwärtigen Bestaurationsarbeiten, Herr Professor Frentzen, genötigt,
hier zunächst die rettende Hand anzulegen. Ein überaus stark fundamentierter Wider-
lagsturm verlieh der baufälligsten Stelle der Südwand unmittelbar neben dem Marktturm
die erforderliche Festigkeit und wurde zugleich Stütz- und Ausgangspunkt einer sehr
gefälligen auf Strebern ruhenden Arkadengallerie, die nunmehr der westlichen Hälfte
entlang bis zum Treppenhaus hin fertiggestellt ist. Mögen wir auch in diesen Anord-
nungen weitere Abweichungen vom mittelalterlichen Bau vor uns haben, so darf doch
nicht vergessen werden, dass dieselben um das Gebäude überhaupt zu erhalten notwendig
waren und dass sie ausserdem in einer Weise angebracht und ausgeführt sind, die
das ästhetisch und stilistisch geschulte Auge durchaus befriedigt. Die östliche Hälfte
der Südseite des Bathauses und des angrenzenden, in derselben Flucht liegenden Granus-
turmes war bis vor kurzem durch vorgebaute Privathäuser verdeckt, weshalb eine Fort-
führung der Gallerie an dieser Stelle unthunlich war. Die Häuser sind aber unterdessen
von der Stadtverwaltung angekauft und niedergelegt worden. Damit schien denn auch
das letzte Hindemiss hinweggeräumt, das der vollständigen Ausführung der in dem
preisgekrönten Projekte vorgesehenen Bcstauration des Bathauses nach dem Chorusplatze
hin entgegenstand. Nach diesem Projekte sollte sich an den Granusturm ein Anbau an-
lehnen, der einerseits entsprechend dem Dreiviertelsturm auf der andern Seite als Wider-
lage für die auch hier anzubringende Arkadengallerie dienen und anderseits Verwaltungs-
zweckon nutzbar gemacht werden sollte. Neben diesen technischen und praktischen Gründen
^ 80 —
machten sich auch ästhetische Motive geltend, welche zu einem solchen Anhan goradcza
herausforderten. Das massige Mauerwerk des Granusturroes, der sich ohne jede archi-
tektonische Gliederung aufbaut, würde an sich und im Gesamtbilde einen störenden
Eindruck hervorrufen, wenn es nicht durch Anbauten teilweise verdeckt, belebt und in
harmonischen Zusammenhang gehracht würde. In der That beweisen denn auch die iu
der Nähe des Turmes aufgefundenen Fundamentreste, sowie die iu verschiedener Höhen-
lage befindlichen alten Thüren und Fenster, dass Anbauten stets vorhanden gewesen sind
und der Turm niemals frei gestanden hat. Als seiner Zeit die preisgekrönten Pläne, auf
denen sich auch der fragliche Anbau befindet, öffentlich ausgestellt waren, Hess sich eine
dissentierende Stimme auch bezüglich des Anbaues nicht vernehmen. Erst als vor wenigen
Monaten die Stadtverordneten-Versammlung beschloss, das Dach des Anbaues stellenweise
aus Zweckmässigkeitsgründen um einige Meter höher zu ziehen, ging der Zeitungskrieg:
los nicht nur gegen diese kleine Änderung des ursprünglichen Projektes, sondern gegen einen
Anbau überhaupt, ja gegen die ganze Art der Restauration des Rathauses, soweit sie nicht
nur in früheren Jahren sondern auch in unsern Tagen durchgeführt worden ist. Abweichend
von der Anschauung aller bisherigen Lokalhistoriker wurde der Granusturm jetzt als ein
Baudenkmal aus der Karolingerzeit bezeichnet, der unbedingt frei von jeder beengenden
Zuthat, in seiner „imponierenden Majestät'' für alle Zukunft erhalten bleiben müsste.
Man muss zugeben, dass die für die karolingische Provenienz des Turmes beigebrachten
Gründe Vieles für sich haben, wenn auch die Untersuchung noch zu keinem endgültigen
Resultate gelangt ist. Dagegen stehen die Belege für die Notwendigkeit einer völligen
Freistellung des Turmes auf thönernen Füssen, wie wir oben bereits angedeutet haben.
Es wurde auch der Versuch gemacht, die hierorts bestehenden Geschichtsvercine in die
Streitfrage „für oder wider den Anbau** hereinzuziehen. Der Vorstand des Aachener
Geschichtsvereins, an den dks Ersuchen gestellt worden, war eine Versammlung zu berufen
zwecks Stellungnahme zu der Frage des Anbaues, lehnte einstimmig eine Einmischung
in die Sache, als nicht zu seiner Kompetenz gehörig, ab. Auch der Vorstand des ^Vereins
für Kunde der Aachener Vorzeit** kam wiederholt zusammen, um unter Hinzuziehung
archäologisch gebildeter Mitglieder zu beraten, ob und welche Schritte in der fraglichen
Angelegenheit zu thun seien. Schliesslich kam man dahin überein, eine Eingabe an die
Stadtverwaltung zu machen, in der die Bitte zum Ausdruck gehracht werden sollte 1. den
Turm auf seine zeitliche Herkunft genau untersuchen zu lassen, 2. photographische Auf-
nahmen, die zu einem massigen Preise zugänglich seien, herstellen zu lassen und 3. dem
Verein von allen historisch wichtigen Funden zwecks Veröffentlichung in der Zeitschrift
Kenntnis geben zu wollen. Das bezügliche Antwortschreiben des Herrn Oberbürgermeisters
auf die am 28. März eingereichte Eingabe lassen wir zur Kenntnisnahme unserer Mit-
glieder nunmehr wörtlich folgen: „Eine Untersuchung des Mauerwerks des Granusturmes
hat stattgefunden und es wird darüber seitens der damit beauftragten Sachverständigen
ein Gutachten abgegeben werden, welches, ähnlich wie die Nachrichten über sonstige
Altertumsfunde in hiesiger Stadt, dem städtischen Archiv überwiesen wird. Über die
archäologischen Funde wird ausserdem seitens des Stadtbauamtes eine laufende Zusammen-
stellung geführt und die Fundorte in einer Karte der Stadt bezeichnet. Ich gebe anheim,
von den Aufzeichnungen im Archiv oder beim Stadtbauamt, Abteilung für Hochbau, behufs
ihrer litterarischen Verwendung Einsicht zu nehmen und bemerke, dass die Aufzeichnungen
des Stadtbauamtes binnen kurzem zur Drucklegung fertig gestellt sein und demnächst
zur allgemeinen Benutzung zur Verfügung stehen werden. Von der photographischen
Aufnahme des Granusturmes befindet sich nur noch ein Exemplar im Besitze der
Stadtverwaltung. Weitere Exemplare können indessen durch Vermittlung des Stadt-
bauamtes angefertigt werden und gebe ich anheim, dieserhalb mit letzterem in Ver-
bindung zu treten.**
Aachen. Heinrich Schnoek,
Dkuck voh Hkrmash Xaaterk ix Aacukk.
m
JuhrlJch B Nnmmeni KummisaionB -Verlag
ä 1 'Bogaa Royal Oktav. ^"
Cremer'gcheii Bnchhandlnng
Preis des Jahreangs ,( ,„,,,
4 Mark. in Aachen.
Mitteüimgen des Vereins für Kunde der Aachener Vorzeit.
Im Anrtrage des Vereine berausgegeben von H. Sshnoak.
Xr. 6/a Elfter Jahrgang. 1898.
Inhalt: W. RrUning, Diu Aachener Krünnnga fahrt Friedrichs III. im Jahre 1442. —
H. Kcllot<!r, Weistiiiner von Corueliiniinstor. — Kleinere Mitteilungen: l. Verleihung eines
goldenen Brnstkreuzcs an die Kanoniker des Aachener Licbfrunea-MUnslürs darcli Kaiser
Josef I. — 2. Stadtsyndikus Anton Wolf. — 3. Handelspolitisches aus der ,Reii;hsherr-
lichkcit" Knrtschcid. — 4. Ein Grenzschub im 17. Jobriiundert. — 5. „Der Historienmaler
Adam Eberlo aus Aachen (1805-1882)." — 8. Zum Niedergang der Reichsstadt Aachen. —
7. Die Ankunft des Oencmls Duraourieü in Aachen. — Bericht über das Vereinsjahr 1B9S.
Die Aachener Krönungsfahrt Friedrichs m. im Jahre 1442.
Von,.W. BrUnlng.
Die Bedeutung: Aachens in der mittelalterlichen Geschiclite liegt in
seiner Eigenschaft als KrönuDg:sstadt der deutschen Könige. Ks blieb nls
solche lange der Sitz der angesehensten rheinisch-fränkischen Pfalzgrafcn
und besass grosse Rechte und Freiheiten. Seine Bürger waren im ganzen
Reiche frei von Hand- und Kriegsdiensten, Gefängnis und allen Abgaben.
„Aachener Luft machte jeden, selbst den Reichsgeächteten, frei."
Der Terfassungs- und rechtsgeschichtliche Wert der KfSnigskrÖnungen
wird nach allen Richtungen für Aachen festgestellt werden können, wenn
seine sämtlichen Kaiserurkunden rerüffentlicht sein werden. Vorläufig muss
man sich auf die Schilderung des vorwiegend kulturgeschichtliches Interesse
bietenden Herganges der Krönungen beschränken.
Die Aachener Ortsgcschichtsforschung hat auf diesem Gebiete bereits
dankenswerte Arbeiten geliefert. 0. Dresemann' beschrieb die Krönung
') Hittcilungeu des Vereins fitr Kunde der Aachener Vurzeit [Mitteilungen]
B3. i, S. 52 ff. — Vgl. auch Drescmtinn, Zur Geschichte der Reichsstadt Aachen im
XIV. Jahrhundert, mit itczug auf Kaiser und Reich SS. 8 und 49.
— 82 —
Wenzels und die Karls V. A. von Rcumont', dessen Darstellung darch
E. Fromm* ergänzt wurde.
„Zur Krönung König Friedrichs ITI. in Aachen im Juni 1442** ver-
öffentlichte J. Hansen die „Festsetzungen des Erzbischofs Dietrich von
Köln fUr die . . . Krönung . . .^ und den „Bericht. des Augenzeugen Jobann
Burn von Mohausen über die Krönung und die sich an dieselbe knflpfenden
Feierlichkeiten*'*.
Eine sehr wertvolle Vermehrung unserer Kenntnisse ttber die Krönung
Friedrichs III. und vor allem ttber den Verlauf seiner Reise nach Aachen
und von hier zurttck nach Wien erhalten wir aus dem Itinerar eines Teil-
nehmers an der Fahrt, das Josef Seemttller herausgegeben hat^
Der Verfasser des Reisetagebuches sagt selbst nichts ttber seinen
Namen und Stand und seine Eigenschaft, in der er die Reise nach Aachen
mitmachte, noch deutet er darüber etwas an. Aber aus seinem Interesse
fQr militärische Dinge, fttr ritterliche Kampfspiele, Fttrsten- und Herren-
versammlungen , staatliche Besitzverhältnisse, Empfangsfeierlichkeiten,
Ehrungen, Belehnungen, schöne Frauen n. s. w. schliesst Seemttller im
Gegensatz zu einer früheren Annahme, dass er kein Kleriker, sondern ein
Laie gewesen ist, und zwar ein adliges Mitglied des Hofstaates Fried-
richs III. Seemttller hält ihn für einen Steiermärker. Sein Bericht trägt
keinen offiziellen Charakter, wenn er auch in manchen Angaben von der
Rücksicht auf den König beeinflusst ist, aber nur insofern als er alles auf
Friedrichs Person oder dessen Familie Bezügliche stärker hervorhebt.
Der Verfasser beabsichtigte, eine Arbeit zu liefern, die dem König die
Erlebnisse der Krönungsfahrt in angenehme Erinnerung bringen sollte.
„Der Hauptreiz des Büchleins liegt in seiner Unmittelbarkeit: der Verfasser
berichtet meist nur, was er selbst gesehen und erlebt hat, seltener nach
Hörensagen. Sein Hauptwert liegt in den genauen Zeit und Ortangaben —
durch die es fttr den Historiker vornehmlich brauchbar wird — ferner in
einigen kunst- und kulturhistorischen Angaben/
Man lernt aus dem Bericht ganz genau die Art und Weise des
Reisens fürstlicher Personen im 15. Jahrhundert kennen. Friedrich m.
legte den weiten Weg von Graz nach Aachen zumeist im Sattel zurück.
Das Reisen im Wagen war bei ritterlichen Herren jener Zeit nicht beliebt
und bei dem schlechten Zustande der Strassen in den meisten Gegenden,
zumal bei andauerndem Regenwetter, selbst im Sommer ttberaus beschwerlich.
1) Zeitschrift des Aachener Oeschichtsyeroins [ZAG] Bd. VI, S. 271 ff. n. Bd. VU,
S. 284 ff.
*) ZAG Bd. XVII, S. 211 ff. — In den Annalen des historischen Vereins fttr den
Niederrhein [AH VN] veröffentlichte J. Baader den Bericht des Ritters Ludwig Ton Eyb
über des Komischen Königs Maximilian Krönung zu Aachen im Jahre 1486 (Bd. XV, S. 1 f.).
«) ZAG Bd. IX, S. 211 ff.
*) Hitteilungen des Instituts fttr österr. Geschichtsforschung Bd. XVII, S. 584 ff.
aus Cod. mus. brit. 16592 (v. Liebenau hatte 1884 nach der Berner Hs. A. 45 ein Bmoh-
stück des Berichts ediert.)
— 83 —
„In dem namen des alraechtigen gots rit wier aws zu Gretz des sambs-
tags nach vnnser frawen zu liechraeß in das heillig reich, da man zalt
nach Cristi gepurt vierzehenhundert vnd darnach in dem zwainunvierzigistn/
Die Fahrt ging über Fronleiten, Brück an der Mur, Aussee, Kremsmünster
und Ischl. Am 27. Februar erreichte man Salzburg. Vier Meilen weit
war der Bischof Friedrich von Salzburg seinem königlichen Herrn ent-
gegengeritten, um ihn zu empfangen. Drei Tage verweilte der reisige
Zug in der schönen Bischofsstadt, die mit ihrem Münster, deren gros^se
Orgel damals eine Seltenheit war, und ihrer wehrhaften Befestigung die
Aufmerksamkeit des Berichterstatters fesselte. Am 9. Februar traf man
in Innsbruck ein und hielt sich dort sechs Wochen lang, bis zum 14. April,
auf. Bei Landsberg wurde der König von dem Herzog Albrecht von
Baiern und dessen Gemahlin Anna von Braunschweig begiüsst; desgleichen
von dem Herzog Ludwig von Baieru. „Dy riden gegen meines herrn
gnaden aws vnnd empfingen in gar hochwirdigklichen vnd hetten ain groß
frewd mit ainander vnntzt an den drittn tag.^ Am 20. April öffnete die
Reichsstadt Augsburg den Reisigen ihre Thore und am ^9. desselben Monats
Nürnberg. Hier blieb man vier Wochen lang. Im Verlaufe der Fahrt
schlössen sich fürstliche Persönlichkeiten, Grafen, Freiherren, Ritter und
Knechte dem Zuge an. In Nürnberg stiessen zu ihm der Herzog von
Sachsen, des Reiches oberster Marschall, und sein Bruder, der Herzog von
Meissen. Den ersteren begleitete seine Gemahlin, eine Schwester des
Königs. Als diesem die bevorstehende Ankunft der Gäste aus Sachsen
gemeldet war, ritt er ihnen im Weichbilde der Stadt entgegen. Sobald
die Herzogin ihren königlichen Bruder zu Gesicht bekam, sprang sie vom
Pferde und ging ihm eine weite Wegstrecke zu Fuss entgegen. „Und
geschach grosse frewd da von konig Fridrich vnnd seiner swester, der sy
mit ainannder phlagen, wan sy in langer zeitt nit anainander gesehen hetten.^
In Nürnberg fand zu Ehren des hohen Herrn und seiner Gäste ein
Turnier statt, ein scharfes Lanzenreinien unter dem Eisenhut und Schild. Bei
ihm zeichnete sich besonders der streitbare Markgraf Albrecht (Achilles)
von Brandenburg aus, „der ritterlich rannt mit her Jörgen Fuchssen". Neben
ihnen werden noch erwähnt die Ritter Graf Bernhard von Schaumburg,
Hans von Starhenberg, Jörg von Volkensdorf, der fränkische Ritter Jörg
von Waldenfels, bekannt als Parteigänger des Markgrafen Albreclit im
Krieg mit Nürnberg, ein Hans von Bairat, wahrscheinlich ein Mitglied
des berühmten fränkischen Geschlechts der Wallenrod, u. a.
Bezeichnend für den frommen Sinn der Zeit, in welcher der einige
Glaube alle Akte des privaten und öffentlichen Lebens sittlich vertiefte
und ihnen religiöse Weihe verlieh, ist der Brauch, dass dem König überall,
wo ein solches vorhanden war, das „hailtum**, d. h. die Heiligtümer, der
kostbarste Schmuck und heiligste Besitz jeder Stadt, bei seinem Einzüge
entgegen getragen wurde. Die stehende Ausdrucksweise des Bericht-
erstatters ist bei der Beschreibung dieses Aktes immer: „Auch ward meins
— 84 —
herrn guad gar wiidigklich empliaiigen mit dem liailtmu/ Der erste Weg
fßhrte den König fast in jeder «Stadt zum Gotteshause. Als er die St.
Sebalduskirche in Nürnberg betrat, verbrannten die Priester ein Bündel
Werg vor seinen Augen und warnten ihn mit den Worten des Psalmisten
vor Hochmut und Überschätzung weltlicher Ehre, die so schnell vergänglich
sei wie das Werg leicht verbrenne*.
Am 22. Mai verliess der König mit seinem jetzt schon sehr statt-
lichen Gefolge Nürnberg und erreichte am 23. Würzburg im Frankenland.
„Daz ist ein guttland**, schreibt der steirische Ritter, „aber wilder tuemherren
hab ich auf diser reis nie gesehen, als ich auf dem tuem hab gesehen.^
Diese Bemerkung bezieht sich nach Seemüllers Ansicht auf die im Würz-
burger Kapitel herrschenden üblen Zustände, mit denen der König sich später
noch beschäftigen sollte. Weiter gings am 24. Mai über Wertheim an der
Tauber nach Aschaffenburg, einer Stadt des Bischofs von Mainz. In dessen
mit Meisterstücken der Webekunst gezierten „Hause** übernachtete der
König mit seinen Dienern nach reichlicher Bewirtung. Sonntag den
27. Mai ritt man nach Frankfurt. In der Begleitung dreier Kurfürsten,
des Herzogs von Sachsen und der Erzbischöfe von Trier und Mainz, zog
der König in dessen Thore ein. Feierlich und würdig wurde er von den
Frankfurtern empfangen und nach dem Münster geführt. Hier hatte man
geharnischte Männer aufgestellt, damit der König nicht durch das Gedränge
belästigt würde. Am Arme zweier Kurfürsten betrat er den Dom. Mit
Gewalt hoben sie ihn im Chor auf den Altar. [?] Der Bischof von Mainz
stand auf seiner rechten, der von Trier auf seiner linken Seite und der
Biscliof von Augsburg zwischen beiden. Auch der Herzog von Sachsen
stand dabei. Die machtvollen Klänge des Te Deum laudamus und Veni
sancte spiritus durchbrausten bei der kirchlichen Feier den Dom. Am
Schluss derselben schenkte der König dem Messner nach alter Sitte das
von ihm im Münster getragene Gewand, einen Rock von braunem Saramet*.
M Vgl. Deutsche Städto-Chroniken Bd. III, S. 363 f.: und als nu die colccten auß
waß, nam derselb pfarrer (zu sant Sebolt) flaß und wcrck und zünde das an, ließ eß
prynnen und sprach mit lauter stymme: ,,allerdurchlenchtigister kunigkl also zergeet die
ecr der werlt.^ Weil im christlich-germanischen Mittelalter die Religion den richtigen
Maasstab fHr alle Werte lieferte, war ihm eine byzantinische Überschätzung der Majestät
fremd. Ohne die Stützpunkte fester religiöser Überzeugungen kann weder bei Indivi-
duen noch bei Völkern eine wahrhafte und vor allem freie Wertschätzung der Autorität
bestehen. Erst nachdem die Neuzeit die religiöse Grundlage der deutschen Volksseele
erschüttert und verödet und an die Stelle der Ehrfurcht gegen Oott und göttliche Ordnung
im Staatsleben die Menschenfurcht und den Egoismus gesetzt hatte, kam die blinde ab-
göttische Verehrung der Majestät empor, die im Absolutismus ihren Ausdruck und in der
Bevolution zum Teil ihr Ende fand.
') Die Feierlichkeiten während des elftägigen Aufenthalts in Frankfurt, besonders
anlässlich des Frohnleichnamszuges am 81. Mai, schildert der Berichterstatter nicht. Weil
sie für den Charakter der Krönungsfahrt bezeichnend sind, gehen wir auf sie hier etwas
näher ein, und zwar an der Hand von Aufzeichnungen aus dem Frankfurter Stadtarchiv,
— 85 —
Erst ara 6. Juni verliess Friedrich die Stadt mit einem grossen Ge-
folge von Kurfürsten, Kardinälen, Bischöfen, Grafen, Freiherren, Rittern
und Knechten auf Schiffen, von deren Masten des Reiches Banner und
Oesterreichs Adler im Winde wehten ^ Als der König am selben Tage in
Mainz an Land stieg, empfing ihn der Herzog Ludwig, Pfalzgraf bei Rhein.
Auf dem Wege zum Dom umgab ihn eine grosse Volksmenge. Er herbergte
bei dem Bürgermeister in einem schönen Hause, „nach lust erpawt**. Er
ass in einer schönen Stube, in der eine gläserne Kette hing, und bei dem
Hause war ein Garten mit einem Brunnen und einem Lusthaus, das die
Bewunderung des steirischen Ritters erregte. Der König besuchte das
Frauenkloster zu Aldenmflnster (vetus cella oder vetus monasterium), um
dessen berühmte Heiligtümer zu verehren.
Am 9. Juni verliess man Mainz und fuhr rheinabwärts. In der Elt-
viller Au stieg der König an Land und nahm im Grase sitzend ein Mahl
ein. Von seinem Gefolge veranstalteten die Herzöge, Grafen und Frei-
herren während der Rast eine muntere Jagd auf Kaninchen, die es dort
in grosser Menge gab. In dem dem Pfalzgrafen bei Rhein gehörigen
Städtchen Bacharach wurde übernachtet. Am 10. Juni gelangte man nach
Koblenz, einer Stadt des Kurfürsten von Trier. Die Stadt illuminierte
die uns im Original vorgclegon haben. (Vgl. J. Janssen, Frankfurts ßcichskorrcspondenz
Bd. II, S. 45.) Die Feier dos Frobnloichnamsfestcs war aus Aulass der Anwesenheit des
Königs von solcher Schönheit und Herrlichkeit, „des gliche zu Frankonfurt nye gehord
oder gesehen als uff dasmale in mentschen gedechtnis was**. Das hl. Sakrament trug der
Erzbischof von Köln, angethan mit kostbaren Ornamenten, die der Erzbischof von Mainz
ihm zur Verfügung gestellt hatte. Seine unmittelbare Umgebung bildeten während der
Prozession die Grafen Hans von Wertheim und Reinhard von Hanau, seine Weihbischöfe
und zwei Prälaten. Der Kämmerer von Mainz, ein Kanonikus, trug vor ihm das Kreuz,
soin Vikar, Johann de Lesura, den Bischofsstab. Vier Grafen trugen den Baldachin.
Hinter der anderen Geistlichkeit gingen zunächst vor dem Sakrament die Sänger des
Königs, „die gar hoffelicben gesang sungen*^. Hinter den Heiligtümern, die der König
hatte nach Frankfurt bringen lassen und die von den Sängern getragen wurden, folgte
dieser selbst, in einer Kleidung und einem Schmucke, deren Wert man auf 25000 Gulden
schätzte. Vor ihm schritten der Herzog von Sachsen mit dem Schwerte, zu beiden Seiten
die Frzbischöfc von Köln und Trier und hinter ihm die Bischöfe von Kcgensburg, Augs-
burg, Chiemsee, von Gnrk und viele andere Bischöfe, Prälaten, Äbte und sonstige Scharen.
Der Zug glänzte im Farbenspiel seidener Gewänder und kostbaren Schmuckes. Zehn
Mitglieder des Rat« von Frankfurt, umgaben mit ihren Richtern, Dienern und Spähern,
die Stangen trugen, das Allerheiligste und den König, um dem Andränge des Volkes zu
wehren. Es verlief aber alles „so erberclich und ordenlich, das iß groß zu loben und czu
prisen was". Auch die geistlichen Orden beteiligten sich mit ihren Heiligtümern gegen
ihre sonstige Gewohnheit an der Prozession, desgleichen die Zünfte.
*) Die Schiffe stellten die Erzbischöfe von Mainz und Trier. Eine Aufzeichnung im
Frankfurter Stadtarchiv: „Königliche abreiß zur crönung** schildert sie als gross und herr-
lich. Der König benutzte das geräumige Marktschiff, das wohl Eigentum der Stadt war.
Auch sogenannte Kücheuschiffo gehörten zur Flotille, die aus etwa einem Dutzend Fahr-
zeuge bestand. Unter den fröhlichen Weisen der Spielleute, die sich an Bord befanden,
stiess man vom Lande. Die Pferde wurden auf dem Landwege über Limburg nach Bonn
geschafft. (Vgl. J. Janssen a. a. 0. Bd. II, S. 48.)
— 86 —
aus Anlass der Anwesenheit des Reichsoberhauptes, und in jedem Hause
brannten etwa zwei bis drei Lichte. ,,Gegeu Koblenz über liegt ein
gutes Schloss der Irmelstein** (Ehrenbreitsteiu). In der Au am Fusse des
Schlossberges „ass der König mit seinen Kurfürsten, Bischöfen, Prälaten,
Grafen, Herren, Rittern und Knechten ein grosses Mahl", und wieder ver-
schaffte man sich Kurzweil mit der Kaninchen jagd. Am 13. Juni traf man
in Bonn ein und erreichte damit die erste Stadt im Gebiet des Kurfürsten von
Köln. Der Berichterstatter unterlässt nicht zu bemerken, dass von Mainz
nach Köln hin auf beiden Ufern des Rheins viele schöne Schlösser lagen. In
Bonn stieg man wieder zu Pferde, bog, ohne Köln zu berühren, landeinwärts
ab und gelangte nach Lechenich. Das dortige kurfürstliche Schloss hatte
man mit „hübschen Tüchern" geschmückt. In dem dasselbe umgebenden
Wassergraben fischte der König mit dem Kurfürsten von Köln, und zwar
mit so gutem Erfolge, dass Jedermann Fische genug hatte". Dann über-
nachtete man. Am 14. Juni ritt man gen Düren. Unterwegs stiess
der Herzog Gerhard von Jülich und Berg mit „manchem guten Hofmann"
zum Zuge.
Über Düren, wo man gleichfalls übernachtete, gelangte man schliess-
lich am 15. Juni nach Aachen ^
*) Die Fahrt hatte somit 4 Monate nnd 12 Tage in Ansprach gcuoraineu. Die Ent-
fernungen zwischen den Haltepunkten sind im Itinerar regelmässig in Meilen angegeben.
Die von Seemüller mit anderen Itineraren angestellte Vergleichung ergiebt für den Begriff
Meile das Maas von zwei Gehstunden. Es entspricht unserer Meile = 7,5 km. Die zu
Pferde zurückgelegte Strecke betrug täglich im Durchschnitt 15 bis etwa 40 km. Man
mutete sich und den Pferden also nicht gerade zu viel zu, aber es müssen dabei die
damaligen Wegeverhältnisse in Betracht gezogen werden. Nachdem die schönen dauer-
haften Strassen der Römer gänzlich in Verfall geraten waren, schleppte man sich das
ganze Mittelalter hindurch mühselig auf schlechten, teilweise ungebahnten Wegen fort.
Friedrich Ludwig hat ;,die Reise- und Marschgeschwindigkeit im 12. und 13.
Jahrhundert** zum Gegenstande einer Untersuchung gemacht. Seine Ermittelungen sind
auch für das 14. und 15. Jahrhundert massgebend, da der sich gleich bleibende Znstand
der Strassen, dem in der neueren Zeit erst Napoleon durch Anlage eines musterhaften
Strasscnnetzes in Mitteleuropa ein Ende machte, keine nennenswerten Unterschiede in
der SchneHigkeit zuliess. Aus Ludwigs Zusammenstellungen ergeben tich 20 bis 30 km
als durchschnittliche Marschgeschwindigkeit für den Tag, die aUerdings in einzelnen Fällen
bedeutend höher war. So weist z. B. das Reisebuch Friedrich Barbarossas für Reisen in
Deutschland 90 km in iVg— 2 Tagen als höchste Leistung, 17 km als Mindestdurchschnitt
für eine halbjährige, ununterbrochene Reise auf; für die Alpenübergänge nach Italien sind
20-28 km, in umgekehrter Richtung 33 km nachgewiesen; bei den zahlreichen Märschen
in Italien wurden durchschnittlich 25—30 km zurückgelegt. Nicht wesentlich verschieden
hiervon waren die aus den Reisebüchern der französischen Könige und der Päpste fest-
gestellten Ergebnisse. Die Marschleistungen der Kreuzfahrer sind meist erheblich niedriger,
weil den Führern das Land unbekannt und die Wege noch schlechter waren, als in der
Heimat. Zu Schiff legte König Friedrich bei seiner Fahrt auf Main und Rhein täglich
35-50 km zurück, je nachdem das Reiseziel gesteckt war. Für die Wasserfahrten hat
Friedrich Ludwig einen Durchschnitt nicht ermitteln können, da sie vorwiegend aus
Küstenfahrten bestanden und jede Angabe darüber fehlt, in welchem Umfange man der
Küste folgte oder die Einbuchtungen durch eine gerade Linie abschnitt; sodann übten
— 87 —
Von Düren bis Aachen umwogte den König eine so grosse Menge
Volks, dass man sie nicht zählen konnte. Fünf Tage und flinf Nächte
wurden die Strassen nicht leer von Reitern und Fussgängern. Auch die
Schar der eigentlichen Begleiter des Königs, der Kurfürsten, Bischöfe, Äbte
und anderen Prälaten, der Herzöge, Grafen, Freiherren, Ritter imd Knechte,
der Vertreter der Städte, hatte sich auf der letzten Wegstrecke noch
immer vermehrt, so dasi es ein überaus stattlicher und farbenprächtiger
Zug gewesen sein muss, dem sich die Thore der alten Krönungsstadt am
15. Juni des Jahres 1442 Öffneten ^ Es vollzog sich in ihren Mauern wieder
einmal ein Akt von grosser reichsgeschichtlicher und tiefer symbolischer
Bedeutung ', den Jedermann mit gespanntem Interesse verfolgte und gleich-
sam wie ein allgemeines lleichsfest feierte'.
hier die Witterangsverhältnisse, Windrichtnng, Seegang u. s. w. einen für uns nicht mehr
nachweisbaren Einflnss auf die Fahrgeschwindigkeit aus. So legte Kaiser Friedrich II.
an den Küsten Italiens durchschnittlich nur 35—48 km zurück, während auf seinem Kreuz-
zuge der mittlere Durchschnitt 79 Kilometer beträgt. Bei Papst Alexander III. beträgt
der Durchschnitt für längere Strecken 40—50 km. Das Beisebuch des Abtes Nikolaus
von Tingayrar, der 1151—1154 eine Wallfahrt von Island nach dem heiligen Lande unter-
nahm, ergiebt 145-150 km täglich für die Fahrt auf hoher See, 190 km für die Fahrt
um Island und von Island nach Norwegen. Orösserc Stetigkeit zeigen die Flussfahrten.
Papst Innoconz IV. brauchte im November 1244 für eine Strecke von 100 km rhoneauf-
wärts bis Lyon drei Tage und der Abt Beruhard von Clairvaux im Dezember 1146 für
Zurückl^nng der Fahrt von Strassburg bis Speicr (103 km) die nämliche Zeit. Mit
ungewöhnlicher Schnelligkeit reiste Friedrich Barbarossa, als er sich nach seiner Wahl
von Frankfürt nach Aachen zur Krönung begab. Am 6. März 1152 von Frankfurt auf-
brechend, reiste er zu Schiff main-rheinabwärts bis Sinzig (135 km) und ritt von da nach
Aachen (90 km), wo er am 8. ankam; er kann also kaum mehr als IV« Tage für die
Flussfahrl von Frankfurt nach Sinzig gebraucht haben. — Eine hervorragende Reitcr-
leistung, die den heutigen Distanzritten gleichwertig ist, finden wir in einem Briefe aus
dem Ende des 17. Jahrhunderts verzeichnet Joannes Beckum schreibt von Frankfurt aus
fun 28. 4^uni 1678 an „Leonard Dautzenberg, capitaino d'infanterie du regiment de la
ville d'Aix-Ia-Chapelle 4 Cologne, in der Brewergaffel**, dass er „die Reise von Collen bis
Mayntz reitend in 2 tag hab verrichten müssen**. Der Ritt hatte ihn allerdings derartig
angegriffen, dass man ihn vom. Pferd heben musste, weil ihm „händt und fues übermäßig
geschwollen'*. (Kriegsakten im Aachener Stadtarchiv.)
*) Vgl. das unter Nr. I im Anhang abgedruckte Verzeichnis der bei der Anwesen-
heit Friedrichs in Frankfurt vor seiner Reise nach Aachen zur Krönung zugegen gewesenen
Fürsten, Bischöfe, Botschafter, Grafen, Herren und Städteboten etc., das eine Vorstellung
von der Menge der Notabilitäten giebt, die der König um sich versammelte. Es ist nicht
nur für die Frankfurter, sondern auch für die Aachener Ortsgeschichtc von Wert, da die
Mehrzahl dieser Standespersonen an dem Krönungsakt teilnahm. Wir geben es mit einigen
Abweichungen von dem Abdruck bei J. Janssen (a. a. 0. Bd. II, S. 42) wieder und mit
Feststellung der Namen, soweit sich diese ermöglichen Hess.
') Über „den wichtigsten staatsrechtlichen Akt** vgl. Köpke-Düromler, Kaiser
Otto der Grosse S. 27.
') Die Regierung der Reichsstadt Aachen hatte sich bei Zeiten über den Thron-
wechsel und die aus ihm sich ergebenden Vorgänge unterrichtet, und zwar durch
Korrespondenz mit Frankfürt. Am 27. Oktober 1439 war König Albrecht II. gestorben
und am 17. November desselben Jahres bat Aachen Frankfurt um Nachricht von den
Verhandlungen des Frankfurter Tages, der noch zu Lebzeiten Albrecbts zusammenberufen
— 88 —
Musste der König in Frankfurt dem Messner seinen Sammetrock
tiberlassen, so machten bei seinem Einritt in Aachen die Stadtknechte ihr
altes ßecht geltend, indem sie ihm sein Ross abnahmen ^ So fiel auf diesen
Krönungsreisen für alle etwas ab^
worden war. (Vgl. Anhang Nr. II.) Am 25. November antwortete Frankfurt, das« die
Gesandten des Königs und der Fürsten anf die Knude vom Tode des Königs Frankfurt
verlassen hätten, und dass der Erzbischof von Mainz vorhabe, einen Wahltag auf den
25. Januar 1440 zu berufen. Am 8. Januar dieses Jahres ersuchte Aachen Frankfurt um
Niicbrichten von dem bevorstehenden Wahltage. (Vgl. Anhang Nr. III.) Am 2. Februar
meldete Frankfurt an Strassburg, Ulm, Aachen und Nürnberg die an diesem Tage vcUzogcae
Wahl Friedrichs von Österreich zum Römischen König. Am 6. Februar sprach Aachen
seinen Dank für die erhaltene Nachricht von der erfolgten Wahl aus. (Vgl. Anhang
Nr. IV.) Und am 13. April 1442 erbat sich Aachen von Frankfurt Mittheilung über die
Beise des Königs. (Vgl. Anhang Nr. V.)
*) Für diese Sitte führt Seemüller noch die Angabc eines andern Begleiters des
Königs, Georg Scharadocher, an: „Item kunig Fridrich hct ain valbs ros^ Darauf ward
rr Römischer kunig. In wclich rcyclisteteu er rayt und so er für dy herbcrg kam, so
was dvr statknccht und schergen gerechtigkait, das sy das ros naraen." (Oefele, SS. rer.
Boie. I, 317 a.) Nach diesen Zeugnissen zweier Augenzeugen ist die Angabe in den
Deutschen Städte-Chroniken Bd. XII, S. 365, Anm. 4 wohl irrtümlich: „Wenn der König
in Aachen einritt, so gehörte das Pferd dem Cölncr Erbmarschall.** Nach anderen
Bestimmungen „reiten Bürgermeister und Rat dem einzielienden König innerhalb der
Bannmeile, die Canonici gehen ihm bis ans Thor entgegen, mit St. Carls heuft**. Nach
ihr „erhält der Stadtpförtnor des Königs Ross, dieser besteigt ein neues, das an der
Pforte des Münsters dem Vogt von Aachen verfällt". (Locrsch, Aachener Chronik
aus einer Handschrift der königlichen Bibliothek in Berlin. AHVN Bd. XVII,
S. 1 flf.) — Über das Recht des Erbmarschalls des Erzstiftes Köln, das Pferd in
Empfang zu nehmen, das der Kaiser ritt, wenn er in Aachen gekrönt wurde, vgl.
Giers berg, Das Erbmarschallamt im ehemaligen Erzstifte - Köln (AHVN Bd. XXVI,
S. 319 f.)
•) Der Verfasser des Itinerars giebt an dessen Schluss (a. a. 0. S 659 ff.) die
Namen der Fürsten, Prälaten, Grafen, Freiherren, Ritter und Knechte an, die als Hof-
gesinde und Diener des Königs in Aachen einzogen. Es waren im Ganzen 134 Per-
sonen. Dazu kamen viele der im Frankfurter Verzeidmis Genannten. Aus dem Bericht
des Johann Burn von Mohauson (ZAG Bd. IX, S. 213 f.) erhalten wir weitere Angaben
über die Aachen für einige Tage füllenden Scharen. Den Herzog Friedrich II. von
Sachsen begleiteten 32 Ritter, 80 Schützen, 40 Fusssoldatcn, 40 Bannerträger und anderes
Volk. Das Gefolge Ludwigs IV., Pfalzgrafen bei Rhein, bestand ausser anderen Persön-
lichkeiten aus 700 Reitern, dius des Herzogs Gerhard von Jülich und Berg au& 400, das des
Erzbischofs von Köln, Dietrich II. von Moers, aus 600 Reitern. Den Bischof von Lüttich,
Johann VIII. von Heinsberg, der in der Frühe des 15. Juni in Aaciien eingetroffen war,
begleiteten 600 Reiter, den Markgrafen Friedricli II. von Brandenburg, der erst am
16. Juni eintraf, 400 Reiter. Auch die vier Bettelorden, alle Schüler und Chorherren und
die gesamte Priesterschaft Aachens befanden sich in dem Zuge. Diesen eröffnete das
Gefolge des Herzogs von Sachsen, dann kam der Pfalzgraf mit seinen Mannen, hinter
diesen der Herzog von Berg, ferner die Schar der Ordensbrüder, der Schüler, Chorherren
und Kleriker aus Aachen mit dem Haupte Kaiser Karls und dann der König, angethan
mit unverdecktem Panzer, einem goldenen Gürtel mit goldenem „Messer", mit goldenem
Halsband, das Haupt bedeckt mit ein(*m weissen Schaubhut. Vor ihm ritt der Kurfürst
von Sachsen in vollem Harnisch, das entblösste Schwert in der Faust. Neben dem König
ritten die Erzbischöfe von Mainz, Dietrich I. von Erbach, von Köln und von Trier,
— S9 -
.Die Vertreter der Stadt, geistliche und weltliche Herren empfingen
den König am Thor (Kölnthor) ,,gar schön und königlich**. Sie trugen ihm
die Heiligtümer entgegen und geleiteten ihn in „unserer Frauen Kirche**
vor den Altar ^ Hier kniete er nieder. Da wurde herbeigebracht das
Haubt des Kaisers Karl und in der ^ Kirche brannten überall Lichter, die
von den Ratsfreuuden getragen wurden. Es ist eine schöne Kirche mit
einem herrlichen Chor; in letzterem befinden sich sechs Säulen, von denen
jede einen grossen Engel von Messing trägt. Auch ein Pult ist in dem
Chor von vortreflUchem Guss*. In der nächsten Nacht entstand durch
die Schuld der Diener des Herzogs Ludwig ein Auflauf. Man musste
sich wundern, dass niemand dabei zu Schaden kam^ Sonntag den 17. Juni
fand der Krönungsakt vor dem Altar der Münsterkirche statt. Er begann
zwischen sieben und acht Uhr vormittags. Die geistlichen Kurfürsten
begaben sich vor den weltlichen in die Kirche. Als der König diese
betrat, gingen ihm die Erzbischöfe von Mainz und Trier und hinter diesen
der von Köln entgegen, um ihn zu empfangen. Während ein Psalm ge-
sungen wurde, lag der König auf dem Antlitz .vor dem Altar, angethan
mit einem schwarzen Gewände. Während des Hochamts, das der Erz-
bischof von Köln celebrierte, legte man ihm das Kleid des Kaisers Karl
Jakob I. von Sirk, und hinter dem König viele andere Bischöfe und Herren, „wol mit
tawsend pfärden**. — Vgl. die Angaben über den glanzvollen Einzug Karls V. bei Robert
Roealcr, Die Kaiserwahl Karls V., S. 229 f. Roesler verwechselt die Büste Karls des
Grossen mit der Biesenfigur. (R. Pick, Aachener Sitten und Bräuche in älterer Zeit in
Rhein. Oeschicbtsbl., 2. Jahrg., S. 309 : Das Umtragen der Riesonligur Karls des Grossen.)
*) Diese kirchlichen Empfangsfeierlichkeiten deutet das von Hansen herausgegebene
Kölner Ceremoniell an (ZAG Bd. IX, S. 212). Die darauf bezügliche Stelle lautet in der
Übersetzung: „Sobald der römische König die Thore der Stadt Aachen erreicht hat, zieht der
Herzog von Sachsen oder der Ritter, welcher das Schwert vorträgt, dieses aus der Scheide
und schreitet vor ihm her bis an den Thüren der Kirche. Dort wird der König vom
Klerus empfangen und in das Chor geführt. Beim Eintritt in die Kirche stösst der
Träger des Schwertes dieses in die Scheide. Aus der Kirche begiebt sich der König in
seine Herberge.** Als Herberge diente den Königen bis zum Ende des 13. Jahrhunderts
die ihnen gehörige Pfalz. Diese verfiel in der genannten Zeit und wurde unbenutzbar.
Albrecht I. wohnte bereits in der Propstci; dasselbe dürfen wir wohl auch von den
meisten nach ihm in Aachen gekrönten Königen annehmen; von Siegmund und Karl V.
steht es fest. Die Propstei nahm die Stelle der heutigen Kanonikatshäuser auf dem
Klostcrplatz (Jakobstrasse) ein. (Siehe R. Pick, Aus Aachens Vergangenheit S. 370.)
In dem auf der Stätte der verfallenen Pfalz (aula) etwa in den Jahren 1334 bis 1350
erbauten Rathause hatten die Könige ein Zimmer, das sie vor dpm Festmahl zum Um-
kleiden benutzten (Pick a. a. 0. S. 295).
•) Vgl. Ouix, Münsterkirche S. 17 ff.
') Vgl. Eberhard Windeck, Historia imp. Sigismundi (bei Mencken, SS. rcrum
Germanicarum Bd. I, Sp. 1285 f.) Auf seinem Bericht beruht die Darstellung bei Haagcn,
Geschichte Achcns Bd. II, S. 48 ff. Ferner finden wir Angaben über den Aufruhr in
dem Bericht des Vertreters der Stadt Frankfurt, Walter von Scliwarzenberg, über die
Anwesenheit des (zu krönenden) Königs in Aachen und über dessen Rückkehr nach Frank-
furt. (Vgl. J. Janssen a. a. 0. Bd. II, S. 47.)
— 90 —
aD. Nachdem der König niedergesetzt war^ trat der Erzbischof von
Mainz auf seine rechte Seite, der von Trier auf seine linke Seite. Die
weltlichen Herren standen hinter einander auf der linken Seite. Letztere
trugen alle lange Mäntel von rotem Sammet mit hermelingef&tterten Chor-
kappen oder Ougelein * und auf dem Kopf scharlachene Hauben, die gleich-
falls mit Hermelin gefüttert waren. Darauf traten neben deö König der
Herzog Ludwig, Pfalzgraf bei Rhein, mit dem Reichsapfel, der Herzog
von Sachsen mit Kaiser Karls Schwert, mit dem der König nach der
Messe manchen zum Ritter schlug, und der Markgraf von Brandenbürg
mit dem Szepter. „Ss was alles wolbestelt.^ Als die Epistel zu Ende war^
da hub der Erzbischof von Köln an zu krönen. Er ttbergab dem König das
Reichsschwert. Danach sang man versus und versiculi, und die Kurf&rsten
schwuren dem König den Eid der Treue und dieser denselben Eid dem
heiligen römischen Reich. Darauf begannen zwischen der Epistel und
dem Evangelium die drei Erzbischöfe den König mit dem heiligen Öl za
salben. Das dauerte fast anderthalb Stunden. Dann setzte iban ihm die
Krone auf und fiberreichte ihm den Reichsapfel und das Szepter ^ Nach-
*) Auf einen im Chor des Münsters errichteten Königssitz.
') Die Kogel, ein im Hochdeutschen veraltetes, aber noch in einigen oberdeutschen
Gegenden übliches Wort, das eine Art Kopfputz, besonders des weiblichen Oeschlechts,
bezeichnet; er hatte eine kugelförmige Gestalt und wird deshalb von altem SchriftstcUem
Gugel oder Kugel genannt, besonders wenn es sich um die Kappen, wie sie z. B. die
Mönche, die Bergleute u. a. an ihren Kleidern trugen, handelte. (Vgl. Johann Christoph
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der hochdeutschen Mundart Lelpig 1 796.)
') Die Schicksale der deutschen Reichskleinodien sind wechselreich und teilweise
noch dunkel. Nach allgemeiner Annahme kann man unter den Karolingern an eigene
vererbliche Beichsinsignien kaum denken. Erst unter den Sachsenkaisem, besonders unter
Otto dem Grossen, tritt eine zuverlässige Kunde von solchen auf. Bis zu den Tagen
der Hohenstaufen bewahrte jeder der gekrönten Besitzer die Insignien an eignem Orte
auf; so werden genannt unter den sächsischen Kaisern: Merla oder Tilleda und Kjffhausen;
das Beichsschlöss zu Nürnberg, die kaiserliche Plalz Hagenau im Elsass. Unter den
Hohenstaufen das feste Beichsschlöss Trifels, welches die Auszeichnung bis zum Inter-
regnum genoss. Friedrich U. verlor bei dem Überfall zu Vittoria einen Teil der Krönungs-
insignien an die Bewohner von Parma ; ein anderer Teil ging durch Brand wahrend der
Anwesenheit Wilhelms von Holland in Aachen zn Gmnde. Erstere ersetzte Friedrich II.
aus Sicilien, woher die sarazenischen Ornamente und Inschriften auf den deutschen
Beichskleinodien sich erklären, letztere liess Richard von Comwallis für seine Krönung
aus England kommen (vgl. AHVN Bd. XXXV, S. 77 f.) Rudolf von Habsburg brachte
sie auf sein festes Schloss Kyburg in Sicherheit; Albrecht I. liess sie dort. Dann hatten
sie vielerPei Aufenthaltsorte: unter Ludwig dem Baiem in München, unter Karl IV. auf
dem Hradschin zu Prag, unter Wenzel auf Schloss Karlstein in Böhmen, unter Siegmund
gar in Ungarn. Das erregte jedoch den Unwillen der deutschen Fürsten und auf ihr
Andringen wurden sie 1424 von zwei Nürnberger Ratsherren nach Nürnberg gebracht.
Hier ruhten sie unangefochten, obschon oft Gegenstand des Streites zwischen Nürnberg
und Aachen (vgl. AHVN H. XVIII, S. 78 f.), bis zum Jahre 1796, wo sie von den Franzosen
unter Jourdan, der Befehl hatte, sich ihrer um jeden Preis zu bemächtigen, so eben
gerettet und nach Prag geschafft wurden. Dann ruhten sie lange zu Regensburg und
1818 fanden sie ein Unterkommen in der Hofburg zu Wien. Im Jahre 1848 verlangte
— 91 —
dem dies geschehen und der König gekrönt war, führten sie ihn auf den
königlichen Stuhl des Hochmiinsters, der mit einem golddurchwirkten
Teppich bedeckt wai*. So lange als man ein Vaterunser betet, sass der
König auf dem Stuhle. Damit war seine Krönung vollbracht* und er
stieg unter seiner königlichen Krone gar würdevoll wieder hinab in die
Kirche. Während des Evangeliums trug bei dem Opfergang der Pfalzgraf
bei Rhein, Herzog Ludwig, vor dem König den Reichsapfel und der Herzog
von Sachsen Kaiser Karls Schwert; der Markgraf von Brandenburg ging
auch mit. Und da nun der König in seiner Majestät war und das Szepter
in der Hand trug und die Erzbischöfe von Mainz und Trier auch in der
Fülle ihrer Würden sich zeigten, nahm die Krönungsfeierlichkeit einen
eine Deputation der revolutionären Aula ihre Herausgabe, um sie der Nationalversammlung
zu Frankfurt zu überbringen. Dies Verlangen wurde zurückgewiesen. Jetzt beruhen
sie in der k. k. Schatzkammer. Die Zahl der Insignien wird verschieden angegeben.
Mit den drei (ein mit Gold beschlagener und mit Steinen besetzter Säbel ohne Gehänge,
ein kostbares Kapsel mit den Eeliqnien des hl. Stephanus und ein Evangelienbnch), die
sich bis zum Jahre 1794 in Aachen befanden, sind es ihrer siebzehn Stück. Die drei
wurden von dem Krönungsstift im Jahre 1794 zuerst nach Belgien, dann nach Paderborn
und 1798 nach Wien geschafft, wo sie noch heute bertihen. (Vgl. L. Stacke, Deutsche
Geschichte, 4. x\ufl., nach S. 812; R. Wilmanns, Die Schicksale der Reichskleinodien und
des Kirchenschatzes des Aachener Krönungsstiftes w&hrend der französischen Revolution
in Zeitschrift für preussischc Geschichte und Landeskunde Jahrg. 9 (1872), S. 178 ff.;
Hansen in ZAG Bd. XI, S. 160 ff.) — Den Krönungsinsignien wohnte zur Zeit des mittel-
alterlichen Kaisertumes eine tiefe symbolische Bedeutung inne. An sie war die königliche
Machtfülle und Majestät geknüpft. Nur dadurch, dlass dem gekürten Mann das Schwert
um den Leib gegürtet, die Krone auf das Haupt gesetzt, Speer und Szepter in die Hand
gegeben wurden, ward sein deutsches Königtum geschaffen. Ohne die Cercmonie, zu der
vor allem auch das Besteigen der sedes regia gehörte, war er nicht König und vermochte
nicht eines seiner Königsrechte auszuüben. Als Hüterin dieser Reichskleinodien war
Aachen die bevorzugteste Stadt im Reich und wem sie, wie Otto IV. und Ruprecht von
der Pfalz, den Zutritt zu ihnen verwehrte, der war nur dem Namen nach ein deutscher
König. Es verlor an Ansehen, als — seit 1531 ~ sein ehrwürdiger königlicher Stuhl
verwaist blieb und die Krönungen — - seit 1562 — in Frankfurt stattfanden.
*) Bezüglich des Krönungsrituals vgl. St. Beisse l S. J., Der Aachener Krönungs-
stuhl (ZAG Bd. IX, S. 14 ff.). Diese vortreffliche Abhandlung enthält vier Teile: I. Der
Thron bei der Krönung der deutschen Könige. — II. Die Stadt Aachen als Königsstuhl. —
in. Sinn und Wert der Erhebung der Könige auf den Thron von Aachen. — IV. Der
heute auf dem Hochmünster befindliche Marraorstuhl. — So erschöpfend diese Abhandlung
auch ist, so lässt sie doch die Frage offen, ob „die beiden, durch Schönheit und Reliquien-
inhalt ausgezeichneten Säulen**, die in Beziehung zu dem Königsstuhl standen, „an jene
freistehenden Erzsäulcn erinnern sollten, welche Salomon am Thore seines Tempels auf-
stellte**, oder „ob sie Bogen und Gebälk trugen, wodurch die Empore über der Vorhalle
abgeschlossen wurde** (a. a. 0. S. 41). Die von Herrn Privatdozent Buchkremer in
einer Sitzung des Aachener Geschichtsvereins (12. April 1899) ausgesprochene Ansicht,
dass die beiden Säulen die vor dem Königsstnhl stehenden zwei Säulen des Oktogons
gewesen seien, scheint uns aus den Nachrichten der Geschichtsschreiber nicht gefolgert
werden zu können. Widukinds von ('orvey Angabe (Mon. Germ. SS. III, p. 438)
über den Königsstuhl in seinen „Sächsischen Geschichten** aus Anlass der Krönung Ottos I.
im Jahre 936 lautet in der Übersetzung: „Da nun die Weihe, wie sich gebührt, voll-
ständig vollendet war, ward er (Otto) von eben denselben Bischöfen zum Thron geführt.
— 92 —
köuiglichen Verlauf uud das Hochamt wurde vollbracht. Darauf schlug
der Köuig mancheo zum ßitter^ Sodann begab er sich in seiner
königlichen Majestät mit den Kürfürsten zum Rathaus ^ Hier wurde er
zu Tisch geführt; desgleichen jeder Kurfürst. Viele Bischöfe und Prälaten,
zu welchem man auf einer Wendeltreppe hinanstlcg. £r (der Thron) war zwischen
zwei marmornen Säulen von herrlicher Schönheit errichtet, von wo aus der König alle
sehen und wo er selbst von allen gesehen werden konnte." Petrus a Beeck (Aquis-
granum S. 159) sagt aus Anlass der Krönung Karls V. im Jahre 1520: «Der König
steigt auf einigen Marmorstufen empor und wird von den Kurfürsten auf einen weiten
Stuhl von demselben Marmor gesetzt, der vor dem Altar der heiligen Apostel Simon und
Juda zwischen zwei Säulen auf erhöhtem Platze stand, wo er von allen gesehen werden
und er selbst alle sehen konnte.* Aus der Urkunde, durch die der Aachener Propst Wilhelm
von Drachenfels im Jahre 1207 in der Marienkirche ein stets brennendes Wachslicht zu
Ehren der Apostel Simon und Juda stiftet, scheint hervorzugehen, dass die Säulen vor
dem Königsstuhl standen, dass es also vielleicht zwei Säulen des Oktogons gewesen sein
können (Lacomblet, Urkundenbuch Bd. U, S. 12). Aber die Präposition „ante* bedarf
in dieser Urkunde bezüglich ihrer Bedeutung genauer Prüfung. Im mittelalterlichen und
auch im klassischen Latein heisst „ante* nicht unbedingt »vor*, sondern beispielsweise
auch „nach vorn*, während bei der Präposition „inter* eine andere Bedeutung aU
„zwischen* ausgeschlossen ist. D^c beiden Säulen standen nach unserer Meinung frei zu
beiden Seiten des Königsstuhls. Im Anschluss daran möchten wir auch zur Erörterung
einer anderen zum Königsstuhl in Beziehung stehenden Frage etwas beitragen. Sic betrifft
den Platz des Simon- und Judaaltars. Dieser wurde im Jahre 1225 von dem Kardinal-
Legaten Konrad geweiht „in honore ss. apostolorum Symonis et Jude ac b. Karuli rcgis*
(Lacomblet a. a. 0. Bd. II, S. 12, Anm. 4). Eine Ansicht geht dahin, dass der Altar
vor dem Köuigsstuhl hinter dem Gitter des Uochmünsters auf der 70 cm breiten Aus-
kragung gestanden habe. Dieser Platz scheint uns für einen Altar etwas schmal und
auch ungewöhnlich zu sein. Ausserdom war das Messelesen an ihm erschwert, da dem
Priester nur das Thürchcn des Gitters, das nach dessen Öffnung den Altar rechts und
links zum Teil deckte, Zutritt zum Altäre Hess. Wir glauben, dass dieser vor dem Gitter
gestonden hat. In den Aufzeichnungen des Syndicus Fell zu einer Ausgabe des Noppius
von 1632 heisst es: „Der Simonis- und Judaaltar stunde vor den Konigenstuhl über das
Gegittcr." Diese Stelle ist etwas unklar. Ihr Verständnis erleichtert der Satz bei Quix,
Historische Beschreibung der Münsterkirche S. 35: „Dieser Altar war unter der ehe-
maligen Orgel vor dem sogenannten Königs-Stuhl.* Die Orgel konnte sich aber in keinem
Falle über das Gitter hinaus erstrecken.
') Nach Erteilung des llitterschlages „nahten sich zwei Vertreter des Aachener
Kapitels und zeigten dem Gekrönten an, jeder deutsche König pflege gleich nach seiner
Weihe zu ihrem Mitkanonikus aufgenommen zu werden und einen althergebrachten Eid
zu leisten; auch er möge sich dem uralten Gebrauch fügen, den Eid leisten, dadurch die
Kirche zu Aachen in seinen Schutz nehmen und sie bei ihren Gerechtsamen erhalten*
(St. ßeissel a. a. 0. S. 22). Die Sitte, dass der König ein Kanonikat in Aachen annahm,
„dürfte — nach Bcisscl — wohl in der Gewohnheit Karls des Grossen, mit der Geist-
lichkeit seiner Pfalzkapelle das Chorgebet zu verrichten, seinen Ursprung finden.* Wie
alt sie ist, lässt sich niciit feststellen. Doch „bestand die Stelle der beiden Vikare, welche
die Obliegenheiten des Königs beim Chordienst versahen und die Einkünfte seiner Präbcnde
bezogen, lange vor 1318* (a. a. 0. S. 23).
*) Nach R. Pick, Aus Aachens Vergangenheit S. 295, begaben sich die Könige und
ihr Gefolge auf der inneren Stiege des Rathauses, die übrigen Festteilnchraer aber auf
der Treppe des Marktturmes, wenigstens zeitweise, zu den Festlichkeiten auf den
Kaisersaal.
— 93 —
Herzöge und Grafen, Freiherren, Ritter und Knechte nahmen an dem
Mahle teil, auch viele Gäste aus England und Burgund, aus Savoyen,
Frankreich und andern Königreichen. Und sie assen alle königliche Speise.
Die Herolde trugen diese auf ^ Trompeter, Pfeifer und sonstige Spielleute
in grosser Zahl Hessen während des Mahles ihre Weisen erklingen. Nach
Beendigung desselben wollten die Diener des Erzbischofs von Köln die
golddurchwirkten Tücher, mit denen die Tische gedeckt waren, die Becher
und andere kostbare Tafelgeräte an sich nehmen. Man verwehrte es
ihnen aber.
Das Rathaus nennt den Berichterstatter „allerhubsch**, wie er seines
gleichen weder aus eigener Anschauung noch von Hörensagen kannte. Es
ist von Steinwerk erbaut und vor ihm steht einer schöner Brunnen, gleich-
falls von Steinwerk. Am Krönungstage Hess der König einen ganzen Ochsen
für die Volksmenge braten, dessen Hörner und Klauen vergoldet waren.
In dem Ochsen befanden sich ein Kalb, ein Schwein und eine Henne. Aus
einem Hause lief durch ein Rohr vom Frühmahl bis nach der Vesper
Wein. Auch für Brotvorrat war gesorgt, so dass arm und reich gespeist
werden konnte. Da frohlockte jedermann, ob edel oder unedel, und die
ganze Gemeinde, dass Gott ihnen einen königlichen Herrn gegeben habe.
Auch hat der König in Aachen ein Haus und eine Chorherrenpfründe für
seinen dortigen Aufenthalt.
Montag den 18. und Dienstag, den 19. Juni verlieh der König in
Gegenwart der Kurfürsten, dem Pfalzgrafen bei Rhein, dem Herzog von
Sachsen, dem Markgrafen von Brandenburg und dem Herzog von Berg
unter grossen FeierHchkeiten ihre Lehen. Der Pfalzgraf empfing seine
Lehen mit drei Bannern, der Herzog von Sachsen mit dreizehn, der Mark-
graf von Brandenburg und der Herzog von Berg mit vier *. Am Mittwoch
wurden dem König die Heiligtümer vorgezeigt.
«) über die Tischordnong vgl. ZAG Bd. IX, S. 212 und Joh. Hub. Kessel, Das
Bathaus zu Aachen S. 78 ff.; bezüglich des Auftragens der Speisen vgl. B. Pick a. a. 0.
S. 295 und 298 f.
') Dem heidnischen Germanenheer deuteten heilige, fahnenartig an Speerstangen
befestigte Zeichen die persönliche Anwesenheit des Kriegsgottes Ziu. des Mars Thingsus,
an. Auf diese symbolische Bedeutung der Fahnen bezog sich die Bezeichnung als bandva
(Signum), woraus durch Vermittelung der romanischen Sprachen unser Banner abgeleitet
ist Im spät-mittelalterlichen Beichsheer zerfiel das Heer in die einzelnen Kontingente,
deren Herren als Bannerherren ein eigenes von dem Beichsbanner verschiedenes Banner
fährten. Bei den Belehnungen weltlicher Fürsten war das Banner, die an der Speerstange
befestigte Fahne, das Investitursymbol, das Wahrzeichen des königlichen Hoheitsrechtes,
des übertragen wurde. Die weltlichen Fürstenttimer wurden zu „Fahnenlehen**. (B. Schröder,
Lehrbuch der deutschen Bechtsgeschichte SS. 31, 887, 499). Die Erteilung der „Fahnen-
lehen** bot eine Veranlassung der öffentlichen Darstellung königlicher Majestät und war
bei jeder Krönung das grösste Fest. Wir schildern sie hier mit den Worten Gustav
Frey tags, die bei ihrer mustergültigen Anschaulichkeit eine Umschreibung nicht ver-
tragen. »Auf dem Platz der Beichsstadt (in Aachen auf dem heutigen Markt) wurde
ein Gerüst errichtet, mit breiten Stufen, es mnsste unter freiem Himmel sein und es
— 94 —
Am 21. Juni * verliess der König nach fttnftägigem Aufenthalt Aachen
und ritt gen Jülich, wo er als Gast -des Herzogs von Berg tibernachtete.
Am folgenden Tage traf er in der Freistadt Köln ein. Auch hier empfing
man ihn mit den Heiligtümern. In einer Herberge thaten zwei der weisesten
musste umritten werden können. Darauf der Kaiserstnhl und die Sitze der Kurftürsten,
alles mit schönen Teppichen und golddurchwirktem Stoff bedeckt, in der Nfthe waren
Ankleidczimmer für den Kaiser und die Kurfürsten. Zur bestimmten Stunde kam der
Kaiser mit den Kurfürsten und grossem Gefolge angeritten, stieg bei seinem Ankleide-
zimmer ab (hier vor dem Rathaus) und legte den schweren goldenen Kaisermantel und
die Krone an. Dann schritt er im Kaiserschmuck und der Krone mit grossem Zuge auf
das Gerüst und setzte sich auf den Kaiserstuhl, weit sichtbar, sehr stattlich; zur rechten
und zur linken Hand sassen die Kurfürsten, welche die Reichskleinodien im Zuge getragen
hatten: Mainz das EvangeUenbuch zum Schwur, Sachsen das Schwert, Brandenburg das
Szepter, Rheinpfalz den Reichsapfel. Darauf ritt, bis dahin unsichtbar, der Rennhaufe
des fürstlichen Vasallen heran, der das Lehn erhalten sollte. Es waren seine YasaUen
und Reisigen, in seine Farben gekleidet, die Edelleutc darunter in Sammt mit Federn,
alle kleine Fähnlein in den Händen oder auf den H&uptem der Rosse; in der Mitte aber
führte der Haufe die rote Rennfahne, die auch Reichsfahne oder Blutfahne genannt
wurde. In gestrecktem Rosslauf umrannte die Schar das Gerüst mit dem Kaisersitz —
die schnelle Gangart dabei war uralter Brauch der Deutschen, die auch beim Toumier
so gegeneinander ritten, die Romanen nur im Trabe. — Nachdem der Kaiserstuhl zum
ersten Mal „berannt'' war, ritten die Boten des Vasallen heran, Reichsfürsten von seiner
Freundschaft, sie stiegen vor dem Gerüst ab, knieten auf den Stufen nieder, und knieend
bat der Sprecher unter ihnen den Kaiser um die Erteilung der Lehne. Darauf stand
Mainz auf, besprach sich mit dem Kaiser, dem laut zu reden gar nicht zugemutet wurde,
und antwortete, dass der Kaiser bereit sei. Hatten die Boten wieder ihre Rosse bestiegen,
so kam nach dem zweiten und dritten Rennen der Blutfahne der Reichsfürst selbst unter
Trompeten- und Paukenschall mit seinem Gefolge und einem Reiterbaufen in allem Glanz,
den er aufzubringen vermochte, angeritten, Tor ihm alle Fahnen seiner Lehen, deren Bilder
in den Wappenfeldem unserer alten Familien erhalten sind. Auch er ritt im Galopp an
das Gerüst, stieg ab und kniete nieder. Dann legte Mainz das Evangelienbuch in den
Schoss des Kaisers, der Kaiser fasste mit beiden Händen die oberen Ecken, der Lehns-
fürst legte die Hand auf das Buch und schwor den Vasalleneid. Darauf ergriff der
Kaiser das Schwert am Kreuzgriff und bot den Knopf dem Vasallen, dieser fasste daran
und küsste den Knopf, war er aber ein geistlicher Fürst, so wurde ihm die Spitze des
Szepters geboten. Darauf wurden die Fahnen gebracht, zuerst die Blutfahne, dann die
Lehensfahnen, der Kaiser fasste mit der Hand an jede, und darunter ebenso der VasalL
Waren die Fahnen angefasst, so wurden sie von dem kaiserlichen Herold Germania unter
das schauende Volk geworfen, die Leute rissen sich darum und trugen die Fetzen als
Beute heim. Der Belehnte trat unter die Fürsten auf dem Gerüst, War allen Werbern
ihr Lehen erteilt, dann kehrte der Kaiser im Zuge zu seinem Ankleidezimmer zurück,
legte die Bürde des Kaiserschmucks ab, verabschiedete freundlich die Fürsten und ritt
nach seiner Herberge. (Gustav Freytag, Gesammelte Werke Bd. XV, S. 526. — Über
einen charakteristischen Vorgang bei der Belehnung im Jahfe 1414 nach der Krönung
König Siegmunds vergl. R. Pick a. a. 0. S. 868).
*) Die Kanzlei Friedrichs entwickelte in Aachen eine eifrige Thätigkeit. Am 17. Juni
Hess der König Frankfurt seine erfolgte Krönung melden (Anhang Nr. VF). Vom 16.
bis 21. Juni urkundet er in Aachen, Er bestellte n. a. am 16. Juni den Erzbischof von
Köln, den Bischof von Lüttich, den Herzog von Jülich, die Edlen von Hoynsperg und die
Stadt Aachen zu Defensoreu des Kapitels der L. Frauenkirche zu Aachen gegen die Ver-
letzer der Anordnungen König Friedrichs IL und König Karls IV. zur Sicherung der
— 95 —
und besten Männer Dienst und wachten Aber sein leibliches Wohlergehen.
Sein Zimmer hatte man mit schönen Tüchern umhangen und umzogen. Die
Herren vom Rat kamen mit guten Fischen und manchem Wagen mit Wein,
rotem und weissem, und Hessen die fettsten Ochsen antreiben, damit es
nicht an saftigen Braten fehle. Täglich fanden sich zu dem Frflhmahl in
der Herberge mehr denn fünfzig Mann ein in stattlichen Gewändern; auch
sie brachtqi Wein und Silber und Gold. Die Schenkung war köstlich.
Am Samstag Morgen wurden dem König die heiligen drei Könige gezeigt ^
In der Nacht' zum Sonntag begab er sich nach dem Frauenkloster St.
Ursula. Darin liegt der Leib der heiligen Ursula und ihre Gesellschaft'.
Dem König wurden die Heiligtümer des Klosters vorgezeigt. Sonntag
den 24. Juni belehnte der König den Erzbischof von Köln^, den Bischof
von Lüttick und den Herzog von Mecklenburg. Am 27. Juni fand ein
Turnier statt, von dem die Frauen Kölns, deren Schönheit der steirische
Ritter rühmt^ sagten, dass sie ein mannhafteres Stechen nie gesehen hätten.
Donnerstag den 28. Juni^ stieg der König mit seinen Begleitern, unter
geistUchcn Freiheit. Die dabei ausgesprochene Pön gegen die Verletzer ist 100 Mark
Oold. Am 17«, Juni bestätigt er die Privilegien der Stadt Düren und die des Kapitels
der L. Frauenkirche zu Aachen. (Insbesondere zwei Briefe K. Karls IV.: 1. Dat. Aqui^-
grani 1849. Ind. II. YIII. kal. Augnsti; 2. Dat. Aquisgran! 1859. Ind. XII. m. Nonas
April.) Und bestellt zu Defensoren derselben den Erzbischof von KOln, den Bischof yon
Lttttich, die Herzöge Ton JtlUch und Brabant. Pön 100 Mark Gold. Femer bezeugt er durch
Urkunde vom 17. Juni, dass er zum Kanonikus der L. Frauenkirche aufgenommen worden
sei. Am 18. Juni verordnet er, dass künftig niemand zum Kanonikus der L. Frauenkirche
zu Aachen aufgenommen werde, der nicht ehelicher Geburt, adelichen oder ritterlichen
Standes (von beiden Eltern) wäre, oder dazu erhoben. Pön 100 Mark Gold. Am 20. Juni
bekennt der König, dass der Stadtrath zu Aachen, dem aus derselben Stadt wegen eines
„yngeuerllehen*^ Totschlags verwiesenen Colyn Beyssel wieder sicher in die Stadt zu
kommen erlaubt habe. Am 21. Juni erteilt er der Stadt Aachen einen Privilegienbrief.
(Chmel, Regesta Friderici m, S. 72 ff.)
') Von Erzbischof Reinald von Dassel am 28. Juli 1164 nach Köln gebracht.
*) Was inbetreff der Beleuchtung und Strassenabsperrung während des Aufenthalts
Friedrichs m. im Jahre 1473 in Köln angeordnet wurde, können wir auch für das Jahr
1442 annehmen: „Iten^ in der Stadt sehen wir geordnet, dass alle nacht an den husem
Inchten mit liecht«n ußgehenket und alle keden an den gassen zugetan sin.^ (AHYN
H. 6, S. 228.) In Aachen Uess der Rat während der Krönung Wenzels von Luxemburg
(1876) von Knechten Laternen tragen, etwa um den fürstlichen Personen den Weg von
der Trinkstube oder einem sonstigen Versammlungsorte zu ihren Absteigequartieren finden
zu helfen. Die Absperrung der Strassen durch Ketten war auch in Aachen üblich. (Vgl.
Loersch, Aachener Chronik in AHVN Bd. XVH, S. 7 ff.) Ein Bing an der Fassade des
Stadtarchivs erinnert noch an diese Schutzmassregel. Diejenigen Bewohner einer Strasse,
die den Dienst an den Ketten versahen, waren von manchen Verpflichtungen, z. B. dem
Wachtdienst, befi'eit.
•) A. G. Stein, Die heilige Ursula und ihre Gesellschaft. (AHVN Bd. XXVI, S. 116 ff.)
^) Der Erzbisehof ftüirte drei Banner, als Kurfürst von Köln, Herzog von West-
falen und Administrator von Paderborn.
•) Am 21. Juni berichtet Walter von Schwarzenberg, der Vertreter Frankfurts
während der ganzen Reise des Königs von Frankfurt nach Aachen und zurück, seinen
Auftraggebern über die Rückkehr des Königs nach Frankfurt. Er deutet in seinem
Schreiben Vorgänge In Aachen an, über die keine l^elle Aufschluss giebt. (Anhang Nr. VII.)
— 96 —
denen diesmal auch „Doctores" genannt werden, zu SchiflF und fuhr nach
Bonn. Hier überreichte ihm und seinem Gefolge der Kölner Erzbischof
eine bedeutende Schenkung und sorgte aufs beste flir seiner Gäste Wohl-
befinden. In Bonn übernachtete man. Ebenso in Andernach, in Boppard
und' in Bingen. Am 2. Juli erreichte der König Mainz und verweilte
zwei Tage in *der Stadt. Von dort aus besuchte er Wiesbaden, wo er
von dem Herzog Johann von Nassau feierlich empfangen wurde. Am
7. Juli traf o^'ln Frankfurt ein, wo sich abermals viele Fürsten und
Herren zur Abhaltung eines Reichstages um ihn versammelten. Sonntag
den 15. Juli verlieh der König den Erzbischöfen von Mainz und Trier
ihre Lehen; drei Tage darauf dem Markgrafen Jakob von Niederbaden
und dem Grafen Wilhelm von Henneberg. Diesem Akt wohnten die Ver-
treter von dreiundfünfzig Haupstädten bei^ Wieder fanden ritterliche
Spiele statt. Es ging dabei scharf zu, denn man ritt ohne Panzer gegen
einander; den einzigen Schutz boten Helm und Schild.
Erst am 18. August verliess der König Fmnkfurt, um gen Mainz
zu fahren. Als er unterwegs auf dem Schiff speiste, lÄ^artete ihm der
Erzbischof von Köln dabei auf. In Mainz übernachtete man, und dann
gings wieder im Sattel über Oppenheim nach der Reichsstadt Worms, wo,
wie der steirische. Ritter bemerkt, des „hurnein Seyfrid" Grab ist. Auch
an die Sage vom Rosengarten, in dem so mancher Recke geblutet, er-
innert er. Am 21. August traf der König in der Reichsstadt Speier ein.
Auch hier wurde er mit den Heiligtümern empfangen und unter einem
Baldachin in die St. Peterskirche geleitet, wo die Priester ihn „nach ihrer
Gerechtigkeit** mit Gewalt emporhoben und auf einen Thron setzten. Der
Verfasser des Itinerars gedenkt des ersten deutschen Königs aus dem
habsburgischen Geschlecht, Rudolf von Habsburg, der zwischen dem Altar
und dem Chor des Doms zu Speier ruht, und seines Sohnes Albrecht, der
dem Mordstahl Johann Paricidas zum Opfer fiel und gleichfalls hier be-
graben liegt. Den Altar des Domes sclimückt ein Bild Unserer Lieben
Frau, an welches sich die Legende knüpft, dass es zu «dem hl. Bernhard
von Clairvaux gesprochen, als er als Pilger von Aachen* nach Speier
gekommen und vor ihm kniete.
Von Speier begab sich der König nach dem Elsass. Er ritt über
Weissenburg und Hagenau nach Strassburg, wo er am 24. August ein-
traf. Der Empfang war ausserordentlich feierlich; der erste Weg führte
die glänzende Schar zum Dom. Mit Worten naiver, aber um so eindrucks-
vollerer Bewunderung preist der steirische Ritter, der doch auf seiner
Fahrt die herrlichsten Gotteshäuser in deutschen Gauen gesehen, das Werk
des Meisters Erwin von Steinbach, in dem die deutsche und französische
Gothik zu einer ebenso harmonischen wie gebietenden Wirkung sich ver-'
^) Auch Aachen war dabei durch Deputierte vertreten. (Vgl. Anhang Nr. VIII.)
*) Bernhard von Clairvaux predigte im Jahre 1147 den Kreuzzug in Aachen.
— 97 —
eiDigen und dessen Verständnis drei Jahrhunderte später ein Ritter vom
Geiste dem deutschen Volke erschliessen und vermitteln sollte, um auch
seinerseits den hochragenden, eindrucksmächtigen Monumenten mittelalter-
licher Glaubensinnigkeit und der Blüte ihrer Schaffensfreudigkeit den Tribut
der Bewunderung und Verehrung zu entrichten.
Anhang.
Nr. I^
1442, Mai, Verzeichnis der bei der Anweaenheit König FriedHchs in Frankfurt
vor seiner Heise nach Aachen zur Krönung zugegen gewesenen Fürsten, Bischöfe, Botschafter,
Grafen, Herren und Stadt ehoten. Dazu Verzeichnis der Städteboten, die zum Könige, den
Fürsten und Herren wegen des Papstes und des Baseler Konzils abgeordnet wurden, sowie
ein solches von den Städteboten, die bei der Rückkunft des Königs ton Aachen in Frankfurt
versammelt waren, J, R, II, 42.
Die nachgeschreben forsten, bischoffe, botscbefte, graven, herrcn and stede sin zu
Franckfordt gewest zu der zyt als unser herre konig Fredericb da was und geen Aiche zu
siner kronunge zoch.
Zum ersten unser aUergnedigister herre der konig mit etwie fast bischoffen,
forsten und herren einsteils hernach benant, wale off M pcrde, die man nit aUe
nemlicli weiß.
Item unsers heiligen vatters babst Kugcnij' treffentlichc botscbaft.
It babst Felicis' treffentliche botscbaft.
It. cardinalis Aralatensis^
It. cardinalis sancti Calixti.
It. cardinalis Bamorbitanus ^ und ander me des concilij botscbefte.
It. der biscboff von Mentze^
„ „ „ von Colne'.
„ „ »von Triere».
y, zwene hertzogen von Sachsen*.
„ hertzog Ludewig paltzgrave by Rine^^
„ der margrave von Baden ".
y, der biscboff von Wirtzpurg".
n n y, r, Rcgenspurg »
«) Nr. Nr. I-VII im Frankfurter StadtArohiv.
«) Papst Eugen IV. (U81-U47).
*) Das Baseler Konzil sprach im Sommer des Jahres 1489 die Absetzung Eugens IV. ai^s, drohte
allen Geistlichen, die zu ihm als ihrem fechtmtissigen Oberhaupte hielten, mit Exkommunikation und
Suspension und wählte am 5. November 1489 den Herzog Amaileus VIII. von Savoyen zum Papst, der
den Namen Felix V. annahm.
*) Arles, das Arelatnm der Bömor.
*) Panormitanus (Panormus — Palermo).
•) Theoderioh von Erbaoh (1484—1459).
. ») Dietrich von Moers (1414—1468).
•) Jakob von Sirk (1489—1456). Vgl. Lager, Jacob von Sirk, Erzbischof und Kurfürst von
Trier. (Trierisches Arohiv H. H, S. 1— 4a)
•) Friedrich II. und sein Bruder Wilhelm.
**) In einem dem Verzeichnis angehefteten Entwurf steht hinter dem Pfalzgrafen: Item ist
man noch wartende margrave Friederich von Brandenburg. (Friedrich IT. [der Eiserne] 1410—1470.)
»•) Jakob I. (1481-1458).
»>) Sigmund von Sachsen (1440-1448, amot., f 1457).
»•) Friedridi U. von Parsberg (1487—1450).
— 98 —
It. der biscLüff von Augspurg '.
y, „ luargrave „ Rotelu'.
„ „ bischoff „ Kemsehe".
» n » « Gorkeym*.
„ eyn bischoff.
„ „ mechtiger prelate aß Engelant.
y, y, mechtjger apt.
y, y, mechtige treffenliche botschaft des jungen hertzogen Ton Saphac ^
„ der apt von Fulda •.
y, y, y, r> SeHgcnstat ».
y, y, der hoemeister datschordens in dntschen and welschen landen^.
y, fast me gebjcdere wale uff XI.
„ der domprobst zu Wirtzburg, des bischoffes von Triere bruder.
y, das capitel von Mcntze.
,1 hertzogc Ludewigs rat von Ingelstat*.
y, faste epte, prelaten, doctores und botschefte, der namen man nit weiß.
y, hertzogo Henrichen von Beyern botschaft.
y, der hertzogen botschaft von Brunswig**^.
y, des bischofs von Saltzpnrg botschaft '^
y, der apt von Wissenburg**.
„ der apt von Ochsenhusen ".
y, der apt von Mnlbroune**.
y, der bischoff von Wormße*'.
„ „ y, \ Spire»».
y, eyn hertzoge uß der Slesie van der Sagen, genant hertzoge Rudolf.
„ der bischoff von Costentze".
„ „ apt von Salmenswile ".
y, des margraven rat von Brandenburg.
„ der apt von Brunne.
„ eyn Welsch bischoff.
yt der hertzoge von Berge''.
^ des hertzogen rat von Burguudien'^
>) PetroB von Schaacnbnrg (1424—1469).
>) Wilhelm Markgraf zu Hochberg, Herr eu Boieln und Sosenberg, des Königs Rat und Land»
vogt im Blsass.
•) Chiemsee; Sylvester Pflieger (14BH-1451).
«) Joannes Schallermann (1486—1458).
*) Falls anter Saphae Savoyen zu verstehen ist, handelt es sich nm Herzog Ludwig (1484 — 1465).
*) Hermann II. von Buchenan (1440—1449).
') Die Benedikt iaerabtei Seligenstadt, von Einhard, dem Biographen Karls des Grossen, im
Jahre 82'» gestiftet. Den im Jahre 1443 regierenden Abt haben wir nioht naohweisan können. Im
Jalii*e 1424 war Kuno von Beldenheim Abt.
*) Konrad von Erliohshausen (1441—1449).
») Ingolstadt.
*<>) Otto III. ans dem Hause Mittel-Lüneburg. Es kann aber auch ein Vertreter des Hausse
Calenberg (Wilhelm I.) oder des Hauses Wolfenbttttel (Heinrich II.) sein.
") Friedrich IV. von Emmerberg (1411—1452).
>*) GefUrstete Benediktinerabtei Weissen bürg im Elsass. Abt derselben war 1442 Philipp
von Erbach. ,
1*) Benediktinerabtei Ochsenhausen in Württemberg (Abt Michael Rassel).
>^) Cistercienserkloster Maulbronn in Württemberg (Abt Johann von Gtoylenhavusen).
") Friedrich von Domnock (1427—1446).
>•) Reinhard von Helmstädt (1488-1466.)
«7) Heinrich IV. von Höwen (1436-1482).
1") Cistercienserkloster Salmansweiler in Württemberg (Abt Goorg von 1441-1469).
»») Herzog Gerhard von Jülich und Berg (1437—1475).
») Herzog PhiUpp der Gute (1419-1467).
— 99 —
It. zwene graven Wilhelm van Henenberg, gefaratent grave^
n
der bischoff von Utrecht*.
„ die hertzogynne von Lntzelnbarg*.
„ der bischoff von Regenspurg^
Graven and herren.
It. drij graven von Hanauwe*.
„ eyn grave von Reneckc*.
„ gravc Bernhart, grave zn Solms.
j, gravc Heinrieh von Swartzbnrg und grave Henrich, sin sone.
„ grave Johanns 1
„ grave Jorge ? graven zu Wertheim.
„ grave Wilhelm j
„ grave Philipps von Katzeoelnbogen.
„ grave Johann von Nassanwe^
„ grave Goraprecht von Nnwenare, hofferichter^.
„ eyn grave von Schau wenburg*.
„ „ »von Lyniugen »^
„ n n von Liseneoke".
„ jt , von Morse ^'.
„ „ „ von Sarwerde".
„ herre von Eiverschijt ".
j, grave Henrich von Nassauwe, herre zu Vianden.
„ eyn herre von Saffenberg^\
„ eyn herre von Renenberg".
„ grave Hans von Bichelingen.
„ zwene graven von Glichen '^
„ grave Eberhart von Kirchberg.
„ der grave von Wydde".
„ eyn herre von Wunnenberg ".
„ die truchsesser von Walpurg*^.
„ eyn herre zu Eppen8toin'^
*) Henneb^rg.
*) Rudolf von DiepbolE (148i— 14A5).
*) Johanna, geborene Hersogin von Bar.
*) Schon anter Nr. 12 genannt.
*) Reinhard 11., Reinhard III. (Hans Minzeuberg) nnd Philipp I. (Hans Babenhanten).
*) Reneke == Rineck, Rieneck, östlich von Asohaffenbarg am Main. Das Hans Rieneck, das
xnm Qesohlecht der Grafen von Hanau gehOrte, starb lUO ans.
T) Graf Johann (t49R-1480).
^ Nenenahr im Ahrthal (Gambrecht II. f 1465).
•) Graf Otto U. (1426-1461).
>^ Hesse, gefUrstcter Landgraf (f 1467).
") Liohteneok?
»•) Friedrich IV. von Mors (1417-1448).
<•) Jakob I. (1481—1470). Über den Namen Sarwerden (1149), Sarwerde (118'>), Salleveme (1404)
nnd Saveme (vor 1471) vgl. Picks Monatsohrift Jahrg. VI, S. 178 ff.
M) Johann I. von Reiffersoheid (1418-1475).
u) Saffenberg, Ruine an der untern Ahr.
**) Renenberg [unbek., Diöc. Osnabrück], 1805, Freokenhorster Heberegister, Priedländer 90.
*^ Ernst und Ludwig.
»•) Wied.
>•) Wttnnenberg in Westfalen, R-B. Minden?
**) Eberhard I. (Sonnenberg) und Jakob (Trauchbnrg).
**) An dieses Geschlecht erinnern die Trümmer der Burg Eppstein, welche einst den Flecken
gleichen Namens im Taunus überragte. Es hat hftufig, insonderheit im 13. Jahrhundert, in die Ge-
schicke des deutschen Reiches eingegriffeh. So vmrden im 18. Jahrhundert nach einander vier Herren
— 100 —
It. eyn herrc za Myntzenberg^
„ y, „ von Eonigestein *.
y, Jorge graye zu Henenberg.
n her Caspar Slicke herre zur Wiasenstad.
y, vier graven von Monteffort, Ulrich, Heinrich, Hag und Rudolf.*
,, graTe Henrich von Wyda', herrc zu Hanwenstein.
,, zuene graycn von Geranwe*.
^ eyn herre von Bickenbaeh^
„ eyn herre von Heberg*.
„ Conrikd herre zu Winsperg^
,, her Henrich czu Bappenheim, des heiligen romischen richs erbmarschalk.
„ her Wilhelm von Bechberg.
,, der von Stauff mit zwen sonen.
„ ein grave von Orlemunde*.
,, schenke Conrat, herre zu Erpach.
„ zwene grayen von Wirtenberg*.
,, grave Henrich von Furstenberg.
n grave Rudolf von Salteze '*.
,, eyn herre von Brandes".
,, grave Philipp von Renecke.
„ eyn herre von Gemantsecke ".
,, eyn herre von Lutzeinstein.
,, eyn probst von Uterich.
„ schenke Otto von Erpach.
„ eyn herre von Nipurg".
„ eyu herre von Zellel^ngen '^
„ herre Cristoffd von Liohtenstein.
„ eyn herre von Steffel.
„ grave Ulrich von Otingen'*.
,, eyn grave von Hoenloch.
„ grave Sigmunt von Hoenberg.
,, grave Hans von Werdenburg.
r, eyn grave von Helffenstein '*.
,, der Ringrave.
y, grave Hesse von Lyningen.
von Eppensteio (Siegfiried 11. and III., Werner und Oerh«rd) an BrEbisohttfen von liaini erwählt und
ttbten als lolohe groesen BinfluBS »nf die Kaiserwalil nnd die Ptthrung der Beiohigetohäfte »os. Der
hier genannte Epp^tein ist entweder (Gottfried IX. aas dem Hanse Minsenberg oder Eberhard II. ans
dem Hanse Kttnigstein. Der letzte Bitter dieses mttohtigen Oesohleohts, Eberhard IV., Qraf ron
KSnigstein, starb im Jahre 1664 anf der Burg Bppstein.
>) Minsenberg swisohen Oiessen und Priedberg.
*) Königstein im Taunns mit der Baine eines alten Schlosses.
■) Wied.
*) Gtoraha b Geran in Hessen?
*) Bloohnmbaob, Bikenbaoh «» Biokenbaoh (hass. K. Bensheim).
•) Ilebnrgh == Eilenbarg (merseb. K. Delitaoh)?
^ Weinsberg.
*>) Qraf Wilhelm von Orlamtlnde.
•) Ludwig L (141fr-14R0) und Ulrich (148&-1480).
XO Sabca.
") Wolfhard von Brandis?
>*) Oeroldseok südwestlich von Zabem?
>*) Njrperg [unbest., in der Schweis), Burg, verbrannt 1488.
M) Zellingen oder Zeltingen?
") Kraft V.
>*) Helfenstein, Burg bei Geislingen, nördlich von Ulm.
— 101 —
It. eyn grave von Assen^tein.
M jungher Dietber von Isenbarg, berre zu Büdingen.
„ eyn grave von Metscbe'.
r, eyn berre zu Bonckel.
y, eyn berre von Zymmem.
y, zwene graven von Nassauwe, gravo Philipps seligen sone.
„ drij graven von Luppe'.
, eyn berre von Westerburg.
j, der landgrave Von Laobtenberg^
„ Bnpert grave zu Fimbarg.
y, Jobann grave zu Ziegenbain.
Der bemaeb gescbreben stede sin diese personen zum ratscblagen gemacbt.
Meister Jobann von Stommel \
Jobann von Heynbacb / ^^"^ ^^^°®-
Uiricb Bocke von Strasspnrg.
Der Ingelsteder von fiegenspurg.
Der Hangenare von Angspnrg.
Her Hanman Offenbarg von Basel.
Uiricb Blaweter von Costencze.
Her Henricb von Bomberg von Beme.
Der statscbriber von Zurcbe.
Karle Holtzscbnwer von Norenberg.
Conrat Eyerer von Spire.
Der Bcbriber von Hagenanwe.
Waltber Ebinger von Ulme.
Ulriob Biseb von Überlingen ^
Ulri#b Neoiiyng von Heilpronne.
Waltber von Swartzenberg.
Wijker Froscbe von Franckfnrtb.
Diese frunde sind uß den stcden gemacbt zum konige, forsten und beren von des babstes
and des concilij wegen za Basel.
Meister Joban Stommel von Colne.
Der doctor von Labicke*.
Her Hanman Offenbarg rittcr von Basel.
Jobann von Spiegelberg von Solotor'.
Jorge Leo von Ulme.
Hans von Cappel von Costentze.
Glas Scbalant von Straßparg.
Bertolt Folkomer von Narenberg.
Peter Ergaawe von Augsparg.
Die stede, die zu Franckfartb waren, als ans bere konig Fridericb von siner cronange
von Aicbe qaam. Kiliani [ial. 8] anno 1442 ^
Colne
Straßburg
Begenßbnrg
Aicbe'
Aagspurg
Nurenberg von iren und der von
Wissenbarg und Windßbeim wegen.
Swinftird.
<) Die Grafen und Herren von Metsoh. •) Lippe. •) Leopold (1808—1460). •) Überlingen. >) Lttbeok.
•) Solothnrn. ^ VgL dM Datum des Textet. •) VgL Anhang Nr. Vm.
— 102 —
Ulme von Iren und von der andern
Btede wogen irer yereyngange in Swaben.
Nardelingen.
Dinckelsbohel.
Haue.
Oborlingen.
Lindauwe.
Bachhom.
Rotenburg.
Rotwyi.
Eßlingen.
Rutlingen.
Heilpronne.
Winphen.
Mencze.
Wormße.
Spier.
Franckenfart.
Frideberg.
Weczlar.
Geilnhnsen ^
Zorche.
Oostencze.
Rinfelden.
Schaffhasen.
Basel.
Berno.
Lnccme.
Soloteme.
Swijcze.
Wissenbnr^.
Hagenaawe
Colmar
Sliczstad'
Lnbicke.
Lunenburg.
Molnhnsen.
Northnscn.
von iron and der anderen
richstede wegen cza
Elsaß.
Nr. II.
1439, November 17, Aachen bittet Frankfurt um' Nachricht von den Verhandlungen
des Frankfurter Tages nach dem Tode des Königs, Orig, Pap.
Unse vrantligo groisse ind was wir tayt alro gunst vermögen. Elrsame, wyse
besonder live vrando. Want wir leyder vemomen haven, wie dat nnse alregenedicbste
ind lieveste bere, der romische kunig, was gestorven ind gode bevolen is seliger gedacht,
dat arrc stat ind uns ind vort allen daytscheu landen ind rychs steden eyne clegelicbe ind
sware sache is, ind die forsten ind heren ind yre riede ind fmnde vast noch bynnen urre
stat by eynander ligen ind vast rait ind bedryft, als wir vernomen, ander eynandcr
haven, als ir dan wail wissen moigt, so bidden wir arre liefden dienstlich ind be-
gerlich ind op den geloabe ind vrantscbaff, den eyne gude stat der andere billich
bewysen sal, ind wir ach ymmer altzyt gerne ind willentlich bewysen snlden, asverre uns
dat fueglich ind moeglich were, uns in heyroliger vruntschaff zoschriven by desen unsme
beide, asverre neb dat zodoen steyt, eynche zydange ind ussdracht van den forsten ind
heren ind yren reden nu ytzundt by uch ligent, ind wes man sich daruff zo dem besten
vermoden seile mögen, want is uns umb treffliger veetschaff willc unser stede ytzundt
nyet gelegenen is, unse vrundc darumb by uch zoschjcken, als wir anders gerne godaen
betten, ind wilt urre gnden wille hirynne also an uns bewysen, als wir des eyn gantz
betruwen haven zo urre liefden, die unse here got lanck livich ind gesont bewairen muessc.
Datum mensis novembris die XVII anno 1489.
Burgermeister, scheffen ind rait des kunlglichen stoib
der stat Aiche.
Adr,: Den vursichtigen, eirsamen burgermeistem, scheffen ind raide der stat zo
Franckfurdt, unsen besonderen guden vrunden.
Nr. m.
1440f Januar 8, Aachen bittet Frankfurt um Nachrichten von dem bevorstehenden
Wahltage. Orig, Pap.
Unse vruntlige groisse mit alre gunst ind wat wir liefs ind guitz vermögen. Eir-
same, vursichtige, besonder gude frunde. Als nu kortlich nae dat wir verstanden haven,
<) GelnhAiisen. >) Sohlettotadt.
— 103 —
die howirdigeo ind hoigeboiren fursten, uiiso genedige, lieve heren, die kurfarsten, oif yre
trefllige ambasiacten ind frunde by nch komen ind vergadcren werden, nmb zobetrachten
ind sich zo bekallen van eyme zokumftigen roimscben knninge ind andern Sachen, der
dan in deme heiigen ryche ind der gantzen cristenheit noit is, darvan ir cirsame lieue
frnnde dan wail ervaren ind verstaen werdt, wes man sich indem besten versien möge,
so bidden wir nch frontlich ind begerlicb, uns nr yomomen ind zydnnge der Sachen, asvcrre
nch dat zodoen steyt, in heimlicher ymntschaff over zoschriTen, want wir dat zodanck ind
heimlich van nch halden willen inde nren guden wiile hirynne also an uns zobewysen, als
wir uch des ind alles guotz mit besonderheit zogetmwen ind als eyno gude stat der
anderre in vneglichen Sachen billich zn Heye doen sal, ind wir nch zo lieye altzyt gerne
docn Salden in gelychcn off meliTer sachon. Onse here got muesse orc liefden gc^parcn
wailyarend ind gesont in frieden zo langen zyden. Datum mensis ianuarij, die octaya
anno 1440.
Bürgermeister, scheffen ind rait des kuniglichen stoils
der stat yan Aiche.
Adr.: Den yursichtigen, eirsarocn ind wyscn burgermeistem, scheffen ind raide der
stat zo Franckfordt, nnsen besonderen gudcn ind lieyen frunden.
Nr. IV.
1440, Februar 6. Aachen dankt Frankfurt für die Nachricht von der erfolgten
Wahl Orig, Pap.
Unsen dienst ind fruntougc groisse myt alrc gunst ind gudcn willen. Eirsame, wyse,
besonder gude frunde. Als ure ynrsichtige eirberheit uns uu guitlich geschreben halt, wie
dat der alredurinchtigsto furste ind here her Friederich, hcrtzouge zo Oesterych etc.,
seliger hertzonge Fmstis son, unsc geucdichste hoveste hcro, zo eyme römischen kuningc
yan unsen genedigen heren, den knerfurstcn, eynhclleclich gekoiren ind ycrkundigct sy
worden up unser lieven yrauwen dach purificacionis ncrst Icden etc., so syn wir des
sunderlingen yroelich ind wail zofriedeu, dat sulch howirdich kuer so loyolich ind eyn-
drechtlich zogegangen is, hoffend ind wouschend, dat gotz ere, der heiligen cristenheit
ind deme ryche daran grois nutze ind froroe sy, ind wir dancken urre liefden duysentfalt
sulger urre yerkundungon ind gudcn willen, den wir altzyt an uch beyynden, ind wes wir
urre irbcrheit wicdromb in eynchen sachen zo willen ind zo Heye yermuchten, darzo mach
uns altzyt bereit wissen ure cirbcre yursichticheit, die unsr here got altzyt wailyarend ind
gesont bewarcn niucsse. Datum sabato ante dominicam Esto michi anno 1440.
Bürgermeister, scheffen ind rait des kuniglichen stoils
der stat Aiche.
Adr.: Den yursichtigen, eirsamon ind wysen burgermeistem ind raide der guder
stat zo Franckfnrdt, unßn besonderen lieyen ind guden frunden.
Nr. V.
1442f April 13. Aachen bittet Frankfurt um Nachricht von der Reise des Königs.
Orig. Pap.
Unso fruntunge groissc myt alrc gunst ind wat wir altzyt liofs ind guets vermögen.
Eirsame, yursichtige, besonder live frunde^ Want uns yurkomon is, dat unse alregnedichstc
ind lieyeste here, der romische kunig etc., gestern ayent zo Nurembcrgk komen solle syn,
umb aldae hude dat heylgdom zo sicn, ind sich dan vort by uch zo yuegcn ind also yort
her aye zo komen, als wir dan yan Vlochmeyrer verstanden hain, darumb wir daran
zwievelcn ind uns zo uch vermeiden, dat ir wail ey gentlich wissen sult, off syne kunig-
liche hoigmaiden ytznndt zo Nurembergk off wae die daerumbtrint syn, ind wes man sich
— 104 —
eygcntlich version möge van syner kanigliehor zokompst, herwert by uch ind zo desen
landen zo kernen, ind wie kortlich, daromb wir na desen nnsen beide zo yerre iiefden
schicken, so bidden wir uch eirsame, liove frunde fruntlich ind begeriiub, uns na by desen
scivcn nnsen boide in gnder heymlicheit over zoschrivon, wes uch darvan varkomen lud
wissentlich is, in deme uch dat vuegt zo doen. Want ir uns da an ir lieve ind denck-
liehen doen sollt ind gelych wir uch des ummcr zogetruwen ind gerne wieder zo live
doen sulden, wes wir uch zo willen vermachten. Onse here got wille uch altzyt bewaren.
Datum mensis aprilis die XIII anno 1442.
Bürgermeister, scheffen ind rait des kuniglichen stoils
der stat Aiche.
Adr.: Den vursichtigon, eirsamen burgermeistern, scheffen ind raide der stat zo
Fanckfordt, unsern besonderen lieven ind guden frundeu.
Nr. VI.
244JS, Juni 17. Friedtich verkündet Frankfurt seine in AacJtcn erfolgte Krönung.
Orig, Pap.
Fridreich, von gotes gnaden romischer kunig, zu allen zelten merer des reichs, hertzog zu
Osterreich und zu Steir etc.
Ersamen lieben getruwen. Als wir uns ytzund in disse des heiligen romischen
reichs lande gefugt haben, sein wir am freitagc nechstvergangcn daher gcin Ach komcn,
da wir durch schickunge des almechtigen gotes uff hüte unser kuniglicher cronunge zeir-
heit und wirdikeit durch die crcnwirdigen unser lieben neven und kurfursten, die geist-
lichen, in biewcsen der hochgebomcn unser lieben oheimen und swagers, auch kurfursten,
der wcrntlicher aller, und vyl anderer Fürsten, geistlicher und werentlicher, etwevyl ander
kunige, fursten und der merglichsten stete zu dem heiligen romischen reiche gehörende
botschaft, ersamlichen emphangen und vollenbracht haben, wolten wir nit lassen, sundcm
euch die da als wir des dheinen zweifei haben, unser erhohung, ere und wirde allezeit
gerne crfareu, solichs zu wissen tun durch dissen gein wirtigen unsern diner Hansen von
Tirna, der danne euch gelegenheit und Agentschaft solicher zeirheit wol volliclicher
crczellen wird et. Geben zu Ach an nehsten suntag nach sant Viti tag anno domini etc.
quadragesimosecundo, unsers reichs im dritten jare.
Ad maudatum domini regis Heinricus Leuburg doctor.
Adr.: Den ersamen burgermeister, schephen und rate der stat zu Franckfort, unscm
und des richs liben getruen.
Registraturvermef*k auf der Vorderseite: der konig sine cronunge dem rade verkündiget.
Nr. Vn.
1442, Juni, 21. Bericht Waltei's voti Schwarzenberg über die Rückkehr des Königs
nach Frankfurt. Orig. Pap.
Minen willigen dinst zuvor. Eirsamen hern und guden frund. Alz mir nwer eir-
same wyßheid haid tun schriben, uwer schrift han ich wole verstanden und lassen ach
wissen, alz ich uch vor geschreben han mit uwerm baden, Uenchin von Hanawe sc Abo
verstee ich noch niet anders, dan daz unser gnediger here der konig wcrd widder zu uch
kommen gen Franckford, wand alle sache, die noch verbanden sust gewest, die ich ver-
nommen han, dar mercr teyle widder by uch gen Franckford bescheiden sint, und waiß
noch niet anders in den sachen, dan alz ich uch fare geschreben han, wurd ich aber
ichtis anders gewar, daz fore genommen wurd, ich wolle iß uwer weißheid zu stund
- 105 —
lassen wissen. Auch alz ir schrybet von lehen, die hern zn cnphahen, versten ich noch
niet anders, dan unser gnediger her von Manczo sin lehcn werd enphahen by uch zu
Franckford, wand ich bysonder dar nach gefragt han. Auch versten ich, daz der langrave
von Hessen, der marggrave von Baden und myn her von Wirttemburg und andere auch
ir lehen werden by uch enphahen. Doch so mocht sich der heren sache über nacht
wenden, und alz ir mir geschrcben bald von der Juden wegen, were niet nolt gewest ir
botschaft her abc zu schigkken, alz ich yn daz mit dem vargenenten baden auch ge-
schrcben han, doch alz ir mir geschreben hoid uch zn liebe dem rade wil ich gern daz
beste tun. Alz ir rorit in uwem Schriften, von der herzogen wogen von Burgonie, dar
an ist nicht yß, band sich anders wilde leyffe erlaffen zu Ache, die ich uch niet alle
geschreben kan, alz ich uch abgotwil her noch wole sagen wiL Yß sint auch von velcn
erbern stctten driftige ha tschaft hie zu Kolne, by den muß ich etliche sache wortten, alz
wir dan hie heym gescheyden sin. Ich hoffe allis gutte, da mit eyn gute nacht. Geben
zu Colne uff sant Albans tag anno 1442.
Walther von Schwarczenberg
der aide.
Adr.: Den ersamcn, f ursichtigen und wysen, den burgermeistem, scheffcn und raid
zu Franckford, mynen lieben heren und bysonder guden frunden.
BegisiftUurvermerk auf der Vordtmeitt: Walther von Colne.
Nr. VIII.
Ii42y Jidi 8. Bericht der Aachener Deputierten über ihren Aufenthalt in Frank-
furt an Bürgermeister und Rat ihrer Stadt, Orig, Pap, *
Eirbere, vursichtige, lieve vrunde. Wir erbieden onsen willigen oitmoedigen dienst
so uch mit alle derae, des wir vermögen. Ind begeren nrrc liefden zowissen, dat wir
gestcrcn des satterstaigs zavent zo Franckefurdt qnäemen, dar onse'genedige here der
kunig euch yrst komen was, vander zyt, dat ho van heyme was geschciden. Ind hait zo
Wcsebaden gelegen ind gebait ind gerast. Ind zo Franckefurdt en synt noch egeync
fursten noch heren, dan myn here van Triere ind myn here van Mentze is byderhant zo
Hoesteyn. Ind myn here van Coelne is noch dar neden, den sayt man, dat nyest daigs
her up werde komen. Doch so is ons zo Franckefurdt laissen verstaen, dat vander geist-
licheiten wail drywerff me volcks hie sy, dant vurwas. Mer wir enkonnen uch ytzund
egeyne Sachen geschriven, die hie gehandelt mögen werden, doch sollen wir onse Sachen
vur ons nemen ind die ernstlich vervolgen, dat beste dar in zodoen na alle onset maicht.
Ind wir en vememen noch egeyne zydungc van onss genedigen vrunden van Borgonien
darumb off ir yet vemeympt, dat wilt ons over schriven mit den yrsten, dat ir kündt,
dat selfft werden wir uch euch schriven, off wir yet snnderlings vememen. Oot beware
uch altzyt. Gegeven des sondaigs op Kyliani onder segel myn Bncks, anno etc. [14]42.
Lambrecht Bück burgermeister,
Goitschalck von Hokirchen scheffen ind Johannes Hartman etc.
Adr,: Den vursichtigen, eirberen, onsen besondem lieven heren ind vrunden, burger-
meistem, scheffen ind raide des kuniglichen stoils der stat Aiche.
1) Aachener Stadtarchiv. — Vgl. Verseichnifi der Städte in Nr. I.
— 106 —
Weistümer von Oornelimünster.
Von H. Kelleter.
In einer Handschrift der Königlichen Bibliothek zu Berlin * befindet
sich die nach einem Schßffenbuch hergestellte Kopie dreier Weistümer des
Ländchens Oornelimünster. Die ebenfalls in Buchform ausgeführte Kopie
ist mit ihrem Original gleichzeitig anzusetzen. Nach den auf dem Vorsatz-
blatt und im Innern vorkommenden Eintragungen war sie ursprünglich
Eigentum des Johannes Giesen^ eines Mitgliedes der noch gegenwärtig
zu Oornelimünster blühenden Familie gleichen Namens. Das Original selbst
ist im Laufe der drei letzten Dezennien der ersten Hälfte des 17. Jahr-
hunderts entstanden, nämlich zwischen 1620 ^ dem ersten Regierungsjahr
des Abts Hermann von Eynatten* und dem 12. Juni 1643, dem Datum
unserer Kopie.
Den Inhalt der drei Weistümer * bilden erstens die Vogteigerichtsrolle,
zweitens die Grenzen und drittens die hohe Gerichtsbarkeit des ehemaligen
Reichsstifts.
Aus der Ordnung für das Vogteigericht lernen wir, dass die alte
auf dem Berge belegene St. Stephanskircho ^ als Mutterkirche anzusehen
ist, mithin älter ist als die im Thal liegende jetzige Pfarr- und ehemalige
Stiftskirche. Der liier ebenfalls genannte Vogt Wilhelm von Harff und
sein Stellvertreter Leonard Heyendal üben ihre Befugnisse aus auf Grund
der dem Hause Schönforst anklebigen Beamtung. Pfandherr des Hauses
Schönforst war Wilhelm von Harif seit seiner Heirat mit Maria Schellart
von Obbenhoff^ Aus dem weitern Inhalt der Rolle sind ersichtlich die
Bestimmungen über Bann und Frieden des Gerichts, über das Geleite dahin,
über die Zuständigkeit desselben für Adlige, Bauern und Arme, sowie
über die Exemtion der Geistlichkeit. Das Gericht übte auch das Aichungs-
recht über Masse für trockene und nasse Waren.
Im zweiten Weistum ist der genaue Verfolg der Grenzen des
Ländchens angegeben, etwas südlich bei Brand beginnend und von da
über Nord, Ost und West zu diesem Ausgangspunkt zurückkehrend. Der
Komplex, der auf diese Weise umschrieben wird, stellt sich als eine mit
dem breiten Ende nach Nord und mit dem spitzen Ende nach Süd gekehrte
») M. B. 860, Quart.
') Über die Stiftung einer Kapelle zu Bothe Erde durch die Eheleute Stephan
Giesen und Maria Hammers siehe Qu ix, Karmcliterkloster S. 67 ff. und S. 153 ff.
^) und *) Siehe unten auf S. 111, Anm. 2.
*) Andere Weistümer von Cornelimftnster bei Grimm, Weist. Bd. II, S. 778 und
S. 784, und ebenda Bd. VI, S. 707; bei Qu ix a. a. 0. S. 143 ff.
•) Dieser Titel findet sich oft bei Kirchen der morowingischcn und karolingischen
Periode. Siehe weiter unten S. 108, Anm. 1.
') Nach Strange, Gencal. Beitr., Bd. V, S. 88 und Pauls in der Zeitschrift des
Aachener Geschichtsvereins Bd. III, S. 363, Anm. 1.
— 107 —
Ovalform dar, die an dem Bordöstlichen Bogen bei Gressenich stark aus-
getrieben erscheint. In ideellem Sinne wird sie gebildiet durch die
Nordlinie, eine zweimal südlich und zwischenher einmal nördlich aus-
buchtende Spirale über Eilendorf, Stolberg-Süd und Gressenich-Nord, durch
die Ostlinie von der Nordspitze bei Gressenich über Schevenhütte, Vicht,
Zweifall bis Rötgen und durch die Westlinie, ausspringend von Rötgen
auf Neudorf bei Raeren, über Burtscheid-Süd nach Brand-Eilendorf. In
der Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins bespricht Bräunt diese
Grenzen des Ländchens nach einer Karte des vorigen Jahrhunderts. Unter
den von ihm erwähnten Örtlichkeiten wird für das unbekannte Repscheid
das an der neuen Raerenerstrasse gelegene Hofgut Hepscheid zu verstehen
sein. In der hier unten gegebenen Umschreibung finden sich manche
bekannte industrielle Örtlichkeiten und daneben merkwürdige Grenzörter,
deren Namen in deutschen Gemarkungen oft wiederkehren. Ich verweise
auf die Namen Bierbäumchen ^, Hermenstock, Falkenberg, Daasberg und
Hepscheid und die mit ihnen übereinstimmenden oder an sie anklingenden
Bimbäumchen ', Birkenbäumchen ', Mirbäumchen, Irmensul, Falkenburg,
Heppendorf, Heppiul etc.
Das dritte und letzte Weistum regelt den Umfang der hohen oder
Straf-Gerichtsbarkeit, besonders mit Rücksicht auf die Rechte, welche Abt
und Vogt darin zustehen. An den Verurteilten ist entsprechend dem
geistlichen Charakter des Grundherrn die Todesstrafe ohne Blutvergiessen
zu vollziehen.
Die vorgenannten Weistümer haben folgenden Wortlaut:
I. Als ein vogtgedeing wird gehalten.
Auf die erste manaug des vogts gibt zur antwort der äldiste scheffcn, wie bernach
geschrieben stehet:
Diesen tag erkennen wir zn ihrer furstl. durchlaucbt hcrtzogen zu Gulig, Cleve
und Berg etc. als einen gnedigen vogt, schütz- und schirmherrn dieses landts und dem
wollgebom und gestrengen Wilhelmen von Harff', freiherrn zu Alstorf etc., als einen
gnedigen vogt und pfandhcrren des hauscs Sch($nforst und Leonarden Heyendais ^ als
stadtheldern des vogts und Verwaltern des hauß Schonforst oder welchem sey das recht
dan befehlen werden.
Auf die zweite mahnung des vogts folgt der bescheid, daz man ban und fried
than soll wie von alders.
Folgt der ban und fried:
«) A. a. 0. Bd. III, S. 380 ff.
*) Vgl. Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins Bd. V, S. 50, ferner die. reich-
haltige Litteratur über die Entscheidungsschlacht am Beeren- oder Birkenbaum.
») Ein Herr W. v. H. wird erwähnt 1635 Juni 14, Quix, Beiträge aur Gegohichte der SUidt
Aachen Bd. III, S. 17, er wird femer bei Str Anir®« Beitrag zur Gkschichto der adeligen Oeachlechtor
Heft V, S. 88 nnter D. aufgeführt. Leider fehlt daselbst eine Angabe über die Lebenszeit. W. v. II.
lebte aber jedenfalls in der ersten Hälfte des 17. Jahrb. (Fahne giebt hier anch nur ungenügende
AuakunA.)
*) L. H. liesfl sich bei deoa mir hier sn Qebote siebenden Material nicht feststellen.
— 108 —
Auf diesem ietzigen vogtgeding so thnt man bann and fried in nahmen gottes roa
himmelreicb nnd Mariae seiner liebster matter; noch that man bann and fried von wegen
S. Comeliß als einen erbmarschalcken dieses lants; noch that man ban nnd fried yon
wegen S. Stephans als einen patronen der heiliger moderkirchen anf dem berg'; noch
that man ban nnd fried wegen ihrer farstl. darchlaucht hertzogen za Galigh, Cl[eve] * and
Bergh etc. als einen gnedigen yogt, schätz- and schirmherm dieses lants; noch that man
ban and fried wegen des woUcdelgebornen Wilhelmen yon Harff, freiherrn za Aistorf etc.
and pfandhcrm des hauses Schonforst; noch that man ban nnd fried wegen Leonarden
Heyendais, als statheldem des yogts and yerwaltem des haas Schonforst oder welchem
sey das recht befehlen werden; noch that man ban nnd fried wegen der scheffen die zu
dieser dynckbanck gehörig seint.
Der yogt thnt aach gepieten die lantleathen, die hie seind and hieher kommen
werden, daß iedermann hnisch ' and gatter theiren * sey, daß niemant den yogten stoaire,
noch die scheffen, noch iemant anders mit worden noch mit wercken, dardareh sich der
yogt yergessen mögt in seine mennenis* and die scheffen sich erschrecken in ihrem weiß-
thamb, daß sey das recht nicht so yolkömlig könten wiesen, als sey dasselbige mit ihren
eyden begriffen betten.
Ferner gibt der herr geleit nnd yorwart allen, lang and alt, inwendigen nnd aas-
wendigon rocht za geben and za nehmen, aasgescheiden nachtsbrenem, stras8cnschänder[n]
und mißthätigen, welche gegen ihre hochw., dessen gotteshaas oder anderthanen gestnirt
oder gcranbt betten. Dieselbige sollen kein geleit haben aaf dieser statt noch aaf keiner
statt, sofern als ihr hochw. za gepieten and za yerpieten hat. Weren sey aber zar
gnaden and zur besserang kommen, alsdan mögen sey ihres rechtens pflegen, gelden and
yerkaufen gleich andern lantleat
Were es aach sachen, daß ein geistliche person kftme an dies gericht, die sali man
wiesen an lad and stete, da sey hin gebairen nnd gehörig seind.
Were es auch sachen, daß ein hoffman, der von der gebort and einen Schilden
wcre, quäme an dies gericht und woUto seines adels gefurdelt sein und sich unyordrößlich
im rechten machte, dem sali der yogt gepieten, daß er beuisch und gutter thieren sey,
recht zu geben und recht zu nehmen, wie ihme die scheffen solches yon recht wiesen sollen.
Item der hansmann' der alhie ist und kommen wird, dem thut der yogt gepieten,
dass er solle yor recht geben und nebmen, wie es die scheffen yor recht wiesen sollen.
Item were es auch sachen, das ein armer mensch an dies gericht qnäme, der seines
patrimoniengutes yerbistert^ were umb armut und gebrechs halber, der soll den yogten
pitten, das er die scheffen mahne umb gottes will. Alsdan sali der yogt die scheffen
umb gottes will zu mahnen schuldig sein; die scheffen sollen auch schuldig sein zu wiesen
umb gottes will, der procurator soll ihm auch schuldig sein zu dienen umb gotteswill
gleich dem reichen umb sein geld.
Femer thnt der herr gepieten, daß iederman heuisch und gutter thieren seye an
>) Vgl. ttber die Matterkircbe St. Htopban, Rhoen in der Zeitachriit des Aachener Qeeohiohte-
Vereins, Bd. XVI 8. 116 ff, die arohitektonifche Beeohreibnng derselben.
>) Im Text eine.
*) huisoh = still. Im modernen Aachener Dialekt: beusch.
*) tere = Art. Vgl. Sohiller-Lübben, Mittelniederd. Wttrterb. Bd. IV, 8. 688 goder-quader
tere =» gnter, bttser Art.
*) maning, manisse, manenisse, menisse«: l'action de reqnirir une sentence au nom da
seignear siebe K. Stallaert, Qlossarium van verouderde rechtstermen, kunstwoorden en andere
uitdrukkringen Bd. XI, 8. 187.
*) hausmann ■= Bauer im Qegensats sn dem im vorstehenden Abschnitt bezeichneten hof&nan
= Adligen.
^ verbysteren, verdonkem, afhandig maken. A. C. Oudemans, Bydrage tot een liiddel-
en Oudnederlandsch Woordenboek Bd. VII, S. 250: Hier mach men meroken, hoe menige Landen rade
Ueerlicheden mit onreoht .... verbystert worden van hooren rechten Heer.
— 109 —
diesem gerieht, das niemand sprechen soll' ohn nrlanh der herrn oder baassen seinen
gobotten yorsprecher. Der darbanssen spricht nnd dies gebott verbricht, derselbig soll
dasselbig richten nnd besseren mit solcher bnß als ihme das recht auferlegen wird.
Anf die dreite mahnnng des vogt dieser bescheid, das die lantlente in die acht
gehen sollen ein, zwei, drei und so oft es nothig sein wird.
Auf £e vierte mahnnng des vogten folgt dieser bescheid :
Anf diesem ietsigen hoff- oder vogtgeding sollen hie sein allen die scheffen, die zu
dieser dingbanck gehörig sein nnd sollen helpen hohen und frtfgen, was unserm hoch-
wurdig[en] heren zu nah gehet ahn seine hochheit und herligkeit und dem lantman an
seiner gemeinden. Seind sie alhie, so haben sey voUthan ; seind sey nit hie, so weist man
sie anf die buss oder 5 mr.
Dieweii nun die scheffen solches über sich selbsten wiesen, so sollen auch hie sein
allen die lanUeut welche im diesem laut gesessen seynd und sollen auch helpen hohen
und frögen, was unserem hochw. horren zu nah gehet an seine hochheit und herligkeit
(u. s. w. Wie vor.)
Auch sollen hio sein allen die maßen, da man in diesem laut naß und dreug mit
aus- nnd inmaist. Seind sie alhie, so haben sie vollthan, seind sie aber nit hie, so weist
man sie hie auf die büß oder 5 mr.
Auch sollen hie sein allen die molterfasser, die in den mnhlen seind, damit man
darzu sehen kan, das sey gehalten werden wie von alders.
n. Folgt die lantvrog dieses läntlein St. Corneliss-Munster.
Den reing der Munsterischer gemeinden vrttgt man in der Schroffstrassen an der
Henttenigsseif ab bis auf den Brand; da liegen weyeron, die man vor gemeinden hftlt.
darvon geben die parteien, so die weyeren im gebrauch haben, iahrlichs der mutterkirchen
ein sum von wachs. So lang die keirch den wachs bckumpt und die nachbar des wassers
gebrauchen, leist man es darbei verpleiben.
Darvon dannen vrOgt man ab bis auf den Newenhoff'.
Von den Newenhoff vrögt man ab bis gegen das reich von Aachen und der
herlichkeit Eülendorff, da die reichsvorstmeistor und -vörster iahrlichs zwischen der
Elydschen-* und Munsterbuisch gftnger' und gescheider* gehen, das man darzu sehe, das
sey in ihren alden gang bleiben, damit ihr hochw. nit verkurtzt werde an ihrer hoch-
und herligkeit und der lantman an seiner gemeinden.
Darvon vrögt man ab bis in der Baffelseif. Von dem Baffelseif bis in die Endenfuhrt.
Aus der Endenftdirt vrögt man bis in die Klierserben. Aus der Kliersorben vrögt man
ab bis in die Inde. Darvon vrögt man dan den wasserstraum ab bis auf Schnorenfeld, da
die Vichtbagh in die lud f&llt Darvon vrögt man den wasserstraum die Vicht auf bis
gegen die herligkeit Stolberg, da weyeren und deichen gemacht werden; da vrögt man ihr
hochw. zu ihr wehrgeld, dass man auch darzu sehe, dass das wasser in seinem alden
>) Siehe oben die BrklAnuig von hoiioh, welche dnroh diesen Zmats bestätigt wird. Hnisoh
ist nioht etwa von bovisoh = httpsoh »bsnleiten, wie dies noch manohmal ohne Kenntnis historischer
Lautlehre geschieht; das Wort ^hübsch* ist sndem im Aachener Dialekt enthalten^ aber nur als
Ijehnwort. Unser dialektisches heusoh, alt hoisoh, ist vom Stamme hasch, hnsohen = leise, flttohtig
gehen hersoleiten.
*) Bei Braan a. a. O. 8. 881: „EödigersUf .
>) Urkunden ttber N. bei Quiz, Qesohiohte des Karmeliterklosters S, 112 ff.
*) Heute Atsoh. Ueber Streitigkeiten der Aachener Beichsangehörigen (Quartiere Wttrselen,
Haaren und Weiden) mit den Comelimttnsterer Unterthanen su Eilendorf betr. Nutsung des Atsoher
Waldes im 17. Jahrb., siehe v. Fttrth, Beitrüge und Material sur Oesohiohte der Aachener Patrisier-
famüien Bd. II, S. 618..
•) &^8 = Weg.
*) gescheid = Scheidung, Qrenze. Schiller-Lttbben a. a. O. Bd. II, S. 76.
— HO —
gft&g bleib, damit ihre bochw. nit verkurtzt werde an ihrer bochheit nnd herligkeit und
der lantman [nit an] seiner gemeinden.
Von der herligkeit Stolberg vrtfgt man den, wasserstranm auf bis gegen Bintfelts-
hammer, da vrOgt man ihrer hochw. iährlichs dr«y frantzen cronen zn. Darvon dan vrogt
man dan den wasserstranm auf bis gegen die Vicht, daselbst das wasser vormahls etliehe
ansbörst gethan hat, damit man darzn sehe, dass das wasser in seinem alden gang pleibe
und ihr hochw. nit yerknrtzt werde an ihrer bochheit und herligkeit und der lantman
an seiner gemeinden.,
Von der Vicht vrögt jnan femer den wasserstraum auf bis gegen Junckershammer«
Von Junckershammer vrögt man das wasser auf bis gegen den Alden Hammer und yon
iedem hammer vrögt man ihrer hochw. zu ihr webrgeld.
Von den Alden Hammer vrögt man auf bis gegen den Zweifel \ daselbst das wasser
auch vorroahls einige ansbörst gethan hat, dass man darzn sehe, dass der straum in seinem
alden gang pleibe, damit ihr hochw. nit verkurtzt werd (u. s. w. Wie oben.)
Von dem Zweifel vrogt man femers den wasserstraum auf bis gegen das Altwerk
und darvon dannen bis gegen MauUertshutten ', da das wasser auch vormahls etliche
ansbörst gethan hat, damit man darzusehe, dass das wasser in seinem alden gang , bleibe,
damit ihre hochw. nit verkurtzt werde (u. s. w. Wie oben.)
Von Maullertshutten vrögt man auf bis in die Inselsfuhrt. Aus der Inselsfuhrt
bis in die Enllenfuhrt. Aus der EuUenfuhrt bis in die Schwartze Waglu Ana der
Schwartzer Waagh vrögt man auf bis in die Fouckersfuhrt. Aus der Fouckersfuhrt bis
in die Backersfuhrt. Aus der Backersfuhrt vrögt man den wasserstraum auf lanster die
Valheit, bis da die Eschbag aus dem Monscher gewelts f%lt in die Grewelsbag.
Davon dannen vrögt man den seif auf neb^n den Nachtsbora oben umb die
Kammelshag die heid auf bis auf einen lägerstoin, der mit nageln gezeichnet ist und
schetdt das laut von Munster und das laut von Eymburg*.
Davon vrögt man durch das Vyen * die heggen uf bis auf das Bierbftumgen, welches
nunmehr ist vergänglich worden; so wollen wir doch die malplatz in unserer vrogen und
gcdanken halten bis zur zeit zu, dass die landherren beyderseits bedacht werden und
setzen daselbst ein new lantscheid, damit ihr hochw. nicht verkurtzt werde (u. s. w.)
Von dem Bierbäumgen vrögt man den Reichsbuisch ab bis auf einen stein, welcher
auch mit n&geln gezeichnet ist, welcher auch gehalden wird vor ein landscheid.
Von demselbigen vrögt man bis auf den Hermenstock, welcher auch ist vergänglich
worden, so wollen wir dieselbe platz in unserer vrögen und gedankcn halten bis zur zeit
zn, dass da gesetzt wirt ein new landscheid, auf das ihr hochw. nit verkürzt werde (u. s. w.)
Von den Hermenstock vrögt man lanster der Reichsbuisch den seif ab bis in die
Falckcnbag, aus der Falckenbag bis undcr den Falckenbe^ boven den grindel in einen
weg, welcher genant wird, der Muckenweg. Von dem Muckenweg vrögt man lanster den
reichsgraf auf hinter der Sehmitten umb bis in den Alten Geisseisbora. Aus dem Alden
Geisseisbora vrögt man den Alden Geisselsborasseif ab bis in die Vrischbagh, da liegen
etliche benden, welche vorzeiten mit lebendigen gezeugen bekundet sind, dass dieselbige
gemeinden gewesen seye; so wollen wir die platz in unserer vrogen und gedanken halten
bis zur zeit zu, dass solches abgeschafft werde, damit das erf seye und gemeinden bleibe
umb dass ihr hochw. nit verkurtzt werde (u. s. w.)
Aus der Vrichbag vrögt man ab bis in die Ytternbag. Ans der Ytternbag vrögt
man lanster die Brandenburgische erben bis gegen die Eventheuir ^ Von der Evcntheniren
vrögt man bis auf die Breyteweg, von den Breytenwegen vrögt man über bis in die
>) j. ZweifaU.
«) j. Malart«htttte.
') Wahrscheinlich verschrieben statt Lymbnrß.
*) Das Vonn.
*) Abenteuer Tom romanischen ad Ventura.
— 111 —
Frennet auf einen stein, welcher auch mit nageln gezeichnet ist und vor ein latitschcid
ansgesatzt.
Von demselhigen stein vrGgt man bis anf den Peschborn. Von dem Peschborn Trögt
man aber bis auf den Daasberg auf einen stein mit nageln gezeichnet, welchen man hält
vor ein lantacheid, welcher bei lebzeiten herr Hinrichen Ton Binsfelt und durch einen
cantzler aus Brabant in gegen wart vielen lantleut zu beiden selten ansgesatzt ist Tor
ein lantscheid.
Von dem^elbigen lligerstein vrögt man aber bis auf den Alden Schornstein zu
Hepschcid. Von dem Schornstein viögt man ab bis in die Mirgelkoul. Aus der Mirgcl-
koulen vrögt man ab bis in die Endcwcyeren. Aus den Endcnweyeren vrögt man über
bis in die Reischeider benden bis in Raashoff, da plagen drey eychen zu stahn, die man
Tor ein lantscheid hat gehalten, welche eichen nunmehr seiud vorgenglich worden. So
wollen wir die platz in unserer vrogcn und gedanken halten bis zur zeit zu, das die
herren zu beiden selten einig und bedacht seind und setzen daselbst ein new lantscheid,
damit ihre hochw. nicht yerknrtzt werd (n. s. w.)
Darvon danncn vrögt man über bis auf den Alden Hasscnschorcnstein zu Heitfcld.
Von demselhigen schoronstein vrögt man lauster die Pa£fenbecken ab hinter Tripshoff umb
in einen poel, welcher genant wird der QemeindepoeP.
Aus dem Gemeindepoel vrögt man ab bis auf den Ncwenhoff, da erlieden die
crbgenamen des Newenhoffs, dass man über ihr erb fahret, dessen gebrauchen scy die
Straß, welche mit holz bewachsen ist, darfur und haben das holz davon abgohawen; zu
welcher zeit nun die crbgenamen ihr erb schlicssen wurden, alsdan solle man die straß
uf wiedernmb thun und soll sie machen, dass mau aus einem lant in das ander kau
gerachen. End der lantvrogen.
III. Weißthumb wie man einen mißthätigen menschen verwiesen
und richten soll etc.
Erstlich soU der Schultheis die scheffen mahnen, wer vor mein hochw. herr der abt
zu halten.
Alsdann so wiesen die scheffen, sey kennen einen ehrw. herren abten mit namen
Herman von Eynatten' vor einen grundherron und vor einen herren dieses lants.
Zum zweiten ihr scheffen seit vort gemahnt, wem ihr das hohe gericht zuerkent.
So wiesen die scheffen meinen herre[cn] herren dem abt za, dess daz hohe gericht ist,
und er mag richten lassen über hals und bauch, so oft es noth ist, verurkundt der stadt-
helder ihr hochw. etc.
Zum dritten ihr scheffen seit gemahnt, wan mein herr wllt richten lassen, wie er
sich mit dem vogt zu verhalten habe. Sollen die vorschrjebone schöpfen wiesen; wan
unser ehrwürdiger herr richten will lassen, so sali er dc[n] vogt auf den tag darbei
Vorbescheiden und aldar sali der vogdt dann bey sein mit dem glockenklang und sali
meinem herren und dem lant scliirm thun, so oft das geburth.
Zum vierten seit fort gemahnt, ob der vogt auf den benanten tag nit darbey käme,
wie sich mein herr dan zu verhalten, ob er seines gerichts darumb entbehren solte etc.
Darauf sollen die verschriebene scheffen wiesen, der vogt komme darbey oder niet : darumb
soll mein herr des gerichts nicht lassen.
1) Braun a. o. O. S. 881 : Qeminepfahl.
*) In dem catalogna abbatum s. Comelii prope AquUgranum, saeo. XVII, Handschrift der
Königl. Bibliothek su BrttBsel, ist H. v. £. als der 40. Abt nn<l als am 2a Jnnii 1645 vorstorben
ange^ben. (Zeitaohrift des Aachener Geschieht s Vereins Bd. IX, S. 217 und 218.) Ferner erwähnt zum Jahre
182B Janaar 2 und 1686 Sept. 19 bei Qu ix: „Die Herrschaft Eilendorf und die Sohönforster Vikarie in
Aachen**. (Qnix, Geschichte des Karmeliterklosters S. 61 und S. Sl.) Nach So hörn, Eiflia saora Bil. I,
S. 408, regierte H. v. E. von 1020—1645.
— 112 —
Zum fünften ihr schefifen seit gemahnt, auf waa stftdten oder platzen mein herr
soll richten lassen. Sollen sey wiesen: auf allen enden hinnen St. Comelis-pftUen, wo
meinen herren das gelieht sonder allein auf geweihte platzen oder iemants erf.
Zum Sexten seit gemahnt, oh mein herr auch macht hah einen mißthädigen loß
nnd quit zu gehen, ohn und banßen den vogt. Wiesen die scheffen: mein herr möge
mißthlldige menschen loß and qnit geben hanßen den vogt, er seye verwiesen oder
unyerwiesen, ansgescheidcn da einige cieger quämen, so hette mein herr die macht nit,
ihmen ^ loß zu geben banßen willen des clegors ; and qaäm der mit gelt and gat darvon,
das soll mein herr and der vogt zugleich theilen. Verarkandt der stathelder.
Zum siebenden ihr schefifen seit gemahnt, wer dem gericht gnag than soll vor die
gerichtskOsten. So wiesen die schefifen: habe der mißchädiger mensch einig gelt oder
gnt, darvon sali man das nehmen, and so was darvon aberscheast, soll mein herr and der
vogt zugleich theilen. Ist es aber Sachen, dass der mensch oder mißthftdiger nichts hette,
so soll mein herr die kost allein thun.
Zum achten seit gemahnt: aldar sitzt ein mensch in dem stock, der alsolehe
wercken gethan hat, die leib und leben antrefifeu, wie ich mich darmit zu erhalten in
nahmen meines herren. So wiesen die schefifen : man soll den menschen vor gericht lassen
kommen, ungehalten und ungebunden, und fragen, ob er bey den werten pleib, die er vor
bekant hat; wan sie das hören, so willen scy wiesen, was recht ist.
Zum neunten soll ihn der schulthis thun loß vor die banck kommen und fragen,
ob er bey den werten pleibt, die er vor' im thum bekant hat; spricht er ia, so soll der
schulthis wegen meines herren solches verurkunden.
Zum zehnten seit fort gemahnt, ihr schefifen, umb daß recht, wan er bey den
werten pleibt, die er zuvor bekant hat So wiesen die schefifen nach den wercken, so der
mensch bekent gethan zu haben, so verwiesen wir den menschen zum todt. Solches
verurkund der schulthis.
Zum eilften seit gemahnt, nachdem er die wercken bekant, wie man ihnen richten
zwischen himmel nnd erd, sonder blutsturtzen. ' Ist er ein mörder, so wiesen sie ihnen
aufif ein radt und das haupt ab. Ist er aber ein mörder und ein dich, so verweist man
ihnen auf ein rad und ein galgen drüber.
Kleinere Mitteilungen.
1. Verleihung eines goldenen Brostkrenzes an die Kanoniker des
Aachener Liebfrauen-Mttnsters durch Kaiser Josef U.
Den vielen päpstlichen und kaiserlichen Vergünstigungen, welche den Kapitularen
des Aachener Liebfrauen-Mttnsters, als der Krönungsstätte so vieler deutscher Könige im
Laufe der Jahrhunderte zu teil geworden waren, fttgte Josef II. im Jahre 1778 eine neue
hinzu, indem er denselben ein von der Kaiserkrone überragtes goldenes ßrustkreuz verlieh,
welches an einem mit schwarzer und gelber Einfassung versehenen blauen Bande getragen
wurde. Eine Abschrift^ der betreffenden Vcrleihungsurkunde, welche unseres Wissens
bisher noch nicht veröffentlicht worden ist, lassen wir hier in unveränderter Form folgen :
>) st ihn.
*) vorher.
*) blat vergiessen.
*) Die Abschrift befindet sich im BesiUe des Herrn M. Schollen, welcher dieselbe sweoks Ver-
öffentlichung bereitwilligst zur VerfUgting gestellt, woflkr ihm an dieser SteUe gebtthrender Dan^
ausgesprochen sei.
— 113 —
Wir Joseph der Andere etc.
Bekennen fttr Uns und Unsere Nachkommen am heiligen
Römischen Reich öffentlich mit diesem Brief, und thnn kund allermenniglich-wasgestalten
Uns allergehorsamst vorgetragen wurden, wie daß unser Königliches Krönungs-Stift zu
unser Lieben Frauen in Aachen vom Kayscr Carl dem großen erbauet und vom Pabst
Leone dem Dritten im Jahre achthundert vier persönlich eingcweyhet, zur Kayserl.-
Krönung bestimmet, auch daselbst acht nud zwanzig Kaysere gekrönet worden seyen\
dann ein grosser Theil deren Kayseriichen Reichs Insignien darinn aufbehalten werde, auch
jederzeit ein crwehlter Römischer König bey seiner Krön- und Einsalbung als ein würk-
liebes Canonical Mitglied', Sich zu bekennen, forthin die Kirche seiner höchsten Person
ganz besonders anzueignen würdige, sodann ferner dieses Krönungs Stift ans theils
ritterbürtigen theils graduirten Membris' nemlich aus dreyeu Prälaten, als einem zeit-
liehen Probsten, Dechanten und Chor-Bischofen * aus drcy und zwanzig Capitularen, unter
welchen Dechant- und Chorbischof einbegriffen, aus acht Domicellar-Canonicis, und zweycn
vicarüs repriis^ benebst aus einer Clerisey von fünfzig Personen bestehe, mithin in mildestem
Anbetracht bemelter Ursachen diesem Capitul jederzeit viele Gnaden und Vorzüge von
Weyland Unseren Vorfahren am Reich und durch derenselbeu Protektion von dem Päbst-
lichen Stuhl zugeflossen seyeu, wie dann unter anderen im Jahr Neunhundert Sieben und
Neunzig Papst Gregorius der fünfte in einer Verleyhung bey dieser Kirche Sieben Pres-
byteros Cardinales und ebensoviele Diaconos Cardinales ans der Zahl der Capitular
Canonicomm bestellet ^ anbey jenen eine pnpurfärbige mit rothen verbrämte, diesen aber
und anderen Canonicis allzeit eine distinguirte Chor-Kleidung zageeignen habe, und da
Wir nun in allermildester Erwegung dieses um Uns und Unseren Vorfahren am Römischen
Reich sich verdienstlich gemachten jederzeit im flor und besonderen Glanz gestandenen
auch Uns als Römischen Kayser, aus oberwehnten Ursachen besonderes zugehörigen und
geeigneten uralten Stifts Uns allcrgnftdigst bewogen befunden, selbes mit Ehren Würden,
und Wohlthaten vor all-anderen, zu begaben, und Unser Kayserliche Hoheit bey demselben
noch herrlicher und scheinbahrer zu machen.
So haben wir demnach aus obangeftthHen und mehr anderen Unser Kayserliches
Gemftth bewegenden Ursachen mit wohlbedachtem Muth, gutt-m Rath und rechten Wißen,
denen Ehrsamen Unseren lieben Andächtigen Probsten, Dechant und Capitularen Unser
lieben frauen Stifts Kirchen zu Aachen die Kayserliche Gnade getlian, sie in noch höhere
Ehre und Ansehen zu erheben, und Sie mit der Zierde eines um den Hals auf der Brust
zu tragenden Gnaden und Protections-Zeichen zu begnadigen.
Verleihen solchemnach dencnselben Probsten, Dechant, und Capitularen, zusammen
vier und zwanzig an der Zahl, das hiernach beschriebene Gnaden und Protections-Zeichen
als ein au einem blauen mit schwarz und gelb eingefassten Band, welches mit einer
Kayseriichen goldenen Krön ober den Ring geschlossen ist, hangendes goldenes Capitnlar
Kreutz, auf welchem sich auf einer Seite im blauen runden Schild mit Gold die von
dem Kayser Carl dem großen die Kirche zum Opfer annehmende Mutter Gottes darstellet
und auf der anderen Seite das Capituis Wappen, nemlich ein in die länge getheilter runder
>) Im s^anaon sind in Anohen 37 Könige und 12 Königinnen gekrönt worden.
^ Nach der Krönung wurde der König in dos Kollegium der Kanoniker aufgenommen. Zwei
(Geistliche vertraten des Königs Stelle im Chonlienst«, weshalb sie vloarif regU genannt wurden.
*) Noch dem »Raths- und HtMatskalender auf das Jahr Christi HMS" war damals noch ein sehr
grosser Teil sowohl der Prälaten — Propst, Dechant, Hänger ~ als sncb der Kardlnolpriester nnd
Kardinaldiakonen, sowie der Snhdiakonen und Domic<>llaren am Königlichen Krönungsstifl gräflicher,
freiborrlieber oder sonstiger adliger Her)canft.
*) Der SU den Dignitären de« Kapitels gehörondo Ohorblschof oder Hänger hatte den Chor-
dienst sa leiten.
*) Siehe Anm. 2.
•) Gregor V. ernannte im» Jahre 997 (Quix, Co<l. dipl. p, I, S. 86j von den Kanonikern sieben
zu Kordinalpriestem und Biehon scn Kardlnahliakunon. Rrstero tollten das Vorrecht, am Marienaltar
celebricrcn zu dUrfen, nur mit dem Ifetropolii4*u von K6ln und dem Diözesnnbischof von LUtticli.
— 114 —
mit einer güldenen Kayscriicheu Krön bedeckter Schild sich zeiget, in weichem rechten
goldenen Feld ein an die Schildstheiiung angelegter schwarzer Adler zu ersehen, nnd das
linke blaue Feld mit goldenen Lilien bestreuet* ist; wie solch- alles nun beschriebenes in
ünserm Kayserlichen Gnadenbrief zu ersehen und mit färben eigentlich entworfen und
gemahlt ist.
Wir verordnen anboy aus Römisch Kayserlicher Machtvollkommenheit wissentlich
in Kraft dieses Briefes, und wollen, daß jeweilige Probst, Dechant und Capitularen obge-
dachter Kirchen zu Aachen, zusammen vier und zwanzig an der Zahl, obbeschriebeues
Unser Kayserliches Onaden- und Protektions-Zeichen nun und zu allen Zeiten am Hals
auf der Brust tragen sollen und mögen und, daß ein solches a Capitnlo Ihnen auszureichen,
nach Absterben eines jeden deren aber, der mit gedachtem Gnaden und Protektions Zeichen
begnadiget worden, dahin zurück zu liefern seye; wie sie denn auch noch Unseres beson-
deren Kayserlichen Schutzes und Schirms, in welchem Wir Sie anmit gnädigst aufnehmen
sich freuen gebrauchen, und genießen sollen, von allermcnniglich ohnverhindert.
Gebieten darauf allen und ^eden Churfttrsten Fürsten Geist- und weltlichen Prälaten,
Grafen, freyen, Herren, Bitteren, Knechten, Land-Marschallcn, Lands-Haup'.ledten, Land
Vögten, Hauptleuten, Vitzdomen*, Vögten, Pflegcren, Verweseren, Amtleuten, Land-Rieb-
teren, Schultheißen, Bürgermeisteren, Richteren, Räthon, Kundigeren der Wappen, Ehren-
holden Porsevanten Bürgeren Gemeinden, und sonst allen anderen Unseren und des Reichs
Unterthanen, nnd getreuen wes Würden Standes, oder Weesens die seynd, ernst und vestig-
lich mit diesem Brief, und wollen, daß sie mehr bemelte Probst Dechant, und Capitularen
Unserer lieben frauen Stifts Kirchen zu Aachen zusammen vier und zwanzig an der Zahl,
bey dieser unser kays. Gnadeus Verleyhung mehr berührten Gnaden und Protektions-
Zeichen, wie vorstehet, auch Tragung dessen je und allezeit geruhiglich bleiben lassen,
sie daran nicht hinderen, irren, noch das jemands anderen zu thun gestatten, in keine
Weis noch Wecge, als lieb einem jeden seye, unsere und des Reichs schwere Ungnad und
Straf und darzu eine Pocn, nemlich hundert Mark löthigen Goldes zu vermeiden die ein
jeder so oft er freventlich hierwiederthäte, und sie iu allen oben gedachten Unseren ihnen
allermildest erthcilten Kayserl. Gnaden, Ehren und Unserer Kays: Gnadens Verleyhnog
oft bemelten Gnaden und Protections Zeichen beeinträchtigen würde, Uns halb in unsere
und des Reichs Catnnier und den tindereu halben Theil oft besagten Probst, Dechant und
Capitularen Unserer üeben frauen Stifts Kirchen zu Aachen, so hierwieder beleydigt wurden,
unnachläßlich zu bezahlen verfallen seyn solle; doch uns nnd dem heiligen Römischen
Reich an Unseren und sonst männigbch an seinen habenden Rechten nnd Gerechti|i^keiten
un vergriffen und unschädlich.
Mit Urkund dieses Briefs besiegelt mit Unserm Kayserlichen anhangendem Insie^l
der geben ist zu Wien den zweyten Tag Monaths Novembris nach Christi unseres lieben
Herrns und Seeligmachers gnadenreicher Geburt im siebcnzehenhundert drey und slebcu-
zigsten Unseres Reiches im Zehenden Jahre*
Joseph m. p.
vidit R. Archicancellarius. fürst Colloredo' m. p. Ad Mandatum Sac. Caes.
Majestatis proprium
Franz Georg von Leykamp m. p.
Collatat. und registr. M. de Molitor m. p.
1) Dasselbe Kreuz trafren auch heute noch die Stif^sherren am hiesigen KollegialtstifV, jedoch
ohne Krone an einfachem schwarzen Bande.
»j Ein Vicedominus (Viceprobst, Vitsthnm) war Vertreter des Propstes bei der I«ehii* od^r
Mannkaramer.
») Rudolf Josef, Graf von Colloredo, geboren den 6. Juli 1706, wurde 1737 Beichsvisekaiuilea-,
176B in den Fürst^jnstand erhoben und starb den 1. November 17**8.
Aachen. H, Sehnock,
— 115 —
2. Stadtsyndicns Anton Wolf.
Beim Ordnen der Reich stagsaktcn des hiesigen Stadtarchivs fanden wir nachstehenden
Brief. Er ist Ton historiographischem Interesse und bietet zugleich einen Beitrag zur
Geschichte eines Mannes, der in der bewegtesten Epoche Aachens, der Zeit der Oegonrefor-
mation, eine bedeutende Rolle gespielt hat. Anton Wolf, sein Gönner Johann Unland und
der bekannte Büi^ermeister Johann Kalckbcrnor waren die Häupter der protestantischen
Partei, die das Stadtregiment allmählich ganz in ihre Gewalt gebracht hatten. Der Eingriff
der Spanier von den Niederlanden aus entriss es ihr und zwang ihre Anhänger, darunter
in erster Reihe den Syndicns Anton Wolf, die Stadt zu verlassen. Der Brief hat mit der
Adresse des Umschlages folgenden Wortlaut:
Denen hocbwohl-, wohl- und hocbedelgebomen , hochgelabrten auch hochweisen
herren burgermeister, scheffen und rat des heil, römischen rcichs freien sUdt Aachen,
meinen insonders hochzuehrenden herren.
Postfrei bis Cöln. Aachen.
Hochwohlgeborne, wohl- und hochedelgeborne, hochgelahrte herren, insonders
hochzuehrende herren!
Ew. hoch wohl-, wohl- und hochedelgeboren werden aus den dortigen rats-archiven
sich Icichtlich überzeugen können, dass vom jähr 1611 bis 1614 ein gewisser zu damaligen
zelten seiner geschicklichkeit halber sehr bekannter und berühmter doctor juris Anton
Wolf, der nachher vom kaiser Ferdinand in den freiherren-stand unter dem namen von
Todcwarth erhoben wurde, das syndicat der kaiserl. freien reichsstadt begleitet habe.
Er war zu dieser stelle durch vermitteluug eines gewissen doctor Johann Rulands ge-
kommen, hatte sich 1612 mit einer gewissen Katharina von Beeck daselbst verheiratet
und vorliess diese syndicatsdienste bei der harten belagemng des uuf eine traurige art
sich unsterblich gemachten Spiuola*, wendete sich nach Utrecht, von da nach Strassburg,
endlich nach Darmstadt, und dessen posteritö hat sich in hiesiger gegend verbreitet, wo
sie noch blühet.
Da nun vor kurzen ein abkömmling eines Anton Wolfs in dem bezirk des mir
gnädigst anvertrauten amts verstorben ist und ich einige von dessen erben unter meine
Vormundschaft bekommen, dabei aber unter denen büchern und litteralien des defuncti,
welche veräussert und versilbert werden sollen, vier ziemlich starke in säubern pergamen
gebundene folianten von Sammlungen an sehr leserlichen manuscriptis vorgefunden habe,
welche den königl. stuhl und des heil, römischen reichs Stadt Aachen tangiren und
einem vierjährigen syndicat ihr entstehen zu verdanken haben, als
Religions- •,
Cöllnische sessions-*,
Jurisdictions- und appellations-,
Münz- und reichsmatrikel-sachen ;
Besetzung des rats zu Aachen von 1450 bis 1584^;
1) Am* 26. Augast 1614 beseUste der spanische Felilmarsoliall Ambruglo Spinola Aachen, tun die
vom Kaiser Mathias über die protestantisclien Machthaber der Sta<lt ausgesprochene Acht zu vollziehen.
*) Vgl. Akten -Sammlung, verachiedcntliche Streitsachen der Stadt Aachen InöO bis 1H96,
Munuscript, im hiesigen Stadtarchiv.
•) Bd. XVJI der Handschriften-Sammlung des Stadtarchivs: Kayserliche Reichsstadt Aach
contra Stadt Colin anno 1570 den Vorsitz betreffend [Vomembste Scliriften und Handlungen zu streitiger
Sessionsach der Stätte Aach und Colin : darin beeder Statt vornembste Privilegin sambt andern gedonk-
würdigen Händeln, brieflichen Urkunden, Historien und Erzehlungen befindlich. In dieser Sach seind
Commissarii gewesen der ChnrfUrst zue Trier und Bischof zue Speyer.] Der Hauptfoliant Über den
Sessionsstreit beruht im Stadtarchiv Köln.
*) In der Quixsohen Sammlung in der Königl. Bibliothek zu Berlin. Vgl. C. Wacker, Leben
and Werke des Aachener Geschichtsschreibers Christian Quix S. 57 [Ms. boruss. in foL Nr. 758: Wie
es mi^ Besatzung des Raths zur Aach von 1450 bis 1584 gehalten].
— 116 —
Instructiones zu reiehstttgen*;
Friedens-trac taten ;
Eccesse der stadt and bürgerachaft;
Kaiserliche kommissionsprotokollc, besonders von 1612 und 1618,
and dergleichen mehr
betreffend, von welchen ich es vor unverantwortlich halten würde, wenn solche nicht in
dero gewahrsam kommen selten: so habe ich mich allenthalben vor verbanden gehalten,
Ew. hochwohl-, wohl- und hochedelgeboren solches hierdurch gehorsamst ergebenst bekannt
za machen and denenselben den verkauf derselben anzutragen. Würden nun dieselben
sothane manuscripta an sich zu bringen gesonnen sein, so dürften nur dieselben drei
stück alte vollwichtige Louis d'ors nebst einer adresse nach Frankfurth am Mayn mir niit
ehester post zuzuschicken geruhen, worauf ich diese 4 folianten wohlgepackt und zwar
postfrei bis Frankfurth zu übersenden nicht verfehlen, zugleich aber auch mir zur ehre
hochachtungsvoll allstets sein werde
Ew. hochwohl-, wohl- und hochedelgeboren'
Hildburghausen, gehorsamst ergebenster diener
den 28. märz Johann Gottlob Bottenbach,
1784. herzogl. sächs. rat und amtmann allhier.
Aachen, W, Brüning.
3. Handelspolitisches aus der „ Reichsherrlichkeit'' Bartscheid.
Im 18. Jahrhundert bot Deutschland ein Bild staatlicher Zerrissenheit, wie es so
traurig noch keine Epoche deutscher Geschichte gesehen hatte. Nach allgemeiner Annahme
sollen im Jahre 1789 etwa dreihundert Staatengebilde in Deutschland neben und durch
einander gelegen haben. Aber nach einem bisher unbekannten Verzeichnis aus dem Jahre
1790', das auf dem hiesigen Stadtarchiv beruht, waren es 389 ausser „Chur-Böheim* und
den „Burgnndischen Nieder-Erblanden*^. „Die kaiserliche unmittelbar freie Beichsherrlich-
keit Burtscheid" gehörte auch zu diesen Staatengebilden und sie liefert gleichfalls lehr-
reiche Beiträge zu deren wenig erfreulicher Geschichte. In Nachstehendem veröffentlichen
wir einen solchen, dem wir andere folgen lassen werden, um zu beweisen, wie berechtigt
unsere Beurteilung der Produkte der deutschen „Landzcrtrennungspest^ ^ ist. Der territorialen
Beschränktheit solcher Stäätlein wie Burtscheid entsprach die Beschränktheit des Blicks
seines Regiments, die Kleinlichkeit, die Energielosigkeit, die Streit- und Händelsucht
Wer bei der Betrachtung der „Geschichte^ Burtscheids nicht an der Oberfläche hängen .
bleibt, kann sie in drei Kategorieen einteilen: Differenzen der Bnrtscheider mit Aachen,
Differenzen mit der Äbtissin und Differenzen unter sich.
In dem Verfasser des nachfolgenden handelspolitischen Gutachtens, das Ansichten
vertritt, die erst im neuen deutschen Reich zum Teil praktische Geltung erlangt haben,
dürfen wir wohl einen Bnrtscheider Fabrikanten vermuten. Er wendet sich gegen die
Verordnung des Gerichts zu Burtscheid, die in den siebziger Jahren des vorigen Jahr-
hunderts erlassen worden war und der Bnrtscheider Industrie Schwierigkeiten bereitete.
„Dass durch den handel alle königreiche, fürstcntümer, republicken, länder, Städte
und Ortschaften ihre blute und fruchte vemutzen und übersetzen, dem einem aber von
1) VgL Ck>n8iliiim in causa Aqaensioxn zur iDstxuction fUr den Reichstag 1504, bei Wacker a. a. O.
*) Zwischen dieser und der folgenden Zeile steht mit rotem Bleistift geschrieben: «Die Louis
erhielt er."
*) Korrespondenz des Gesandten der Reichsstadt Aachen am Reichstage zu Regensburg Ludwig
Edler von Winokellmann vom 81. December 1790.
^) Diesen drastisclien Ausdruck für die territoriale und politische Zersetcung Deuucblands
gebrauchte ein anderer Gesandter Aachens am Regensburger Reichstag bereits im Jahre 1721. £r
beweist, wie sehr einsichtsvolle Männer die Kleinstaaterei verurteilten.
— 117 —
dem Schöpfer etwas mehr, dem andern weniger, auch nicht jedem der art nach gleich,
sondern seiner läge gcmässige hervorhringongen verstattet und der politische weltkörper
immerhin betrachtet worden seic wie ein menschlicher, dessen inn- und ftusserliche teile
ihre Verrichtungen in einem Zusammenhang denuasscn bezeigen, dass, wann ein einziger
in der seluigen durch einen znfall gchcmmct und das blut sammt übrigen säfteu in ihrem
freien anf- und abtrieb verhindert, fort deren ordentliche werkung an und in gehöriger
stelle sehr wenig oder gamicht verspüret werde, der ganze leib solches so lang empfinde,
^bis die hindernüs gehoben und alles wiederum seinen freien lauf gewinne: dass ferner
der handel als die seele des politischen körpers in ihren ordentlichen Verrichtungen so
frei und ungehindert sein müsse als die des menschlichen, ist eine durch die urfahrnüs
so bekannte sach, dass, wo, so lang die weit stehet, und nach dem ersten in blossem
tausch bestandenen handel das geld aufgekommen und der kauf mehren theils cingetrctten
ist, auch kein einziger monarch, regeut oder Vorsteher sich mit Vernunft habe beigehen
lassen, durch einige Verordnungen der freiheit dieser seelen ihrer würkung widrige
schranken zu setzen: es wohl für ein bloss und vemunftloses anmassen des burdscheider
gerichts anzusehen seie, da dasselbe nur in contentiosis der jnstitz zu verwalten, keines-
wegs aber und noch um so weniger in dieser kenntlichen materia politica unter dem
dahero leeren, sonsten aber nur in der tragnug gemeiner lasten geltenden vor wand, als
müsten diejenige, so gemeinsame bürden tragen, sich auch sammeutlich
unter die arme greifen, einzumischen hat, als nicht dasselbe, auch nicht die frau
abtissin, sondern, zumalen bei jetzigen umständen, wo ein ehrbarer rat der stadt
Achen die superioritatem territorialem über Burtscheid reklamirt, sich mit dergleichen
Vortrag und allenfalsigen bedrohung äusseren mag, so dass, wann selbiges gericht dabei
beharren und wider die herren tuchfabrikanten zu Burdscheid in concreto oiler abstracto
ferner vorschreiben und deren bereits gethane triftige antworten daselbst keinen eiutruck
finden selten, gedachte herren vorab unter der band diesen verfall etwa dem herrn
stadt-syndico Denys oder auch directe denen herren bürgermeistern mündlich bekant zn
machen keinen anstand zu nehmen und nach deren äusserung bei einem ehrbaren rat
darüber ein ordentliche Vorstellung einzureichen und darauf zu ihrer verhaltung das
gemessene sich auszubltten, allenfalls aber bei fernem des gerichts zudringlichem verfahr
darwider feirlichst zu protestiren und sich baldigst zum kaiserlichen reichshofrat, wo
die causa superioritatis territorialis würklich befangen ist, als nacber Wezlar * pro niandato
de non turbando in libertate commercii et lanarnm fabricae ac pannorum aptatione cum
inhibitiono de desisteudo ab omni coactione fatae libertati contraria S. C. etc. anzu-
stehen hätten.
Welches also bei der mir durch stäte interruptiones zu einer weitern ausarbeitung
abgehenden zeit zur antwort auf der unter der position des casus gestellte zwei fragen
andurch erteile mit dem, was sonsten auf den immer steigenden abtissinnlichen pruritum
quadriret.
Übrigens aber jeder bessern meinung der andern herren collegen gern beitrette.^
Aachen. W, Brüning.
4. Ein Greiizschub im 17. Jahrhundert.
Nachdem die Köuigspfalz Aachen sich zur freien Reichsstadt ausgewachsen hatte,
trotz allen bald geheim, bald ofi^en betriebenen Behinderungen, welche ihr dabei die von
Kaiser und Reich bestellten Pfleger und Schützer in den Weg lehrten, blieben ihr als
Erbschaft aus dieser schweren Evolution die stete Sorge um die Erhaltung des gewonnenen
Bestandes und die wachsame Abwehr der sich periodisch immer wieder einstellenden
*) Der Reichshofrat in Wien und das Reichskammergericht in Wetzlar waren die beiden höchsten
Reichsgerichte und standen sich mit gleichen Rechten gegenüber.
— 118 —
Angriffe, die vod augrenzenden Tcrritorialhcrren anf die ihrem Bereich zunächst liegenden
Teile des Aachener Reiches vertiht wurden. Und wie die Aachener sich ihrer Feinde und
Dränger zu erwehren suchten, bekunden heute noch die Beste der Fortifikationen und
Landwehren, die konzentrisch Stadt und Reich umschliossen, bezeugen noch die zahlreichen
aus jener Absicht erworbenen Schutz- und Freibriefe sowie noch vorhandene Aktenbändc
im Aachener Stadtarchiv. Die zwischen Aachen und seineu Grenznachbaru herrschende
Stimmung kam in reichsstädtischer Zeit am ersten da zum Durchbruch, wo auch heut-
zutage internationale Spannungen am leichtesten sich entladen, nämlich im unmittelbaren
Verkehr au der Zoll- und Staatsgrenze.
Ein Bildchen jenes Treibens im 17. Jahrhundert ist in kurzen aber kräftigen Zügen
in nachstehendem Bericht erhalten geblieben, der uns die umständlichen Formalien und
erstaunlichen Ausschreitungen erzählt, die unter bewandten Umständen die Auslieferung
eines Diebes und des beklagenswerten Zeugen von Aachen nach Brabant- Liraburg
hervorrief. Die Handlung spielt sich ab im Zeltalter des Steifleinens und der Steppröcke,
weshalb uns die übergrosse Wichtigkeit in dem vorsichtigen Gebahren unsrer Altvordern
weniger übel anmutet als das allzu derbe und herausfodernde Benehmen der „Brabänder^,
das um so abstossender wirkt, je mehr es durch das sichere und feste Auftreten der
Aachener den angeschlagenen Ton herabzustimmen sich gezwungen fühlt.
Die hier in Betracht kommenden örtlichkeiten sind das jetzige Ackorgut Hirzpley
bei Linzenshäuschon und der hinter Hirzpley belegene zweite Grenzwall der Grabenwebr
des ehemaligen Aachener Reiches:
(Aachener Stadtarchiv^
Den 23. Junii 1682.
Erschiene Jacob Mercks, gefreiter dieser statt Aach, und erclärte, daß, als er
gestern auß befelch der herren burgermeisteren und seines othciercn mit noch sieben
commandirten stattsoldaten einen sichern inhaftirteu oder arrestirten, so wegen rauburey
suspect, sambt einem kauf- oder handelßmau, welcher desselben ankleger, als von h.
lieuteuant-gouverneurn von Limburg reclamirte, an einander geklanstert, baußen unserm
der statt Aach territoir denen schützen dess lands von Limburg überliebern wollen uud
ahn dem Hirtzpley, empfangen wollen. Worauf der maiorey-secretarius dr. Aubels auf
declarantis anzeig sambt den Soldaten gesagt, daß sie selbige liebem musten bis am
eußersten iandgraben am alten schlagbaum oder da derselbe gestanden hat. Als nun
der scholtiß, so die schützen commandirt, hierwider protestirt und der maiorey socretarlus
Abels hingegen gleichfals protestirt, habe gemelter scholtiß gesagt: „Protestim und
rcverenter broechscheißen * ist kein kunst**. Worauf gemelter Aubels replicirt: ^Hola,
das soind grobe wort, die werd ich den herren vordragen**, der scholtiß aber hinwider
gesagt: er bedorfte die worter von „roverenter brochhofirn*" nit zu sagen. Auf welchem '
die maiorsdienern die gefangene auf den eußersten grentzcn unsers tenitorii loßgemacht
und selbige auf dem Limbi^gischen boden denen schützen ubcrliebert haben.
Aachen, H, KeUeter.
6. „Der Historienmaler Adam Eberle aus Aachen (1806—1832).*
Unter dieser Oberschrift enthält der 20. Band der Zeitschrift des Aachener
Geschichtsvereins einen vierseitigen Artikel des Herrn Kanonikus Dr. Beilesheim über den
hier am 27. März 1804 geborenen Maler J. A. Eberle.
Wenn Herr Dr. Bellesheim behauptet, dass Eberles Andenken hierorts verschollen
sei, so trifft das nicht zu.
Schon vor zwei Jahren habe ich über diesen Künstler einen auch von Herrn Dr.
Bellesheim am Schlusöe seines Artikels allerdings ohne jeden Hinweis auf den Inhalt
*) Das niederdeatsche broech stammt vom lat. bracca = Hose,
*) Eaphemismus f^ den ad 1 gebranohten Ausdruck.
— 119 —
vermerkten grösseren Aufsatz in der Zeitschrift ,Aas Aachens Vorzeit* veröffentlicht ^
Ich habe hier zum ersten Male das bis dahin in der gesamten Litteratnr nnrichtig
angegebene Geburtsdatum Eberles aus der Geburtsurkunde festgestellt' und auch den
vielfach unrichtig angegebenen Todestag richtig vermerkt
Wesentlich Neues hat dann auch Herr Dr. Bellesbeim nicht beizubringen vermocht
Die von ihm bei seiner Arbeit hauptsächlich benutzten, 1897 erschienenen „Erinnerungen au
Eroilie Linder" von Franz Binder sind weiter nichts als ein, soweit das Verhältnis zwischen
Linder und Eberlo in Betracht kommt, nur wenig veränderter Abdnick zweier kurz nach
Liuders Tode in Band 59 der histor.-politischen Blätter (1867) erschienener Artikel, aus denen
ich, unter genauer Angabe hiervon, alles auf Eberle bezügliche •— es handelt sich vor-
nehmlich um Briefe Eberles an E. Linder — wörtlich in meinen Aufsatz überuommen hatte.
Sonst enthält der Aufsatz des Herrn Dr. Bellesbeim manches nicht zur Sache
Geliörigc. Die erste halbe Seite bcfasst sich ausschliesslich mit E. Linder, die gar keine
Beziehungen zu unserer Vaterstadt hatte. Wozu in einer Arbeit tibcr Eberle eine vier
Zeilen starke Anerkennung dem Howitt-Biudcrschen Werke über Overbock gewidmet ist,
wird jedem, der dieses Buch kennt, unverständlich sein.
Die in einer 19 zeiligen Anmerkung wiedergesehene Geburtsurkunde Eberles ist
durch zwei Druckfehler verunstaltet'. Was in dieser Urkunde von Interesse ist, habe
ich bereits in meinem Artikel in korrekter Weise veröffentlicht. Das Original der Urkunde
ist in ein gedrucktes Formular geschrieben und jeder Interessent kann beim Staudesamt
oder auf der Gerichtsschreiberei des Landgerichts für 50 Pfennig eine beglaubigte Abschrift
der Urkunde erhalten.
Herr Dr. Bellesbeim erwähnt eines Gedichtes von Clemens Brentano, welches eine
Erklärung der Eberlcschcn Zeichnung: Petrus und Panlus auf der Fahrt nach Rom
enthält, er bringt es jedoch nur soweit, als es bei Binder (a. a. 0., S. 19) enthalten ist.
Das Gedicht weicht in der Erläuterung der Zeichnung von meiner Erkläruiig (Aus .^achens
Vorzeit, Bd. IX, S. 127) ab, weshalb ich es hier ganz folgen lasse.
Transitus Apostolorum.
Zu einem Bilde von Eberle.
Sieh! Petrus, Panlus schiffen Hand in Hand
Vom Morgenlande hin zum Abendland.
Die Gnade trägt des Glaubens Schild voran.
Und leuchtet vor auf ihrer Sendung Bahn.
Der Glaube stehend bei des Kreuzes Mast,
Mit starker Hand des Schiffes Steuer fasst,
Der Odem Gottes hoch die Segel schwellt.
Es dringt des Kreuzes Siegruf durch die Welt.
Der Lehre Saiten Gottes Engel stimmt.
In Eintracht sicher Petri Schifflein schwimmt,
Der Engel folgt mit Palme, Kreuz und Schwert,
Des Meisters Lohn sind treue Knechte werth.
Im Licht das aufging in dem Morgenland,
Glänzt römischer Bau auf abendlichem Strand.
So führt dem Auge den Hiutibergang
Und Heimgang der Apostel Kunst entlang.
») Bd. IX, S. 119- 12S. NnchtrUße zu diesem AufsatKo brachte ich Bd. X, J<. 58.
■) Abweichend von der Überschrift hiit Herr Dr. Betleshcim im Texte das richtige Geburtsdatum.
») Es muss heissen : Z. 4 v. u. PhiUip statt Philipp — Z. 3 v. u. adjoint stntt adjoin.
Aachen, Fey,
— 120 —
6. Zum Niedergang der Reichsstadt Aachen.
Im fünfzehnten Jahrhundert, der Zeit der Hltite deatscher Reichsstädte, orreiclite
auch Aachen den Gipfelpunkt seines Aufschwungs ini Mittelalter. Ein Beweis daftir ist
der siegreich durchgeführte Kampf der Zünfte um den Anteil am Stadtregiment. Die
Bürgerschaft war reich und stark genug geworden, um sich nicht länger mehr von einer
Handvoll erbrätlichcr Patrizier am Gätfgclbande führen zu lassen, die in einseitiger In-
teressenwirtschaft den demokratischen Charakter der Verfassung negierten und deren
Finanzpolitik beispielsweise ihrer Weisheit Schluss allein in der methodischen Ausbeutung
der Bürger zweiter Sorte, d. h. der produzierenden Stände fand.
Das erste Hindernis bereitete der gedeihlichen Entwickelung der politischen und
materiellen Verhältnisse die Reformation, die in ihrem Verlaufe nach so mancher Richtung
zerstörend wirkte, weil sie über die Grenzen einer an sich notwendigen Erneuerung und
Verbesserung hinausging und in das deutsche Reich wie in seine einzelnen Teile den
Zündstoff der Revolution trug. Geradezu revolutionärer Natur waren denn auch für
die Reichsstadt Aachen die Zeiten von 1533, in welchem Jahre die ersten Religionswirren
blutige Massregeln hervorriefen, bis zum Jahre 1614, wo der Spanier Spinola mit seiner
Soldateska die Ruhe und die frühere Ordnung der Dinge wieder herstellte. Es war die
Ruhe der Erschöpfung. Die Bevölkerungsziffer und der Vermögeusstand der Stadt war
in den Wirren durch Hinrichtungen, Verbannung und freiwillige Auswanderung, oft gerade
der Werte schaffenden Bestandteile der Bürgerschaft, erheblich gesunken; die Industrie,
welche beispielsweise die Erzeugnisse der Tuchfabrikation bereits gegen Ende des vier-
zehnten Jahrhunderts zu den gesuchtesten auf allen Märkten Europas gemacht hatte,
zurückgegangen oder auch teilweise ganz erloschen, wie die Waffen- und Messingfabrikation.
Dann kamen die Schrecknisse des dreissigjährigen Krieges mit der Zersetzung des Reiches,
die die alte Krönungsstadt fast vollständig vom Reichszentrum loslöste, mit ihren unaufhör-
lichen Einquartierungslasten und Drangsalen, welche die gegen die neuere Kriegsbewaflnung
wehrlose Stadt zum Spielball der beutegierigen Laune jedes Coudottiere machten, und
acht Jahre nach Beendigung des allgemeinen Unheils das besondere, geradezu vernichtende
Unglück des grossen Brandes vom Jahre 1656.
Über ein Jahrhundert hallen die Akten der Reichsstadt Aachen wieder von er-
schütternden Klagen über die Not, die durch diesen Brand über sie gekommen, und fast
bei jeder Forderung, die Kaiser oder Kreis oder Mitstände an sie stellen, ist sie ge-
zwungen, ihre Leistungsunfähigkeit durch den Hinweis auf ihre Kalamität von 1656 zu
begründen und zu entschuldigen.
Einen kleinen Beitrag zum Niedergang Aachens, dem andere inhaltsreichere folgen
sollen, liefert zu den bereits vorhandenen das nachstehende Schriftstück aus den Kreis-
akten des hiesigen Stadtarchivs. Es ist der Originalentwurf eines Briefes, der an jeden
der drei kreisausschreibenden Fürsten des niederrheinisch-westfälischen Kreises gerichtet
ist und eine Moderation der Matrikel* nachsucht.
Durchleuchtigster churfürst,
gnädigster herr, herr.
Ew. churfurstlichen durchleuchtigkeit sollen wir untcrthänigst nit verhalten und
ist weltkündtig, welcher gestalten die stadt Aachen im jähr 1656 durch eine crschröck-
liche feuersbrunst bis auf ein dritteil in rauch aufgangen: bestehendtc der schaden in
4600 und etlich fünfzig häuser, wie nit weniger, daß dieselbigo in dem jähr vier- und
fünfundsiebenzig mit einer hochbeschwerlichen einquartierung von kaiserlichen Völkern,
sodann vier jähr danach von dem königlichen französischen herrn general duc de Luxem-
bourg endlich eingenohmen und eine überaus höchstverderbliche einquartierung ausgestandten :
') Vgl. 24eit6chrift des Aachener Goitchichts Vereins Bd. XVI, S. 178.
— 121 —
welche becde einlogieruog * eine unersohwingliehe summa geldts gekost, und um selbige
aufzubringen uns eine so große Schuldenlast aufgebürdtct, davon wir das jährliche Inter-
esse kanmb beibringen können, zu geschweigen den großen verlnest unserer burgerschaft,
welche annne sich über ein dritteil der damaligen anzahl nit befändet. Wormit zugleich
auch der fürnehmste handel und wandel von uns abgewichen, der gestalt, daß noch die
übrige handelsleuto und handwcrker ihro selbsten leibesnottdurft kaumb erschwingen
können. Dannenhero unsere arme Stadt je länger je mehr in das völlige verderb nach
und nach geraten muss. Dieses nun zn herzen nehmend, indeme uns aus obrigkeitlicher
pflicht obliget, auf mittel und weg zu gedenken, wie etwan diesem ganz verderblichen
unhell vorzubüogen, und befundten, daß unser anschlag der matricul unerträglich uns
künftig fallen will: als werden wür nottdrünglich angehalten umb eine gemässene modo-
ration gebührend zu bitten. Inmassen wür uns derselben umb so viel getrösten, als in
denen gemeinen reichsabschiedten de annis 1548, 1555, 1559 und 1566 austrücklich ver-
ordnet, daß ein stand, so durch unglücklichen fahl in abnehmen geraten, derselbe im
anschlag geringert werden solle. Inmassen solches auch undterschiedtlichen andern mit-
beträngten reichsständten beschehen, und wür, aus oberzehlten höchsterheblichen ursach,
auch billich dieselbige zu suchen haben, darzn aber eure churfürstliche durchlcncht als
krcisausschreibendten fürsten ihre gnädigste recommendation nötig ist, als gelangt an
eure churfürstliche durchleucht unsere undterthänigste bitt: Sie geruhen aus einer sonder-
baren gnadt dero gnädigste recommendation an kurfürsten, fürsten, fürsten und ständte
des reichs uns mitzuteilen, welche wür verhoffen, umb so vielmehr diese von eurer chur-
fürstlichen durchleucht zu erlangen, aldioweilcn unser zu Regensburg anwesendte syndicus
uns vertröstet, dergleichen von ihro hochfürstlichen durchleucht Pfalz-Ncuburg auch zu
erlangen. Es erweisen hieran eure churfürstliche durchleucht ein werk der barmherzig-
keit, welches der allmächtige reichlich wieder belohnen und wür darumbcn dcnselbigcn
demütigst bitten wollen. Zu eurer churfürstlichen durchleucht beharrlichen gnaden mit
Vertröstung einer gewüriger gnädigster resolution uns gehorsambst bejnebenst empfehlen.
Datum Aachen, den 9. juni anno 1683.
£wr. churfürstlichen durchleuchtigkeit
bürgermeistere, scheffen und rat des königlichen stuels
und freier reichsstadt Aachen.
*) Einen Beitrag zur bisher kaum angeregten Beurteilung der rechtlichen Seite der Einquar-
tieruugsfnigo liefert nachstehende, der Reichskorrespondenz des Aachener Staitarclüvs ontnommcnu
Copia attesti
vor die löbl. kaiserl. und des heil. röm. reichs freie stadt Dortmund, die einquartierungen, auch nacht-
und stilllager in reich sstlldten betreffend.
Der kaiserl. und des hL röm. reichs freie Stadt Dortmund wird hiemit auf verlangen attestirot,
daß von rechts und gewohnheit wegen reichsstadte, welche außer ihren ringmauem territoria und
dorfschaften haben, nicht allein bei durchzUgen der kriegsvölker in ansehung der nacht- und stille-
liiger, sondern auch bei vorfallenden Winterquartieren selbige in ihren ringmaucin einzunehmen keines-
wegs schuldig und gehalten, vielmehr in ihren territoriis außerhalb anzuweisen allerdings befugt,
weniger nicht die hiezu erforderliche vorspannen, als ein annexum der quartieren und simulaorum
der frobnen, nicht sowohl von denen bürgern als denen bauern und unterthancn auf dem lande zu
praestiren und zu vorrichten seien: dannmehro, obschon dort oder da ein so anders mal das widerspiel
dem alten herkommen entgegen sich de facto zugetragen, solches jedoch entweder biosauf die genoralitHt
mler regimentsstabe und zwar aus besonderen egard vor selbige stob höchstens erstrecket oder den
aussersten notfall und summam belli rationem zum grund gehabt habe oder gar mit gewalt, deren
nicht zu widerstehen gewesen, durchsezet, wo wider aber jederzeit die triftigsten Vorstellungen und
beschwerden eingeleget, mithin sich nach roöglichkeit verwahret worden, daß demnach derglcioh
außerordentliche actus und vorfalle, wie sie an und vor sich contra regulam sind, also auch nicht pro
exemplo mit bestand angezogen werdten, noch einig recht oder observantiam imperii ausmachen mögen.
Zu welcher bekrafligung man von reichsstadtischen direotorii wegen gegenwärtige Urkunde
namens des löblichen coUegii fertigen zu lassen und hinaus zn geben nicht entstehen wollen und
können. Actum den 14. Nov. 1749.
(L. S.) Georg Septimus Deitrichs, reichsstädtischer directorial-secretarius.
Aachen, W. Brüning.
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7. Die Ankunft des Generate Dunioariez in Aachen.
Nach dem Verlust von Longwy und in dem Augenblick, als Vcrdun im Begriff
war, den Preussen seine Thore zu öffnen, erhielt Charles-Fran^ois Dumouriez das Kom-
mando La Fayettes bei der Central- Armee. Hauptsächlich sein taktischer Erfolg im
Argonner Walde und seine Kunst, zwischen den österreichischen und prenssischen Führern,
die unter sich um die Palme der Pedanterle und Unfähigkeit rangen, Misstraüen und Zwie-
tracht zu erregen, nötigten das Heer der Verbündeten, das mit einem Parademarsch nach
Frankreich den gestürzten Königsthron wieder aufzurichten vermeinte, zum traurigsten
Rückzug aus dem okkupierten Gebiet Dumouriez ist es, der diese für die Geschicke
Furopas entscheidende Wendung herbeiführte. Am 28. Oktober 1792 überschritt er die
belgische Grenze. Am 5. November gewann er mit Hülfe der Intelligenz seiner Unter-
führer und des Enthusiasmus seiner jungen Freiwilligen die Schlacht bei Jemappes, wo-
durch die Österreicher Belgien aufzugeben gezwungen wurden. Dumouriez eroberte nicht
allein die österreichischen Niederlande, sondern er bemächtigte sich auch der Grenzfestungcn
gegen Holland und bedrohte es mit ähnlichem Schicksal. Von Lüttich aus, wo das Volk
schon lange mit dem Fürstbischof in Streit lag und durch den unvernünftigen gewalt-
samen Eingriff Österreichs der Revolution geradezu in die Arme gedrängt worden war*,
zeigte der erfolgreiche General in nachstehendem Briefe seine Ankunft in Aachen an, wo
ein Teil seiner Truppen die Winterquartiere beziehen sollte*.
Liögc, 15. Dccembcr 1792.
L'an Premier de la r^publique.
Dumouriez g6u<^ral en chcf de Tarm^e belgique aux magistrats
de la ville libre d*Aix-la-Chapelle.
Citoyens.
Je me rendrai apres domain 17. ou Ic 18. au plus tard dans votre ville avcc une
partie de l'armöc de la rtjpublique fran^oisc. J*appronds que Ics cheniins sont trcs mau-
vais dans le bois d'Aix. Je vous pric de vouloir bien faire Commander des paysans dos
environs ou des habitants de la ville pour faire racommodcr le chemin cn comblent les
orni^res et mettant dos fascinages et de la terre ou des pierres dans les endroits les
plus difficilcä.
J'cspore que je trouvcrais dans votre ville Pcsprit de la libort«^ et de Ti^galitö qui
est le droit imprescriptiblc de la nature. Alors vous trouverez dans mon armee autant
d^amis et de frdrcs que de soldats.
C'cst dans cet esprit que je vous salue fraternellement
le g<Sn<3ral en chef
Dumouriez.
Unter dem Briefe von anderer Hand: Lettre du g(5ncral Dumouriez du 15. Dcc.
1792 Tan 1*' de la republique, rcndue par monsicur Aloys van Houtcm ä 4*/« heures
d* Papresmidi du 16. Dcc. 1792 cn prcscncc des bourgucmaitrcs et magistrat, dont il a
6X6 donuö au portcur un re^u.
•) Akten des Aachener Stutltarcliivs betr. ^Lütticher Insurrektion". — Vgl. diesen Jahrgang
der Mitteilungen S. 42 ff
«) Mitteilungen 8. 48 ff.
Aachen. W. Brüning.
— 123 —
Bericht über das Vereinsjahr 1898.
in der Haupt- Versammlung des „Vercius für Kunde der Aachener Vorzeit", welche
am 25. November bei zahlreicher Beteiligung im Gasthof „zum König von Spanien*^ ab-
gehalten wurde, erstattete der Vorsitzende, Herr Direktor Dr. Fritz Kelle ter, den
üblichen Jahresbericht. Er bezcicbnett das abgelaufene Vereinsjahr als ein besonders
günstiges, indem während desselben 88 neue Mitglieder dem Vereine beigetreten sind,
dessen Mitgliederzahl nunmehr 223 beträgt. Nachdem er in warmen Worten zu weiterer
reger Teilnahme an den wissenschaftlichen Bestrebungen des Vereins, wie sie in den
Monatssitzungen, den Ausflügen und in den Veröffentlichungen der Zeitschrift „Aus
Aachens Vorzeit" hervortreten, aufgemuntert, gab er einen kurzen Überblick über das
wisseriSchaftUche Leben im Verein während des Berichtjahrcs. 1898. Im Laufe desselben
sind die Haupt- Versammlung und 3 Monatssitzungen abgehalten worden. Ausserdem hat
ein Ausflug stattgefunden. In den Monatsv ersammlungen wurden folgende Vorträge
gehalten :
Mittwoch, den 20. Dezember 1807: Herr Hülfsarchivar Dr. Brüning sprach über
die Anfange der preussischen Politik in den Bheinlanden und über die Beziehungen der
Hohenzollern zu Aachen im 17. und 18. Jahrhundert. Herr Direktor Dr. Kelleter
behandelte die Finanzverhältnisse während der Befreiungskriege.
Donnerstag, den 16. Februar 1898: Herr Dr. Brüning sprach über Aachen in
ältester Zeit. Herr Vogelgesang legte der Versammlung eine Anzahl wertvoller Münzen
aus der römischen Kaiserzeit und aus dem Mittelalter vor und erläuterte ihren Wert
und ihre geschichtliche Bedeutung.
Dienstag, den 25. April: Herr Dr. Brüning hielt einen Vortrag über den geschicht-
lichen Wert der Altertumsfunde in Aachen.
Am 20. Juli unternahm der Verein einen Ausflug nach dem an historischen Erinner-
ungen wie landschaftlicher Schönheit reichen Nachbarorte Cornelimtinster. Herr Pfarrer
Heinrich Schnock verbreitete sich in einem eingehenden Vortrage über dio Anfange
des Ort«s in der Römerzeit, über die Gründung des monasterium unter Ludwig dem
Frommen und über die Geschichte der Abtei im Mittelalter. Unter der Führung desselben
Herrn wurden sodann die Abteikirche im Thale und die alte Pfarrkirche auf der Höhe
besichtigt und ihre Geschichte und Kunstschätze erläutert.
Der Erstattung des Jahresberichtes reihte sich der Bericht des Schatzmeisters über
die Kassen Verhältnisse des Vereins an.
Die finanzielle Lage ergibt sich aus folgender Zusammenstellung:*
Einnahmen:
Kaasenbestand aus dem Vorjahre M. 666.41
Sechs rückständige Jahresbeiträge „ 18.—
181 Jahresbeiträge für das Jahr 1897 . . . . „ 543.—
Zinsen der Sparkasse „ 18.30
Summa . . . M. 1245.71
Ausgaben:
Druckkosten der Vereinszeitschrift M. 291.77
Inserate „ 48,49
Porto-Auslagen „ 6.50
Kassenbestand „ 898,95
Summa . . . M. 1245.71
Die Herren Revisoren Fey und Schneider, welche die Kasse auf ihre Richtigkeit
geprüft, fanden dieselbe in bester Ordnung. Dem Schatzmeister wurde darauf unter